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 Betreff des Beitrags: Das Licht im Dunkeln
BeitragVerfasst: 23.09.12, 15:49 
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Zwei Kerzen standen auf dem Schreibtisch und brannten gemächlich nieder. Der Dunkelzyklus hatte den Höchstpunkt seiner Dunkelheit erreicht und in der Zurückgezogenenheit des Felaviertels, angeschmiegt an die Stadtmauer, drang kein Licht der Stadt in ihren Arbeitsraum. Es war still im Haus. Lucius und sie schienen sich mit den schlaflosen Arbeitsnächten abzuwechseln.

Selten hörte sie die Krallen an den Pfoten des Wachhundes, der über die Bodendielen im Erdgeschoss tappte oder das Rauschen des Windes durch ihre Blumen auf dem offen stehenden Balkon. Stille. Und das Rufen der Krähen und Eulen in den Wäldern.

Erschöpft schloss sie für einen Moment ihre Augen, die leicht brannten von der Schreibarbeit, die sie verrichtete. Das Licht der Kerzen flackerte über die ausgebreiteten Hadernbögen und die feinen, darauf befindlichen Schriftzüge. Feucht glänzten ihre Augen von der Müdigkeit, die in ihrer Seele und ihrem Körper lag. Das Feuer warf einen Funkeln in jenen halb geschlossenen Blick hinein, der sich auf die bernsteinfarbenen Iriden fixierte und jenen bezeichnenden Farbton einen Hauch von feurigen Gold verliehen. Immer wieder gingen diese Augen über die Zeilen, als hätte der Kopf schon wieder am Ende des Satzes vergessen, um was es vorher ging. Der Ruf der Krähen lenkte sie ab. Zog ihre Gedanken fort aus dem Schreibzimmer in Lucius und ihrem Haus. Warum konnten sie nicht still sein?

Die Verärgerung sich gestört zu fühlen weckte in ihr genug Ehrgeiz, die Federspitze in das offene Tintenglas zu tunken und mit leise kratzendem Geräusch das offizielle Schreiben um einen Absatz zu bereichern. Die Bürgerlisten waren aufgeräumt worden, die Häuser alle vorbereitet, die Pachtfragen geklärt. Sie war bei den Handwerkern für ihre Bestellung gewesen, hatte einen Bildhauer mit einer Probearbeit beauftragt, einen Handwerker für den Bau der Gedenkstellen für den Statuenpark gefunden und mit den Bauplänen versorgt. Das erste Gespräch mit der Delegation vom Festland war erfolgt, die daraus resultierenden Aufgaben und Probleme aber noch nicht gelöst. Der Hofmagier hatte sich entschuldigen lassen, damit blieb ihr noch einen Brief an die Akademie zu schreiben um einen Termin zu vereinbaren. Oder wird Lucius dies tun? Lucius hatte noch weitere wichtige Briefe zu schreiben.

„Ich gebe dir zwei Monate Zeit, die wichtigsten Sachen zu packen...“


Sie fuhr sich mit der schlanken Hand über den Nacken und nach vorne weg über die Schulter, den Kopf dabei tief durchatmend etwas nach hinten lehnend. Wie sollte man das bewältigen. Das Gefühl der lauernden Übermacht im Dunkeln. Die Verantwortung, dagegen anzugehen und sich gleichzeitig noch vor der Kirche verteidigen zu müssen. Das Gefühl der unbändigen Schuld beim Gedanken, zu gehen, fliehen zu müssen.

Der neue Angestellte im Rathaus musste noch ein wenig betreut werden, damit er die Arbeit der übernehmen kann, die sie haben fallen lassen. Der Angestellte in ihrer Schneiderei machte sich gut, er war fleißig und gehorchte. Aber er würde auch Zeit von ihr benötigen. Ein Kindermädchen war eingestellt, sie würde ihr Unterstützung im Haushalt zukommen lassen.

„Nein, ich verstehe auch nicht, warum die Kirche es so auf euch abgesehen hat, Herr Aldorn.
Aber ich werde es in die Wege leiten. Wir dürfen aber nicht mit 'ihm' reden.“


An was musste sie noch denken? Die Quartalszahlungen und die neue Pachtaufstellung waren in einer Woche fällig. War die Garde schon ausgezahlt worden? Ja, kurz vor der Akademie. Mit Herrn Glaron und der Kriegerakademie waren die Sachen auch besprochen worden. Es dauerte einen halben Abend. Das Ratstreffen. Nächste Woche vielleicht? Vielleicht lohnte es nur, wenn der Hauptmann wieder anwesend...

„Selbst wenn wir die anderen überzeugen könnten endlich wieder der Sache zu folgen...
wie viele Männer könnten wir dann schon aufbringen? 30 gegen über Tausend?“


Wieder wurden ihre herumkreisenden Gedanken von dem Ruf vielleicht zweier Krähen unterbrochen, die irgendwo draußen hinter oder auf der Stadtmauer sitzen mussten. Ansonsten schlief die Stadt. Awa schob ihren Stuhl zurück und ging über den Flur zum Balkon, die Türe schließend. Im arbeitsmäßigen Schritt eilte sie zurück zu ihrer Stube um dann doch wie abrupt im Türrahmen stehen zu bleiben.

Ein Kampf gegen die Dunkelheit. Und während Awa dort stand und ausdruckslos auf gefüllten Bücherschränke blickte, wusste sie, dass sie auch gegen die Dunkelheit in ihr zu kämpfen hatte, sollte sie sich jener um sie herum widersetzen können.



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 Betreff des Beitrags: Re: Das Licht im Dunkeln
BeitragVerfasst: 23.09.12, 15:52 
Edelbürger
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Leise kratzte die Feder über das Pergament, das auf dem schweren Schreibtisch des Arbeitszimmers lag. Eine kleine Kerze erhellte die Umgebung recht notdürftig, die anderen Lichter an den Wänden waren bereits erloschen. Obgleich der Raum recht spartanisch eingerichtet war, so wie Lucius es bevorzugte, ließen sich hier und da kaum die liebevollen Zugaben und Dekorationen übersehen die seine Frau im Raum vorgenommen hatte. Wieder tunkte er die Feder in die Tinte, und schrieb weitere Zeilen auf dem Pergament, das ohnehin schon voll beschrieben wirkte...

"Eine Verteidigung der Städte, der Lehen und der Insel selbst ist unter diesen Umständen unmöglich."


Langsam setzte er die Feder ab und stellte sie in das Tintenfässchen, lehnte sich auf seinem Stuhl ein Stück zurück und blickte für einen Moment in die Flamme der Kerze. Die Expedition ins Ödland war nicht lange her. Nortraven und Ersonter Seite an Seite. Halgar und er hatten den Plan gefasst, die Truppen noch vor dem Dunkeltief ins Ödland zu bringen, noch vor dem Dunkeltief den Feind zu schwächen. Alsbald machte sich der Tross auf in die Öde und zog von über die Ruinen Rohehafens, in denen für zwei Tage ein Lager aufgeschlagen wurde, bis hin zum Lager der Nortraven weit im Osten der Öde.

Man konnte förmlich sehen, wie gut es den Soldaten und Kriegern tat. Vom Wachdienst in den Städten abgelöst, vom ewigen Warten auf etwas, das unausweichlich eintreffen würde. Man konnte sehen wie gut es den Soldaten tat, selbst die Initiative zu ergreifen und sich nicht nur der Verteidigung hin zu geben. Aber man konnte auch bei allen sehen, welche Auswirkungen dieser Feldzug auf sie hatte.

Sie standen vor der schwarzen Mauer. Dem Ziel ihres Heerzuges. Die schwarze Mauer des Skelettfürsten. Beinahe einen Zyklus hatten sie versucht, einen Weg herum zu finden, eine Schwachstelle oder eine Möglichkeit etwas zu tun. Doch die Mauer stand hoch, fest und dunkel dort. Es gab keine Möglichkeit. Der Skelettfürst hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht persönlich zu erscheinen. Es reichte vollkommen, dass diese Mauer dort stand. Kahl, aber unüberwindlich. Und das wurde allen mehr als schmerzlich bewusst gemacht. Der Blick in die Gesichter der Soldaten, der Berserker und der freien Kämpfer die mitgezogen waren. Selbst der Blick in David Glarons Gesicht verriet dass hier alle die Hoffnung verloren hatten. Und auch Lucius verlor sie. Nachdem der Rückzug befohlen war, unverrichteter Dinge, blickte er noch einmal an der Mauer auf und wusste, dass hier kein Sieg möglich war. Dass die Insel verloren war.

Der Skelettfürst sollte den Spähern zufolge tausende von Soldaten hinter der Mauer verbergen .. weitere Truppen am Feuerberg. Und wer wusste schon, was noch dahinter geschah. Der Rückweg zeigte dem Trupp, was tatsächlich der Fall war, als dutzende Skelettkrieger ihnen in den Rücken und in die Flanken fielen. Der Heerzug begab sich zurück in die Heimat. Zurück in die Städte, hinter eigene Mauern, in eigene Sicherheiten.

Lucius blickte wieder auf das Pergament. Das Licht der Kerze ließ seine Lider schwer werden und doch griff er nochmals nach der Feder, ließ die Tinte am Rand des Tintenglases leicht abtropfen und schrieb weitere Zeilen auf das Pergament.

"Sollten keine Truppen entsendet werden können, so bitte ich um weitere Befehle. Die Stellung zu halten würde dem Tod, aller hier verbliebenen Soldaten und Bediensteten des Ersonter Bundes gleich kommen."


Die Feder verblieb einen Moment länger an der Stelle, an der er den Punkt gesetzt hatte. Was war geblieben? Hochwürden Altor teilte ihm noch im Feldlager mit, dass die Kirche in all ihren Expeditionen nie ein anderes Ergebnis bekommen hat als dieses eine: Der Skelettfürst ist unbesiegbar. Nicht zu bezwingen. Seine Festung kann man weder zerstören, noch überwinden. Seine Truppen sind so zahlreich, dass sie die gesamte Insel überrennen werden. Lucius wollte das nie wahr haben, nie glauben. Doch nun hatte er es mit eigenen Augen gesehen. Und wo die Insel .. wo die Lehen vormals mit hunderten von Kämpfern aufwarten konnten, da waren nun, nachdem so viele ihren persönlichen Rückzug gen Festland angetreten hatten .. nicht mehr als vielleicht 40 übrig. Wie sollten weniger Kämpfer das erreichen, was vormals viele nicht schaffen konnten? Die Ritter hatten sich feige in ihre Burg zurück gezogen. Hofften auf die Sicherheit ihrer Mauern. Keiner von ihnen war mehr gesehen worden, sie kümmerten sich um nichts. Selbst der Verfall des Löwenordens interessierte sie nicht. Der Wall stand völlig schutzlos da und obgleich die Ritter vormals immer so sehr darauf pochten, dass der Wall ihr Territorium sei, ganz egal ob das Edikt des Königs etwas anderes sagte, ließen sie nun dieses Tor ins Grünland völlig schutzlos. Ritterliche Pflicht? ... Es machte ihn wütend, darüber nachzudenken. Dekadenz und Hochmut, Eitelkeit und Prahlerei fand sich in Seeberg wieder, aber von Taten war längst nichts mehr zu sehen und es hatte nichts mehr zu tun mit den Rittern, die er früher kennen gelernt hatte.

Brandenstein war zwar befreit, doch die Malthuster hatten sich nie von dem erholt was ihrem Lehen geschehen war, anders als in Ersont damals baute sich keine neue Struktur auf, keine neue Verwaltung, kein neues Lehen. Aber vor allem, keine neue Armee. Die Stadt war belebter geworden, doch Ordnung herrschte dort nicht. Und Malthuster Uniformen wurden zuletzt vor Wochen gesehen.

"Sollen wir das Lehen im Falle eines Angriffs halten?"


Die letzten Worte schrieb er bedächtig auf das Pergament, dann folgten die Unterschrift, der Brief wurde gefaltet und über der kleinen Kerze, deren Daseinsberechtigung nicht nur das Licht war, wurde das Wachs geschmolzen um letztlich das Siegel des Ersonter Bundes auf den Brief zu setzen. Ein tieferes Durchatmen folgte als der Brief abgeschlossen war. Adressiert an das Oberkommando in Ersonts End und die gräflichen Vertreter in Ersonts Tal.

Langsam erhob er sich von seinem Stuhl und trat um den Tisch herum gen Tür. Noch einmal drehte er sich, um die Kerze auszupusten, als sein Blick auf das Gemälde fiel, das Awa hinter seinem Stuhl aufgehangen hatte. Es zeigte Ersonts Tal, in all seiner Pracht, Die belebten Straßen, die Banner Ersonts an den Mauern und der Burg vor einem blauen Himmel. Eine Weile lag sein Blick auf dieser Darstellung, die tatsächlich ein Geschenk aus Ersont direkt gewesen war, das zum Anlass die Hochzeit zwischen ihm und Awa gehabt hatte. Er hatte nicht erwartet, dass die Vertreter des Grafen auf dem Festland so etwas beachten würden.

Nach einigen stillen Momenten pustete er die Kerze aus, und Ersonts Tal verschwand in der Dunkelheit der Nacht. Leise knarzend fand er seinen Weg hinaus in den Flur des großen Hauses, schloss die Tür hinter sich. Das ganze Haus war nun finster, still. Von der Nacht eingenommen. Seine Schritte führten ihn vorsichtig tastend zur Treppe nach unten als er den Gang hinunter im Türspalt ein schwaches Licht erblickte. Es war das Zimmer des kleinen Aurelius. Sein Sohn, Awas Sohn, ihr Kind. Mit ruhigen Schritten trat er näher an die Tür heran und drückte sie weiter auf um einen Blick ins Innere des Zimmers zu erhaschen.

Vor einigen Zyklen hatte er Aurelius schreien gehört, doch wie stets hörte er nur wenige Augenblicke später Awas Schritte hin zum Kinderzimmer, die sich sorgsam und liebevoll um ihn kümmerte. Über das Schreiben schließlich hatte er es wohl vergessen. Nun fiel sein Blick auf die junge Frau, sitzend auf einem Stuhl, eingenickt, den Kopf leicht an ihre Schulter angelehnt. In ihren Armen Aurelius, der offenbar nach seinem Geschrei wieder in Schlaf gefunden hatte, an die Brust der Mutter gedrückt, den Kopf an ihre Schulter angelehnt. Die kleine Kerze brannte noch und hüllte das Zimmer und die beiden in ein dünnes, schwach wirkendes Licht. Still betrachtete Lucius die beiden für eine ganze Weile, lehnte sich leicht an den Türrahmen an. Unwillkürlich schlich sich ein sanftes Lächeln auf seine Lippen.

Vielleicht war nicht alles verloren. Vielleicht lohnte sich ein letzter Versuch die Insel zu halten. David und er hatten Tags zuvor den Entschluss gefasst. Und hier sah er, wofür es sich zu kämpfen lohnte. Der Schwermut und die Last, die vormals beim Verfassen des Briefes noch auf ihm lagen löste sich langsam und leise sprach er einige Worte, zitierte jenen Satz, den sie damals als Schwur auf ihre Eheringe gravieren ließen, als er die ruhigen Züge der jungen Frau betrachtete, die dort im Stuhl saß und die für ihn so viel mehr bedeutete als alle Lehen, Banner, Armeen und Königreiche...

"Mein Licht in der Dunkelheit..."

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"... und fortan einte sie ein düsteres Geheimnis."

Versteckter Inhalt bzw. Spoiler :
~ Lucius Aldorn ~
- Diplomat des Ersonter Bundes - Oberst der Ersonter Armee -
- Hauptmann des ruhmreichen Lehensbanners a.D. - Hauptmann des XIII. Kronregiments a.D. - Gardemeister der Garde der Ritterschaft a.D. -
"Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein."

- Friedrich Nietzsche -
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~ Mahelar ~
- Feinwerker - Künstler - Erfinder - Verrückter - Streiter des Löwenordens
"Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben."

- Geroge Bernard Shaw -


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 Betreff des Beitrags: Re: Das Licht im Dunkeln
BeitragVerfasst: 27.09.12, 16:31 
Festlandbewohner
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Aurelius lag lachend in seinem Körbchen. Es war noch nicht spät am Abend und seine Mutter hatte Zeit gehabt mit ihm etwas Schabernack zu treiben, während sie einige Kleidungsstücke einordnete und den Laden aufräumte. Sie hatte die Verpflichtung und auch nur für ihr Kind die Liebe und Kraft übrig, für ihn die Sorgen fallen zu lassen, für wenige Augenblicke die Gedanken hinten im Kopf zu lassen. Lucius konnte es ertragen, weil sie es zusammen trugen und weil er der einzige Mann auf der Insel war, der sich einem Geist wie ihr zu stellen vermochte. Sie spendeten sich zusammen Trost und sie konnte die Maske fallen lassen.

Ein liebevolles Lächeln fiel nochmal auf das Kindergesicht, dessen blaue Augen ihr bei ihrem Gang durch das Törchen vor die Theke folgten. Sie trug ein neues, kleines Weinfass neben die Sitzecke und stieg mit einem Bein auf die Bank, um sich hoch genug strecken können. Für einige Momente war sie also voll auf damit beschäftigt, sich dem Gewicht des Fasses und ihrem eigenen Gleichgewicht zu widmen, als es hinter ihr in der Tür dunkel wurde. Scheppern von Rüstungsteilen drang scharf in ihr Ohr. Keine Worte, kein Gruß. Sie rechnete zunächst damit, einer der Gardisten würde sie wieder hier besuchen und sie in der Ecke nur nicht bemerken.
So wandte sie ihren Blick herum und ein eiskalter Schauer durchfuhr sie und griff wie eine Hand um ihr Herz. Niemals, und davon war sie schlagartig überzeugt, würde ein Mann ihrer Garde oder ein anderer Krieger dieser Insel es auch nur wagen, mit vermummenden Vollhelm und einer Waffe in der Hand, die fähig war rasch und problemlos einen Schädel einzuschlagen, einen Schritt über ihre Türschwelle zu machen.
Es widersprach jeder Etikette und jedem Anschein einer friedlichen Absicht. Es war eine Bedrohung. Die Gedanken fuhren ihr in einer unglaublichen Geschwindigkeit durch den Kopf. Ein Mann ohne Insignien und voll bewaffnet und gerüstet stand in ihrem sonst menschenleeren Laden. Kein Überfall, dafür zu schwer gerüstet.

Sie lief ohne auch nur zu zögern hinter die Theke und griff in Korb hinein, den Säugling an sich drückend. Sie fügte dem Kind keine Schmerzen zu, aber sofort spürte er die Angst, welche den Körper der Frau beherrschte. Der Säugling schrie. Er schrie und weinte und beinahe ging der unschuldige Gruß im Namen der Viere darin unter.

Der Mann hatte den Helm, als er die Theke erreicht hatte, abgelegt, und sie erkannte das Gesicht eines Geweihten wieder, der ihr namentlich und persönlich sehr wohl bekannt war.
Sie kannte keine Gnade, als sie diese Mimik erblickte, die ihr nichts anderes sagte als: Ich habe doch nichts gemacht? Sie fuhr ihn an, dass er sich mehr als schämen sollte, war kurz davor vor Wut in Tränen auszubrechen.
Wie gefühllos wollten die Geweihten denn noch zu ihr sein? Was wollten sie ihr denn noch antun? Ihr Angst machen...

Der Mann, der nur ein knappes „es tut mir leid“ hervorbrachte, ohne den Anschein zu erwecken, warum sie ihm zürnte, sollte doch wissen, wie oft sie Morddrohungen gegen sich und ihre Familie bekam, wie oft sie in diesem Laden schon angegriffen wurde, was bei den Entführungen ihr widerfahren war..?
Er stellte ihr eine Kerze und eine Kette für ihren Sohn auf den Tisch. Mit dem Anhänger des Vieresymbols. Awa wollte es, das weinende Kind im Arm, dem Geweihten um die Ohren werfen. Aber sie tat es nicht.
Sie und ihr Sohn brauchten keine Ketten. Awas Brief nach Brandenstein an den Tempel war schon vor Wochen verschickt worden. Die Bitte um einen Segen für ihr Kind, die Bitte und den Mut, endlich wieder das Gespräch mit einem Geweihten suchen zu wollen.

Was sie bekam war eine Bedrohung, Angst und Unverständnis.
Der Geweihte stellte sich der Situation nicht weiter und ging, ein Versprechen da lassend wiederzukommen. Vermutlich meinte er es ernst, aber in diesem Moment klang es in ihren Ohren hohl. Wie jedes ungehaltene Versprechen, was ein Geweihter ihr gegeben hatte.

Am Tisch hinter der Theke sank sie nieder und lehnte sich zittriger Beine zurück. Es dauerte noch gut einen viertel Dunkelzyklus, bis Aurelius sich beruhigt hatte... und vielleicht auch, bis sie die Situation überwunden hatte.
Wie sollte sie das Lehen zusammen halten und gleichzeitig ihr Kind beschützen, wenn sie sich nicht einmal auf den Schutz und das Verständnis der Kirche verlassen konnte..?

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Mit den dunklen Gedanken kamen auch wieder die schwarzen Vögel. Sie landeten vor ihrer offenen Haustür, krächzten, pickten auf dem Boden herum und erhoben sich zurück in die Lüfte, als sich Hufgetrappel nährte.


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 Betreff des Beitrags: Re: Das Licht im Dunkeln
BeitragVerfasst: 30.09.12, 14:31 
Festlandbewohner
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Mit ruhigen Schritten durchmaß sie die dunklen, kalten Keller des Meisterbundes und betrachtete auf dem Weg zurück zur Treppe ein letztes die aufgestellten Statuen und Ausstellungsstücke. Es ging darum sich in der Künstlerwerkstatt des Herrn Fidelia Statuen für den Ehrenpark zu erwerben und sich Beispielstücke anzusehen.

Sie dachte für einen Moment an die Zeit vor beinahe vier Jahren zurück, als sie hier unten lebte, über sich die Bernsteinschenke. Dieses mal verließ sie den Keller nicht als arme, vom Festland geflüchtete Schneiderin ohne eigenes Heim oder einem Namen, sondern als Edeldame und Lehenskanzlerin.
Und als Edeldame war man dem Stand verpflichtet. Und so lange sie sich möglichst an die Regeln hielt, die man ihr stellte, konnte sie sich weiterhin um das Lehen und die Bewohner darin kümmern. Auch wenn es ihr unmöglich machte sich jemals wieder öffentlich unbefangen zu geben. Es wurde einfach erwartet. Niemand konnte eine Führungsperson gebrauchen und ihr vertrauen, wenn sie sich wie eine Freie gab, sich in Spelunken herumtrieb und in der Öffentlichkeit Unhöflichkeiten wider ihres Standes zuließ. Auch von Freunden nicht. Genauso wie keine Garde Respekt vor dem Wort einer Frau ihrer Position hätte, wenn man eine gewisse Grenze der Vertraulichkeit übertrat. Ob sie es so wollte oder nicht.

Ihre Angst teilte sie auf eine andere Art und Weise mit den drei doch recht fremden Menschen, die mit ihr nun im Erdgeschoss des Meisterbundes am Nordtor standen.
Sie atmete tief durch und als das Geschäftliche bezüglich des Statuenparks soweit besprochen war, blickte sie in die Gesichter von Antonius Fidelia, Simon Tally und Beatrice. Gesichter, die vielleicht wieder wechseln werden – oder Gesichter, die, wenn die Götter es zulassen, noch lange mit ihr hier verbleiben würden.
Und wenn sie blieben, würde Awa sie brauchen. Nicht nur als Handwerker, auch als die Menschen, die sie waren. Mit ihrem Mut und ihrem Anstand.
Sie erzählte den dreien davon, was vor zwei Jahren passierte. Dass sie und viele andere entschlossen hatten trotz der Besetzung durch den Skelettfürsten in Falkensee Stellung zu halten, sich nicht im Tempel einsperren zu lassen und für die Zivilisten Fluchtwege suchten. Welchen Mut sie aufbrachten, um im Untergrund zu arbeiten und sich gegenseitig zu unterstützen. Dass sie sich alle gegenseitig brauchen würden, wenn die dunkle Zeit begann.
Das Lachen in den Gesichtern glitt davon. Ein Ernst kehrte in den Zügen ein, auch in die der jüngsten, Angst in die Augen der Rothaarigen. Diese Vernunftbegabten Menschen ignorierten nicht, was auf sie zukommt. Auch wenn sie nicht wussten, mit welcher Übermacht es kommen würde.

„Dennoch ist Falkensee der sicherste Ort den sich ein Handwerker hierzulande vorstellen kann. Es tut gut die mutigen Gardisten in den Straßen zu sehen. Mit unserer Unterstützung bei den Vorbereitungen auf die schweren anstehenden Zeiten könnt Ihr fest rechnen.“
Der junge Schmied schien seine Worte ernst zu meinen.
Je weiter sie sich darüber unterhielten, desto deutlicher spürte sie die Entschlossenheit, die in den Menschen heranwuchs – der Kampfwille, etwas zu tun, sogleich die Arbeiten zu beginnen.

„Es ist wirklich sehr beruhigend zu wissen, jemanden im Rücken zu haben...“, kam es wie ungewollt über Awas Lippen, ausgelöst vom dem sich etwas lösenden Griff um ihr Herz.

„Das sind wir, Edeldame, an Eurer Seite.“, sprach Beatrice und Antonius nickte dazu.

„So klingt das wahre Falkensee.“



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 Betreff des Beitrags: Re: Das Licht im Dunkeln
BeitragVerfasst: 30.09.12, 15:01 
Ehrenbürger
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Die Tage wurden dunkler. Selbst das Gemüt der jungen Lumina konnte diese Tatsache nicht ignorieren. Die Tage wurden dunkler. Und das Licht in Luminas Seele begann zu flackern. Sie saß im Hause Aldorn. Den Teebecher fest mit beiden Händen umfasst haltend. Sie betastete die Brandwunde die man ihr erst jüngst zugefügt hatte. Das war in Ordnung. Das war das mindeste Opfer für jenen den sie zu retten versuchte. Sie hätte einen Arm gegeben nur für eine Chance. Oberst und Edeldame Aldorn waren zu Bett gegangen, und Aurelius hatte sich wieder beruhigt. Es herrschte Stille im Hause Aldorn. Lumina hatte dies alles mit "hierher" gebracht. Die schlechten Neuigkeiten deren Botin sie sein musste, die Sorgen, den Ärger. Sie betastete beiläufig ihren Hals und sie verstand. Jemand musste dafür Verantwortung tragen und nun begann es alle zu betreffen und es zehrte an allen. So begann es immer. Das hatte man sie am Il'Drûn in zehn Jahren gelehrt. Alle würden nun beginnen es zu spüren und als weiße Schülerin würde sie es ertragen müssen. Die Lasten der Menschen auf ihre Schultern nehmen, tragen, und dabei Zuversicht zeigen. Erst jetzt bemerkte sie, dass der Tee in ihrem Becher längst kalt war. Es würde bald wieder hell werden müssen - oder vielleicht war es wieder hell. Sie dachte an ihn. In all den Momenten die nicht ihre volle Aufmerksamkeit verlangten, tat sie kaum etwas anderes. Es waren furchtbare Momente. Sie hasste sie nicht: Aber in jenen Momenten fühlte sie sich hilflos. Sie bedeuteten, dass sie hier herumsaß während er litt. Und sie wusste dass es nicht richtig war: Die Momente in denen sie an ihn dachte waren dazu bestimmt Gute zu sein. Das hatte er verdient...das hatten sie SIE verdient. Sie musste diese Gedanken denken. Sie musste sie zu Ende denken. Denn mit den Tatsachen konfrontiert, durfte es keine Zweifel geben. Keine Überraschungen. Sie war eine weiße Schülerin und die Menschen die an sie glaubten verdienten ihre Zuversicht. Verdienten ihr Bestes. Und dort draußen durfte und würde es keine Zweifel geben. Doch nun, hier, war sie allein. Ihr zuversichtliches Lächeln - nie war es eine Lüge, nie würde es eine sein.
Ja, die Tage wurden dunkler.


Die junge Blondine schloss ihre Augen und ein weiteres Mal wiederholte sie das Mantra, das ihr mit auf den Weg gegeben wurde. Nicht Worte der Hoffnung, sondern Worte der Bestimmung, die sie immer vorantrieben, immer vorantreiben würden und sie für diese Menschen das Beste geben ließ:
"...die Schatten zu bannen."

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Licht im Dunkeln
BeitragVerfasst: 30.09.12, 18:31 
Edelbürger
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Das Leder der Handschuhe knarzte leise, als Lucius die Hände um das Holzgeländer des kleinen Balkons am Gardeturm legte. Es war dunkel und die Gardisten hatten ihn noch nicht gesehen. Seit dem Feldzug ins Ödland war es das erste Mal, dass er seine Uniform wieder angelegt hatte. Er hatte sich sehr daran gewöhnt die Kleidung zu tragen, die seine Frau ihm gemacht hatte. Es hatte durchaus seine Vorzüge mit einer Schneiderin verheiratet zu sein, die ihr Handwerk verstand. Doch in diesen Tagen würde die Uniform wieder wichtiger werden.

Sein Blick ging hinab auf die Soldaten im Burghof. Trotz der Dunkelheit und des Regens, exerzierten sie hier schon seit einem Dunkelzyklus. Der stämmige Dwarschim, Leutnant Hammerarm, machte eifrige Notizen auf seinen Papieren während er die Reihe der Soldaten betrachtete und brummte immer wieder in seinen dichten Bart. Der junge Waibel Maluk stand vor den Soldaten, diszipliniert und gerade rief er seine Befehle über den Platz. Der junge Mann hatte viel gemeinsam mit Lucius vor vielen Jahren, als er selbst neu auf der Insel war. Er erinnerte sich zurück an seine Zeit als Feldmeister des Lehensbanners, nicht viel älter als Maluk. Die Zeit, in der die Bewohner der Insel ihn am liebsten aufgeknüpft hätten. Die Zeit, in der er mit großer Ambition seine Karriere voran getrieben hatte. Maluk erging es heute nicht anders. Lucius Blick blieb für eine Weile bei dem jungen Mann, der mit vollem Eifer bei der Sache war. Insgeheim hoffte er, dass er dessen Karriere auch nach dem Dunkeltief noch weiter verfolgen und begünstigen konnte. "Wenn du deine Sache richtig machst, werden die Leute dich dafür hassen..." sprach er so leise, dass lediglich die Gardistin neben ihm auf dem Balkon es hören konnte, jedoch nicht darauf reagierte.

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Immer wieder war vom Burghof das Gescheppert der Soldaten in ihrer Ausrüstung zu hören, die immer neue Formationen einnahmen, vom Waibel gedrillt um vom Leutnant angebrüllt wurden. Teils mit Kritik, teils mit Lob. Es war eine gute Truppe und Lucius war stolz darauf, dass sie sich in Falkensee zusammen gefunden hatte. Während die anderen galadonischen Lehen im Chaos versanken, weder Regierung noch Armee zu finden oder zu sehen war, war Falkensee immernoch ein Hort der königlichen Ordnung. Ein Hort, galadonischer Kultur, ein Hort des ersonter Geistes. Ganz so wie Graf Vandergrift es gewünscht hatte.

Er hatte dem Grafen Vandergrift die Lage der Insel sehr deutlich klar gemacht, mehr als deutlich gemacht, dass nach den letzten Berichten der Feind den eigenen Truppen beinahe 600 zu 1 überlegen ist. Doch erging als Befehl nur, zu bleiben. Zu kämpfen, Ersont Ehre zu machen. Diesmal jedoch, war alles anders. Er hatte Familie, Frau und Kind auf der Insel, in dieser Stadt. Was für Chancen würden ihnen noch bleiben? Nur wenige.

Und während der Waibel die letzten Befehle brüllte, wandte der Oberst sich wieder herum, verließ den kleinen Balkon des Gardeturms und schloss die Holztür leise hinter sich. Kurz darauf wurden die Befehle zum Ausheben der Miliz unterschrieben. Es gab nur noch diese eine Wahl. Kämpfen.

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"Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein."

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Licht im Dunkeln
BeitragVerfasst: 19.10.12, 20:53 
Festlandbewohner
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Über die Unterlagen gebeugt hatten sie am Esstisch gesessen, an dem so gut wie gar nicht mehr gemeinsam gespeist werden konnte. Spät am Abend pochte es an die Haustür und Lucius empfing eine Frau um Hausflur. Awa blieb sitzen und ergänzte die Pläne, die zum Dunkeltief geschmiedet wurden. Während dessen konnte sie den aufgeregten Worten von Marion lauschen, die im Zimmer neben an stand und keine Zeit verstreichen ließ. Sie berichtete von David, der im Ödland gefangen genommen wurde, dass er keinen Herzschlag mehr hätte, doch dass man ihm am Leben erhalte. Man spürte in jeder Facette der Frauenstimme, dass Not und Zeitdruck dahinter lag und vor allem eine ehrliche Sorge. Sie hatte bereits um Hilfe gebeten, ehe sie es direkt aussprach. Und Awa wusste, dass Lucius die seiner Garde versprechen würde, bevor er es aussprechen musste.
Er würde ihr mit der Garde helfen, so wie er es auch bereits den Magiern zugesagt habe, nach deren Plänen Marion sich bei den Magistern erkundigen könnte. Doch die junge, dunkelblonde Frau erklärte keine Zeit zu haben. Schon übermorgen müsste sie eine Unsumme an Dukaten haben um sie zum Skelettfürsten zu bringen. Sie würde sie schon irgendwie zusammenkratzen.
Da erhob Awa ihr Stimme, ein wenig, nicht viel, als wäre sie gedanklich noch halb in ihren Unterlagen versunken.

„Nun Fräulein Marion, ich denke das Ersonter Lehen wird Euch dabei aushelfen können. Angeblich zahlen wir ja eh regelmäßig an den Feind.“ Ein gewisser Zynismus hing diesen Worten an.
200.000 Dukaten waren nicht wenig, keines falls. Aber David Glaron war es wert. Er war ihr Schlüssel zum Skelettfürsten gewesen, der Altor mal wieder verloren gegangen war. Also was war diese Summe schon gegen ein Menschenleben, an dem die Liebe und das Leben vieler anderer hing?

Was sie hörte war ein Danke und das Versprechen, es zurückzuzahlen. Eine gute Absicht und ein Danke. Das seltenste, was man auf Siebenwind bekommen konnte.

Kaum hatte Lucius die Tür geschlossen, kam Lumina mit ihrem Schlüssel und einer Frau als Begleitung ins Haus und bat um eine Unterredung. Auch sie wiederholte, was geschehen war. Es war erstaunlich, dass man nur solange aus der Informationskette ausgeschlossen wurde, bis etwas schief ging.

Nur Lumina blieb nun mit ihnen am Tisch zurück, als das Gespräch in großer Runde beendet war. Bleich, ausgemergelt und voller Sorge. In ihrem Gesicht zeichnete sich ab, dass sie mit sich gerungen hatte. Mit ihren Wünschen und mit der Verantwortung, die sie vor sich her trug. Awa fragte sie nach dem geplanten Handel und erhielt von Lumina eine ausführliche, ehrliche Antwort.

„Alles was auch immer dieser Fürst von uns in einem Handel verlangt wird er nutzen um unschuldige Seelen zu unterwerfen. Und selbst wenn er mit diesen Dukaten nichts anfangen kann, der Handel selbst hat einen Zweck. Sei es nur diesbezüglich Zwietracht unter uns zu sähen oder dergleichen und...der David den ich kennen gelernt habe der David der stärker im Glauben ist als jener von vor einem Götterlauf würde nicht wollen, dass seine Freiheit und sein Leben womöglich mit dem Blut oder den Seelen Unschuldiger erkauft wurde.“

Awa rückte auf ihrem Stuhl ein wenig weiter nach vorne und legte ihre Hände aufeinander. Ihr Blick suchte den der Weißmagierin und hielt ihn fest.

„Hört mir zu. Mein Graf verlangt von uns hier zu sterben. Ich, mein Mann, mein Sohn. Aber ich lasse keine Gelegenheit verstreichen das zu verhindern. David hat es verbockt, ja. Er hat eine falsche Entscheidung getroffen. Er hat seine Verantwortung nicht wahrgenommen und dem falschen Mann vertraut. Aber er ist uns allen verpflichtet und wir ihm. Und wenn es nur eine Gelegenheit gibt … und wenn es diese Gelegenheit hier ist, dann bezahle ich dafür. Das Geld wird allein in meinem Namen übergeben. Ich werde es öffentlich machen und darauf verzichten, die anzuklagen, die ich für schuldig halte, noch uns selbst dafür emporheben. Wenn die Kirche mich dafür ausschließt, muss es so sein. Die Sache ist größer als ich. Wenn sie die Zwietracht hinein lassen will... ich will es nicht. Ich will David Glaron zurück haben. Und wenn es nur seine Leiche ist. Er hat es nicht verdient dort zu sterben und dort bleiben zu müssen. Ob es seinem Herzen nun weh tut oder nicht. Er gehört zurück ins Grünland.“

„Ihr seid Euch über die möglichen Konsequenzen vollkommen im Klaren?“

„Denkt an Aurelius, Lumina, und fragt mich nie wieder nach den Konsequenzen.“




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 Betreff des Beitrags: Re: Das Licht im Dunkeln
BeitragVerfasst: 20.10.12, 22:42 
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Zitat:
Die Tage wurden kälter. Mit ihnen gewiss auch die Nächte. Es war eine dieser Nächte und die junge Lumina kniete auf dem Boden, unweit des Eingangs zur Mensa der Akademie. Ihr Blick war zu den Sternen emporgerichtet. Aber dies war kein Moment der Ruhe, unabhängig davon dass sie die "hier" nicht kriegen würde, brauchte die junge Blondine die meiste Zeit davon ohnehin nicht sehr viel für sich selbst. Nein, es war ganz anders.
Es war wieder eine jener Nächte die die junge Blondine über alte Folianten gebeugt in der Bibliothek verbringen würde. Kälte und frische Luft würden sie wieder aufwecken, nachdem sie bereits Stunden über Bücher gebeugt zugebracht hatte. Sie hatte viel zu lesen: Unter den Ereignissen der letzten Tage hatte ihr Studium gelitten. In ihren Resultaten hätte man es wohl nicht gemerkt, sie hatte schließlich sehr passabel in ihrer Run-Prüfung abgeschnitten. Aber mit sich selbst war sie dabei im Gegenzug nicht zufrieden. Sie machte sich keine Vorwürfe, sie hatte das Beste getan was sie unter den gegebenen Umständen tun konnte, aber sie würde darüber hinaus noch etwas mehr tun wollen, denn auch bevor Magistra Hohentann ihr dies ziemlich wörtlich eintrichterte: es war Lumina Siegel bereits nach der ersten Unterredung mit Magnifizienz Nhergas bewusst, dass die Magierinnen ihres Pfads von ihr deutlich mehr als von den anderen Magiern erwarten würden.

Diese Tage hatten sie gewiss gefordert. Schwierige Entscheidungen lagen hinter ihr, und für einige jener Entscheidungen würde sie sich noch in Zukunft rechtfertigen müssen. Keine davon eine Einzige, und keine davon hatte sie für sich getroffen. David nicht einzutauschen? Eine der Schwierigsten ihres bisherigen Lebens. Ihn lebendig zurückzuholen war ihr Wunsch und Bedürfnis geworden und es war nicht Mangel an Wille der sie bewog sich für das Gegenteil auszusprechen. Als weiße Schülerin ging es bei solchen Entscheidungen schlichtweg nicht um sie. Es standen viele Seelen auf dem Spiel und auch die von David. Sie war erleichtert, als Edeldame Aldorn ihr die Last der Konsequenz jener Entscheidung abnahm, indem sie sich dagegen entschied. Und es erwies sich als die richtige Entscheidung. Mangelndes Urteilsvermögen oder Kaltherzigkeit mochten die Dinge sein, die man Lumina fortan für ihre Bedenken zu dieser Entscheidung vorwerfen würde - aber auch dies gehörte zu ihren Aufgaben. Sie würde damit leben. Sie wusste, dass die richtigen Entscheidungen selten die Einfachen waren und dass das Richtige zu tun selten eine Entscheidung ist, die auf breites Verständnis stößt. Und diesmal...diesmal hatten sie vielleicht einfach Glück, denn es gab für beide Seiten starke und wichtige Punkte, und letzten Endes schien alles vorläufig gut gegangen zu sein.

Während sie dasaß, die Sterne betrachtete und diesem Gedanken nachging, kam es ihr wieder den Sinn. Edeldame und Oberst Aldorn mussten diese Entscheidungen womöglich jeden Tag treffen. Es war ihre Aufgabe. Und als weiße Schülerin und Assistentin im Hause Aldorn, war es ihre Aufgabe, sie nach bestem Wissen und Gewissen zu beraten - nicht ihnen diese Entscheidung abzunehmen. Große Last ruhte auf den Schultern beider und undankbar mochte jene Aufgabe fortwährend sein. Und Lumina würde weiterhin, besonders nach allem was hinter ihnen lag, Edeldame und Oberst Aldorn zur Seite stehen. David würde genesen. Alles weitere würde sich dann zeigen. Und Lumina? Lumina würde Lumina bleiben. Das zuversichtliche Lächeln war nicht nur Fassade - selbst hier in dunkelster Nacht, leuchteten die Sterne am Himmel. In tiefster Dunkelheit würde es immer ein Licht geben für jene die danach suchten. Ein kleines, beständiges Licht, tiefster Dunkelheit zum Trotze. Ein kleines Licht, das nicht um seinetwillen erstrahlte.

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Ja, die Nächte wurden kälter, und sie wurden ebenso dunkler - aber sie würde nicht wanken...
"...die Schatten zu bannen."

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Licht im Dunkeln
BeitragVerfasst: 27.10.12, 13:36 
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Zitat:
Mit einem kurzem Seufzer werden die letzten Papiere fein säuberlich auf einem Stapel zusammen gelegt. Damit war zumindest dieses Tagwerk ein weiteres mal beendet. Langsam hob sich der Blick der hell-blauen Augen des Waibels durch den mittlerweile dunklen Raum. Nur das Licht der kleinen Kerze erhellte einen sphärischen Berech im kleinen Offiziers-Büro innerhalb des Garde-Turms. Eine Weile betrachtete er den stillen Tanz der Flamme, fast schien es als würde ihr Licht gegen die anrückende Dunkelheit kämpfen. Immer wieder zuckt sie empor, zieht sich zurück, ab und an ein leises knistern das die eigentlich völlige Stille des Raumes durchbricht - unnatürlich laut schien es, war seine Quelle doch nur eine halb abgebrannte Kerze inmitten eines kleinen Büros. Nur langsam löste er den Blick vom feurigen Tanz und fand so zurück in die eigentliche Realität. Erneut ein leises Rascheln als die Papiere, die eigentlich schon perfekt aufeinander Lagen erneut geordnet wurden. Es war nicht das erste mal, das er solche Prozesse unnatürlich in die Länge zog. Sein Bett zog ihn nicht sonderlich an, zu viele Gedanken tobten durch seinen Schädel und raubten ihm den Schlaf. Natürlich hatte er den Tag herbeigesehent, an dem er endlich Offizier Ersonts werden würde - allerdings hatte er seinen Dienst als solcher wohl noch mit einer recht kindlichen Unschuld betrachtet. Die Verantwortung die auf seinen Schultern lastete trug schwer und im Stillen war er froh darüber, dass der Leutnant und der Oberst da waren um die Last zu schmälern.

Dennoch, das Dunkeltief, hatte es doch noch gar nicht begonnen, quälte ihn bereits seit langem. Früher war es seine einzige Aufgabe gewesen sich in Sicherheit zu bringen und abzuwarten was passieren würde - und nun hatte er die mit Verantwortung eine ganze Stadt, ja eine ganze Insel zu schützen. Sicher, er war sich darüber im Klaren, dass es nicht nur Ersont sein würde die die Armeen des Skelettfürsten zurücktreiben müssen - dafür wurde auch ihre Kampfkraft nicht ausreichen, aber seine jüngsten Bemühungen mit den Bündnisspartnern Ersonts in Kontakt zu treten hatten wenig Früchte getragen. Fast schien es ihm, als wären die Ersonter die einzigen, die sich wirklich Gedanken darüber machen wie man die Insel verteidigen würde.

Sicher, der Tempel hatte Aushänge geschrieben "Wir stellen eine Armee auf, Wir verteidigen die Insel" - wenn es doch nur so wäre, aber sein Vertrauen in solcherlei Aussagen war mehr als erschüttert, bedenkt man doch was die jüngsten Ereignisse mit den Templern ausgelöst hatten. Die Kirche hatte Falkensee für ihn verlassen, nun hatten sie ihre eigene Stadt in denen sie die großen Herrscher spielen können, in denen sie das sagen haben. Keine Sekunde haben sie gezögert das wunderschöne Kirchengelände einfach zu verlassen. Kein Wort würde darüber gesprochen ob und wie Falkensee und damit auch IHR Tempel verteidigt werden sollte - erst jetzt spielen sie sich in den Vordergrund und mimen die großen Retter Siebenwinds. Erneut ein seufzen - es war vielleicht nicht fair, er war kein Feind der Kirche, schliesslich verdankte er ihrer Milttätigkeit das er noch am Leben war. Als er damals noch als Kinde auf den Straßen Falkensees und Brandensteins lebte, hatten sie ihn aufgenommen und dafür war er ihnen immer dankbar. Aber dennoch konnte er, auch wenn er sich dafür Hasste, sich dieser Gedanken nicht erwehren.

Das gleiche galt wohl für die Ritterschaft, auch hier war er sich darüber bewusst, dass die Verbindung Ersonts zu den Rittern nicht die beste ist - aber sie sollten doch alle an einem Strang ziehen anstatt über lächerliche Streitigkeiten zu stolpern. Keiner würde den bevorstehenden Angriff alleine abwehren können, nur sie als ganzen würden zumindest eine Chance haben. Das galt nicht nur für die Kirche, die Ritter oder die Nortraven, sondern auch die Dwarschin, Malthust, die Elfen und so weiter...

Aber es waren nicht nur diese beiden Fraktionen die seine Gedanken verdunkelten und seinen Schlaf raubten - eigentlich galt es für alle. Alle schienen ihr eigenes Süppchen zu kochen, es gab keinen überfassenden Konsenz. Manchmal glaubte er, das die Führer der Mächte auf Siebenwind viel zu viel damit beschäftigt sind ihre Klingelbeutel zu streicheln und Leute um sich zu scharen die Ihren ach so wichtigen Titel auch korrekt aufsagen konnten. Noch heute machte es ihn wütend wie Halgar, der Jarl von Vanskaap ihn behandelt hatte. Ihm war nie bewusst gewesen wie empfindlich solche Leute sein können. Stellen lächerliche Begrüßungsformeln über das Wohl und Weh ihrer Städte und der ganzen Insel. Sie waren in seinen Augen alle furchtbar arrogant, ja derart sattuiert von ihrem eignen Wohlgefallen das sie das große ganze Übersahen.

Während er so seinen Gedanken nachging hatten sich unbewusst seine Fäuste auf dem Tisch geballt - ein sachtes Schmunzeln glitt über die müden etwas blassen Züge. Er schimpfte über die anderen, dabei war er selbst nicht besser. Sicherlich, ihm war es egal wie man ihn Ansprach aber eine gewisser Hand zum "übertriebenen Handeln" konnte er sich wohl selbst nicht ganz abstreiten. Natürlich war es leicht das ganze auf seine Jugend zu schieben und vielleicht würde er es noch lernen, Dinge etwas ruhiger angehen zu lassen - aber bisher hatte es ihn werde sonderlich beliebt noch erfolgreich in - vor allem - Diplomatischen-Dingen- gemacht. Nun...das führt ihn wieder zurück zum Anfang, er war froh das der Oberst noch da war, seine Frau und natürlich auch Mannein. Sie alle , auch wenn sie seine Vorgesetzten, waren so etwas wie seine Familie, seine Freunde.

Mit einem leisen Knarren erhob er sich, der hölzerne Stuhl rutschte schabend über den Boden als er sich aufrichtete und die Uniform einige male straff zog. Er konnte nicht sagen wie es weitergehen würde, ob die Verteidigung der Stadt wirklich hallten könnte. Dennoch war er sicher, es war ihre einzige Chance - ein Angriff, wie ihn viele Vorschlugen war reiner Selbstmord. Jeder Soldat der dabei verloren ging würde später an den Mauern fehlen. Sie könnten unmöglich so viele Skelette erledigen als das der Angriff dadurch geschwächt werden würde. Sanft schüttelt sich der blonde Schopf ehe das Barett wieder jenen verdeckt. Aber was weiß er schon, letzten endlich war er nur ein Junge der erstaunlich schnell zum Waibel einer Armee geworden ist und nun vor einer seiner größten Aufgaben steht und sich nicht sicher ist ob er sie bewältigen konnte....

Schließlich und endlich war er sich nur eines sicher...Falkensee würde nicht Fallen...


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gezeichnet

Maluk, Anwärter-Tempelwache Siebenwind


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 Betreff des Beitrags: Re: Das Licht im Dunkeln
BeitragVerfasst: 22.11.12, 21:46 
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Zitat:
Was es auch gewesen sein mag... es war tief in sie eingedrungen. In einen übermüdeten Körper, der schlank und zerbrechlich wirkte. Es fraß sich durch ihre Haut oder kroch über ihre Lippen, tief hinab in die Lungen, benetzte durch eine Unachtsamkeit ihre Zunge. Es bereitete ihr Schwierigkeiten zu atmen und zu denken und ein Schmerz durchfuhr ihren Leib. Schwindel... Gift.
Sie waren alle in Seeberg...
Die junge Frau presste ihre Lippen zusammen, die zusehend blutleerer wurden. Sie wollte nicht wanken und nicht stürzen, sie wollte vor niemanden taumeln. Aber sie wusste, sie würde es nicht nach Hause schaffen, nicht die Treppen hinauf zu der kleinen von Markus zurückgelassenen Apotheke. Es gab keine Tür, an die sie hätte pochen können. Die Kirche hatte das Hospiz nicht mit einem Heiler besetzt. Die Magier würden alle in der Nähe des Schlundes sein.
Für wenige Herzschläge durchfuhr sie eine Woge der Angst. Der Angst, es nicht kontrollieren zu können. So ruhig wie eben möglich betrat sie das Tempelgelände, während die Welt an Konturen verlor, die Farben eben dieser Realität der einer anderen wichen. Die Geräusche der Stadt wurden in ihren Ohren absurd verzerrt, als hätte ein Schlund der Abartigkeiten sie hinabgezogen. Sie verlor die Orientierung und es war, als wäre nicht mehr der Verstand, sondern nur noch der Geist fähig sie in die schwarze Halle des Morsanschreins zu führen. Ein Ort, wo es keine Konturen gab, die sich hätten verdrehen können, keine Farben, die sie hätten anschreien können. Nur die schwarze Halle selbst, die sie als Kind so viele male beherbergt hatte.

Auf die Knie gesunken, blass und mit vereinzelten Schweißperlen auf der Stirn, verblieb sie vor dem steinernen Altar, bis die körperliche Schwäche und der Schmerz sie in eine Bewusstlosigkeit rissen. Der Herr des Schweigens und der Zeit nahm ebendiese von ihr fort. Sie verlor das Gefühl für die Zeit und hörte in ihrem Dämmerzustand die einzelnen Körner der Sanduhr rieseln, die aus dunklem Holz gefertigt auf dem Altar stand, und das Geschrei des Rabens. Ihres Rabens. Obgleich er auf dem Säulenfuß neben dem Eingang saß, hörte sich das Schlagen seiner Flügel donnernd an, ein tiefes Dröhnen, gleichzeitig ein scharfes Zischen der zerschnittenen Luft. Awa glaubte in ihrem benommenen Zustand den großen Vogel über die kleine Tore auf sie zufliegen zu sehen. Er riss den Schnabel auf und aus diesem kam nichts als Dunkelheit. Das Innere seines Schnabels war Schwarz, verschlingende Schatten. Er stürzte auf ihr Gesicht zu.

Dann erwachte Awa vollends. Keuchend, geschwächt, befreit von dem Gift, was sich in ihr Blut geschlichen hatte. Der Rabe saß noch immer vor dem Schrein. War nie in diesem gewesen. Aber die ganze Zeit bei ihr.

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 Betreff des Beitrags: Re: Das Licht im Dunkeln
BeitragVerfasst: 26.11.12, 13:21 
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Bildas Leben ist ein Handstreich, jeder Augenblick davon gut für einen Ulk oder einen Schluck Wein. Oder für ein bisschen „Magie“. Das Leben ist so einfach, wenn man ihm ins Gesicht lacht. Warum begreifen das die Leute nicht? Ihre Fröhlichkeit war nicht gespielt – noch nie. Wofür auch? Die Lust am Leben (und am Lieben) war schlicht und ergreifend vorhanden. Nicht wegzudenken. Teil von ihr selbst. War das naiv? Vielleicht. War es verkehrt? Auf gar keinen Fall!

Bildine ganze Weile war es nun schon her, seit sie durch ihre eigene Schussligkeit aus Venturia fort- und nach Siebenwind hingespült wurde. Aus einer frechen, fröhlichen und charmanten Göre war seitdem …eine freche, fröhliche und charmante Göre geworden. Der Schalk in ihren Augen war ebenso wenig wegzudenken, wie das Glück, dass sie sich mit Vitamas Hilfe (und ihren Dietrichen) zur Not auch einmal selbst besorgte, wenn es gebraucht wurde. Sie hatte eine Menge Leute kennengelernt. Hatte sich, wie es sich gehört, Freunde und auch Feinde gemacht, die das Leben abwechslungsreich machten. Hatte eine neue Heimat gefunden, die ihre Sehnsucht nach Venturia zumindest meistens in den Hintergrund rücken konnte.

Bildan könnte meinen, es müsste immer so bleiben. Doch das Leben ist auch im Wandel. Sie hätte immer noch täglich ihre unbedarften Späße im Walross machen können, hätte David an immer „interessanteren“ Orten Stück für Stück in den absoluten Rausch der Liebe ziehen können, hätte mit so manchem Schurken ein Syndikat aufbauen können, dem die Ersonter Garde nichts, aber auch gar nichts hätte entgegensetzen können. Sie war jung. Jünger, als die meisten wussten (oder ahnten). Die Türen standen ihr offen, in jedem Sinne. Frech steckte sie ihre Nase überall hinein. Sie, die Tavernenkönigin, die Prinzessin aus der Gosse, hatte sich sogar als Patrizierin einer Stadt und eines Lehens beworben. Es hatte ein großer Spaß werden sollen. Ein abgekartetes Spiel, um ein wenig Verwirrung in die schnöden, eingefahrenen Strukturen zu bringen. Und natürlich um ein bisschen mehr Einfluss zu bekommen. Alles lief nach Plan, bis…

Bildnverhofft kam die Welle auf sie zu. Diese schreckliche Welle der Ernsthaftigkeit. Es begann damit, dass sie David von Herzen liebte. Nicht mehr nur mit dem jugendlichen Heißsporn einer stürmischen Nacht, sondern richtig tiefgehend, so dass es schon fast wehtat und doch zugleich so ausnehmend… gut und richtig war. Die Erlebnisse im besetzten Brandenstein mit den Dienern des Einen und vor allem mit dieser verfluchten Knochenhexe hatten sie bereits nachdenklich gemacht. Ein ihr bis dato unbekanntes Gefühl hatte sich spätestens in ihr eingenistet, als sie das Rote Haus besetzt hatten: Angst. Angst um sich selbst, Angst um Konsequenzen für ihr Handeln. Mit diesen schwarzen Gesellen war nicht zu spaßen. Sie kannte viel zu viele von ihnen viel besser, als sie sich das wünschte. Der inbrünstige Wunsch reifte in ihr, sie brennen zu sehen, alle miteinander. Doch was, wenn sie nicht alle erwischten? Was mit den Menschen geschah, die in die Fänge der Toten gerieten, hatte sie nur allzu deutlich täglich vor Augen, wenn sie David ansah. Wenn ihre Finger bei zärtlichen Berührungen in Versuchung gerieten, das widerliche Sigul in seiner Haut nachzuzeichnen.

Bildatsächlich war dann auch noch das geschehen, was sie nie für möglich gehalten hätte: Sie wurde zur Patrizierin gewählt. Hatte sie die Seiten gewechselt? War sie jemals auf einer Seite, außer auf ihrer eigenen? Trotzdem blieb sie Laura. Auch, wenn sie sich plötzlich so schrecklich erwachsen fühlte. Der Eid, den sie ablegte, brachte sie dennoch beinahe zum Grinsen. Sprach Solos da doch von einem „geliebten Fürsten Kasimir“…sie kannte den Typen nicht. Würde ihn vermutlich nie zu Gesicht bekommen. Und doch hielt sie ihren Kopf gesenkt. Spürte mit dem Eid noch ein Gefühl, das ihr bisher unbekannt war und das sich plötzlich regte: Verantwortung. Für die Stadt würde ihr schon noch das ein oder andere Lustige einfallen. Für all die steifen Diplomaten auch. Später. Erst einmal galt es, ihre Ärsche zu retten. Nach dem Schwur hebt sie ihren Blick und es fällt ein Lichtstrahl durch eins der Fenster in den Saal der Burg, so schön wie ein ehrliches Lächeln. Vitama stand bereit, ihr zu helfen.

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Inaktive Charaktere: Ramo al Laomar
Abgereiste Charaktere: Laura Induas/Jaro Tyslaf
Ehemalige Charaktere:Leandra/Yessir Jal Ehur/Arn Toron


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 Betreff des Beitrags: Re: Das Licht im Dunkeln
BeitragVerfasst: 23.01.13, 00:51 
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Zitat:
Aurelius saß auf ihrem Schoß und hing mit dem Oberkörper halb über der Tischplatte, um mit seinen Händchen nach dem Teller zu greifen - doch dieser, mit kleinen zurechtgeschnittenen Obststücken gefüllt, war ein Stückchen zu weit weg von ihm platziert worden. Das hielt den jungen Aldorn jedoch nicht davon ab, es weiter zu versuchen, die drei Erwachsenen am Tisch halbherzig ignorierend, halbherzig doch auch nach Aufmerksamkeit haschend. Vielleicht bewegte ja jemand von ihnen wunderlicher Weise den Teller zu ihm.

Gnaden Bringfriede und Lucius, vor allem Lucius, hatten ihren Ton etwas gemäßigt, als sie und ihr Kind spät abends Heim kamen. Noch im Flur konnte sie hören, wie energisch die Herren beschworen, dass und wie man in Endophal weiter vorgehen müsse. Manchmal verdrängte Awa, dass ihr Ehemann sowohl gegen die Khalandrier, als auch gegen die Endophalis in den Krieg gezogen war, denn sie wollte sich nicht vorstellen, dass es eine solche Zeit des Entbehrens und der Ferne nun einmal zwischen ihnen geben könnte. Auch dass ein Geweihter Bellums wieder Gast in ihrem Haus war, war nach der Enttäuschung über Tion Altors metaphorischem Messer in ihrem Rücken etwas Ungewohntes. Sie war von Geweihten oft betrogen worden - aber Ortwin Bringfriede schürte in ihr etwas Hoffnung. Immerhin war er der einzige, der nach ihr fragte und das Wort "Danke" über seine Lippen brachte und in vielen Momenten das verkörperte, was sie sich von einem Geweihten wünschte.

"Und was hast du heute den ganzen Tag über wieder gemacht?", sprach Lucius lächelnd zu ihr, in seiner Stimme verbarg sich etwas Sorge, kein Spott. Er wusste, wie belastend die Arbeit mit einem Kind war - auch wenn er mit Stolz darüber erfüllt war, dass sie gemeinsam die Dinge dennoch regeln konnten.
Awa holte ihrem Sohn ein kleines Birnenstückchen vom Teller und sprach zu ihrem Kind herab, leiser, gedämpfter: "Mama hat heute wieder vielen Menschen, Zwergen und Elfen geholfen…"
Ihr Gatte lachte auf. "Und wie das?"

"Mit Essen, einem Dach über den Kopf, einer Heimat, neuer Arbeit und warmer Kleidung…", antwortet sie ruhig, während sie das halb angebissene Birnenstück vom Tisch aufhob. Aurelius war noch sehr klein, übte gerade seine ersten Schritte - und seine Tischmanieren waren durchaus mangelhaft.

Die angebotene kostenlose Kleidung in ihrem Laden hatte sich rasch herumgesprochen. Ein lohnender Einfall - jedoch keiner, der für sie finanziell gewinnbringend wäre. Sie erinnerte sich sehr genau, wie Eminenz Sandelholz ihr mitteilte, er wäre nicht bereit vor dem ersten hochliegenden Schnee Kleiderspenden zu organisieren - es würde keiner kommen. Dies war für sie ein Anreiz gewesen, schon bei den ersten Kälteeinbrüchen ihre Schneiderei als festen Anlaufpunkt zu nutzen, um im Dienste der Viere und der Stadt zu wirken. Denn Falkensee hatte kein Interesse daran, dass die Freien unversorgt blieben. Der Morsan war nicht vorbei und sie hatte schon zwei Mal die Spendenkiste wieder auffüllen müssen.

Dieses Thema verleitete Gnaden Bringfriede dazu, Awa das Angebot zu unterbreiten, oder wahrscheinlich hatte er es auch so schon vereinbart, dass Seine Eminenz Sandelholz und die Edeldame sich einmal aussprechen mögen, unter seiner Moderation. Ein Lichtblick - ein winzig kleiner, dass gewisse Differenzen sich legen können, sofern sie selbst bereit war zu verzeihen. Aber eigentlich erwartete sie nur, dass Sandelholzes ihre Fehler eingestanden, dass sich irgendjemand aus der Kirche bei ihr entschuldigen würde und sie wieder etwas mehr Frieden finden könnte. Immerhin bestand kein Zweifel daran, dass die Beziehungen zwischen dem Lehen und der Kirche besser wurden - jedoch war Awa nicht das Lehen. Nicht nur. Aber sie versuchte genauso wie das Lehen an dieser Beziehung zu arbeiten.


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 Betreff des Beitrags: Re: Das Licht im Dunkeln
BeitragVerfasst: 2.12.13, 21:43 
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Eine Flut der Stille.

Zitat:
Aurelius lag in seinem Bett, eine dicke, wärmende Daunendecke über sich ausgebreitet. Der Junge schien fast in den Kissen zu versinken, wozu sein anfängliches Zappeln gewiss beigetragen hatte. Awa fragte sich oft, wie es ihnen und vor allem Aurelius selbst gelungen war, diese unbeschwerte Kindlichkeit und Sorgenfreiheit bei ihm zu belassen, während sie selbst in Dunkelheit zu versinken drohten. In diesem kleinen Knaben steckte all die Lebenskraft, für die allein es sich noch lohnte. Und in dem Kind, das so furchtbar Kräfte zehrend in ihr heranwuchs, was sie zurzeit mehr ertrug als erwartete.

So saß Awa an der Bettkante, über den braunhaarigen Jungen gelehnt und erzählte ihm leise eine Geschichte – eine von den wenigen, die er sich gern immer und immer wieder anhörte. Ab und an korrigierte er sie, fiel ihm doch sofort die kleinste Abweichung auf. Wispernd wurden die Worte gesprochen und forderten auch alsbald die erste Müdigkeit. Die Lider sanken dem Kinde immer häufiger und länger zu und gerade als Awa erwartete, sich vom Bett erheben zu können, da geschah es.

Stille.

Eine stille, die sich wie ein schweres Tuch über ihre Welt legte. Kein Rauschen des Windes, kein Klappern der Fensterläden, keine Vögel, Hunde, kein Knarzten und Knistern. Nichts. Aurelius schaute sie erschrocken an und drehte minimal das Köpfchen, als könnten Gehörtes und Gespürtes visuell sichtbar werden. Er geriet nicht in Panik, da sie es nicht tat. Und doch verhielt sich seine Mutter komisch, sie war erstarrt und schaute für einige Herzschläge lang ins Nichts. In diesem Moment der Stille hörte sie drei Herzen schlagen. Ganz dicht, ganz nah, vereint. Laut, heftig pochend. Dann das urplötzlich aufwogende Kreischen in ihrem Kopf, das Krätzen ihrer Raben, aufreibend, weckend, warnend.

Schwer atmete Awa durch, als der Moment des Stillstandes vorüber zog. Eine Hand bettete sich auf den kleinen Brustkorb des Knaben, die andere auf ihren gewölbten Bauch.

Sie drei waren die Ordnung, sie waren der Weg der Schöpfung. Sie hoffte, dass Custodias damit recht hatte.

Am nächsten Morgen setzte sie sich an den Schreibtisch in Schloss Finianswacht und nahm die Nachricht über die Arbeitsverweigerung von Herrn Falkner entgegen. Lucius war erst so spät nach Hause gekommen, dass er seiner schwangeren Frau die Neuigkeiten ersparte. Es passierte nichts Gutes mehr. Tag ein und Tag aus schien das Leben in Falkensee mehr und mehr zu einer Farce zu werden. Sie saß lange dort und überlegte, wann das letzte mal etwas in den Mauern geschah, was nicht übel, schlimm, grausam, gefährlich, anstregend oder beleidigend war. Ratten, Dämonen, Geister, das weltzerstörende Chaos, fressende Kugeln, verschlossene Banken, berobte Gestalten, ein ominöser Mord am Grafen, eine geschändete Leiche trotz geweihten Bodens...Dass dieser Bankier nun seinen Arbeitsplatz verließ hätte sie fast zur Weißglut getrieben, wäre sie nicht einfach schon zu ausgelaugt von allem, was man ihnen hier noch alles gleichzeitig antat... Womit hatten sie das nur verdient? Oh, ihr Viere... nur einmal etwas Gutes, um Kraft zu schöpfen... aber irgendeine Macht dort oben, unter ihnen, um sie herum wollte einfach, dass immer mehr von diesen vielen Unnötigkeiten auf sie einströmte, als wollte man ihnen durch viele Finten die Sicht auf die großen Aufgaben versperren.




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