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 Betreff des Beitrags: Auf dem Dach der Stadt
BeitragVerfasst: 16.11.12, 01:44 
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Auf dem Dach der Stadt

Es war womöglich ein eigenartiger Anblick für diejenigen, die unten auf der Straße entlang liefen und den jungen Mann dort auf dem Dach stehen sahen. Er hatte die Hände in die Hosentaschen geschoben und stand dort so bequem an den Schornstein gelehnt, dass er genauso gut - wie all die anderen - am Marktplatz hätte stehen können. Er sah für keinen Augenblick hinab auf das rege Treiben dort unten und nahm auch die teilweise irritierten oder kopfschüttelnden Reaktionen gar nicht wahr. Und selbst wenn, wie wären ihm wohl die Menschen vorgekommen, die dort emsig wie Ameisen umherwuselten und ihren tagtäglichen Geschäften nachgingen? Was wirkte wohl eigenartiger?

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Es kümmerte ihn aber auch gar nicht, was die anderen in diesem Moment über ihn dachten. Er mochte hohe Plätze, dort konnte man klarer denken und so leicht den alltäglichen Dingen entfliehen - auch wenn man sich nur wenige Schritte über Tares Kruste erhob.
Wobei es hier eigentlich noch nichts gab, was man als Alltag beschreiben könnte. Es war vielmehr so, dass ihm vieles wie der reinste Irrsinn erschien. Und doch, auch in all dem Durcheinander gab es besondere Momente, von denen er noch viele Stunden zehrte. Einige hatten sich inzwischen angesammelt, nicht zuletzt der Weg zu diesem wundersamen Ort heute. Es hatte ihn nicht zufällig hier hoch geführt. Hier konnte er besser über die Eindrücke nachdenken, die er in den letzten Tagen gesammelt hatte.
Er wandte den Blick hinauf zum Himmel und betrachtete die Wolken, die wohl nur selten einmal einen Bogen um die Insel machten. Er hatte sich eigentlich nie großartig mit den Elementen beschäftigt, er war ganz anders aufgewachsen und sie hatten eigentlich nie eine Rolle gespielt. Trotzdem hatte er das Gefühl in den letzten Tagen zumindest eine Ahnung davon erhascht zu haben, was manch einen dazu brachte sein Leben den Elementen zu widmen.

Vor ihm lagen nun etliche Möglichkeiten. Der Weg teilte sich auf und er verharrte immer noch an der Kreuzung und wusste nicht genau welchen er beschreiten sollte. Noch hatte er ein wenig Zeit, aber irgendwann würde er den nächsten ersten Schritt tun müssen.

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Zuletzt geändert von Felias: 13.01.13, 21:45, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Auf dem Dach der Stadt
BeitragVerfasst: 25.11.12, 03:48 
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Er atmete schwer als er über den letzten Felsgrat kletterte und schließlich der schneebedeckte Gipfel vor ihm lag. Die kalte Luft brannte in seinen Lungen und schien sie so porös zu machen, dass sie beim ersten Husten in etliche kleine Splitter zerfallen würde. Er mochte die Kälte nicht. Und doch, an diesem Abend war sie ihm willkommen. Kälte hatte immer auch etwas von Klarheit.
Womöglich war es das, was alle über diese Insel sagten. Hier ging alles viel schneller und in ganz anderen Bahnen als auf dem Festland. Hier überschlugen sich die Geschehnisse manchmal regelrecht und man kam kaum dazu über die eigenen Entscheidungen gründlich genug nachzudenken – oder überhaupt zu realisieren dass man vor einer wichtigen Entscheidung stand. Auf einmal stand man da und hatte sich entschieden, ohne es überhaupt richtig zu bemerken.

In mancher Hinsicht hatte er das Gefühl dass er rannte und rannte und kaum mehr anhalten konnte und dann wiederum kam es ihm so vor, als würde er gegen den Wind ankämpfen und jeden Schritt nach vorn mit unverhältnismäßig viel Kraft bezahlen.

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Doch nun stand er hier oben auf dem Gipfel des Berges und sah über die blendend helle Schneefläche. Der Wind pfiff ihm um die Ohren und färbte seine Wangen noch röter, als es der Aufstieg schon getan hatte. Er zitterte und schob die Hände tief in die Hosentaschen. Er hätte einen Umhang mitnehmen sollen – wieso vergaß er das jedes zweite Mal, wenn er hier hinauf stieg?
Als sein Blick so über den Ort glitt, fühlte er wie die Enttäuschung sich in seinem Innersten ausbreitete. Tief drinnen hatte er gehofft den Hohepriester hier zu treffen. Er hätte vielleicht helfen können etwas Ruhe in den Sturm in seinem Kopf zu bekommen. Doch so sank er nun einfach auf eine der schlichten Bänke und versuchte seinen schweren Atem zu beruhigen – äußere Ruhe war stets ein guter Anfang um auch innere Ruhe zu finden.

Und bevor seine Gedanken ganz abtrieben, dachte er noch daran dass er bei seinem plötzlichen Verschwinden aus dem Haus doch seine Laute hätte mitnehmen sollen. Das half auch. Und hier würde ihn gewiss niemand hören.

… er bleib die ganze Nacht.

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 Betreff des Beitrags: Re: Auf dem Dach der Stadt
BeitragVerfasst: 29.11.12, 03:27 
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Tick…
Der Bursche saß an die niedrige Trennwand gelehnt auf dem Boden und betrachtete gedankenverloren die große Standuhr. Schon eine ganze Weile folgte sein Blick dem Pendel, wie es im immer selben Takt hin und her schwang und die etlichen kleinen Rädchen im Inneren der Uhr antrieb.
Tack…
Schon als kleines Kind hatten ihn Uhren fasziniert. Er hatte nur noch wenige Erinnerungen an sein Elternhaus, er konnte sich nicht mehr an die Gesichter seiner Eltern oder seines Großvaters erinnern – sie waren nur graue Schemen. Aber er erinnerte sich noch an die große Uhr, die in der Wohnstube gestanden hatte. Das Meisterstück seines Großvaters. Wie oft hatte er davor gesessen und fasziniert beobachtet wie die Zeit verging und wie dieses wundersame Ding es nur allzu deutlich aufzeigte.

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Tick…
Hier schien es ihm als würde die Zeit auf eine andere Weise vergehen. Mal raste sie voraus und mal zog sie sich zäh wie Teer. Doch wenn er das Pendel betrachtete, wurde ihm doch wieder bewusst, dass sie stets im selben Tempo verstrich und es wahrscheinlich nur seine persönliche Wahrnehmung war, die sich änderte.
Tack…
Jeder Atemzug schmerzte und er fuhr mit der Hand über seine Seite und presste sie fest auf die geprellten Rippen. Die Salbe hatte zwar ein wenig geholfen, doch nun, wo alle Anspannung fort war und er nichts mehr zu tun hatte, schob sich der Schmerz wieder weiter nach vorn in seinem Bewusstsein. Er konnte noch nicht schlafen, er wollte es auch eigentlich gar nicht.
Tick…
Das was er an Uhren eigentlich am meisten mochte war, dass sie nie stehenblieben – zumindest nicht wenn man sich richtig um sie kümmerte. Sie waren immer in Bewegung. Sie gingen nie zurück. Er erinnerte sich, wie er als Kind manchmal davon geträumt hatte, wie es wäre wenn die Uhren auf einmal rückwärts laufen würden und alle Menschen rückwärts sprechen würden, rückwärts gehen würden und immer jünger werden würden. Einerseits war die Vorstellung für den Knaben ziemlich lustig gewesen, aber andererseits hatte es ihm auch Angst gemacht. Er würde ja viel früher sterben müssen als seine Eltern oder sein Großvater.
Tack…
Es war beruhigend zu wissen dass es immer weiterging. Es gab nie Stillstand. Egal was geschieht, es geht immer irgendwie weiter. „Irgendwie kommt man aus jedem Schlamassel wieder heraus“ klangen die Worte des Hohepriesters in seinen Ohren nach. Irgendwie. Er holte einmal tief Luft – zumindest so tief, wie es seine Rippen zuließen. Es geht immer weiter.
Tick…
Und wenn es hier schiefging, dann konnte er immer noch einen anderen Weg gehen. Er würde einfach fort gehen, seine sieben Sachen packen und sich treiben lassen. Er würde selbst entscheiden wohin er gehen würde – das allererste Mal in seinem Leben wirklich. Er schloss die Augen und träumte sich davon, zumindest für diesen Abend.
Tack...
Dass sich dabei allerdings auch ab und zu ein Gesicht in seine Gedanken stahl, eines was ihm in der letzten Zeit immer vertrauter geworden war und welches ungewohnte und irritierende Gefühle in ihm auslöste, störte die besinnlichen Träume ein wenig. Er versuchte es etwas beiseite zu drängen, das konnte er eigentlich gar nicht brauchen. Eigentlich.
Tick…
Er hätte heute Abend gerne noch das Haus verlassen, hätte die Insel erkundet und hätte vielleicht den ein oder anderen verwunschenen, schönen, geheimnisvollen Ort gefunden und dort die Nacht verbracht, aber er fühlte sich zu erschöpft um auf seinen Beinen diese Reise anzutreten. Und so trieb er sich nur in Gedanken herum, begleitet vom unendlichen Tick-Tack des Uhrwerks.
Tack...

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 Betreff des Beitrags: Re: Auf dem Dach der Stadt
BeitragVerfasst: 30.11.12, 15:08 
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Er saß nun schon eine ganze Weile auf dem umgestürzten Baumstamm und verfolgte das Spiel des Windes mit den herabgefallenen Blättern der Bäume. Mal übermütig wie ein kleines Kind, mal ermutigend, auffordernd wie die Hand eines Vater, strich der Wind über die Blätter, hob sie vom Boden und trug sie mit sich.
Neben ihm, an den massiven Stamm gelehnt, stand die Laute. Sie war noch in die schützende Hülle aus festem Leder gehüllt, und doch strich sein Blick immer wieder an diesem Abend zu ihr. Er hatte so lange nicht mehr gespielt. Allzu oft hatte er sich versucht gesehen sie wieder zur Hand zu nehmen, eine Melodie zu spielen, das was er so oft nicht aussprechen konnte in Klänge zu hüllen. Aber es hielt ihn stets etwas zurück. Furcht womöglich. Furcht davor es wieder nicht zu schaffen.

Gerade heute fiel es ihm besonders schwer die Laute nicht zu nehmen und das Ungreifbare in seinem Kopf mit der Musik hinauszulassen. Er war aufgewühlt. Das nach so kurzer Zeit schon viel zu vertraute Gesicht, wollte nicht aus seinem Kopf verschwinden und es ärgerte ihn. Es ließ ihn unaufmerksam werden und schwach. So fühlte er sich zumindest jedes Mal wenn er es betrachtete, oder daran dachte.
Unwirsch trat er nach dem Blätterhaufen vor seinen Füßen und sofort fuhr der Wind hinein und wirbelte die Blätter umher, trieb sie ihm ins Gesicht als wolle er ihn ärgern und seinen kindischen Zorn auf neckische Weise strafen. Er spuckte ärgerlich aus und ließ kurz darauf die Schultern hängen.
Das Bedürfnis zu spielen wäre wahrscheinlich nicht so übermächtig, wenn er nicht wenige Zyklen vorher dem Barden gelauscht hätte. Zuerst hatte er ihm nichts zugetraut. Seine Art war ihm unangenehm aufgestoßen und bei so jemandem hatte er nicht vermutet, dass er in der Lage war mehr als nur Gassenhauer zu spielen – wenn überhaupt.

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Nach einem kurzen Zögern nahm er die Laute hoch, befreite sie von ihrer Hülle und griff behutsam um den Steg. Seine Finger fügten sich wie von selbst in die richtige Haltung und als er mit der anderen Hand sacht die Saiten anschlug, spürte er wie das Instrument unter seiner Berühung zum Leben zu erwachen schien. Der Ton verklang in der kühlen Luft des späten Bellumstages und gleichsam erwartungsvoll schien alles darauf zu harren den nächsten Ton zu vernehmen. Doch er ließ die Hand sinken, hielt die Laute nur noch mit der Rechten und betrachtete mit zusammengezogenen Brauen seine Linke. Er bewegte die Finger, ballte die Hand zur Faust und löste sie wieder. Immerwieder. Bis er die Hand einmal ausschüttelte – sie wollte einfach nicht so wie er wollte. Er fühlte sich für einen Moment als würde etwas in seinem Innersten zusammengequetscht. Er schaffte es schon wieder nicht.

„Wenn dir etwas vorschwebt, tust du es. Lass dir nicht ausreden dass du Herr deines eigenen Schicksals bist.“ So hoch gegriffen die Worte vielleicht waren, so wenig passend für dieses Problem, so tief hallten sie nun in ihm nach. Er wollte nicht aufgeben.
Abermals legte er seine Hand an den Steg, die Fingerkuppen auf die Saiten und ignorierte das Ziehen, welches seine Finger zu blockieren schien. Er stimmt ein, zwei Saiten nach, spannte die Finger an und spielte ein paar leise, improvisierte Töne und ging dann so unmerklich in eine Melodie über, dass er es erst wirklich bemerkte, als er schon mitten darin war. Sie war nicht perfekt. Ab und zu vergriff er sich, weil seine Finger sich sträubten, aber es half dennoch. Dieses Mal würde er nicht aufgeben.

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 Betreff des Beitrags: Re: Auf dem Dach der Stadt
BeitragVerfasst: 4.12.12, 19:17 
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Die Glut im Kamin warf schummrige Muster aus Licht und Schatten an die Wände und Möbel, untermalte mit ihrem leisen Knistern und Knacken die ansonsten vollkommen ruhige Szenerie und legte sich ebenso als warmer Schimmer auf die Haut des Burschen.
Auf dem Boden verteilt lagen einige Kleider, achtlos fallengelassen, und dazwischen eine schlichte Klinge. Noch immer glänzte ihr Griffleder dunkler vom Schweiß, der noch nicht ganz getrocknet war. Der Bursche allerdings lag in Hemd und Leinenhose quer auf dem Bett, als hätte er nicht einmal mehr die Kraft gehabt sich unter die Decke, oder auch nur richtig aufs Laken zu legen.

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Wenige Zyklen davor hatte er seine erste richtige Lektion als Krieger-Lehrling hinter sich gebracht. Zu zweit waren sie - nach nicht mal 3 Stunden Schlaf - die Wege der Insel entlang gelaufen, immer unter der steten Ermahnung seines Lehrers nicht schlapp zu machen, noch ein wenig schneller zu laufen, die Arme richtig zu halten, die Beine höher zu heben. Und als er schon dachte, dass seine Beine ihn nicht mehr tragen würden und die Schmerzen in seiner Schulter ihn umbringen würden, ging es weiter damit einige dicke Feldsteine zu heben. Immer und immer wieder hinauf. Zum Glück konnte er dabei die linke Schulter ein wenig schonen – das Hauptaugenmerk lag eindeutig auf seinem Schwertarm. Er hatte nicht einmal gewusst dass er so viele Muskeln hatte, die ihm wehtun konnten. Als er den Stein dann mehr fallen ließ als ihn wirklich zu heben, ging es wieder zurück im Laufschritt. Ein paarmal war er gestrauchelt, hatte sich die Handballen und Knie aufgeschürft nur um dann noch verbissener weiter zu machen.
Endlich waren sie bei der Kriegerschule am Wall angekommen und er war auf einen Baumstumpf gesunken. Sein Herz und seine Lungen schienen noch nicht recht verstanden zu haben dass die Marter des Laufens vorbei war, denn er kam kaum zu Atem und sein Herz schlug ihm fast schmerzhaft im Hals. Es war jedoch nur ein kleiner Moment der Rast gewesen, dann hatte ihn sein Lehrer zur Waffe gerufen. Ausgangsposition – die Beine ein wenig weiter auseinander, das Rechte etwas nach vorn, das Handgelenk steif halten um das Schwert als natürliche Verlängerung des Armes zu führen, Angriff. Schon beim zweiten Schlag fiel ihm die Klinge aus der Hand. Doch anstatt es für den Tag sein zu lassen, hob er das Schwert wieder auf und machte weiter. Der Schweiß lief ihm über das Gesicht, ließ das Haar an seiner Stirn kleben und das Hemd an seinem Oberkörper.
Mehrmals erreichte er an dem Morgen den Punkt, an dem er sicher war dass er nicht mehr weiter konnte, doch es ging immer noch ein kleines Stückchen weiter. Doch irgendwann hatte auch dies ein Ende. Er schlurfte nach Hause und ohne viel Federlesen fiel er auf das Bett und war beinahe sofort in einen erschöpften Schlaf gesunken.

Im Traum holten ihn die Ereignisse der letzten Tage ein - die Schlacht, die Sorge, die Angst, die Selbstvorwürfe und schließlich die beinahe überwältigende Erleichterung. Er hatte beinahe auf offener Straße angefangen zu heulen, als die Anspannung von ihm abgefallen war. Ab diesem Moment war ihm auch egal gewesen dass seine Schulter bei jedem Schritt schmerzte oder sich sein ganzer Körper anfühlte, als wäre er zwischen Mühlsteine geraten.

Er wusste wieso er sich die Qual antat. Das nächste Mal würde er nicht nutzlos daneben stehen oder fliehen.

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 Betreff des Beitrags: Re: Auf dem Dach der Stadt
BeitragVerfasst: 8.01.13, 16:38 
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Unwirsch trat der Bursche gegen eine der Schneewehen, welche sich vor dem Haus aufgetürmt hatten und beständig zu wachsen schienen. Die weiße Pracht zerstob und hüllte für einen Herzschlag lang sein Sichtfeld in weißen Staub. Ein unbeherrschter, ärgerlicher Laut drang dabei aus seiner Kehle und er pfefferte seinen Kleidersack auf den Boden neben das wartende Pferd, bevor er sich auf das Bündel setzte und die Stirn auf den Händen abstützte.
Gerade erst waren die dunklen Tage vorbei, er hatte sie erstaunlich unversehrt überstanden und war froh gewesen dennoch einen kleinen Beitrag geleistet zu haben. Sicher, er wurde von vielen nicht für voll genommen und in mancher Hinsicht hatten sie wahrscheinlich auch Recht, aber er hatte dennoch seinen Teil getan. Und er würde weiter lernen und sich irgendwann auch noch nützlicher einbringen können. Es hatte alles so gut ausgesehen.

Und jetzt? Jetzt hatte er sein Haus verloren. Er konnte nicht mehr dort bleiben, es war viel zu gefährlich. Zumindest vorerst. Vielleicht konnte er die Schlösser wechseln lassen – falls ihm das Haus zugesprochen wurde. Aber bis es soweit war, musste er mit seinem Bündel irgendwo anders unterkommen. Er war viel zu blauäugig gewesen und das war es, was ihn am meisten ärgerte. Wie hatte er glauben können, dass es so einfach sein würde hier auf der Insel einen neuen Anfang zu machen?
Er rappelte sich auf, packte den Sack und verschnürte ihn am Sattel des Pferdes, bevor er nach den Zügeln griff und es durch die menschenleeren Straßen der Stadt führte. Die meisten waren schon schlafen gegangen, erholten sich von den Schrecken der dunklen Tage oder kurierten ihre Wunden aus. Hier und da sah man noch die Blutspuren am Boden – ob sie nun von den Kreaturen oder den Streitern stammten, sie zeichneten ein lebhaftes Bild der Kämpfe.

Wie nebenbei hatte es geklungen „Ihr wisst um den Majordomus?“. Was sollte er wissen? Er war seit kurzem sein Gehilfe im Schloss und hatte sein Haus in der Stadt bewohnen dürfen, weil der Majordomus selbst es eigentlich nicht brauchte. Er hatte sich glücklich geschätzt. Und dann? „Nun, der Majordomus hat sich als Schwarzmagier entpuppt und ist für den Tod des Ersonter Grafens in direkter Weise verantwortlich.“ Er hatte geglaubt nicht richtig zu hören. Tausend Gedanken wirbelten in seinem Kopf herum. War er in Gefahr? Würde er im Haus bleiben können? Hatte er unwissentlich seinen Teil dazu beigetragen? Er durchforstete seine Gedanken und sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Er würde nun helfen müssen – er würde seinen Teil tun. Ihnen Zugang zum Haus verschaffen, damit sie es nach verdächtigen Sachen durchsuchen konnten. Womöglich könnte ihnen auch das Wissen um die ein oder andre Gewohnheit des Majordomus helfen. Aber kannte er den Majordomus überhaupt gut genug um wirklich helfen zu können?

Inzwischen ritt er durch die verschneite Landschaft nach Seeberg. Die Möglichkeit bei den Löwen in ihrer Unterkunft in der Seeberger Burg unterzukommen war ihm nur recht. Der Schlafsaal hatte ihm noch nie wirklich behagt. Er würde in den kommenden Tagen zum Rathaus in Falkensee müssen – vielleicht konnte er das Haus übernehmen? Oder ein eigenes mieten?
Nachdem er das Pferd versorgt, sein Bündel über die Schulter geworfen, und den Turm gefunden hatte, der ihm beschrieben worden war, setzte er sich dort ans Fenster und sah still heraus. Um ihn herum lagen die meisten Streiter bereits in ihren Betten und die leisen Geräusche, eines Zimmers voller schlafender Menschen, drangen dumpf an sein Ohr. Sein Blick ging gedankenverloren über die Landschaft. Er mochte hohe Orte. Doch was würden die nächsten Tage bringen und wo würde er dann sein?

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 Betreff des Beitrags: Re: Auf dem Dach der Stadt
BeitragVerfasst: 10.01.13, 14:41 
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Schon wieder fiel Schnee, legte sich neuerlich auf die gerade geräumten Wege zwischen den Häusern und dämpfte die Schritte auf den kalten Pflastersteinen. Vereinzelte Lichtinseln in Form von Straßenlaternen erhellten die Gassen, während er mit hochgezogenen Schultern und tief in die Hosentaschen geschobenen Händen seinen Weg ging. Er fror. Er hatte seinen Umhang im Gardeturm liegen lassen und die andern Umhänge waren in diesem verfluchten Haus, in welches er jetzt sicher keinen Schritt wagen würde – vor allem nicht alleine. Es wäre das einfachste gewesen direkt in die Unterkunft zu gehen, die Türe hinter sich zu schließen und zu schlafen. Aber er würde ohnehin keine Ruhe finden – da war er sich sicher.

Der harsche, gefrorene Schnee vom Vortag knirschte unter seinen Stiefeln, als er weiter ziellos durch die Straßen wanderte. Unstet, das war wahrscheinlich das richtige Wort – oder aufgewühlt. Er fuhr sich unwirsch durch das ohnehin etwas verwuschelte Haar und sah zum bleigrauen Himmel auf. Er musste hier raus. Wenn er sich genug bewegte, würde ihm schon warm werden.
Während er seine langen Schritte zum Westtor wandte, ging ihm das Gespräch des Abends immerwieder durch den Kopf. Über zwei Zyklen hatten sie miteinander geredet. Über alles Mögliche. Es war angenehm mit jemandem zu reden, der in einem ähnlichen Alter, und trotzdem sowas wie ein Vorbild war. Die Sorgen waren im Laufe des Abends etwas in den Hintergrund getreten und er hatte diese verdammte Geschichte mit dem Majordomus für eine Weile etwas aus seinen Gedanken verdrängen können. Sie hatten gescherzt und gelacht, hatten sich innerhalb dieser Stunden mehr erzählt, als andren innerhalb von Monden. Und dann? Irgendetwas war passiert und er verstand es einfach nicht. Was war passiert? Wann hatten die Scherze auf einmal angefangen einen ernsteren Beiklang zu bekommen?

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Kurz hinter dem Westtor blieb er stehen. Hier draußen merkte man noch viel deutlicher wie sehr der Morsan die Insel im Griff hielt. Schnee überall, es war alles viel stiller. Gedankenverloren rieb er sich mit einer Hand über den Nacken. Er hatte an dem Abend mehrfach den Eindruck gehabt, dass er ihn nun hinauswerfen würde weil es spät wurde, aber es war nicht dazu gekommen. Stattdessen waren sie noch zu ihm gegangen. Stunde um Stunde war verstrichen wie Nichts und dann war es einfach so vorbei gewesen – von Jetzt auf Gleich. Hatte er irgendetwas falsch gemacht?

Er schauderte und bemerkte erst jetzt, dass ihm die Zähne klapperten. Verdammte Kälte. Irgendwie musste er sich aufwärmen und vor allem zur Ruhe kommen.
Er fing an zu laufen. Erst am Dorf der Halblinge vorbei, dann über die Brücke auf der seine Schritte dumpf vom Holz widerklangen und schließlich durch die weißen Wälder. Der Atem gefror vor seinem Gesicht zu hellen Wolken, seine Füße hinterließen Spuren im frischen Schnee und langsam fand er zumindest ein wenig Ruhe in seinen Gedanken. Die Anstrengung half.

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 Betreff des Beitrags: Re: Auf dem Dach der Stadt
BeitragVerfasst: 12.01.13, 06:55 
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Mühsam holte er Luft, sie schien so zäh und füllte seine Lungen nicht richtig. Irgendetwas presste ihm den Brustkorb zusammen, Angst schnürte ihm die Kehle zu und lag wie ein schwerer Stein in seinem Magen. Er zitterte. Kalt. Viel zu kalt. Er hatte die Arme eng um sich geschlungen und versuchte die verzweifelten Schluchzer zu unterdrücken, die sich in ihm aufbauten. Nur wenige Meter weiter lagen einige Löwen in tiefem Schlaf. Er blieb stumm und bezahlte die Stille mit dem unkontrollierten Beben seines Körpers.

Er verstand es nicht. Was war da passiert, wieso er? Er hatte doch nur ausgesprochen, was er gedachte hatte „Lass ihn in Frieden.“ Die Gestalt mit dem schwarzgeäderten Schwert, das Torhaus, die Schreie wenn Schwert auf Schwert traf. Diese Schreie klangen ihm immernoch in den Ohren nach. Er presste sich die Hände auf die Ohren. Er wollte die Schreie nicht mehr hören und auch nicht das mahnende Flüstern „Misch dich nicht ein.“ Als ob er eine Gefahr sein könnte, als ob er auch nur irgendetwas ausrichten konnte. Er hatte den Dolch dennoch gegriffen. Das Griffleder hatte sich vertraut angefühlt, ein wenig Sicherheit gegeben. „Halt dich raus!“ das zweite Flüstern war energischer gewesen, als er schon den ersten Schritt gemacht hatte um sich vor die Frau zu stellen.

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Er zitterte am ganzen Körper, auch wenn es nun nicht mehr nur die Kälte war, nicht die klammen, eisigen Stofflagen auf seiner Haut. Er hatte sich heraus gehalten. Er hatte nicht eingegriffen. Es war kaum etwas passiert. Klinge war auf Klinge getroffen, flüchtige Schrammen nur auf der Haut der Anwärterin. Doch als sich die Gestalt dann wieder dem Getreuen zugewandt hatte, hatte er eingegriffen, ausgesprochen was er gedacht hatte. „Lass ihn in Frieden.“ Einen kleinen Teil der Worte, die schon während des ganzen Kampfes in seinem Kopf herum geschwirrt waren. Lass ihn nicht Frieden. Er hat nichts getan. Verschwinde einfach.

Tonlos liefen ihm die Tränen über die kalkweißen Wangen. Er fühle sich so kraftlos. Die letzten Tage hatte er kaum geschlafen, kaum gegessen, war zwischen Aufregung und Angst gewechselt, wie zwischen Hell- und Dunkelzyklen. Hatte Herzklopfen und lähmende Angst innerhalb weniger Stunden verspürt. Er hatte sich bohrenden Fragen gestellt und immer und immerwieder das gesagt, was er wusste. Er wollte alles tun. Er wollte helfen. „Lass ihn in Frieden.“ Er wollte doch nur helfen. Er dachte nicht dass er irgendetwas bewirken würde, er wollte doch nur…

„… wie ihr wünscht, Meister.“

Es wurde schwarz um ihn und er sank auf dem Boden vor der Gemeinschaftsschlafstube der Löwen zusammen. Der letzte Gedanke galt jedoch einem andren Gesicht. Stumm flehte er es herbei.

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 Betreff des Beitrags: Re: Auf dem Dach der Stadt
BeitragVerfasst: 16.01.13, 15:08 
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Das fast dunkelrot wirkende Licht der Glut im Kamin erhellte den Raum, erfüllte ihn mit einer angenehmen Wärme und ließ ihm die Augenlider schwer werden. Zu hören waren nur das gelegentliche Knacken des Holzes und die ruhigen, gleichmäßigen Atemzüge. Er war müde, er war in den letzten Tagen fast immer müde gewesen und gleichzeitig so unruhig. Die Gedanken an die letzten Ereignisse begleiteten ihn in den Schlaf, der ihn wie eine dunkle Decke nach und nach enger einhüllte und Gedanken in Träume übergehen ließ.

Ohrenbetäubend war das Krachen, als Klinge auf Klinge schlug und qualvolle Schreie die Luft zerrissen. Die Erinnerung an tausende Tode, Schlachten und Meere aus Blut strömten auf ihn ein und ließen sein Herz schneller schlagen, seinen Atem unstet werden. Er sah über die Felder aus Blut und Tod, spürte die Anwesenheit der Klinge aus schwarzgeädertem Stahl, den Geschmack nach Metall auf seiner Zunge und den brennenden Geruch von glühendem Stahl in der Nase.
Sein Blick wandte sich auf den Boden zu seinen Füßen, er stand knöcheltief im blutgetränkten Gras, welches schon lange seine grüne, frische Farbe verloren zu haben schien und unter seinen Schritten leise, schmatzende Geräusche verursachte. Er wagte es nicht den Blick zu heben. Nur ein Schritt vor den anderen, den Ruf des Schwertes im Ohr und er wusste nicht ob er ihm folgte oder vor ihm floh.
Auf einen kehligen Schrei eines Vogels hin, hob er den Blick zum schwefelgelben Himmel und für einen Momente spürte er so etwas wie Erleichterung. Galtors Schwingen zogen bereits ihre Kreise über dem Schlachtfeld und würden die Seelen der Gefallenen sicher mit sich tragen, heim in Morsans Hallen.
Ein weiteres Krächzen riss ihn aus dieser tröstlichen Illusion in all dem Grausen. Einer der schwarzen Vögel stieß hinab und direkt auf den Leib eines vor ihm liegenden Toten. Es war kein Rabe – es war eine Krähe, ein Aasfresser, ein Schlachtentümmler der sich am Leid des Krieges labte. Spitze Krallen rissen die grausige Bauchwunde des Gefallenen auf und mit abgehackten Bewegungen begann das schwarzgefiderte Tier sich über die Innereien herzumachen. Ihm wurde übel als sich der Blick aus den schwarzen Augen des Vogels auf ihn richtete, sie waren so tief und schienen fast so als würde er tief in sie fallen und nie wieder aus dem schwarzen Abgrund auftauchen können. Schnell wandte er sich ab.
Das Schwert rief immer noch. Er taumelte weiter und sein Blick irrte wie im Fieberwahn über die hingestreckten Leiber. Das hier waren keine Soldaten, kein namenloses Heer. Das hier waren bekannte Gesichter. Manche hatte er nur einmal flüchtig auf dem Markt gesehen, andre waren ihm vertrauter. Freunde aus Kindertagen, die mit abgetrennten Gliedern und gebrochenen Blicken im rostroten Gras lagen oder sein Großvater, aus dessen Mund noch schaumiges Blut quoll, als er röchelnd die Hände um den aufgetrennten Hals schlang. Er hatte nicht mehr die Kraft genauer hinzusehen, er wankte weiter. Das Schwert. Er hörte dumpf die Schläge von Hammer auf Stahl. Er spürte regelrecht wie es mit jedem geführten Streich weiter geschmiedet wurde, das Blut auf der Klinge zu singen schien. Es schmerzte.

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Als er abermals den Blick hob, sah er es. Dunkel vom Blut, vom fahlen Schein irgendwo dahinter beschienen, steckte das Schwert im Herzen eines Toten und wiegte sich im Wind, der über das grausige Totenfeld strich.
Ohne es wirklich zu wollen richtete sich sein Blick auf das erstarrte und verzerrte Gesicht. Es war von Qualen gezeichnet und der Schrecken stand in den weit aufgerissenen Augen. Seinen Augen.

Mit einem Schrei fuhr er aus dem Schlaf hoch. Er krümmte sich zusammen und versuchte den Schmerz tief in seiner Brust zu ertragen. Nein. Tränen liefen ihm heiß über die Wangen. Nein.

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 Betreff des Beitrags: Re: Auf dem Dach der Stadt
BeitragVerfasst: 19.01.13, 13:11 
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Scharf pfiff der Wind über die weiße Schneefläche, wirbelte etwas von dem leichten Neuschnee auf und trieb ihn in Schwaden vor sich her. Steile Felsnasen verwirbelten ihn wieder, durchbrachen das Spiel des Windes und ließen die Flocken wie trockenes Herbstlaub tanzen.
Die beiden Adlerstatuen sahen unbewegt und majestätisch über den schneebedeckten Gipfel und noch weiter, über die Insel zu Füßen des Berges hinab. Friedlich war es hier, meist sogar einsam. Gelegentlich verirrte sich ein Wanderer hierher oder fand ein Pilger den Weg zu dem abgeschiedenen Schrein so weit oben auf dem Berg. Manchmal kam es sogar tatsächlich vor, dass jemand nicht alleine hier hinauf kam, oder dass jemand dazu kam. Dann wurden über den rauschenden Wind hinweg Gespräche geführt. Die Adler nahmen all dies mit Gleichmut hin.

Doch heute störte etwas das Bild. Selbst jetzt, nachdem das Chaos sich aufgelöst hatte, die Einsamkeit den Gipfel wieder umhüllte, sprachen die roten Flecken auf der weißen Pracht eine deutliche Sprache. Noch hatte kein frischer Schneefall die Spuren verdeckt – zu klar war der Himmel nach dem abendlichen Unwetter und noch immer schien das Licht beider Monde klar und silbrig auf den aufgewühlten Schnee und die roten Blutspuren - die Zeugen eines Kampfes.

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Nur wenige Stunden zuvor war der Gipfel alles andre als friedlich und ruhig gewesen. Schreie waren über das Plateau gehallt, Klingen gezogen und fremdländische Worte mit grausamer Kälte gezischt worden.
Weit unten aber, unter einem der Dächer im Gewirr der Stadt, lag der Bursche im erschöpften Schlaf. Schemenhafte Bilder zogen in Träumen durch seinen Geist, doch kamen sie nicht ganz an ihn heran. Zu tief der Schlaf, zu groß Müdigkeit und Erschöpfung. Für heute war es nun friedlich.

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 Betreff des Beitrags: Re: Auf dem Dach der Stadt
BeitragVerfasst: 9.02.13, 23:40 
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Mit der Laute auf dem Schoß saß er auf dem dicken Querbalken im Dachgebälk seines Hauses, ließ ein Bein locker baumeln und zupfte immerwieder eine der Saiten des Instruments. Von hier oben sah der Raum gleich ganz anders aus. So vieles wirkte anders, wenn man es mit Abstand und aus einer andren Perspektive betrachtete. In den letzten Wochen hatte sich vieles verändert. Wege waren entstanden, wo früher keine waren, während andre unerwartet geendet hatten.
Von oben betrachtet war es ein Netz aus etlichen Fäden, die ineinander verwoben waren, sich ständig neu bildeten und doch immer einen Weg offen ließen. Wenn er nicht ab und zu diese Orte aufsuchte, die es ihm einfacher machten das Ganze mit Abstand zu betrachten, war das Ende eines Weges eine Sackgasse. So war es nur ein Grund um sich umzusehen und einen neuen Weg zu entdecken.

Gedankenverloren spielte er einige Töne, eine Melodie, welche ihm schon seit Tagen im Kopf herumging. Sie war noch nicht geschliffen, doch sie brachte etwas in ihm dazu über die passenden Worte nachzudenken. Den Kopf nach hinten an einen andren Balken gelehnt, sah er hinab und schmunzelte für einen Moment. Einen Schritt zumindest hatte er getan, hatte ihn schon so oft getan. Es musste nicht unbedingt ein Rotkehlchen sein. Es ging im Grunde nur darum alles Schwere hinter sich zu lassen, sich vom Boden zu lösen und die Freiheit zu fühlen. Das, was er stets fühlte wenn er spielte, wenn er an hochgelegenen Orten war oder dort, wo er gehalten wurde und dennoch alles um sich herum vergaß.
Wie von selbst fanden sich die Worte zur Melodie, trugen sie und ließen sich von ihr mitreißen

Lass das Gewohnte hinter dir,
sag nur ein Wort, sag einfach „Los!“
Es gibt nur eine Zeit, und die ist Jetzt
Mach den ersten Schritt
Lass alles zurück, was dich hält
Zwischen den Wolken brauchst du es nicht
Wenn du dort bist, bist du schwerelos

Flieg, wo du früher gelaufen bist,
geh, wohin du niemals gingst
Träum von dem, was du nie getan hast
Schaff dir Wege, wo bisher keine waren
Flieg, wo du früher nur gelaufen bist
Flieg, wo du früher nur gelaufen bist.

Brich auf von dir gewohnten Orten,
Setz die Segel, jage den Wind,
Tu all das, was du immer tun wolltest,
Du wirst sehen wie weit das Meer reicht,
an der Grenze zum Unbekannten stehen,
Wenn du dort bist, bist du schwerelos

Flieg, wo du früher gelaufen bist,
geh, wohin du niemals gingst
Träum davon, was du nie getan hast
Schaff dir Wege, wo bisher keine waren
Flieg, wo du früher nur gelaufen bist
Flieg, wo du früher nur gelaufen bist.

Dies ist deine Zeit,
andre werden zaudern, du wirst fliegen
Dein Leben ist das, was du damit machst,
das was du daraus machst

Flieg, wo du früher gelaufen bist,
geh, wohin du niemals gingst
Träum davon, was du nie getan hast
Schaff dir Wege, wo bisher keine waren
Flieg, wo du früher nur gelaufen bist
Flieg, wo du früher nur gelaufen bist.


Lange Momente sah er nur hinab, ein Lächeln auf den Lippen, wie man es bei dem Burschen wahrscheinlich nur selten zu sehen bekommt. Die Finger auf den Saiten hielten nicht inne, führten die Melodie weiter, ließen sich von ihr treiben und ließen sie immer weiter hinauf steigen - weit über die Stadt hinweg, über die Berge, zwischen die Wolken. Nur der Wind unter den Flügeln fühlen, der Blick endlos in die Ferne gerichtet, frei.

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 Betreff des Beitrags: Re: Auf dem Dach der Stadt
BeitragVerfasst: 12.04.13, 13:43 
Einsiedler
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Matt schlug er die Augen auf und blinzelte im Zwielicht des kargen Raumes. Viel konnte er nicht erkennen, denn die dunklen Mauern schienen auch das wenige Licht, dass nur indirekt in den Raum fiel, noch zu schlucken. Mühsam rappelte er sich auf. Er trug noch immer die Uniform, auch wenn sie sich anfühlte als wäre sie schon kaum noch als solche zu erkennen. Nass und irgendwie modrig hing sie an ihm herab und verströmte einen unangenehm fauligen Geruch. Er versuchte so flach wie möglich zu atmen und tastete sich an der Wand entlang in Richtung der diffusen Lichtquelle. Sein Kopf dröhnte, als wäre ihm eine Herde Orken darüber getrampelt und immer wieder überfiel ihn ein Schwindelgefühl. Jetzt bloß nicht aufgeben, redete er sich gut zu. Schritt für Schritt wagte er sich weiter vor und kam schließlich an eine Öffnung in der Mauer – sie hatten seine Zelle, wenn es denn eine Zelle war, nicht einmal verschlossen.

„Welchen Preis bist du bereit zu zahlen?“ dröhnte die unangenehme Stimme in seinem Kopf, sie machte sich gar nicht erst die Mühe den Umweg über seine Ohren zu nehmen. Er zuckte zusammen und hielt sich mit verkrampfen Fingern an der rissigen Steinmauer fest. Was war das? Er konnte kaum etwas erkennen. Dunkle Flammen umtanzten eine Gestalt die aussah als würde sie sich nicht entscheiden können, welche Form sie annehmen soll. Ihm wurde übel und er musste den Blick abwenden. „Welchen Preis bist du bereit zu zahlen?“ wiederholten sich die Worte nun eindringlicher. Jeder Nerv in seinem Körper schien schmerzhaft zu vibrieren und als er dann schließlich antwortete, kamen die Worte nur krächzend heraus „Wofür?“ Ein dröhnendes und alles andre als freudiges Lachen erfüllte das Gewölbe. „Für das, was dir am Herzen liegt.“ Sein Herz schien sich zusammenzuziehen und eine weitere Welle der Übelkeit brach über ihn herein. „Alles.“ Hauchte er nur. Abermals fühlte er einen dumpfen Schmerz und dann wurde es schwarz um ihn.

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Als er wieder erwachte, fand er sich auf dem rauen Pflaster der Stadt wieder. Es war spät, die meisten schliefen schon, nur eine graugetigerte Katze saß unweit von ihm auf einem Blumenkübel und putzte sich. Schwerfällig rappelte er sich auf, konnte sich kaum auf den Beinen halten. Was für ein eigenartiger Traum. Jemand musste ihn niedergeschlagen haben… Orken? Räuber? Er erinnerte sich nicht. Die Übelkeit überwältigte ihn und er schaffte er gerade noch bis zum Blumenkübel, an dem er anschließend matt zusammensank.

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