Einige Monde vor der Versammlung der Fey in Tiefenwald. Im Astrael des 27. Götterlaufs in der Regentschaft Hilgorad ap Mers
Zitat:
Trier 5026 n.E.A. in Ersont - Tempel des Ordens der endlosen Güte der Herrin Vitama
Die Geweihte öffnete die Hintertüre des hübschen kleinen Tempels und spähte in die nur von Rilamnors Mantel erhellte Nacht. Beide Monde waren längst unter gegangen, bald würde Fela sich erheben; in der Ferne hörte sie das Klappern und Krachen eiligen Marschtritts auf dem Pflaster der Gassen von Aschengrund, offenbar Soldaten. Noch während sie dem gedanklich nach gehen konnte, wurde sie der beiden Gestalten gewahr, die sich an das helle Mauerwerk des Tempels gekauert hatten, farblich mit diesem verschmolzen; einer trug einen Stab und ein langes Gewand das ihn als Magus des weißen Turmes auswies, die andere war eine schlanke, sehnige Fey mit einem Taek'ri und einem ungewöhnlich langen Ayt'ri in Gürtelscheiden. Ilyanna wollte sie gerade begrüßen, doch die Fey, die um Einlass geklopft hatten, drängten sie in unziemlich unhöflicher Weise beiseite, eilten in die kühle Ruhe des Tempels und zogen die Geweihte rasch mit sich; mit einem Wink seiner schlanken Hand verschloss Caylen hastig die Türe.
Ehe sie noch etwas sagen konnte, hörte sie auf dem Platz hinter dem Tempel den Marschtritt sich nähern, und die Soldaten ausschwärmen, Rufe ertönten.
"Hier irgendwo muss sie sein! Findet sie!" brüllte eine harte Männerstimme. Ilyanna wurde heiß und kalt zugleich, während sie das Licht Jassavias musterte, das betreten zu Boden blickte.
"Unsere Schwester hier, Eliandas Dämmersturm, sollte gegen seine Majestät Hilgorad ins Feld ziehen. Ein Angriff auf irgendeine strategisch wichtige Siedlung." erläuterte Caylen und die Geweihte konnte erahnen, wie angespannt er sein musste, da er nicht zu ihr sah, sondern zur Hauptpforte des Tempels blickte. "Und da ich mich weigere, die Waffen gegen seine Majestät zu erheben - oder gegen Unschuldige..."
Ilyanna verstand, nickte und winkte die Beiden mit sich. Sie hatte schon häufiger Schmuggler, Diebe oder fälschlich verdächtigte Flüchtlinge unter gebracht; sie konnte der Fey Obdach und Zuflucht gewähren, wenigstens für eine Weile.
Zitat:
Triar 5026 n.E.A. in Ersont - Tempel des Ordens der endlosen Güte der Herrin Vitama
Der Marschtritt genagelter Stiefel drang in die meditative Fröhlichkeit des Tempels. Die Geweihte Ilyanna Nordstern führte einen lebhaften Tanz vor, und die Kinder der von ihr betriebenen Schule und auch einige Novizen und zufällige Anbeter der Göttin folgten ihren Bewegungen. Meist war es eher unbeholfen; gerade die Jüngsten waren mit Feuereifer dabei, sich gegen den Takt zu bewegen und dabei vor Begeisterung zu krähen, zu quietschen und sich an zu rempeln. Über all dem ragte die elegante Statue empor, welche die Schenkerin der Freuden und des Lebens symbolisierte, ohne ein Gesicht, ansonsten aber nahezu makellos vollkommen, und bis auf ein paar Ranken und Rosen doch recht nackt. Sie streckte ihre Hände anbietend den Gläubigen entgegen und der Marmor war abgenutzt von all den Fingern, die schon haltsuchend oder dankschenkend darüber gestrichen hatten, fleckig ihre Füße von Tränen, die darauf vergossen wurden.Ilyanna hielt nicht inne, beobachtete jedoch mit einem Anflug von Wachsamkeit den stets offenen Zugang des kleinen, unbedeutenden Tempels.
Noch eine Verkündung, ein Ruf zu den Waffen?
Plötzlich marschierten geschlossen fast 20 Soldaten in cortanischer Uniform die Tempelstufen hinauf, schmetterten ihre genagelten Stiefel auf die ausgetretenen Steine und drängten jeweils zu dritt in perfekter Ordnung durch die Flügeltüren, die längst von Rosenranken umwunden waren, so lange schon standen sie offen.
"Kinder." Ilyanna hielt inne und scheuchte die Novizen los, die Kinder, die kaum die Veränderung begriffen, aus dem Weg zu schaffen, und trat der Offizierin entgegen, verharrte zwei Schritt vor der Statue der Herrin in anmutiger Haltung und lächelte einladend. "Willkommen im..."
"Ruhe!" unterbrach die junge Soldatin sie rüde und funkelte die Vitamadienerin zornig an. Die Elfe hielt verblüfft inne - noch nie hatte es jemand gewagt, ihr an diesem Ort ins Wort zu fallen, noch dazu so rüde! Abermals wollte Ilyanna das Wort erheben, doch noch ehe sie die erste Silbe formte, wurde sie direkt wieder unterbrochen.
"Ruhe, habe ich gesagt!" nun huschte ein hämisches Grinsen auf die Züge der Offizierin, während ihre Soldaten sich ohne einen weiteren Befehl auffächerten und die Novizen ergriffen. Ein paar der Gläubigen schnappten sich beherzt die Kinder und trieben sie einer Herde Schafe gleich hinter die Statue, bestürzt und erschrocken. Bei diesem Anblick konnte sich die Geweihte abermals nicht beherrschen und forderte:"Lasst augenblicklich meine Novizen frei und erklärt euch!"
"Festnehmen." schnauzte die Soldatin und drei Mann traten aus der Reihe, schritten zu der Elfe und die bis unter die Statue zurück wich, dort aber keine Ausweichmöglichkeiten mehr hatte.
"Uns kam zu Ohren.." erklärte die äußerst zufrieden dreinblickende Anführerin des Trupps, "dass sich hier eine Fahnenflüchtige verbirgt, ein Offizier meiner Einheit." Ein äußerst unschönes Lächeln umspielte die schmalen Lippen der Frau. "Übergebt sie, oder wir sperren euch alle in den Kerker."
"Ihr könnt nichts dergleichen tun." verkündete Ilyanna, fest im Griff der Soldaten, von denen einer nun auch noch sein Schwert zog und ihr an die Kehle hielt. "Dies ist ein Haus der Herrin und hier endet die Macht des Königs!" Unbeeindruckt wandte sich die Truppenführerin zu ihren Soldaten: "Wenn du das sagst. Durchsucht den Tempel und tötet jeden, der sich widersetzt!"
"Nein!"- Ilyanna blieb das Wort im Halse stecken, aber es war auch Eliandas Dämmersturm, die Elfe, die sie hier aufgenommen hatte, und die nun mit eiligen Schritten aus ihrem Versteck hervor kam. "Haltet ein! Kein Blutvergießen im Haus der Herrin!"
"Na also, wer sagt es denn. Vieregläubige sind so leicht zu manipulieren." säuselte die Offizierin und deutete auf die Desertierte, die zur Statue lief. "Sofort hinrichten." Die Soldaten, die zuvor Ilyanna hielten, ließen ab von der Geweihten, und zogen nun allesamt ihre Klingen, um auf die Kriegerin los zu gehen. Doch noch ehe die Klingen Eliandas erreichen konnten, warf sich Ilyanna vor die elfische Kriegerin und fing jeden Schwerthieb und -stich mit ihrem eigenen Leib auf. Sie brach zu Füßen der Statue zusammen, doch kein Laut des Schmerzes entfloh ihrem Leib, nur weinrotes Blut, während die Schwerter wieder aus dem Körper glitten und die Soldaten, entsetzt darüber, eine Geweihte getötet zu haben, zurückwichen. "Worauf wartet ihr! Nehmt die Verräterin fest! Und das ganze Novizenpack auch!" Einige Soldaten gehorchten, doch die meisten waren vor Schreck gelähmt.
Die Schwerter klirrten zu Boden, die drei Mörder folgten ihnen, fielen auf die Knie und pressten schluchzend die Köpfe auf den Marmor, während das Blut der Geweihten der lieblichen Mutter die tränenfleckigen Zehen umspielte und die Blumen im Tempel verblühten.
Danke an Streuner!