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 Betreff des Beitrags: Der Geist des Hauptmannes [Sammel-Thread]
BeitragVerfasst: 28.07.13, 19:43 
Einsiedler
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Eingehüllt in ihrem abgewätzten Braunbärumhang saß sie auf dem Holzboden jenes Gebäudes, das in ihrer Nase nach Krankheit und Tod stank. Alles war sauber und ordentlich und die Gerüche von Kräutern, Aufgüssen und allerlei Gemischen übertünchte, was ihr die Nackenhaare aufstellte.

Immer wieder sprach man sie auf Galadonisch an, sie solle sich mit den anderen an den Tisch setzen, zu diesen Weißen, sich mit ihnen über ihre Nutzlosigkeiten unterhalten. Die, deren Namen so vollkommen frei von Bedeutung waren. Sie kannte ihre Gesichter. Aber sie sahen ihres nicht.

Bahiyah zog es vor, von ihnen weg zu bleiben, sich an den Treppenabgang zu kauern, sollte es nötig sein zu flüchten - wollte beobachten, wollte zuhören, was sie in der Lage zu verstehen war. Und als dieses Mädchen dazu kam, wurde nur mehr der Wunsch geweckt, zu gehen. Doch etwas hielt sie ab. Eine innere Beklemmung, vielleicht auch die Angst von den Orken verschleppt zu werden, die ihnen in die Stadt folgten.

Als Schritte im Erdgeschoss des Hospizes erklangen, scherte sich niemand darum in einem Haus des Kommens und Gehens. Die Galadonier verblieben mit ihrem Tee am Tisch, selbst als die Schritte schwer und ächzend die Treppe hinauf kamen. Nur Bahiyah, die niemanden in ihrem Rücken haben wollte, drehte sich in ihrer sitzenden Haltung herum und blickte über die Leisten der Kante herunter. Nichts.
"SIEH HIN!", hörte sie die Stimme ihrer Schwester und Bahiyahs Blick fokussierte sich. Da war etwas. Schemenhafte Umrisse, als hätte das Lichtspiel ihr mit dem in der Luft schwirrenden Staub einen Streich gespielt. Doch sie glaubte gar, sie habe die Umrisse eines gerüsteten Mannes erblickt. Sofort bekam das Mädchen Beklemmungen und in der Brust zog es sich ihr zusammen. Wenn der hohe Chaladaim der Stadtwache gekommen war um sie zu holen? Er hasste sie, er würde… Und da war dieses chalada-Mädchen und drückte ihr Kuchen in die Hand, begann unablässig zu plappern und zu reden, sie wolle nach Endophal reisen und sich die große Wüste ansehen. Dummes Mädchen, dachte sie, sie werden dir den Kopf abschlagen, wenn du versuchst den Fluss zu überqueren, so wie sie unsere Köpfe aufspießen. Aber das sagte sie ihr nicht. Den Wortschwall über sich ergehen lassend und aus der ihr eingeprägten Höflichkeit eines Gastes heraus immer mit höchstem sprachlichen Bemühen antwortend, kam sie nicht von ab sich ständig umzudrehen. Aber da war kein Mann mehr.

Im Raum nebenan veranlasste ein Krach mehrere Chaladai sich zu erheben und den anderen Raum zu eilen, ein Mann griff zu seiner Waffe und zeigte sich verängstigt. Das Mädchen neben ihr schien sich nicht zu fürchten, respektlos gar vor den Schrecken und Wunderlichkeiten zu sein. Bahiyahs Herz allerdings machte einen Sprung und sie fühlte eine eisige Kälte, die sie umfegte.
Instinktiv griff sie nach ihrem Beutelchen und holte eine halbes Dutzend kleiner, gravierter Tierknochen heraus, die sie sich in die vernarbte Handinnenfläche kippte und gut schüttelt. Das letzte Mal hatte sie damit für Mohon Fragen beantwortet, als er wissen wollte, ob der Alte Mann wiederkäme. Da die Endophali sich unbeobachtet fühlte, warf sie die Knochen vor sich auf den Boden und betrachtete in höchster Aufmerksamkeit, wie sie fielen. In welche Richtung welcher Knochen zeigte, welche sich berührten oder gar an welcher Stelle übereinander lagen. All das konnte Antworten bringen.

"Sind das magische Knochen?", ertönte wieder die Stimme, die ihre Konzentration zu durchbrechen versuchte. Bahiyah erinnerte sich nicht, ob sie geantwortet hatte. Jedoch hätte sie wohl nein gesagt. Die Runen, die in die Knochen eingeschnitzt und geschwärzt wurden, leuchteten schwach pulsierend rot auf. Bahiyah wich etwas zurück und hob den in der Kapuze verborgen Blick auf.
Die Schemen wurden wieder sichtbar. Klarer traten sie gar aus einem Nebel heraus um sich zu einem menschlichen Körper zu formatieren. Er sah wirklich aus wie ein wichtiger galadonischer Krieger… trug eine Rüstung, einen Wappenrock gar. Und wie elendig er aussah. So verlitten, durchbohrt, zerschnitten, voller Ruß und Leid in den Zügen. Und obgleich alle Galadonier ihn sofort mit Fragen bedrängten, wer er sei, was er hier mache, was er wollte, wen er suche hatte der Geist nur Augen für die verhüllte, kleine braune Gestalt am Boden, deren Hände ganz furchtbar zitterten.

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"Wo sind sie?" Einfache Worte, deren Bedeutung sie zu verstehen wusste. Er müsse zu 'ihnen' kommen. Selbst Bahiyah war klar, dass er zu seinen Männern wollte. Krieger verbanden, hier oder am anderen Ende der Welt, die gleichen Kameradschaften. In ihrer Heimat wuchsen sie sogar zusammen auf und kämpften niemals getrennt voneinander in der Ferne. Aber die Galadonier verstanden nicht in ihrer Aufregung, redeten auf den Geist ein, bis sie einsahen, dass sie über die Fremde mit ihm kommunizieren mussten. Und diese Fremde verstand nicht, was sie ihr an Worten an den Kopf prügelten, und sie versuchte erbittert einzelne Wortfetzen zusammen zu fügen.

Ein Geist kannte keine Zeit. Warum die Eile?

Sie streckte ihre Hände, welche tiefe Male trugen, zu ihm hoch und bat ihn, nach ihnen zu greifen. Der Geist, wohl eher seiner Verzweiflung wegen geneigt den Worten eines Mädchens zu folgen, hockte sich begleitet von schemenhaften Geräuschen nieder und griff nach ihren Händen. Er versuchte es, glitt hindurch und ballte seine eigenen. Er verstand. Es bedurfte keiner Erläuterung.

Langsam beruhigte sich die Stimmung. Und sie mochten vernommen haben, dass eine Schlacht den Mann von den seinen trennte, eine Schlacht, die bitterlich verloren ging - eine Schlacht, die so viele Jahre her war, dass nur wenige Überlebende heute noch davon berichten konnten. Bahiyah war so übermannt von diesem Ereignis, dessen sie Teil wurde, dass sie erst am Ende nach seinem Namen fragte und von anderen dazu aufgefordert werden musste: Hauptmann Cassius.

Der Geist ging, doch Bahiyah blieb zurück, sammelte hecktisch ihre Knochen ein. Die Galadonier umzingelten sie, ihre Stimmen wurden furchtsam und die Endophali fürchtete einen Angriff in der Tonlage zu hören. Plötzlich, nachdem man sie so lange Zeit friedlich dort hatte sitzen lassen, bedrängte man sie, wollte wissen wer sie ist, was sie ist. Und sie bekam Angst. Sie bekam so furchtbare Angst zu glauben, man würde sie fesseln und in den Tempel bringen und die Geweihten würden sie töten. Sie wollte zum obersten Treppenabsatz laufen, aber die blonde Frau, so alt wie sie vielleicht, stellte sich ihr in den Weg. Nun gänzlich in ihre Panik gesteigert sprang die Endophali von der Seite runter auf die Treppe und kam hart mit ihren nackten Füßen auf. Sie rannte. Sie rannte aus dem Heilerhaus, sie rannte über die Straßen, sie rannte durch die Felder und in die Dickichte des Waldes hinein. Erst als Bahiyah mit den Schatten verschwamm und in ihrem nun vertrauten Wald untertauchte, hörte die fremde Frau auf sie zu verfolgen und zu hetzen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Der Geist des Hauptmannes [Sammel-Thread]
BeitragVerfasst: 3.08.13, 13:25 
Einsiedler
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Sie wusste nicht, durch wie viele Menschen schon einmal ein Geist hindurch gelaufen war. Vielleicht waren es viele, nur dass sie nicht mit der unglücklichen wie bemerkenswerten Gabe gesegnet waren, dass sie die Geister dabei auch sehen konnten.

Cassian lief wie ein nasser Schauer durch sie hindurch. Was auch immer von ihm übrig war: es war eiskalt. Es war nicht die Kälte eines Windzuges, es war nicht einmal die brennende Kälte von Schnee und Eis. Sie durchlief ihre Adern, die Fasern ihres Körpers, ihr Wasser, ihre Erde, füllte ihre Lungen und dämmte ihr Feuer. Dass sie gar wie erstarrt herum stand, die Hand noch schützend vor sich gehalten, rief für einen kurzen Moment Verwunderung bei den anderen hervor. Es brauchte seine Zeit, ehe ihr Körper sich wieder aufwärmte und sich dem Leben widmete, mit einem Anstoß voller Inbrunst. Mit dem Aufflammen des Feuers in ihrem Leib fuhr ein Kribbeln in ihre Beine und Bahiyah rannte aus dem Hospiz heraus und ungeschickter Weise abermals durch den Geist des Hauptmannes, der noch nicht weit gekommen war. Auch sie kam nicht weit, taumelte nur benommen bis zur Fassade des gegenüber liegenden Gebäudes vom Hospiz. Je weiter sie vom Geist floh, desto mehr verschwommen seine Konturen und aus dem Schemen wurde wieder das gesichtslose Nichts. Wurden Geräusche und Kälte. Ein Umstand, der Bahiyah von allein nicht bewusst war. Es war die Elfe, die sich dem Gott des Todes geweiht hatte, die Bahiyah von abhielt diesem schaurigen Geschehen gänzlich zu entfliehen.

Sie wurde nicht gewaltsam genötigt Vater Custodias und der Elfe zu folgen. Es schien ihr wie eine Art Aufforderung, die einen so unglaublich legitimen und gerechtfertigten Eindruck vermittelte, dass sie gehorchte. Verwundert und im Strom der Geschehnisse gefangen folgten die drei dem trostlosen Geist in die Wälder des Westens, sahen Halblinge, die - könnten sie schwimmen - so aussahen als wollten sie in den Fluss springen vor Schrecken.

Unter dem süßen Säuseln und Rauschen der dichten, von Regentropfen bespielten Dächer des Waldes liefen sie. Der Geist nahm sie mit und antwortete lethargisch auf Bahiyahs Fragen, die zu vermitteln sie beauftragt war. Immer wieder fiel ein Name und Custodias war erpicht darauf zu wissen, um wen es sich handelte. Seine Stimme forderte stets die Antwort darauf, ob dieser ein Freund von Cassian sei, ein Kamerad vielleicht gar. Wieder und wieder. Custodias redete vielleicht gerne. Bahiyah und Cassian war nicht viel nach Reden.

"Wird er gut zu mir sein?" "Ja…"

Dann war er ein Freund. Warum also viele Worte verlieren? Sie waren erst am Anfang der Reise, die noch die ganze Nacht dauern sollte.




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Konnte man ein Gefühl beschreiben, wie es war, einen Schritt gerade aus zu tun, mit der festen, eingebrannten Vorstellung von den Gegebenheiten der fassbaren Realität und dabei auch dorthin zu gelangen, was man sah, anzielte und erwartete… und dann plötzlich woanders auftauchte? Sie hatte gesehen, wie Magier ovale Portale auf dieser Insel beschworen und sie wie ein Fenster waren. Man konnte sehen, wohin man ging.
Aber diese drei waren einfach plötzlich vom Wald auf einem Berg gelandet. Ein Berg, der von Schnee bedeckt war, dessen steinige Pfade spitz und kantig waren. Bahiyah versetzte es in deutliches Erstaunen und der erste Gedanke war: wie komme ich zurück? Die anderen schauten sich lediglich mit einem kurzen Anflug Überraschens um und gingen ohne großen Aufhebens weiter. Es scheute sie durch den Schnee zu gehen, aber niemand würde auf sie warten, wenn sie zurückbliebe. So kämpften sie sich eine Weile über die abfallenden Wege. Die Schritte des Geweihten fest und stark, die der Elfe leicht und Bahiyah schlichtweg hinterher hinkend. Endophalis gehörten nicht in den kalten Norden. Und gewiss nicht mit lediglich Sandalen an den Füßen. Schnaubend wickelte sie sich selbst ein wenig bemitleidend in den Umhang und zwang sich weiterzugehen.
Ihr Ziel war ein Plateau, wo Cassians Geist sie wieder allein ließ. Eine Holzhütte ragt dort vor ihnen auf. Das Dach weiß und von einem Laken aus Schnee. Sie stiegen auf die Veranda, blickten durch die Fenster, rüttelten an der Tür. Bahiyah empfand dies als unhöflich und just in diesem Moment, wo sie der galadonischen Sitte gemäß an die Tür klopfen wollte verschwanden alle ihre Begleiter. Dann verschwand sie ebenfalls.


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 Betreff des Beitrags: Re: Der Geist des Hauptmannes [Sammel-Thread]
BeitragVerfasst: 4.08.13, 10:58 
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Eine leichte warme Brise umspielte ihre Beine und Zehen. Es roch nach Tierdunk und Heu, nach Wiesenblumen und nach Hühnern. Irgendwie rochen Hühner ganz eigensinnig, so staubig. Und ihr Gegacker fügte sich in das frühsommerliche Gezwitscher der Vögel in den Bäumen. Bahiyah tauchte direkt vor den Toren eines großen Gatters auf.

"Wir sind in Ersont…", erläuterte Custodias, der die Straße abgegangen und an einer Kreuzung auf ein Schild gestoßen war. Bahiyah bemerkte diesmal nicht, dass ihre Begleiter ins Haus gingen und sich ihrem Sichtfeld entzogen. Sie spürte in sich ein Gefühl, das nicht ihr gehörte und alles an Wut und Angst übertünchte. Freude und Sehnsucht, als betrete sie einen vertrauten Ort der Kindheit. Prickelnde Aufregung und Erleichterung. Sie betrat das Gatter, streichelte das Pferd und wunderte sich, wann man es gekauft hatte, denn früher war es doch noch nicht da. Ein dumpfes Gefühl, das sich wie ein fransiger Teppich in ihrer Magengrube ausbreitete.

"Cassian! Cassian! Du bist endlich wieder Zuhause!", ertönte überschwänglich jauchzend die Stimme eines blonden Kindes. Es ließ den Eimer mit den Körnern fallen und rannte auf Bahiyah zu. Es redete und strahlte und griff nach ihrem Umhang, hob voller Ehrfurcht und Überschwänglichkeit den Blick zu ihr auf, zu dem Gesicht, das von Schatten verhüllt war.
"Papa, Papa! Cassian ist zurück, Cassian ist zurück! Komm schnell, wir müssen zu Papa! Hast du gesiegt, ja?" Sprachlos ließ Bahiyah sich von dem Jungen ins Haus führen, suchte mit dem Blick überall nach Cassian und verstand oft gar nicht, was dieses weiße Kind von ihr wollte. War es denn verrückt? Oder war sie es geworden?

Als sie in der einfachen, dunklen Wohnstube einkehrte atmete sie tief durch und ein Stein fiel ihr vom Herzen. Gleichzeitig wirbelte dieser Brocken ihren Bauch auf, denn sie verstand nicht warum sie der Anblick des alten Mannes so erfreute und ihr dieser Tisch so wohlig vertraut vorkam. Sie zog ihre Sandalen aus und stellte sie auf den Dielenboden. Denn den Boden seines Zuhauses beschmutzte ein Endophali nicht mit seinen Schuhen.
Auf die Einladung des Mannes hin setzte sie sich vorne auf die Kante des Stuhls am Tisch, der bereits gedeckt war. Es gab immer Abendessen um diese Zeit. Zur Feier des Tages würde der Alte bestimmt seinen Rum aus dem Keller holen. Wie durch einen Schleier vernahm Bahiyah die Gespräche um sich herum, bis sie sich wieder gewahr wurde, wer sie in Wirklichkeit war. Die Worte drangen scharf und unangenehm klar an ihre Ohren.

"Na, deine Begleiter sind mir komische Vögel. Wir haben das Jahr vier nach König Hilgorads Krönung!"
"Wir haben nur beim Reisen etwas das Zeitgefühl verloren."

"Cassian, Cassian? Hast du den Krieg gewonnen? Sind die Orken alle tot? Bist du jetzt ein Held?", fragte das Kind überschwänglich und wich nicht von Bahiyahs Seite.

Eine bedauernde Trauer schwang in den Worten der Elfe mit. Ihre Stimme war so wissend.
"Ja, er ist ein Held."

"Nimmst du mich mit? Du hast es mir versprochen."

Bahiyah fehlte es am Verständnis und Vokabular. Das Puzzle, das sie aus den vielen Einwürfen von Custodias zusammen setzte, ergab, dass er eine lange Rede darüber hielt, dass der Junge nicht in den Krieg ziehen sollte. Krieg sei schlecht, er solle bei seinem Vater bleiben. Denn die Bauern seien Helden. Sie sorgten für das Essen.

"Du ko'mmst mit, wenn du bi'st groß." Dies versprach Bahiyah leise und ruhig. Und obwohl alle so intensiv auf das Kind einredeten, gehörte seine ganze Aufmerksamkeit wieder ihr.
Bahiyah empfand es als grundlegend falsch, das Versprechen zu verneinen, was Cassian einst dem Kind gegeben hatte. Er konnte nicht genug Besitz von ihr ergreifen, bloß um ihren gesichtslosen und namenslosen Körper eine Hülle und Illusion aufbauen. Was auch immer geschehen war. Es war Schicksal. Es war das Ra, es war die Entscheidung des Toten und die des Kindes. Vielleicht war es dazu bestimmt, wie Cassian ein Schwert zur Hand zu nehmen. Und der Weg eines Kriegers war ein ehrenvoller.
Es wäre ungerecht gewesen, hätte Cassian die Gelegenheit bekommen hier etwas zu verändern. Jeder andere Mensch musste mit dem leben, was geschehen war und musste mit dem sterben, was er verursacht hatte oder nicht verhindern konnte. Wenn Bahiyah stirbt, wird sie ein paar Auswählte ins Dorf ihrer Heimat bringen können?


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Mit diesen Gedanken von einem anderen Ansinnen von Gerechtigkeit, wie die übrigen es gerade vertreten mochten, wurde Bahiyah aus ihrem neuen warmen Zuhause gerissen und wie verstoßen und verlassen auf einer großen weiten Wiese ausgesetzt. Cassian war wieder bei ihnen und fiel vor einem flachen, ausgearbeiteten Stein auf die Knie. Unberührt stand die Endophali fern von dem Geschehen. Fern von den Tränen, fern von den Gebeten, die seine Seele eine Hilfe sein sollten in die Hallen Morsans einzutreten.

Eine Grabstätte?

Vielleicht hätte Bahiyah mehr Mitleid empfunden, wenn sie nicht davon überzeugt wäre, dass die Möglichkeit bestand, dass Asgren schon seit einigen Jahren sein neues Leben lebte, in einem neuen Körper. Auch Cassian sollte loslassen und wiedergeboren werden, um besser als zuvor sein Leben zu führen. Scheinbar bestand gerade keine empathische Verbindung zu diesem Verstorbenen.
Ein ganz abstruser Gedanke erfüllte sie, als Cassian sich mit den Worten auflöste, es sei zu spät… zu spät.

Sie hatte ihre Sandalen verloren.
20 Regenzeiten zurück in der Vergangenheit.
Ob eine solche banale Kleinigkeit ein anderes Leben auf die eine oder andere Weise verändern würde?


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 Betreff des Beitrags: Re: Der Geist des Hauptmannes [Sammel-Thread]
BeitragVerfasst: 8.08.13, 23:21 
Edelbürger
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Dann und wann, wenn die Dunkelheit sich über die Insel legt und die kühle Brise von der Meerseite Falkensees die Stadt durchzieht, mag auf den Zinnen des Schlosses Finianswacht Seltsames vor sich gehen. Eine einzelne Gestalt steht nahe der Zinnen in der Dunkelheit, die schwere Rüstung im fahlen Licht halb zu erkennen. Still und unbeweglich scheint die Gestalt lediglich hinab in den Abgrund zu blicken, bis zu den Tiefen des Burggrabens weit unten. Just an der Seite, die der Stadt zugewandt ist, an den höchsten zinnen des Schlosses. So man ihn erblickt, reicht oftmals ein Augenzwinkern, auf dass er wieder verschwunden ist, als wäre er nie dort gewesen und es bleiben lediglich die dunklen Zinnen zurück...

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_________________
"... und fortan einte sie ein düsteres Geheimnis."

Versteckter Inhalt bzw. Spoiler :
~ Lucius Aldorn ~
- Diplomat des Ersonter Bundes - Oberst der Ersonter Armee -
- Hauptmann des ruhmreichen Lehensbanners a.D. - Hauptmann des XIII. Kronregiments a.D. - Gardemeister der Garde der Ritterschaft a.D. -
"Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein."

- Friedrich Nietzsche -
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~ Mahelar ~
- Feinwerker - Künstler - Erfinder - Verrückter - Streiter des Löwenordens
"Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben."

- Geroge Bernard Shaw -


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 Betreff des Beitrags: Re: Der Geist des Hauptmannes [Sammel-Thread]
BeitragVerfasst: 13.08.13, 19:20 
Einsiedler
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Sie musste versprechen ihre Schuhe anzulassen.

Es war einfach. Nichts anderes wurde von ihr verlangt, sie wurde zu nichts anderem beauftragt oder verpflichtet. Man bot ihr an, die Gemeinschaft zu begleiten, die von neuem den Launen der Geister folgte. Scheinbar ruhte in ihnen das innere Bedürfnis das Unerledigte zu richten und die Endophali verspürte den Drang bloß nicht allein in Falkensee gelassen zu werden.

Bahiyah ließ noch immer das Gefühl in sich leben, dass die Dinge, die geschehen sind, nun mal nicht mehr zu verändern seien. Vielleicht zu richten, zu vergeben und zu rächen. Die Geister wussten es auch, doch sie wollten es nicht wahr haben. Sich den Tatsachen zu verschließen bedeutete wohl, den Weg zu verlieren. Doch ein wenig blind waren sie alle, Bahiyah mit eingeschlossen. Und es war wohlig und angenehm in den Momenten der Blindheit, wenn man sich vor dem inneren Auge seine eigene Welt schuf.

Realistischer als all das Gedankengut war die Wanderung in die nördlichen Wälder Brandensteins hinauf. Es folgte der bekannte Weg durch die Schneewehen und Berglandschaft, der zur Blockhütte hinaufführte. Diese Hütte war 'der' Punkt für die Reise, an der dieses Mal sieben Seelen teilhaben sollten. Drei Diener der Viere, zwei Wächter des Tempels, ein Elf mit dem blauen Mantel der Löwen und Bahiyah selbst. Am Berg wurden sie von Herzog Sybillian von Sae empfangen, der verzweifelt und wehmütig in die Ferne blickte.

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Ein Sturm fegte über ihre Köpfe hinweg, es donnerte und grollte. Der Wind drückte gegen ihre Rücken und der peitschende Regen jagte die Gruppe auf die schützende Veranda der Hütte. Als hätte man sie in die Falle treiben wollen, verschwanden von der Veranda einer nach dem anderen und fand sich in einer unwirklich goldorange eingetünchten Welt wieder.

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Hochwürden Custodias gab nicht nur durch seinen Titel, sondern auch durch seine selbstbewusste, sichere Art jedem zu verstehen, dass er diese Gruppe anleitete und Bahiyah fühlte sich noch sicherer, sich hinter seinem Rücken verbergen zu können, sich in seinem Schatten auszuruhen. Als er ins Haus ging, folgte sie ihm, als er die einzelnen Zimmer betrat, haftete sie ihm an den Fersen - stets mit Abstand und leise wie eine Katze.

Keiner ihrer Schritte hätte das Geheule und das tragische Beweinen des Leids und Kummers übertönen können, was hier im Haus von jeder Wand widerhallte. Einsamkeit und Verzweiflung, Ausweglosigkeit. Bahiyah spürte, wie sich ihr die Brust zusammenzog und wie sie dagegen ankämpfen musste, in das Weinen mit einzufallen und ihre eigene Vergangenheit zu beklagen. Es lag an diesem Haus, dass einem diese Schwäche eingebläut werden sollte. Es war ein Haus verlorener Seelen.

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In einem der Räume fanden sie den Herzog wieder. Er stand hinter seinem Schreibtisch, ein Buch vor sich aufgeschlagen, von dessen Inhalt er sich geradezu lösen musste. Er stellte der Runde eine Frage. Sollte einer sterben, um das Wohl und die Größe eines Reiches zu schützen? Sollte sich einer opfern?
Ja, dachte Bahiyah, die das Land der Sonne vor Augen hatte. Ja, sagte Custodias. Ein Leben dürfe geopfert werden, aber keine Seele.

"Dann entscheidet."

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Sie taumelten und gingen in die Knie, umfingen ihre Mäntel zum Schutz vor den Winden der See, welche das Wasser zu Wellen hinaufstiegen ließen. Plötzlich lag der Geruch von Salz in der Luft.
Geschäftig bewegten sich die Seemänner über das Deck des Dreimasters. Sie kümmert sich um die Segel und Taue, wischten das Deck oder kamen anderer Beschäftigung nach. Der Bug hob sich bei einer Welle nach oben an und Wasser kam über die Reling gelaufen. Bahiyah fühlte sich zu stark an ihre letzte Schiffsreise erinnert, dass sie sich mit völligen Desinteresse für ihre Umwelt an einen der Masten klammerte und sich an den Seilen festhielt, die darum gewunden waren. Auch Bruder Philip suchte sich an der Reling einen Halt und so waren es die fünf Übrigen gewesen, die sich der gerüsteten Gestalt an der Schiffsspitze widmeten. Der Wind drückte sich so sehr gegen Bahiyahs Kapuze und fegte ihr in die Ohren, dass sie kaum verstand, über was die Männer sprachen. Es ging um Brüder, um einen Plan. Um Dinge, die getan werden mussten. Um den Irrsinn einer weiteren Person. Und diesmal war es der blonde Geweihte des Gotts des Wissens, der die Rolle des Herzogs übernahm, wie Bahiyah einst den heimgekehrten Hauptmann spielte.

Die Endophali wurde derweil von einem der Seemänner bedrängt, der in der überschwänglichen Erwartung bald das bereits sichtbare Land zu erreichen, schon jetzt bemerkte, dass ich ja bereits in paar Mädchen am Deck befanden. Sowas entging selbstredend nicht den Augen einer anderen Frau und die Tempelwächterin, die Lea genannt wurde, kam zur Endophali geeilt. Wieder einmal, ein unzähliges Mal, wurde ihr versprochen, dass man sie beschützen würde…
Als die nächste aufreibende Welle drohte und die Schiffsmannschaft alle ermahnte zuzusehen, nicht ins Meer zu stürzen, hielten die Frauen sich an der Hand und harrten der Dinge. Ein tiefer Ruck durchfuhr das Schiff und das Meerwasser überflutete die Ränder des Decks.

Die Welt um sie herum veränderte sich abermals.


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