"Erstaunlich, daß der Mensch nur hinter seiner Maske ganz er selbst ist." - Edgar Allan Poe
Tip, tip, tip.. Leise und monoton erklang das Geräusch der metallenen Spitze ihres Federkiels am gläsernen Rand des Tintenfasses. Oft hatte sie schon in die satte, schwarze Farbe eingetaucht und abgestrichen.. Bereit, Worte auf das glatte, gebliche Papier zu setzen. Doch genau diese fehlten ihr. Die Kerze, welche ihr den Schreibplatz in der hauseigenen Bibliothek erhellte war längst zu einem unförmigen Wachshäuflein zusammengeschmolzen, ebenso wie ihre gerade Haltung in eine müde, abgekämpfte in sich sank. Die Mundwinkel brannten leicht, als ein langatmiges Gähnen aufdringlich die Müdigkeit kund tat.
Für heute war das Schweigen und die allgemeine Wortlosigkeit der letzten Wochen zur Genüge mit Aufmerksam bedacht worden. Was gab es denn noch groß zu reden? Alles was sie zu sagen hätte, war ihr bereits förmlich in das Gesicht geschrieben. Ernst. Dieser bittre Ernst. Der bleierne Geschmack des Eilands, der ihr die Zunge so schwer machte und wirkliche Gespräche, wenn überhaupt, nurnoch am Rande stattfinden lies. Distanz, um zu wahren was ihr noch geblieben ist. Trauer.. Um so Vieles.
Solcher Gedanken war sie aber auch schon überdrüssig, sie hatten sich schlichtweg ausgedacht. Es war wie es war und alles was noch kam war im Grunde ein unvermeidlicher Schritt, wieder zu sich selbst zu finden. Verluste und Rückschläge sind dazu da, stärker zu werden, zu wachsen, nicht liegen zu bleiben oder.. Ja, oder Grenzen aufgezeigt zu bekommen. Die schwere Verantwortung, welche sie Götterläufe lang auf ihren Schultern getragen hatte, war abgenommen worden. Eine ungewohnte Freiheit die an sich fast jeder genießen würde, aber diese hier hatte eine spitze, schmerzhafte Note erhalten. Ihre Grenze, ihr Riegel welcher sagte, dass weitere Schritte schlichtweg nurnoch vergebene Liebesmüh in einem bereits ausgespielten Spiel mit sicherem Schachmatt waren.
Die letzten Züge behielt sie allerdings noch für sich, bevor es an das Ende ging.
Knochen knackten leise, als sie sich endlich von dem schweren Sessel erhob und die Glieder streckte. Nein, ihre Worte und Taten waren hier wahrlich nichtmehr gefragt. In diesem Moment fühlte sie sich alt. Sehr alt. Körperlich in den besten Jahren, war der Geist umso niedergestreckter von all dem Erlebten und dem gesammelten Wissen. Endlich konnte sie nachempfinden, wie es wohl so einigen vor ihr ging.. Sie war so vielen Dingen überdrüssig.