Mit der Laute auf dem Schoß saß er auf dem dicken Querbalken im Dachgebälk seines Hauses, ließ ein Bein locker baumeln und zupfte immerwieder eine der Saiten des Instruments. Von hier oben sah der Raum gleich ganz anders aus. So vieles wirkte anders, wenn man es mit Abstand und aus einer andren Perspektive betrachtete. In den letzten Wochen hatte sich vieles verändert. Wege waren entstanden, wo früher keine waren, während andre unerwartet geendet hatten.
Von oben betrachtet war es ein Netz aus etlichen Fäden, die ineinander verwoben waren, sich ständig neu bildeten und doch immer einen Weg offen ließen. Wenn er nicht ab und zu diese Orte aufsuchte, die es ihm einfacher machten das Ganze mit Abstand zu betrachten, war das Ende eines Weges eine Sackgasse. So war es nur ein Grund um sich umzusehen und einen neuen Weg zu entdecken.
Gedankenverloren spielte er einige Töne, eine Melodie, welche ihm schon seit Tagen im Kopf herumging. Sie war noch nicht geschliffen, doch sie brachte etwas in ihm dazu über die passenden Worte nachzudenken. Den Kopf nach hinten an einen andren Balken gelehnt, sah er hinab und schmunzelte für einen Moment. Einen Schritt zumindest hatte er getan, hatte ihn schon so oft getan. Es musste nicht unbedingt ein Rotkehlchen sein. Es ging im Grunde nur darum alles Schwere hinter sich zu lassen, sich vom Boden zu lösen und die Freiheit zu fühlen. Das, was er stets fühlte wenn er spielte, wenn er an hochgelegenen Orten war oder dort, wo er gehalten wurde und dennoch alles um sich herum vergaß.
Wie von selbst fanden sich die Worte zur Melodie, trugen sie und ließen sich von ihr mitreißen
Lass das Gewohnte hinter dir,
sag nur ein Wort, sag einfach „Los!“
Es gibt nur eine Zeit, und die ist Jetzt
Mach den ersten Schritt
Lass alles zurück, was dich hält
Zwischen den Wolken brauchst du es nicht
Wenn du dort bist, bist du schwerelos
Flieg, wo du früher gelaufen bist,
geh, wohin du niemals gingst
Träum von dem, was du nie getan hast
Schaff dir Wege, wo bisher keine waren
Flieg, wo du früher nur gelaufen bist
Flieg, wo du früher nur gelaufen bist.
Brich auf von dir gewohnten Orten,
Setz die Segel, jage den Wind,
Tu all das, was du immer tun wolltest,
Du wirst sehen wie weit das Meer reicht,
an der Grenze zum Unbekannten stehen,
Wenn du dort bist, bist du schwerelos
Flieg, wo du früher gelaufen bist,
geh, wohin du niemals gingst
Träum davon, was du nie getan hast
Schaff dir Wege, wo bisher keine waren
Flieg, wo du früher nur gelaufen bist
Flieg, wo du früher nur gelaufen bist.
Dies ist deine Zeit,
andre werden zaudern, du wirst fliegen
Dein Leben ist das, was du damit machst,
das was du daraus machst
Flieg, wo du früher gelaufen bist,
geh, wohin du niemals gingst
Träum davon, was du nie getan hast
Schaff dir Wege, wo bisher keine waren
Flieg, wo du früher nur gelaufen bist
Flieg, wo du früher nur gelaufen bist.
Lange Momente sah er nur hinab, ein Lächeln auf den Lippen, wie man es bei dem Burschen wahrscheinlich nur selten zu sehen bekommt. Die Finger auf den Saiten hielten nicht inne, führten die Melodie weiter, ließen sich von ihr treiben und ließen sie immer weiter hinauf steigen - weit über die Stadt hinweg, über die Berge, zwischen die Wolken. Nur der Wind unter den Flügeln fühlen, der Blick endlos in die Ferne gerichtet, frei.
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Jeder hat dumme Gedanken, aber der Weise verschweigt sie