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 Betreff des Beitrags: Ra hek Rha
BeitragVerfasst: 16.06.13, 16:47 
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Leise hämmerte der Regen gegen die Fensterscheiben. Bahiyah hatte sich nicht die Mühe gemacht Kerzen zu entzünden und bewegte sich barfuß und leise durch den grau-dämmrigen Raum, der ihr eigentlich einmal so etwas wie eine Heimat werden sollte. Nun war er nicht mehr als irgendein Raum in dem sie irgendwelche Sachen untergestellt hatte. Tot. Unbelebt. Karg. Wie die Stadt.
Sie spürte, roch und sah im Feuer, dass ein Unheil auf sie zukommen würde und dieses Unheil kündigte sich bereits mit einem Verfall an, der sich in ihrem Umfeld bemerkbar machte. Es stank regelrecht in der Luft nach Erde, Wasser und Tod.
Fast vergessen war die süß, vermisste Umarmung ihres Habibi, die warme Hand von Ted, die Schelten des Halbbluts und das warme, sichere Knistern eines Herdfeuers einer Taverne. Sie wird hier für die nächsten Wochen keine Perspektiven haben, verdiente seit einem halben Jahr von keinem weißblütigen Herrn oder Herrin den ihr zustehenden Lohn, bekam von den Gästen nichts. Alles, woran sie sich klammerte, alles, was sie brauchte um sich vor ihrer Aufgabe zu verstecken versank im Morast der Zeit. Sie wollte warten, bis sie stark genug war und von ihren Meistern gelernt hatte - aber ihre Meister ließen sie im Stich. Dafür werden die Mächte sie strafen - und wenn es einmal durch ihre Hand passieren musste.
Die Einsamkeit trieb Bahiyah zurück in die Welt, aus der sie gekommen war, zurück in die Schatten, zurück in die Arme der Wahrheit, die hier keine Daseinsberechtigung hatte. Ganze Nächte verbrachte sie mit ihrer Schwester in einem traumhaften Zwiegespräch, dass ihr manchmal schier den Atem raubte. Sie zog an ihr, zerrte, drückte, drängte, wisperte ihr zu: Es ist Zeit. Geh. Finde ihn.

Und so saß Bahiyah nun auf dem nackten Holzboden und legte das nötigste in ihre geliebte und immer mitgeführte Umhängetasche. Etwas Essen, einen Umhang und die gravierten Knochen. Und den Schmuck - diesen wunderschönen Perlmutt-Schmuck, den ihr Habibi ihr im Schutz der Nacht geschenkt hatte. Und um ihren Hals die Kette des Endophalis, den sie noch immer schmerzlich vermisste - aus Wehmut wohl, aus Angst und Zorn, dass Mohon Moh Assul nicht mehr für sie da war. Eine Holzkette mit grünen Edelsteinsplittern, welche die Ahnen und Mächte anhalten sollten ihr Schutz zu gewähren - denn sie waren so ursprünglich wie die Wälder, aus denen die Endophali stammte.

Jetzt war es Zeit. Denn sie drängte - der Himmel sprach davon, die Zeichen verkündeten es ihr. Sie musste ihn finden und sie musste von der Natur der Insel lernen und aus ihr die benötigte Kraft schöpfen zu vollbringen, worauf ihre Schwester und sie solange gewartet hatten - so viele Jahre.

Bahiyah und Rashida verließen zusammen Falkensee und drangen die in Wälder des Südens ein.


Zuletzt geändert von Bahiyah: 10.01.15, 04:26, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Ra hek Rha
BeitragVerfasst: 28.07.13, 13:52 
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Ihr brannten die Lungen und sie schnappte keuchend nach Atem. Schwindel überkam sie und ihr Herz schlug wild und schmerzhaft in ihrem Brustkorb. Dafür blieb es ihr erspart die vielen Kratzer zu spüren, welche das Unterholz in ihre Beine gezogen hat, überall rote Striemen zurücklassend.

Kauernd lag die kleine, dunkle Gestalt in der Höhle und rollte sich auf ihrem Felllager zusammen. Das Heim, von der Natur oder einer Hacke aus Stein und Erde geschlagen, war kühl, doch war der Boden feucht und oftmals fand sie Pfützen im unebenen Boden vor, welche das Ruhen unangenehm gestalteten. Deshalb hatte sie begonnen Äste wie einen Steg auszulegen.
Runen und endophalische Schriftzeichen zierten den Höhleneingang, sollten sie vor Menschen und Tieren im Schlaf schützen. Was für ein furchtbarer Tag, was für ein wundervoller Tag und was für grässliche Ängste sie ausstehen musste. Noch immer zitterten ihr die Hände, die sie gegen ihre Brust drückte, zusammen mit dem Knochen, den sie fest umklammert hielt.

Mit bezauberter Faszination dachte sie an die Armee der Skelette zurück, die sie am Wall sah. Welch ungemeine Macht dahinter stecken mochte, welch Fähigkeiten, welch eine Größe! Für sie war es seit ihrer Geburt nicht fremd, sich mit den Imtephihi auseinander zu setzen. Doch hatte sie jemals in ihrer Heimat eine Armee aus Sayad'imtephi gesehen? Es war eine andere Kunst, die Toten als Knochen auferstehen zu lassen als die noch fleischlichen Körper Verstorbener zu lenken. Es schauderte sie abermals. Dieses Mal weil sie sich vor der Macht dahinter fürchtete. Und vor ihrem inneren Auge erschien ein Knochenschädel und das breite Grinsen der lippenlosen Zahnreihen. Ein Kopf, der ohne Haut zu sprechen vermochte… Ob 'sie' diese Skelette lenkte? War es 'ihr' Stamm? Würde sie sich an ihr rächen?

Sie fürchtete sich einen Moment so sehr vor der Gewalt hinter dieser Düsternis und vor den heutigen Androhungen der Orken gegen sie, dass ihr zwei Tränen heiß über die Wangen liefen, allem Trotz zu wider. Sie war noch nicht stark genug sich zu wehren, suhlte sich in einem Gefühl der Schwäche, die der körperlichen Überlastung verschuldet war. Einen Knochen hatte sie vom Wall mitgenommen, in der Hoffnung sie könnte Zeichen hinein schnitzen und könnte ihn als Talisman verwenden, wie es einst ihre liebe Mekila getan hatte.
Als sie versuchte sich das Gesicht ihrer Großmutter vor Augen zu rufen, war es nicht mehr so klar wie vor einigen Jahren. Vergaß sie wirklich ihre Vergangenheit?

Bahiyah spürte einen tröstenden Druck auf ihrer Schulter, während sie in der Dunkelheit lag, ihren Gedanken lauschte und das Lied des Regens vernahm, der im Wald auf das Blätterdach seine Melodie trommelte. Sie schlug schlagartig ihre Augenlider auf, als sie plötzlich glaubte Worte zu vernehmen, die nicht von Rashida stammten.

"Was siehst du, Schelmin?"


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 Betreff des Beitrags: Re: Ra hek Rha
BeitragVerfasst: 12.08.13, 18:47 
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Es grollte und donnerte über ihrem Kopf. Blitze leuchteten grell auf und entblößten das schaurige Gesicht der dichten, schwarzen Wolken, die sich abermals bedrohlich auftürmten. Dicke Regentropfen, vom Wind angepeitscht, knallten hernieder auf den Boden, die Bäume, die Dächer und Lebewesen. Und auf die Toten hinter diesen hohen Mauern.

Aus ihrer Verzweiflung heraus, dass es ihr nicht möglich war die Verlorenen zu finden, versuchte Bahiyah nun gefunden zu werden. Es bedeutete ihren Schutz aufzugeben, ihre gehüteten Verstecke in den Wäldern, ihr Geheimnis, ihr kostbares und so unglaublich schmerzliches Alleinsein.
Die Trennlinie zwischen der Welt auf der einen und der anderen Seite war der Wall. Bahiyah wusste nicht, wohin sie alle gegangen waren und so brauchte sie einen Gipfel. Es war einfach über die Barrikaden zu klettern und über die feuchten, glitschigen Leitern auf das Dach der Kriegerschule zu kommen. Sie kannte das Haus, wie sie herein und wieder heraus kommen konnte. Sie kannte den Wall. Sie kannte die meisten, die sich auf dem Hof tummelten. Und vor allem war es ihr möglich über die Zinnen des östlichen Walls zu blicken und über die westlich aufgebauten Wachgänge in die Wälder der grünen Lande.

Bebend und zitternd vor Kälte, die ihren Leib und ihr Herz erfasste, lag sie auf einem kargen Felllager und wickelte sich eng in den Braunbärfellumhang ein. Sie drückte sich an die kleine Steinmauer und unter niedrige Dach, dessen Schindeln gefährlich klapperten. Ein kleines Feuerchen hatte sie ganz in ihrer Nähe entzündet, glühende Stöckchen, um näher an einem Quell von Wärme und Geborgenheit zu sein. Ein größeres Feuer, das fast mannshoch in die Luft emporgesprungen war, war gerade im Begriff unter den Regenmassen zu ertrinken. Stickiger Qualm kämpfte sich nun empor und Bahiyah glaubte, mit diesem Feuer erstickte auch ihre Hoffnung. Körperlich ermattet schlief sie für einen Zyklus, wurde geweckt von den Sorgen, die in ihrem Kopf mit den Stimmen so vieler verschiedener herum spukten. Gesichter aus ihrer Vergangenheit, die sie an ihre Aufgabe erinnerten.

Als die Endophali mit steifen Gliedern erwachte begann sie von neuem das Leuchtfeuer zu entzünden und fütterte es so lange, bis die Flammen kräftig in die Luft stießen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ra hek Rha
BeitragVerfasst: 17.07.14, 15:52 
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Unerbittlich und ungetrübt von etwaigen Wolken am klarblauen Himmel schickte Fela ihr Licht runter auf die Insel. Die Steine des Innenhofes erhitzten sich wie in einem Ofen und blendeten die junge Frau, welche sich für einige Momente in den Schatten zurückgezogen hatte. Es war still in der großen Burg. Ab und an wurde eine Tür geöffnet, die Waffen wechselten ein paar Worte oder setzten ihren Gang über die Wehranlage fort. Pferde und schwirrende Fliegen boten ihr die umfangreichste und penetranteste Geräuschkulisse. Zwei waren besonders närrisch und versuchten sich ständig auf ihre freiliegende, dunkle Haut an den Armen zu setzen. Bahiyah kam noch recht gut mit der Hitze zurecht, sie hatte gelernt, wie man mit ihr lebte, doch die eine oder andere Wache in ihren schweren Metallrüstungen zeigte eher eine erschöpfte Stimmung, leicht dazu geneigt aggressiv zu werden. Aber die Endophali hielt sich eh fern, beugte sich nur über den Brunnenrand und zog den gefüllten Eimer das letzte Stück mit den Händen am Griff hinaus. Sie hatte Arbeit gebraucht und Darrag darauf vertraut, dass er sich um sie kümmern würde. Es hatte etwas Absurdes an sich, eine Endophali, eine Ungläubige zudem, auf die Burg der Ritter zu schicken. Vielleicht war es aber geradezu so absurd, dass es sie sogar schützen würde. So offensichtlich war ihre Fremdartigkeit, dass man ihr zunächst keine Böswilligkeiten im Sinne vorwarf. Die Option zu arbeiten, ohne je eine Goldmünze dafür zu erhalten, war kein sonderlicher Antrieb. Sie glaubte immer die großen Kriegsführer der chaladaim wären reich, dabei konnten sie nicht mal einer Magd ein paar Taler geben. Und auch nur genauso viel würde sie für sie arbeiten: Für etwas zu essen und die kleine Schlafkammer. Zunächst sollte Bahiyah sich die Kerkergroße Zelle noch mit jemanden teilen und dies artete in einer beinahe zweistündigen Diskussion aus. Es war unmöglich, es wäre gefährlich für sie. Die chaladaim waren damit abzutun, dass es… wie sagten sie? Ihre ‚Religion‘ es ihr verbieten würde. Als ob sie etwas über ihren Glauben und den Glauben an die Mächte wüssten, an die Riten ihres Volkes und Stammes. Für Bahiyah galten nicht einmal die alten Sitten der Endophalis des Festlandes, die ihre Jungfrauen behüteten um das starke Blut ihrer Familien zu schützen. Für Bahiyah galt die Vermummungspflicht nicht: sie war eine Tas’ilah – und ohne Familie. Bis auf Rashida hatte sie niemanden und war sich unsicher, ob sie je wieder jemanden so an sich heranlassen könnte wie ihren Habibi, der in die Ödnis ging und nie wiederkehrte. Darrag war oberflächlich sehr offenherzig, schenkte sein Lachen und seine Freude gleichermaßen zu allen Seiten und tiefer als zu diesem Punkt war sie nicht gekommen. Tiefer wollte er das Mädchen auch nicht lassen. Nur ein Stück seiner Freundlichkeit, das Wiedergutmachen einer Schuld, die er womöglich einer anderen Person gegenüber hatte. Dann war da noch diese Ira, auch eine der hohen Chalada, konnte sie nicht einschätzen. Sie hatte versucht freundlich zu sein, Bahiyah mit leichten Worten über die Umstände am Hofe hinwegzutrösten. Aber in der Endophali wuchs in diesem Moment nur Zorn, obgleich Ira es gewiss nicht so meinte. Zorn darüber, wie sie darüber lächeln konnte, dass man sie teils wie eine Sklavin arbeiten ließ unter den Weißen, sie sogar verletzte. Dieser Zorn, brannte und warf dunkle Schatten über das sonst so zögerliche Gemüt. Oder waren es die Schatten, welche in Bahiyahs Geist drangen und sie solchen Hass empfinden ließen für manchmal gar nur Sekundenbruchteile?
Mit langen Armen trug sie den Wassereimer weiter zu den Treppen, die geschrubbt werden mussten. Keiner achtete auf sie. Keiner sah auf den Boden hinter ihr, wo ihr zwei Schatten folgten. Sie war zu leise, zu unscheinbar, als dass sich jemand zu genau mit ihr beschäftigen würde.


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 Betreff des Beitrags: Re: Ra hek Rha
BeitragVerfasst: 9.01.15, 16:28 
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„Gefühle sind mächtig, sie bringen alles in und um uns in Bewegung, sie sind ein Quell der Macht. Sie formen uns zu dem, was wir sind und einmal sein werden, sie schaffen den Ort, an dem wir sein werden. Jedes Glück, dass dir empfindet, jedes Lachen, dass ihr in die Welt tragt, jede Gutmütigkeit, jeder Mut, Freundschaft und vor allem die Liebe. All dies leuchtet wie ein warmes, strahlendes Licht und erhellt die Welt und alles und jeden, das ihr berührt.“

Die alte Frau lächelte Rashida zu und lenkte und traurig doch gutmütig zu gleich ihren ergrauten, halb erblindeten Blick auf das zweite Mädchen.

„Alles Leid, Zorn, Ungerechtigkeit, Schmerzen, Angst und Trauer bleibt ebenso nicht vergessen. Wo Licht fällt, da sind auch die Schatten. Schatten sind da, um sich zu erinnern, meine kleine Blüte. Sie wandern mit uns, tauchen auf und verschwinden nie gänzlich. Sie sind Vergessenes, sie sind stark. Sie nehmen und doch verfallen wir ohne sie dem Irrsinn, steckt ein Teil unserer Seele doch in unserem Schatten, das dunkle, von dem wir uns befreien, so wie wir auch das Licht nach außen tragen.“


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Die dunkelhäutige Gestalt stand in der Kälte, den eisigen Winden ausgesetzt, die über das Wasser fegten und den Berg passierten. Ihre streifen Hände vergruben sich in das weiche Fell des Umhanges, welchen ihr Rodrik gegeben hatte. Die Kapuze, deren weiter Saummit dem Windzügen flatterte, als auch das klobige grobe Schuhpaar kamen auf seinen Wunsch an sie. Ansonsten hätte sie nichts um über die eisigen Tage des Winters zu kommen. Wenige angesparte, geschenkte Münzen. Alte Kleidung, ein Zimmer ohne Licht oder Feuer. Dafür konnte sie sie Obdach und ein sicheres Versteck in der Burg finden. Sie konnte ein leiser, unbeachteter Schatten sein, nach dem man nicht fragte, weil das Fremde unangenehm war. Man griff sie im Schutz der Ritterschaft nicht an und beachtete sie auch nur soweit in ihrer Relevanz, dass sie nicht gänzlich angreifbar war. Oftmals fiel ihr auf, dass sie sich zwischen den Chaladai bewegen konnte und nur die wenigsten überhaupt einen Blick auf sie warfen. Das hatte durchaus auch seine Vorteile. Genauso beruhigend war es zu wissen, dass Darrag und Rodrik auf sie achteten, sie versorgten. Der Anlass war, wie es ihr schien, dass sie Erinnerungen weckte, dass sie ein Schatten oder Abbild von etwas Vergangenen darstellte. Womöglich etwas, was es gutzumachen galt?
Die junge Endophali trat weiter den Weg entlang, den Eimer mit dem Tierfutter im Griff ihrer kalten Finger.
Noch hatte sie Zeit, aber die innere Ungeduld wuchs und sie spürte, dass sie sich mit ihrer Aufgabe beeilen sollte, aufgrund welcher sie mit ihm auf die Insel gekommen war.
Auch wenn es ihr Angst bereitete. Große Angst.

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„Wo sind die Schatten, wenn wir sie gerade nicht sehen?“

„In der Dunkelheit. Der Schattenwelt.“


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 Betreff des Beitrags: Re: Ra hek Rha
BeitragVerfasst: 22.01.15, 20:56 
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Wer seine Ansichten mit anderen Waffen als denen des Geistes verteidigt, von dem muss ich voraussetzen, dass ihm die Waffen des Geistes ausgegangen sind.
~ Aus den Büchern des Tempels Ashrum-Mahids


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Die Chaladaim waren voller Furcht. Auch Endophalis fürchteten sich, aber sie waren damit ehrlicher, sie hatten die Scheu abgelegt, sich durch solch einfache Gegebenheiten und Sicherheiten zu schützen und offenbarten sich selbst und ihrem Sein den Dingen, die man nicht wissen konnte.
Es war nicht das erste Mal, dass man sie ansah und fürchtete, doch das erste Mal dass ein Diener der Kirche ihr sagte, dass er wahrhaftig nach dem Verwerflichen in ihr suchte. Er entschuldigte sich damit geprägt zu sein. Ja, geprägt von der Angst, daraus geboren Misstrauen und Vorwurf, Missverständnisse und viele Tote. All jene Charakterzüge, die sie als Schwäche von sich weisen und dem ominösen Bösen zurechnen wollten. Was war das Böse? Alles, was einem schadet? Doch auch Liebe konnte zu Schaden führen. Der jungen Frau fiel es schwer, in den Worten der Galadonier zu beschreiben, was ein Endophali in seinem feinfühligen Geist und Herzen spürte. Die Sprache, welche ihrem Volk in Abwandlungen zu Grunde lag, war so bezaubernd wie das vielfältige Land, das Verständnis und der Glaube zu gleich. Für einen Galadonier hatte ein Wort eine Bedeutung. Diese Bedeutung stand fest. Sagt jedoch ein Bewohner mit dem heißen Blut der südlichen Länder etwas zu seinem Gegenüber, so liest jener aus dem Herzen des anderen die eine von vielen Bedeutungen heraus. Man lernte tiefer zu hören als gesprochen wurde. Gerade Männer wie Darrag wichen stark davon ab, weshalb es Bahiyah oftmals verstörte wenn er sprach. Männer wie er sprachen nicht mit ihrem Herzen. Und Gestalten wie sie fanden die klaren Worte nicht, die ein Chaladai streng nach seinen Regeln des Verständnisses in korrekter Reihenfolge brauchte. Es war also nicht verwunderlich, dass sie beinahe wieder mit einer Anklage gegen sie zu rechnen hatte: Wegen Götterlästerung. Es war so absurd das Selbstverständliche formulieren zu müssen. Für viele Endophalis gab es keine Vitama, keine weibliche vermenschlichte Göttergestalt mit einem Namen, den ein Sterblicher anrufen oder misshandeln konnte. Es gab alles, was sie verkörperte. Es gab zu allem, was sie darstellte, eine Gegenseite. Und alles waren Mächte und Kräfte in einem so großen Gefüge, dass es natürlich jene geben musste, die sich an eine einpferchende Einordnung versuchten. Was erfassbar war, was man benennen konnte, forderte weniger Angst und Ehrfurcht vor dem Unbekannten. Was unangenehm und unbekannt war, leidvoll an Schwächen und Ängste erinnerte, an das Düstere, was man von sich halten will statt zu begreifen und zu integrieren, das wurde zum Bösen. So war die eine wie andere Seite verkehrt, die statt die Zweiseitigkeit und Zugehörigkeit der Dinge nur auf eines festzulegen versuchte. Damit gaben die Menschen selbst mit ihrem Glauben dem Ungleichgewicht Fortschritt. Feuer wärmte, Feuer verbrannte. Wasser zum Leben, Wasser um darin zu ertrinken. Wie kann etwas hell sein, wenn es nichts Dunkles gibt, um das Helle zu definieren… Dennoch respektierten viele den Glauben der Galadonier an die fünf, den Glauben der Nord, den Glauben der Dwarschim und anderen Völker.
Bahiyah wusste nur, dass sie an diesem Abend einem Mann Namens Peter Mandark dankbar war. Ein Fremder, welche vor den Dienern der Kirche richtig stellen konnte, was zu einem blutigen Missverständnis hätte führen können. Sie sollte vorsichtiger sein. Schweigen.

Denn nicht zu vergessen waren die endophalischen Völker und Stämme nicht gleich. Und auch ihre Traditionen und Glaubenswege konnten bei nur Kleinigkeiten weitreichend ausschlaggebende Abweichungen verursachen…


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 Betreff des Beitrags: Re: Ra hek Rha
BeitragVerfasst: 30.01.15, 23:38 
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„Das Gewissen ist die Wunde die nie heilt und an der keiner stirbt.“

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Zittrig glitt ihr Atem über die trocken gewordenen Lippen, während ihr der kalte Schweiß in kleinen Perlen auf ihrer Stirn lag. Sie spürte kaum, wie das Nachthemd an ihr klebte, nur diese Wärme, die ihren Körper dank der vielen Decken und dem Fell über und unter ihr einhüllte. Und doch zitterte ihr Leib, erfüllt von innerer Kälte. Etwas drückte sich gegen ihre Rippen, lag wie ein Gewicht zwischen ihren Brüsten und erschwerte es ihr die Lungen mit Luft zu füllen. Unruhe. Ein heftiges, gieriges Keuchen und Schnappen nach Luft und mit aufgerissenen Augen fand sie sich wach wieder. Sie starrte in die Dunkelheit. Und die Dunkelheit konnte für einen Moment noch finsterer erscheinen, als sie wie getrieben schattenhaft vor ihrem Blick floh. Ihr Brustkorb fühlte sich wieder leichter an, aber die Unruhe blieb. Eine ähnliche Unruhe, wie sie jene verspürte, bevor die Insel im letzten Jahr zerrissen wurde. Etwas veränderte sich. Sie schluckte, spürte, wie trocken sich ihr Mund anfühlte und drehte sich raschelnd unter den Laken.

Vielleicht war sie auch nur so aufgelöst, weil sich so viel verändert hatte, weil sie merkte, dass manches Konstrukt nur aus Glück oder Wohlwollen hielt. Zu viele Namen, zu viele Gestalten, zu viel, was zu verräterisch war. Ihr war vor einigen Tagen beinahe das Herz stehen geblieben, als sie Rodrik im Tempel hatte stehen sehen und er das Wort an sie richtete, ohne zu wissen, dass sie es war. Jeder Ton hätte sie verraten können, denn welcher Mann hatte in den letzten Wochen so sehr sein Augenmerk auf sie gelegt, wie jener? Es imponierte ihr, diese Mischung der Gewalt und Fürsorge, jener so schmale auszukostende Grat und doch die dahinter stehende Sicherheit. Er hatte ein Adlerauge, für die Kleinigkeiten, für die zartesten Regungen oder Veränderungen an ihr und verhielt sich wie ein Beschützer, der für jeden anderen zur Gefahr werden konnte. Ein Wachhund. Ein edler und stolzer, geplagt von einem schlechten Gewissen und dem schieren Drang des Bedürfnisses einer Wiedergutmachung. Dafür bereute er nicht einmal Schmerzen oder verbrannte Haut, nicht den Mangel an Schlaf. Irgendetwas trieb ihn. Aber die Gefahr, dass er vom Beschützer zum Bestrafenden werden konnte, war so klar, dass sie Sicherheit bedeutete. Kein Verräter, der ohne Vorzeichen zubeißen würde. So wie ihr Meister. Seine Drohung war deutlich gewesen, mehr als einmal. Doch war hier eine zu starke Ambivalenz, die sich ihrem Geist erschloss: Drohung und doch das Versprechen von Freiheiten. Diese Akte der Balance hatten wahrlich etwas für sich, auch wenn es beängstigend war.

Nach dem Erwachen fühlte sie sich schlecht und noch immer flatterte ihr das Herz, brannten ihr die Lippen, waren ihre Sinne wie Fühler, doch verwirrende, die ihr Kopfschmerzen bereiteten und nicht tasteten, wie sie es wollte. Fieber, Schwäche von Geist und Körper. Sie schlüpfte nur in die leichten Stoffschuhe und legte sich ein langes Leinenhemd über, das ihr bis zu den Knien reichte. Draußen im kalten Flur – fast jeder Raum war kalt – zitterte sie abermals und hustete leise. Doch wankte sie unbeirrt weiter durch die Dunkelheit und erkannte doch an mancher Ecke eine letzte schwache Kerze, die wie vergessen schien. Aber sie wusste, dass immer noch irgendwo die Burgwachen passierten und schließlich vernahm sie auch ihre Stimmen, wie sie über ihn sprachen…

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„Auch Lichtgestalten werfen Schatten.“


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 Betreff des Beitrags: Re: Ra hek Rha
BeitragVerfasst: 8.02.15, 22:28 
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„Ein guter Name geht in Augenblicken verloren, ein schlechter wird in Jahren nicht zu einem guten.“

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Jene, die in der Provinz El Mahid geboren wurden, trugen in ihrem Namen das, womit man sie rufen würde, die Erinnerung an den Vater, die Ehre der Mutter und ihre Bestimmung – ihren Weg. Ihren Namen offen zu legen bedeutete gleichsam sein Ich freizulegen. Das Wissen um einen Namen bedeutete auch Macht zu haben, diesen Weg zu beeinflussen und eine Ehre zu beschmutzen. Es war nicht verwunderlich, dass Endophalis auswählten, wem sie sich vorstellten und daran ihren eigenen Wert bemaßen. Und niemals wurde ein ganzer Name ohne Stolz genannt, gleich aus welcher Region des fernen und weiten Endophals man stammte. Bahiyah hatte ihren Weg schon als Kind gewiesen bekommen, doch hätte sie nicht gedacht, welche Bedeutung er einmal haben sollte, welch großer Name einst ihrer sein würde. Nicht auf eine galadonsiche Weise groß, nicht Macht versprechend. Doch war es einer, den sie bisweilen niemanden auf der Insel genannt hatte, nicht einmal jenem Mann, der sie hierher verschleppt hatte. Vor ihm hatte sie jahrelang verborgen, was er aus ihrer Schwester und ihr hatte entlocken wollen, wonach er selbst begehrt hatte. Sie ließ es nicht unberührt, sie ließ es all die Jahre nicht ungeübt, aber sie zog es wie einen leisen unheilvollen Schatten heran. Sie lernte sich zu kontrollieren, weitestgehend, nicht in Hass und Wut das noch unvollkommene verräterisch hervorkommen zu lassen und damit ihren Vorteil zu verlieren. Aber sie war nicht fähig alles zu verbergen, zu jung und ungeformt. Noch weniger aber waren die anderen fähig oder willig zu erkennen. Vieles folgte einem einfachen Prinzip: Das, was anderen unangenehm oder fremd war, wurde mit einem Schleier der Unsichtbarkeit umgeben, damit die Dinge bleiben konnten wie sie waren. Und manchmal war es gut so. Manchmal aber musste die Dinge sich auch bewegen, der Wind den Sand weitertragen, den das Meer heran spülte. Sie fürchtete sich nur davor, doch was blieb ihr übrig um ihren vorbestimmten Weg zu gehen, als dem Meister zu folgen… Und dies so unauffällig und schattenhaft wie möglich für das ihr vertraute beschützende Umfeld, das ihr Kommen und Gehen bisweilen tolerierte.
Nun wieder als Schankwirtin zu arbeiten war ihr sehr vertraut, es durfte auf Siebenwind nun das dritte Mal sein, dass sie sich in dieser Arbeit wiederfand. Die Theke gab Bahiyah Sicherheit, weil sie ihr eine feste Aufgabe versprach. Die Leute sprachen mit ihr, manchmal, aber sie konnte auch einfach nur lauschen. Zuhören, was für hohe und niedrige Gestalten zusammen kamen, ob sie über anderen Würdenträger sprachen, über Politik, den Feind oder nur über den Alltag. Über den Krieg, über Versprechen und Lügen. Aber eigentlich gefiel es ihr auch, weil es ihr so möglich war gefunden zu werden. Sie erwischte sich dabei, dass sie auf Rodrik wartete und wie Unwillen in ihr aufkam glaubte sie seine Aufmerksamkeit verloren zu haben.
Neben dem, was sie in der Taverne treffen wollte, gab es vieles, was auch besser fern geblieben wäre. Denn war auch dieser Oberst aufgekreuzt, dessen Gegenwart allein schon ein Versprechen war, dass sie wenig anderes außer Verderben von ihm zu erwarten hatte. Noch immer war sein Geist, Herz und Kopf von der Angst ergriffen, die wie ein Schatten umklammerte und festdrückte, wenn er auf Endophalis traf. Aber in der Gegenwart der Ritterin konnte er sie nicht anfassen, nicht ergreifen, nicht leiden lassen um sein Leid zu mindern.

Sollte er es wagen…


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„Ein Gefühl, das unsicher ist, sucht Rat bei ihrer hässlichen Schwester names Eifersucht...“


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 Betreff des Beitrags: Re: Ra hek Rha
BeitragVerfasst: 24.02.15, 19:29 
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„Wer Fremde einläßt, findet den Weg zu sich selber.“

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Sie fühlte sich wie ein Reh in einer Meute von Bären. Und dabei fühlte sie sich ganz wohl. Sie mochte die Gesellschaft der blonden Hünen. Wenn man die Chaladai als Mittelmaß bezeichnen wollte, so waren sowohl die Nordmänner als auch das Wüstenvolk etwas Besonderes, geboren und geprägt von einer Landschaft die mehr vom Leben abverlangte als etwas Regen, einen mittelmäßigen Sommer und einen drei Monde Schnee. Der Norden machte seine Völker hart, der Süden seine Kinder zäh. Während sie klein und dunkel war und die Höflichkeit stets zum Teil ihrer Kultur gehörte, so waren die drei Männer um Halgar herum groß, hell und laut. Vielleicht erinnerten sie ihre Stimmen tatsächlich an Bären und oftmals verstand sie nicht mehr als nur Fremdlaute, wenn sie ihren Blick von einem zum anderen schweifen ließ. Sie beobachtete die Mimik hinter den Bärten, die Gestik und stellte fest, wie auf Worte reagiert wurde, was folgte und konnte verstehen lernen. Anders hatte sie auch Galadonisch nicht gelernt, als sie bei ihrer Ankunft nicht mal den einfachsten Grundschatz an Wörtern verstand. Und diese Herren hier, die sie doch freundlich aufgenommen und mit Speis und Trank versehen hatten, sprachen dabei lediglich eine Mischung aus ihrer und der hiesigen Sprache. So gern sie auch den Geschichten über den Schnee und die Trolle lauschte, so machte sie am nervösesten, dass man nach ihr fragte. Nach ihrer Familie, dem Beruf ihres Vaters. Und sie erinnerten sie an den Verlust ihrer Schwester, der noch nicht gesühnt worden war. Wenn ein Galadonier sie nach ihrer Herkunft fragte, dann weil er ihr meist etwas Böses wollte. Ansonsten fragten sie nicht, ihr Interesse an anderen Kulturen war gering, selbst wenn sie zum ersten und letzten Mal auf jemanden eines fremden Volkes trafen. Vielleicht weil sie glaubten alles gehörte ihrem König und ihrer Kultur unterworfen. Die Nordmänner aber stellten Fragen… und auch hier traute sie sich schon lange nicht mehr von ihrer wahren Heimat zu sprechen. So wurde man einsam.
Am Ende des Tavernenabends war sie den Nordmännern in die Nacht gefolgt, wusste die Hünen vor und hinter sich und kannte erst wieder das Gefühl der Furcht, als sie sich im Lager der Orken wiederfand. Lautstarke Auseinandersetzungen folgten zwischen Halgar und einem Ork, an den sich die junge Endophali wage erinnerte. Er hatte ihr noch in der warmen Zeit gedroht sie abzufangen und Gewalt zuzufügen, wie Männer es mit Frauen taten. Und nun hatte er wieder nach ihr gegriffen, ihre Schulter fest gepackt und wollte sie dabehalten. Angst. Panik. Erinnerungen an Schmerzen. Demütigung. Hilflosigkeit. Es nährte die Schatten, es fütterte die Dunkelheit und in ihr wucherte dieser Kern aus Zorn und Hass, die Stimme die rief sie sollte ihn zerfetzen, sie sollte sich wehren, sie sei nicht allein, sie täten es für sie, sie müsste es nur zulassen. Die Gedärme des Orken sollten sich über den dreckigen Boden verteilen und sein Blut die verdorbene Erde tränken. Die Dunkelheit drohte binnen dieser wenigen Herzschläge über sie zu stürzen als Halgar den Orken bereits zur Seite gestoßen und einer seiner Gefährten die junge Frau zu sich und in seinen Schutz genommen hatte. Und was blieb war das ängstliche Pochen ihres Herzens, vergessen diese leise Drohung in ihr.

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„Angst haben wir alle. Der Unterschied liegt in der Frage wovor.“


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 Betreff des Beitrags: Re: Ra hek Rha
BeitragVerfasst: 20.03.15, 02:15 
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„Was dir Menschen geben, musst du bezahlen, mit dem, was du hast, oder teuer mit dem, was du bist.“

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Halgar war ein dankbarer Zuhörer. Vielleicht nicht immer der aufmerksamste, aber er hatte ein Gefühl dafür, wann er fragen konnte und wann es besser war bestimmte Aussagen so hinzunehmen und ihr das Geheimnis zu belassen. Vielleicht, weil er schon viel gesehen hat und akzeptierte, dass sie einfach nur einsam war und über eine gewisse Grenze hinweg nicht sprechen konnte. Er wusste nun, dass sie enttäuscht war, dass sie ein Gefühl von Wut und Trauer empfand, dass es ihre Empfindungen durcheinander wirbelte und doch nur Resignation übrig gelassen hatte. Er hörte, dass sie im Stich gelassen wurde, wenn sie zu dem Punkt kam jemanden zu brauchen, der für ihren Weg von Bedeutung war. Ja, jeder Lehrmeister hatte sie irgendwann stehen lassen und ohne den Fortschritt konnte sie die Aufgabe nicht erfüllen, die sie hier gefangen hielt. Eine Bürde, die mit jedem Jahr schwerer wog – aber ohne anleitende Hand war sie hilflos, suchte sich ihre Wege nur langsam und immer in verzweifelter Suche nach Schutz und Halt. Und manchmal wusste sie nicht, wie sie sich dies holen sollte. Die Nordmänner hatten etwas an sich, dass sie zwar einen groben Umgang pflegten und manchmal eher raunzten und wenige Worte verloren, aber sie waren wie Wachhunde vor allem, was sie als Welpen akzeptierten. Sie war klein, man konnte sie mit Süßem erfreuen, ihre Sprachversuche brachten Eis zum Schmelzen und mit dem Frühlingsbeginn und dem Wegfall der dicken Felle würde vielleicht mach einem noch bewusst werden, dass es sich nicht irrtümlicher Weise um ein Murmeltier sondern eine Frau handelte. Die Endophalis auf der Insel waren ihr keine schützende Gemeinschaft, es waren Fremde, die zwar den Schutz der Sprache boten, aber sie bargen auch eine Gefahr. Vor ihnen würde sie manches nicht verstecken können. Sie würden den starken Akzent in ihrem Endophalisch heraushören, vielleicht erkennen, dass ihre Züge stark regionsgeprägt sind, dass ihre Art sich zu bewegen und zu kleiden von den Handelshauptstädten der Wüstenlandschaft abwich. Sie würden wieder neue Ansprüche an sie stellen, wie sie zu sein hatte um sich auch in ihren Reihen wie ein Schatten bewegen zu können. Sie wollte sich nicht rechtfertigen, sie wollte sich nicht messen, aber sie war neugierig. Gleichwohl hatte Bahiyah dennoch auch ein paar Jahre am Tor der Wüste verbracht und dass jemand sie als vertraut betrachtete, war ein wohliges Gefühl in einer Welt, in der sie als Exot über die Straßen wandelte. Kadir sagte, er könnte aus ihr nicht lesen. Und sie konnte es ihm nicht mal verübeln. Ihr Schatten wog doppelt, denn sie trug nicht nur ihren eigenen mit sich. Schatten waren das düstere Geheimnis, das sich hinter all den Wahrheiten verbarg, die jemand vor sich hertrug. Sie hatte einmal Rodriks Schatten berührt und die Gewalt gespürt. Irgendein Punkt in seiner Dunkelheit lechzte danach ihr weh zu tun - da war etwas Vergangenes, das danach schrie die Ketzerei, die Frevel aus ihr heraus zu prügeln, bis ihre Schmerzensschreie im Ohr der Gerechtigkeit wiederhallten. Aber vielleicht spürte sie in seinem Schatten auch nur eine andere Vergangenheit. Denn Rodrik würde es nicht tun können. Er hatte es in seinen Schatten verbannt, selbst wenn es dort flüsterte. Stattdessen hatte er sich selbst wehgetan und gewiss glaubte er es wäre Teil seines Weges zu seinem Gott.
Er wollte, dass es ihr gut ging, obgleich sie den Mächten keine Namen gab. Er sollte sie nicht allein lassen, weder seine Güte noch den Schatten seiner Gewalt ihr entziehen. Aber sie wusste nicht, wie sie es tun sollte. Wer sie sein musste.

Vielleicht war es für sie an der Zeit ein Opfer zu bringen.


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„Die Grausamkeit gehört zu den ältesten Festfreuden der Menschheit. Folglich denkt man sich auch die Götter erquickt und festlich gestimmt, wenn man ihnen den Anblick von Grausamkeit anbietet. Und so schleicht sich die Vorstellung in die Welt, daß freiwillige Leiden, die selbsterwählte Marter einen guten Sinn und Wert haben.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Ra hek Rha
BeitragVerfasst: 1.04.15, 00:39 
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"... die Schatten mich zu sich holen."
Nicht mehr wollte er ihr sagen, alsdass er sich zu Ruhe legen will um in den Schlaf zu finden, wo der Geist sich öffnet für eine Reise in die Vergangenheit und die Zukunft. Da entglitt ihr das harte 'kafa', wie ein solcher Ton noch nicht von ihr vernommen worden war. Es war das Wort einer Wissenden, die bewahren wollte. Er wusste nicht, was es hieß, wenn die Schatten einen holten und nicht nur für einen Traum berührten.
Es gab eine Welt hinter den Schatten und Spiegeln, eine Welt, in die er nicht wollte, denn sie war nicht für die Lebenden gedacht.


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Das Gespräch mit Kadir schaffte ihr etwas Zuversicht. Er war ein besonnener Mann, der auf seinem Weg die Strahlen der Sonne suchte und den Schatten auf seinen Wegen teilen würde. Die Worte in der vertrauten Sprache des Landes, in dem sie doch sechs Regenzeiten lebte und der Sprache ihrer Mutter so ähnlich war, schenkte ihr ein wenig Frieden und Vertrautheit. Er kam ihrer Bitte nach zu erzählen und akzeptierte, dass sie ihn nicht auf dem Wispern des Stromes ihres Lebens mitnahm. Es gab dort Grausamkeiten, Dinge die sie beschämten und Wege, die verschleiert bleiben sollten. Über ihr Misstrauen kam sie nicht hinweg, den einsamen Wunsch sich selbst zu schützen. So nahm sie mehr Versprechen seinerseits an, als sie bereit war zu erwidern oder eigene zu formen. Gleichwohl er den Schimmer der Wüste mit sich brachte, war Bahiyah auch bei ihm heimatlos. Sie war aus dem Nest ihrer Kindheit gerissen worden, verließ die Hütte ihrer Jugend und wurde auf Siebenwind ein drittes Mal in den Schoß einer anderen Kultur geworfen. Auch dort wanderte sie seit drei Jahren umher, von einem Zimmer zum anderen, von Höhlen zu Bäumen, aus den Sümpfen in die kalten Wände verlassener Ruinen, in umarmende Nächte in Brandenstein, Träume hinter verschlossenen Türen in Falkensee, kalte Nächte in Seeberg und Abende in Radak. Ihr wurde Seeberg zu einem noch kälteren Ort, seit Rodrik nun seinem Gott folgte. Sie konnte keine Heimat finden und auch nicht die Loyalität die Darrag glaubte in ihr hinterfragen zu können. Galadonier lebten ohne Sinn für Familie und Gemeinschaft, sie kamen zusammen um jemanden oder sich selbst zu dienen und jede Freundlichkeit war der Etikette verschuldet - so zumindest hatte es Halgar ihr erklärt. Man ließ sie mittlerweile so wirken, als wäre sie mehr ein Teil der Burg als ihre Dienerin, aber sie war es nicht mit ihrem ganzen Selbst. Bahiyah würde es nicht wagen in diesen hohen Mauern der Chaladaim ihrem Weg zu folgen und das Lied zu stimmen, welches sie mit den Mächten verband. Vielleicht rührte daher ihre Entscheidung ihre Hand nach der vierten Kultur ausstrecken, nach dem Fremden, dem Neuen, das sie berühren und aufnehmen sollte. Vielleicht traute sie sich diesmal sich zu öffnen und Teil dieses Stammes zu sein. Je fremder sie war und je mehr sie sich von den anderen unterschied, desto eher würde man ihre Fremdheit akzeptieren, denn man würde weniger nach den Ähnlichkeiten fordern und jede mit einem lachenden Auge begrüßen.
Aber irrte sie nicht öfters?

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Er trat ihre Tafel mit den galadonischen Zeichen über den Boden, bis sie brach und Risse die mühsamen und doch liebevollen Versuche teilten, zu lernen. Dann legte sich die Spitze seines Schwertes auf ihren Bauch. Er warnte sie. Sie wollte weinen, vor Angst, Wut und Trauer um das Geschenk aus einer besseren Zeit. Und sie ließ ihn wissen, dass die anderen recht hatten: Er würde es nicht wagen. Aber sie glaubte nicht daran und tat selbst was nötig war, selbst wenn Blut fließen musste...

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 Betreff des Beitrags: Re: Ra hek Rha
BeitragVerfasst: 16.04.15, 19:27 
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"Wer mit den Wölfen essen will, muss mit den Wölfen heulen."

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Manche Abende hatte sie sich dazu gesetzt. Halgar hatte sie in die Gemeinschaft eingeführt und weil sie so dicht an seiner Seite lief und so manches Wort darüber gesprochen wurde, akzeptierte man ihre Anwesenheit. Scheinbar wollte niemand einen ehrenvollen Berserker wie Halgar verärgern oder sein Urteil anzweifeln. Wäre sie auf sich allein gestellt gewesen, sie wüsste nicht, wie die Dinge verlaufen wären. Der Hüne musste sich räuspernd hinter sie stellen, damit sie, die kleine schwarze Katze, die Aufmerksamkeit der Wölfe gewinnen konnte: Sie wollte ein Teil ihrer Gemeinschaft sein. Wobei sie Ragvarr eher als einen Bären bezeichnen würde.
Nur der Schütze aus dem Volk der Ehiraim stellte die Frage, was Bahiyah überhaupt beizutragen vermochte. Und es war keine unberechtigte Frage. In einem Stamm hatte jeder seinen Platz, weil er einer Aufgabe nachkam und wenn er dies einmal nicht mehr konnte, so hatte er sich seinen Platz dennoch verdient und würde weiter versorgt werden. Was also verband sie, die aus dem südlichsten Süden kam mit denen, die in den Schnee geboren wurden? Sie brauchte ihre Nützlichkeit und Halgar hatte sie in ihr erkannt. Es war das abstruseste Gefühl, was je in ihrer Brust flatterte, bitter und süß zugleich auf ihrer Zunge schmeckte. Sie hatte einen weiteren Antrieb gefunden um zu lernen mit den Kräften umzugehen, die sie zu bewegen vermochte, mehr als nur die Erfüllung ihrer Aufgabe, die ihr Stamm, die Geister der Insel Zihinada ihr auftrugen. Unbehagen und Lastbefreiung gleichmaßen war es, als sie den Anweisungen entfloh und sich mit ihren Mitteln am Kampf um das Lager beteiligte. Sie wählte ihre Waffen, sie wählte ihren Kampf, sie schützte ihre Heimstatt. Schweigend heulte sie mit den Wölfen um an ihrem Feuer essen zu dürfen und fand Hände, die sie hielten. Sie hatte sich entschlossen, ihren Platz in diesem Rudel zu finden, und wenn sie dabei aus dem Schatten treten und anfangen müsste die Geister anzurufen. Sie musste nur darauf achten, dass die Wölfe nicht den Schatten erkannten, den sie damit auf sich zogen. Leicht konnte es sonst passieren, dass sie zur Beute würde…

Doch bis dahin würde die dunkle Katze sich in der Wolfshöhle ihren Platz im weißen Fell suchen und sichern: Dem süßen Duft von Sicherheit folgend.

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"Wer dem Wolf zerreißen hilft, wird später selbst vom Wolf zerrissen."

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 Betreff des Beitrags: Re: Ra hek Rha
BeitragVerfasst: 22.04.15, 01:07 
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"Immer zu misstrauen, ist Irrtum, wie immer zu trauen."

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Es war ein schwerer Schritt gewesen den Gang auf dem Pfad der Ehrlichkeit zu finden, sich langsam aus diesem einsamen dunklen Versteck zu ziehen. Aber sie konnte die Hürden einfach nicht überwinden. Sie wollte vor den anderen Mitschülern, vor den Meistern und Höchsten nicht zeigen, was sie kann oder nicht kann. Halgar verglich es damit, dass man vor einem Kampf seine Technik nicht schon offenbaren wollte und eigentlich war es nichts anderes. Sie hatten ihrem Herrn, dem Mann, der sie festgehalten hatte, nie gezeigt was er sehen wollte, damit er nicht wusste, was auf ihn zukommen würde. Und auch jetzt konnte und wollte sie sich vor ihren Lehrmeistern nicht beweisen, nicht offenbaren, wo sie wirklich Hilfe brauchte oder wo sie Schritte gegangen war. Es wäre für sie nicht schwer gewesen die Reinigung des Ortes zu vollziehen, aber die Anwesenheit der Chaladai sorgte dafür, dass sich alles in ihr zusammenzog. Sie war verängstigt und gehemmt. Sie weigerte sich schließlich ganz den Schutzkreis zu ziehen und tarnte ihre Unsicherheit, ob die hohen Exzellenzen durch ihr Wirken tiefer in sie und ihre Kräfte blicken könnten, doch lieber damit, dass sie es sich nicht zutraute. Sie brauchte ihre Schwester, ihre Schwester wusste, dass sie gebraucht wurde – aber sie zwei konnten nicht gleichzeitig sein, nicht vor deren Augen. Es war schwer und verwirrend den Dingen eine Wissenschaft zu schenken, die vorher intuitiv gingen, die anders erklärt wurden, mit dem Mythos des Glaubens. Aber sie musste lernen, sie wollte so gerne und fühlte sich besser, als hätte sie endlich etwas tun können, statt passiv zu warten, dass die Mächte es richteten. Schicksal und eigener Wille seinen Weg zu wählen waren in einem Wort verbunden: Ra.
Es war ihr ein Trost gewesen, am Abend im Lager der Nortraven zu sitzen. Sie spielte. Sie wusste nicht, wann sie das letzte Mal mit jemand etwas gespielt hatte und fühlte sich unter dem Lachen um sie herum so wohl und aufgehoben. Sie machte Scherze und wagte es sich zu freuen, im Würfeln gewonnen zu haben. Es fühlte sich für einen Moment anders an, anders als in den Städten der Chaladai, für einen kurzen Moment war sie ohne Unsicherheiten ein Teil dieser Gruppe. Bis sie mit einem von ihnen allein war. Das gerötete Gesicht blickte sie an und die Worte nahmen ihr das Glück vom Abend wieder, diesen kurzen Moment der Unbeschwertheit. Ja, sie sei willkommen, ohne Frage, weil die Berserker sie da haben wollten und das akzeptiert würde. Aber man würde sie im Auge behalten. Sie sollte nicht glauben, sie müsse hier lügen. Aber man würde sie beobachten.

Nichts war anders. Man erwartete die Lüge, man erwartete, dass man sie im Auge behalten muss und doch duldete man sie, gleichwohl sie manchmal die Spitze des Schwertes aufblitzen sah. Aber so war es eben und es war vielleicht auch nicht falsch.

Zum Schlafen war ihr nicht, auch wenn ein Teil der Welt um sie herum ruhte. Mit den Insekten blieb sie allein auf der feuchten, klammen Wiese. So hatte sie zumindest einen guten Nährstoff für die elementaren Wasserfäden, die ihr helfen sollten einen Schutzkreis aufzuziehen. Sie wollte sehen, was passierte … während Rashida in ihrem Rücken stand.


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"Was andere uns zutrauen, ist meist bezeichnender für sie als für uns."

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 Betreff des Beitrags: Re: Ra hek Rha
BeitragVerfasst: 11.05.15, 21:56 
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"Es gibt Situationen, in denen man ein Geheimnis halb preisgeben muß, um den Rest zu bewahren."

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Es war wichtig, ihnen das Gefühl zu geben, sie würden in ihre Geheimnisse einbezogen werden, als seien sie die Verbündeten, denen sie das Wissen an die Hand gibt - Eingeweihte. Deshalb sagte sie Larson, dass sie nicht mit ihnen gehen würde, sondern in der Robe einer anderen Gemeinschaft, mit einem Namen, den er nicht kennen würde. Sie schlief zwar mit den Wölfen im Holzbau, aß mit ihnen am Feuer und schützte mit ihnen das Lager, aber sie war noch nicht soweit verbunden, dass sie in ihren Farben gehen und ohne die tief ins Gesicht gezogene Gugel, sondern mit offenem Gesicht, die selben Schlachten bestritt. Einer Robe vertraute man mehr als ihrer dunklen Haut, die Waage war vertrauenswürdiger als die Symbolik ihres Stammes auf ihrem Leib. Und auch der 'Feind' sah nur auf die weißgrauen Stoffe, sodass ihr die Wege links und rechts der Straße offen blieben.
Es war ihr gleich, ob die Orks irgendwelche Bürger angriffen, Reisende belästigten oder Städte terrorisierten. Sie konnten einmal durch Falkensee wüten und in Brandenstein Feuer legen. Aber Bahiyah hatte nicht vergessen, was die Khikathi ihr angetan hatten. Sie vergaß nicht einen düster lüsternden Blick, keinen Moment boshaft freilegter Hauer und Zähne, keine Berührung ihrer Pranken, keinen Schlag, keinen Moment des Schmerzes und der Angst. Sie vergaß auch nicht wie es sich anfühlte einen Bolzen in den Rücken zu bekommen, gefesselt und festhalten zu werden. Es war ihr eine Genugtuung sich in einer Überzahl zu verstecken und nach ihrer eigenen Gerechtigkeit zu suchen. Der Wunsch heimzuzahlen, was man ihr angedeihen ließ, manifeszierte sich in der feurigen Form eines elementaren Wesens, das aus ihrem Geist schöpfen konnte, aus der Stärke ihrer Schatten, die in die Dunkelheit selbst gelaufen wären. Sie brauchte nicht vielmehr zu tun als zuzusehen, wie der Eiswolf das blutige Werk vollendete, wie Haut von den Knochen gezogen und Rippen blutig eingeschlagen wurden. Keine Gnade ließ er walten, keinen Moment der Nachsicht - reinste Gewalt über das Maß des Nötigen heraus. Doch in keinem Moment ungerecht, in keinem Moment höhnend. Ein starker Krieger hatte einen anderen hingerichtet und seinen Namen auch im Anschluss nicht beschmutzt.
Die Gewalt, die ihr so an dem Nordmann imponiert hatte, verflog jedoch mit dem Lauf der Sterne dieser Nacht. Zu allem, was zarter war als sie, konnten sie neben ihrer rauen Art zu sanften Riesen werden. Damit musste sie erst lernen zurecht zu kommen, bei ihnen allen. Vielleicht war es nicht das, was sie wollte oder sie wusste es nicht besser.


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"Wer nach Rache strebt, hält seine eigenen Wunden offen."

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 Betreff des Beitrags: Re: Ra hek Rha
BeitragVerfasst: 16.06.15, 19:22 
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"Wa'rum sind Gotter bei euch Gotter?"
"Du beginnst ja gleich mit den ganz einfachen Fragen."


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Manchmal brauchte es Mut um zu fragen, aber wenn der, der zum Antworten verleitet werden soll, die Offenherzigkeit und das Interesse dahinter wahrnimmt, so erfuhr Bahiyah, dass sie nicht viel zu fürchten hatte. Ihr selbst war aufgefallen, dass sie viel mehr Fragen stellte. Sie brauchte niemanden Antworten zu geben, aber sie bekam sie und schämte sich nicht der Unwissenheit, denn sie ging mit einem Wissensdurst voran, der langsam in ihr anwuchs und den sie so zuvor nicht erfahren hatte. Es strebte sie nicht nach dem kleinsten Detail, nach der Aufschlüsselung jedes Geheimnisses oder nach den Daten einer Geschichte. Manchmal halfen Fragen auch nur das Große und Ganze in einen begreifbaren Rahmen zu bekommen und in ein Weltbild einzuordnen, das dazu gemacht war sich aufgrund seines gegebenen Fundamentes immer weiter zu verändern.
Die Erklärungen des Geweihten Astraels waren ihr sehr angenehm und sie waren überraschend zugleich. Er hatte sich Stunden Zeit genommen ihr zu erläutern, was Götter von den Elementen unterschied, warum man sie zusammenfasste und welche Bedeutung sie haben sollten. Zuzugeben, dass man etwas nicht wissen konnte, weil es für das menschliche Wesen nicht fassbar war, imponierte ihr und es glich ihrem eigenen Glauben, den sie von ihren Eltern übernommen hatte: dem an die Mächte. Es gab ihr Mut weiter zu fragen. Aber sie war sich sicher, dass sie nicht nur im Tempel der Viere ihre Fragen stellen musste um mehr zu verstehen auf welche Weise der Glaube die Wesen beeinflusste. Denn alles war auch mit dem Wirken von Magie verwoben, mit dem Einfluss der Sterblichen auf die Mächte um sie herum. Es war höflich die Rituale anderer Völker zu achten, denn so wollte man es auch für sich beanspruchen. Das Lernen gehörte scheinbar dazu.
Halgar hatte sie es zu verdanken, dass sie mit den Schreibübungen voran kam und die ersten Worte lesen und verstehen konnte - und Sätze dabei hervorkamen. Nach drei Jahren auf der Insel unter den Galadoniern war es nach dem Erlernen ihrer Sprache der richtige Weg voran zu kommen. Halgar wollte sie über dies hinaus auf einem guten Weg halten und mahnte sie erst väterlich, dann versuchte er es freundschaftlich und doch hatte Bahiyah ihn nur mit jugendlichem Trotz belohnt. Seit ihrem letzten Streit hatte sie nicht mehr viel Zeit mit den Nordmännern verbracht, denn sie war verwirrt von ihrem Gebaren und vor allem ihrem eigenen so leichtlebigen, ausreizendem und reizendem Verhalten. Halgar hatte recht, dass sie als junge Frau keinen Unfrieden stiften sollte, dass sie nicht jedem Wunsch eines Mannes folgen brauchte. Es war schwer zu begreifen und zu lernen was es bedeutete erwachsen zu werden, man keine Vorbilder hat, keine Mutter oder Vater – wenn die Schwester nicht mehr dieselben Fehler machen kann.
Manche Dinge brauchten Zeit, bei anderen ging sie langsam zu neige.

Und wieder hörte sie die Stimmen aus den Schatten, die mit ihrer Kraft gleichsam wuchsen und lauter wurden: Bring es zu ende. Such ihn. Töte ihn.

„Ich habe dich gesucht. Sind die anderen auch hier?“, fragte sie den Schattenumriss des Jungen, der sie anstarrte.

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"Auch ein Schatten kann Licht ins Dunkel bringen."

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 Betreff des Beitrags: Re: Ra hek Rha
BeitragVerfasst: 11.07.15, 16:17 
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"Eines ist Verlassenheit, ein anderes Einsamkeit."

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Er hätte sie mitgenommen, aber er hätte auch einfach bleiben können. Sie musste bleiben, hatte keine Wahl, wenn sie ihr Schicksal erfüllen wollte. Und dieses Schicksal zwang sie zu einer unerbittlichen Einsamkeit hinter einem Vorhang aus Schatten und Verschwiegenheit, Misstrauen und Heimlichkeit. Sie war einsam und hilflos, wollte manches Mal wieder unter eine schützende Hand um sich umsorgen zu lassen und zu gehorchen und gleichzeitig wandelte sie auf Pfaden, über die kein Herr urteilen durfte als die Mächte selbst, die ihrem Schicksalsweg Freund und Feind waren.
Dass die beiden Nortraven, denen sie sich in die Obhut gegeben hatte, nun den Weg zum Festland angetreten waren, und sie alleine ließen auf dieser Insel, ließ sie erst manches Mal weinen und aus dieser flüssigen Glut aus Salz und Wasser wurde Zorn einem tobenden Wind gleich, der ihr unerträglich gegen die Brust schlug. Und sie hörte das Schreien in ihren Ohren und sie wusste, es waren nicht ihre vibrierenden Stimmbänder: Es waren die Schatten, die mit ihr schrien und sie enger an sie heranrückten, dichter wurden, sich zusammenzogen und Bahiyah einen Schritt näher in das dunkle Reich zog, von dem so wenige wussten und das doch überall war. Sie sank auf ihre Knie, irgendwo auf dem dreckig harten Boden zwischen Wurzeln und getrockneten Gräsern. Gekrümmt kauerte sie sich zusammen und presste die Hände auf ihre Ohren, damit das Geschrei dumpfer würde und doch pulsierte es in ihrem Kopf, vermengte sich mit dem Rauschen der Blätter all jener Baumkronen, die über ihr aufragten. Sonnenlicht und Schattenspiel tanzte im wilden Kampf über ihren Körper hinweg und dann war es vorbei. Es wurde ihr kalt ums Herz, dann ganz leicht, und sie spürte Rashida bei sich und hörte im Echo des fließenden Baches das leise Rufen eines kleinen Jungen. Das Gefühl war ihr genommen worden, als würde man es für sie aufbewahren, und sie fühlte sich stumpf und leer und ließ sich zusammengerollt zwischen Wurzeln, Gras und Moos auf die Seite gleiten. Lange ruhte sie dort und starrte mit verweinten Augen voran, ohne etwas zu fixieren. Sie wurde beobachtet aus Augen, die keine Augen mehr waren. Und sie fühlte sich für einen Moment wieder behütet und nicht mehr allein. Nun hatte sie fast überall Betten, sechs Orte, in denen sie schlafen konnte und doch war kein Ort ihr Zuhause, keiner eine Heimstatt, an keinem Ort hatte sie eine Gemeinschaft oder war frei ohne Vorhang zu existieren. Sie war ein wandelnder Fremdkörper auf der Insel, der wie ein Splitter in der Haut langsam umwachsen wurde. Nun musste sie überlegen, wo sie als nächstes hingehen sollte, denn ohne mit einer Wurzel den Boden zu berühren würden andere Hände nach ihr greifen. Sie schlief ein. Und als sie erwachte spürte sie ein unangenehmes Brennen an ihrem Bein. Im Licht offenbarte sich die Rötung einer leichten Verbrennung. Fünf dünne Striemen, fast wie Finger…

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"Geist ist Verbrennung, Gefühl Verbrennendes."

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 Betreff des Beitrags: Re: Ra hek Rha
BeitragVerfasst: 4.08.15, 16:13 
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"Die Gemeinschaft der Menschen besteht nicht von Natur, sondern um des Zuträglichen und des Bedürfnisses Willen."

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Ein fahler Beigeschmack lag pelzig auf ihrer trockenen Zunge, als man ihr den Keller des Seiltänzers zeigte. Es waren Wände, an die sie sich sehr wohl erinnerte, da es die ersten waren, die sie hier auf Siebenwind beherbergten. Vor ihrem inneren Auge fiel es ihr nicht schwer sich zu erinnern wo einst welches Kissen lag, wo sie sich die Kanten der verschwundenen Teppiche vorzustellen hatte. Ihre alte Kammer wagte sie nicht zu betreten, denn so wie sie nicht vergaß, so vergaßen auch die Wände und die Schatten in diesem Haus nicht die Anwesenheit der jungen Endophali. Sie wollte nicht in eine Konfrontation mit dem geraten, was genauso gut wusste was hier unten geschah wie sie selbst. Ihr wurde schlecht, aber sie lächelte und begrüßte das Vorhaben der Männer, die sich hier zu einer neuen Gemeinschaft eingefunden hatten. Es war mehr das Streben von Kadir und Jamar gewesen die jüngste dieses Trios festen Teil dessen werden zu lassen. Sie lobten Bahiyah dafür, dass sie schon länger als sie auf der Insel weilte und ‚Erfahrungen‘ habe, die ihnen womöglich noch fehlte. Die Schwarzhaarige war nie ganz Teil der hiesigen Gesellschaft gewesen, stand mehr in deren Schatten und hatte sich in nichts eingemischt. Dennoch hatte sie ein Gefühl für die Chjaladaim entwickelt, ein Gefühl dafür, wie man sich unter ihnen als Gesamtes oder unter einem Individuum bewegen konnte. Und Erfahrungen mit Tavernen hatte sie alle male. Es war jedoch nicht das einzige, was die streunende Katze scheinbar interessant genug gestaltete, dass man ihr so bereitwillig die helfende Hand hinhielt, gleichwohl sie nicht denselben Eifer teilen konnte. Ihr Ziel war nicht die Gemeinschaft von Endophalis auf Siebenwind. Diese Gemeinschaft wäre bisher nicht zweckdienlich gewesen und Bahiyah war genötigt gewesen sich als einsame Streiterin, als Fremde unter Fremden, anderen Gemeinschaften, Gruppierungen und Rudeln anzuschließen. Ihre Einzigartigkeit war ihr eine Gefahr, aber auch ein besonderer Schutz gewesen. Dieser Schutz löste sich mit dem Auftauchen weiterer dunkler Gesichter auf. Sie alle brachten gewisse Ansprüche mit, Werte und Ansichten, die es auf eine ganz andere Weise zu respektieren galt – Aber es könnte auch zu einer Bewertung führen, die sie sich entgehen wollte. Im Großen und Ganzen war die junge Frau einfach überfordert und ängstlich gewesen, was dazu führte, dass sie die Gemeinschaft mit kleinen Versprechen fütterte und um sie herumschlich. Die Kreise der gedachten Samtpfoten wurden enger, sie ließ sich streicheln, ein wenig füttern, brachte dafür ab und an eine Maus vorbei und würde sich vielleicht auch bald zum Schlafen vor dem Kamin niederlegen. Letztlich hatte sie nicht mehr genug Halt im Exillager der Nortraven, nicht genug in Seeberg und die Akademie war eine heikle Schneide, auf der sie herumtänzelte - selbst Rodrik, der oft gutmütig wegschaute, kam den zwei Seiten auf die Schliche.
Es war vielleicht gut sich einer Gruppe anzuschließen, die Bahiyah haben wollte, es war nun lediglich an ihr sich dieser Gemeinschaft mehr zu öffnen. Gerade Kadir hatte offene Worte gesprochen, unerwartete Worte, Worte, die vorsichtig werden ließen, Worte, welche zum Spielen und zu neuer Verbundenheit aufriefen. Wahrscheinlich hatte sie noch nicht ganz verstanden, was er ihr hatte mitteilen wollen, nebst der Verlockung ihres offenen schwarzen Haares. Aber sie würde noch verstehen, das junge Ding, irgendwann – oder fragen müssen. Doch wen, wenn es nicht die Schatten sind, die es ihr beantworten können?

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"Sicherlich wird niemand sich um denjenigen kümmern, der sich um niemanden kümmert."

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