Quintum Elementum
II - Discipulus Secretus
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Ein Essay aufbauend auf dem ersten Werk gleichen Namens und Autors.
Mit dem Studium der Arkanen Künste gehen neue Erkenntnisse und neue Überlegungen einher, vielleicht auch neue Irrwege, doch ist es den Versuch stets wert, sich neuen Gedankengängen hin zu geben.
Entsprechend folgt hier nun eine Ergänzung der Überlegungen, welche im ersten Teil des Gesamtwerkes begonnen wurden. Wohl wird nur Timanors Wirken auf lange Sicht zeigen können, ob sich diese der unbegreiflichen und nicht in Worte faßbaren Wahrheit annähern, oder ob der Verfasser sich auf seiner Entdeckungsreise in tückische Gewässer begibt.
Das unbekannte Element
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Die Überschrift mag trügerisch sein, könnte sie doch ebenso einen mangelnden Grad der Erforschung implizieren, obwohl eben dies nicht der Fall ist. Vielmehr widmen sich derart viele Thesen und Studien dem Thema, daß es kaum noch möglich ist, einen Überblick über sie alle zu wahren.
Während bei den vier stofflichen Elementen zumeist recht enge Rahmenbedingungen vorliegen, in welchen sich eine These entweder widerlegen läßt, oder aber diese irgendwann zur Theorie wird, wenn genügend solcher Widerlegungsversuche an den meßbaren, materiellen Auswirkungen gescheitert sind, so zeichnet sich das fünfte Element dank seiner Nichtstofflichkeit zusätzlich durch eine gewisse Unmeßbarkeit aus.
Viele der inhärenten Eigenschaften von Ri, Fe, Xa und Kah lassen sich auf mechanischem Wege bestimmen und beschreiben. Es ist unter anderem möglich, Temperatur, Gewicht, räumliche Ausdehnung, Geschwindigkeit, Druck und eine Ausrichtung im dreidimensionalen Bereich zu messen, fest zu halten oder eben im Zuge einer These gar voraus zu sagen. Entsprechend können Studien zum Be- oder Widerlegen jener These aufgestellt werden, welche sich auf jene meßbaren Ergebnisse stützen und damit zu mehr oder weniger deutlichen Ergebnissen führen können.
Wie jedoch mißt man die Eigenschaften des Geistes? Vieles läßt sich nur indirekt beobachten, durch Auswirkungen auf stofflicher Ebene, während eine direkte Beobachtung des Geistes nur durch sich selbst gemacht werden kann und somit nur als mäßig zuverlässig gelten darf.
Vollkommen unabhängig, ob man Wrathe nun als Gedanken, Wahrnehmung oder allgegenwärtiges Element definiert, ihn als eine Mischung all dessen ansieht oder eine gänzlich andere Vorstellung von Meandes' Hoheitsgebiet hat. Es verbleibt eine Herausforderung, die jeweilige Definition ab zu grenzen, in beweisbaren oder aber widerlegbaren Vorgaben.
Im Folgenden werden weitere Modelle vorgestellt, welche jenem in der ersten Abhandlung dargestellten teils widersprechen, sich teils jedoch beinahe lückenlos in dieses einfügen. Dabei wird versucht, jene zueinander in Zusammenhang zu setzen und eine gemeinsame Basis zu finden.
Das trennende Element
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Windflüsterer spricht von Wrathe als Vereiniger der anderen Elemente, als Bindeglied, welches selbst die einander aversiven Elemente in Relation setzen kann und damit essentiell für das heutige Erscheinungsbild Tares ist.
Eine weitere Theorie (oder mag es aufgrund der mangelnden Fähigkeit zur Belegbarkeit nur eine These sein?) besagt, daß die Hauptaufgabe hingegen die Trennung der Gegenelemente ist, da deren Aufeinanderprallen zerstörerische, unbeherrschbare Energien freisetzen und damit eine Existenz als solche unmöglich machen würde.
Beide These widersprechen einander nicht direkt, sondern können im Idealfall gar als Ergänzung zueinander gesehen werden, wonach der Geist eine Doppelrolle als kohäsives und zugleich repulsives Element einnimmt.
Das allgegenwärtige Element
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"Der Geist durchdringt alles."
Nicht nur im theologischen Bereich, auch in der arkanen Forschung erfreut sich jene Aussage durchaus einer gewissen Beliebtheit, wobei in diesem Zusammenhang auf die entsprechende These eingegangen werden soll, die dies durchaus verbaliter betrachtet.
Windflüsterer spricht in seiner Abhandlung davon, daß Mens' Element die anderen mit einander verbinden kann, die Anhänger der These vom allgegenwärtigen Element gehen hier jedoch noch einen Schritt weiter und sehen in Wrathe nicht bloß ein Bindeglied zwischen, sondern vielmehr einen Nährboden für die stofflichen Elemente.
Der Geist als eine Art endloser Ozean, in welchem Erde, Feuer, Wasser und Luft sich bedingt frei bewegen können. Eine Leinwand, welche erst durch die vier Farben Bedeutung bekommt, ohne welche diese jedoch keinen Halt hätten, keinen Untergrund, auf welchem sie wirken könnten.
Auch diese These kann sich nahtlos in die bisher betrachteten Weltbilder einfügen, ist doch die einzige Voraussetzung, welche im Vergleich zu jenen des vereinenden und des trennenden Elements gegeben sein muß, daß Verfügbarkeit und Ausdehnung des Geistes jene der anderen vier Elemente übersteigen. Der Geist als allumfassende Basis kann dabei weiterhin als Bindeglied und Trennwand fungieren, nimmt seine Aufgaben in diesem Modell lediglich allumfassender wahr.
Interessant bei diesem Modell ist vor allem auch die Einordnung der Hellsichtsmagie, welche aufgrund der Allgegenwärtigkeit meist dem Element Kah, in manchen Fällen jedoch auch hinsichtlich des Durchdringens dem Element Xa zugeordnet wird. Der Geist als alles durchdringendes, allgegenwärtiges Element könnte somit beiden diese Aufgabe streitig machen und sich in dieser Sichtweise als das am besten geeignete Element für die Magica Clarobservativa hervor tun.
Das gedankenlose Element
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Worauf die Überschrift auf bewußt provokative Weise hinweisen soll ist eine These, welche das Element Geist strikt trennt vom sterblichen Geist als Sitz des Bewußtseins und Unterbewußtseins, und damit vom dritten Pfeiler beseelten Lebens.
In diesem Modell ist Geist lediglich eine Homonymie, der Fall eines gemeinsamen Begriffes für zwei unterschiedliche Konzepte, welche nur sehr bedingt mit einander in Zusammenhang stehen. Wrathe wird in dieser These weder im Sinne von Wahrnehmung, noch in dem von Gedanken oder Verständnis gesehen, sondern lediglich als abstraktes Konstrukt, welches eine beliebige Teilmenge der zuvor beschriebenen Aufgaben (Kohäsion, Repulsion, Dispersionsmedium) abbildet.
Eine solche Trennung hat zur Folge, daß die Manipulation der Realität durch den Geist (im Sinne von Unterbewußtsein) keine direkte Verbindung zum Geist (im Sinne des Elementes) mehr hat, wodurch dieser als Kommunikationsmedium zu den stofflichen Elementen keine oder nur noch stark eingeschränkte Bedeutung hat.
Dieses Modell läßt sich bedingt in die bisher umschriebenen Thesen einfügen, widerspricht jedoch in großen Teilen der Sichtweise Brand Windflüsterers und damit den Rückschlüssen im ersten Teil der Quintum Elementum Abhandlung.
Offen bleibt dadurch die Frage nach der Zuordnung des Geistes als dritte Säule beseelten Lebens, sowie eine mögliche Verbindung zwischen dem im Unterbewußtsein angesiedelten arkanen Talent und dem Zugriff auf die fünf Elemente.
Ebenso stellt sich die Frage, wie sich diese Trennung auf die Grundaussage auswirkt, daß Magie ausschließlich im elementaren Bereich wirken kann, niemals jedoch auf außerelementare Energien (wie beispielsweise die Seele). Diesem Grundsatz zufolge müßte der sterbliche Geist einem oder mehreren anderen Elementen zugeordnet werden, um dessen Beeinflußbarkeit weiterhin begründbar zu halten.
Conclusio
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Der Autor des vorliegenden Texte hält eine Verbindung der aufgelisteten Modelle basierend auf den Aufgaben des fünften Elementes als durchaus miteinander kompatibel, dank ihrer allumfassenden Abdeckung verschiedenster Phänomene gar als eine in ihrer Komplexität ergiebigere Gesamtthese.
Die stofflichen Elemente (Ri, Fe, Xa und Kah) als Dispersion innerhalb des Mediums Wrathe, welches die vier gleichermaßen miteinander verbindet und damit komplexe Systeme wie etwa lebende Körper ermöglicht, aber auch voneinander trennt und damit eine Auslöschung allen Seins durch die Freisetzung unkontrollierter Energien verhindert.
Ebenso deckt jene Emulsion dreier nur scheinbar getrennter Modelle sich nahtlos mit den Regeln des Mahrent Fahnduk, da eine Dispersion die erste, die gleichzeitige Kohäsion und Repulsion die zweite unterstützt und keine der Thesen der dritten Regel widerspricht.
Bezüglich der Trennung zwischen dem sterblichen Geist und Wrathe als Element behält sich der Verfasser eine gewisse Skepsis vor, da jenes Modell zu viele Fragen offen läßt, welche sich hingegen in der Fortführung von Brand Windflüsterers Gedanken ganz natürlich in die Annahme einfügen, daß Unterbewußtsein, Bewußtsein und das fünfte Element entweder synonym oder aber zumindest in sehr enger Korrelation zu einander stehen.
Außer Frage steht jedoch, daß Mens' Element weiterhin als umfassendes und interessantes Forschungsgebiet gesehen werden kann und wohl noch so manche Generation mit seinen Geheimnissen beschäftigen wird.