Gefolgt von einem Wildtier rast ein Geschöpf durch den Wald, gepeitscht von Ästen, Halmen und auch Blumen. Als ob es kein Halt gebe, rast das Geschöpf weiter und weiter. Immer tiefer in den Wald hinein, hinauf auf einem kleinen Berg, der erhellt wird durch die Strahlen Felas. Oben angekommen bleibt die Gestalt stehen, der Atem geht dabei heftig. So verweilt sie einen Moment, regungslos und sich sammelnd. Ihr Blick wandert über ihre rechte Schulter, denn das Wildtier kommt immer näher, im langsamen Schritt. Die eisblauen Augen des ausgewachsenen Wolfes haften auf der Gestalt, einen ganzen Moment lang … ehe das Tier weiter voran schreitet und sich neben sie setzt. Die Aussicht ist sensationell. Man erhält einen Ausblick über den ganzen Wald hinweg, bis hin nach Falkensee. Sogar die Sumpflandschaft ist deutlich erkennbar und weit weit entfernt, da liegt das ehemalige Südfall. Als sich der so hastige Atem wieder beruhigt hat, heben sich die Hände hoch zu der Kapuze und ziehen jene nach hinten. Goldene Augen werden sichtbar, ebenso fallen goldene Locken über die Schultern hinweg und umrahmen den Körper der jungen Frau. Ihr Blick hebt sich zum Himmel, die Felastrahlen fallen ihr direkt in das Gesicht, die so schon goldenen Haare glänzen prachtvoll darin.
Der Wolf stubst seine Gefährtin an, er merkt das etwas nicht stimmt. Denn in der Hexe tobt ein absolutes Chaos der Gefühle. Sie blickt zu dem Tier runter und lächelt ihm zu, dabei kraulen ihre Finger den hinteren Bereich seiner Ohren. Er liebt diese Art von Aufmerksamkeit, man mag sogar meinen, dass dies seine Lieblingsstelle ist, denn er gibt sich dieser Zuneigung hin und, reckt sein Kopf ein Stück weiter zu ihr hin und ein wohliges Knurren folgt dem darauf. Doch leider ist es schon vorbei mit der Streicheleinheit, denn die Frau geht ein paar Schritte weiter und knöpft ihren Mantel auf. Im Schein der Sonne entkleidet sie sich vollständig, eine Spur von Kleidungsstücken weisen auf den Weg hin, den sie geht. Nahezu an der Klippe des Berges angekommen setzt sie zuerst auf den Boden, ehe sie sich auf den Bauch legt und sich nackig im so frischen, grünen, herrlich duftenden Gras wälzt. Der Wolf folgt ihr auf Samtpfoten und legt sich neben sie nieder. Als ob er sie auffordern wolle, stubst er sie wieder an, diesmal an ihre Schulter.
„Mh, was hast Du meiner Großer? Bist neugierig?“, schmunzelt sie. Tiere besitzen ein absolut gutes Gespür für Gefühle. Deswegen reagieren auch einige Tiere auf Angst oder Aggression. Sie nehmen es wahr und verhalten sich dementsprechend. Doch Grauzahn hat in der Hexe eine Gefährtin gefunden. Auch wenn er nicht ihr Vertrauter ist, so besteht eine große Bindung zwischen beiden. Er sieht sie praktisch als Rudelmitglied an. Man muss sich um sie kümmern, sie beschützen und umsorgen. Deswegen kommt es auch schon mal vor, dass er Ihr einen toten Hasen als Geschenk mitbringt.
„Weißt Du Grauzahn. Irgendwie bin ich an einem Punkt angelangt, wo ich mich frage, ob das alles so richtig ist. Ich durfte noch nie erfahren, was es bedeutet eine Familie zu haben. Meine Eltern sind früh gestorben und ich wuchs bei meiner Großmutter auf, im tiefsten Wald ohne wirklichen gesellschaftlichen Kontakt. Ich wünschte mir diesen, aber auch eine Familie. Die Familie sehe ich in meinen Geschwistern, den Hexen und Hexern. Ich stehe selbstverständlich zu ihnen und ich liebe sie vom ganzen Herzen. Ich würde für sie sterben, wenn dies von der Mutter verlangt wird. Doch empfinden sie meine andere Neugier der Gesellschaft gegenüber als falsch. Ich wünsche mir menschliche Freunde. Die für mich da sind und für denen ich da sein darf. Ebenfalls wünsche ich mir einen Mann, der mich liebt. Der wirklich morgens als Erstes und abends als Letztes an mich denkt. Ich möchte mit ihm ein gemeinsames Leben aufbauen, auch mit Kindern. Und mir wäre es egal, ob sie Hexen werden wie ich oder einfache Handwerker. Alle würde ich lieben, so wie sie sind. Ich dachte ich hätte das in Aseiijen gefunden. Ein Mann der zu mir steht und der mich vergöttert, so wie ich ihn. Doch muss ich mir eingestehen, dass es vielleicht nicht so ist. Wieso sonst ist er einfach abgehauen, ohne mir ein Wort zu sagen?“, in jenem Moment muss sie kurz einhalten und schniefen. Der Gedanke verletzt sie einfach. Denkt er wirklich, dass er sie nicht glücklich machen kann? „Ja, ich möchte einen normalen Mann haben, weil ich auch irgendwo ein normales Leben möchte. Natürlich will ich dafür nicht mein Hexendasein aufgeben. Es wird doch wohl machbar sein, beides unter einem Hut zu bekommen, oder etwa nicht? Ich bin ein Kind Mutters, sozusagen eine Geweihte des Waldes. Meine Aufgaben bestehen darin die Natur zu unterstützen und den Kreislauf Tares zu erhalten. Es ist klar, dass wir es am Besten können , aber Aasiyahs Ansichten sind wirklich sehr … nunja … gewaltig. Warum sind wir gegenüber den Menschen etwas besseres? Uns unterscheidet unser Blut und unsere Fähigkeiten. Sie denken, glauben und handeln anders als wir. Aber sind sie in der Hinsicht dann wirklich was schlechteres als wir? Kann man uns vielleicht nicht als ebenbürtig ansehen? Es ist auch klar, dass unter den Menschen schlechte Angewohnheiten kursieren. Sie sind gierig nach Macht und Reichtum. Aber es sind doch nicht alle gleich. Sie leben nun mal nach anderen Prinzipien, doch will ich genau eines nicht machen: Sie schlecht reden, so wie wir von einigen nieder gemacht werden. Was sie unter Hexen und Hexerei verstehen ist etwas völlig verkehrtes Sie haben falsche Ansichten von uns, ja, aber woran liegt das? Irgendetwas muss doch in der Vergangenheit passiert sein, dass sie genau das von uns denken! Wir sind keine Monster, die nur darauf aus sind die Menschen zu ärgern und zu verfluchen. Wir sind viel viel mehr, unsere Fähigkeiten sind viel weitreichender und warum ist das Laut Aasiyah so verwerflich, wenn wir unsere Fähigkeiten dazu nutzen ihnen zu helfen, zu unterstützen und vielleicht sogar zu retten? Aus diesem Grund möchte ich nun im Heilerhaus zu Falkensee arbeiten. Mir geht es eigentlich nicht ums Geld, mir geht es darum den Bürgern und Bürgerinnen zu helfen. Warum sollen sie nicht von meinen Kenntnissen profitieren? Als Hexe besitze ich halt viel Erfahrung im Bereich der Kräuter- und Heilkunde. Hach Grauzahn, manchmal wünsche ich mir sogar, dass ich zu allen offen sein könnte. Mir ist oft dieses Versteckspiel leid. Doch die Chance, dass sie mich auf Anhieb akzeptieren würden, ist gering. Um das einst zu erreichen, da gehört viel Arbeit dazu. Dennoch bleibt mein Verlangen groß ein Teil von dieser Gesellschaft zu sein. Ich möchte unter ihnen ein normales Leben führen und ich werde es weiterhin versuchen. Dann soll Aasiyah dagegen sein, denn auch wenn ich diese Ansichten vertrete, bedeutet es nicht, dass sie falsch sind. Warum soll dieser Wunsch falsch sein? Mutter hat sich bei meiner Entstehung etwas gedacht und sie wird auch dafür verantwortlich sein, wie ich denke, fühle und handle. Sicherlich besitzt sie Absichten und deswegen empfinde ich nicht so, dass das, was ich möchte, verkehrt ist.
Ich fühle es ganz tief in mir: Ich kann etwas wertvolles zu dieser Welt beitragen. Tare besteht halt auch aus den Menschen und den anderen ganzen Völkern. Sie sind ebenso ein Teil von ihr, wie auch ich und meine Geschwister. Und genau deshalb werde ich auch für sie eintreten!“
Der Wolf schaut die Hexe die ganze Zeit schon direkt in die Augen. Als ob er ihr wirklich genaustens zuhören würde. Würde jemand die beiden von außerhalb beobachten, dann könnte man erkennen, dass eine Kommunikation zwischen den beiden stattfindet. Denn kurioserweise, sobald sie die letzten Worte formuliert hatte, legt sich der Wolf ganz nah an sie ran. Sein Fell umschmiegt ihre Haut und beide, sowie Wolf als auch Hexe genießen das Beisammensein.
„Vor ein paar Monden hätte ich noch gedacht, dass aus mir einst eine schwarze Hexe wird. Doch mittlerweile glaube ich, dass ich ein gutes Herz besitze und irgendwie freut mich das.“
Noch Stunden liegen die beiden gemeinsam nah beieinander und genießen es. Doch irgendwann wird es kühler, denn auch die Wärme Felas verliert sich nach und nach, so später es wird. Swea steht auf und streicht sich ein paar Grashalme von der Haut, ehe sie den Weg der Kleidung zurück geht, jedes einzelne Teil aufhebt und nacheinander sich anzieht. Sobald sie die Kapuze wieder über ihren Kopf senkt, blickt sie zu Grauzahn und grinst ihn herausfordernd an.
„Na? Wer zuerst unten ist?“
Zuletzt geändert von Sherry: 9.05.13, 17:54, insgesamt 1-mal geändert.
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