Ausgabe 2Erneut werden nach und nach an verschiedenen öffentlichen Plätzen in Brandenstein und Finsterwangen kleine Stapel von Pergamenten verteilt. Die Machart ist, wie bei der ersten Ausgabe auch, eher einfacher Natur und Qualität. Jedoch fällt auf, dass die Tinte deutlich gleichmäßiger verteilt ist und nicht mehr so leicht verschmiert. Die erste Seite ist mit einem schwungvollen, verschnörkelten Schriftzug versehen: Das siebenwind'sche Falkenauge
Darunter befindet sich ein einfacher Stich der Stadt Brandenstein, wohl aus Perspektive der Höfe vor der Stadt gefertigt. Darunter finden sich noch einige Zeilen:Werte Bewohner Siebenwinds! Die Redaktion des Falkenauges begrüßt Euch zu ihrer zweiten Ausgabe! Viel ereignete sich seit unserem letzten Bericht auf dieser Insel, also verlieren wir keine Zeit! Lest in dieser Ausgabe:
ZIEGE ÜBER DIE FURT – Neues zum Kriegsgeschehen --- DWARSCHIM AUFGETAUCHT – Sie waren nur beschäftigt!--- MARINE ERSTARKT – Die Verteidiger der Freiheit! --- SO EIN THEATER – Theaterstück „Lindwurmeier“ begeistert auf der Freilichtbühne --- FÜR DIE KLEINEN – Die Mähr von der feigen Ziege
Die folgenden Seiten enthalten kurze Nachrichten, jeweils mit einer etwas größer und fetter gedruckten Überschrift darüber. Am unteren Rand jeder Seite befindet sich eine Nummerierung sowie ein gezeichnetes, stilisiertes Auge, das entfernt an das eines Raubvogels erinnert. Neben dem Auge befindet sich gut sichtbar und in geschwungenen Lettern gedruckt: Patronage: Hochmagus Toran Dur.
DER FALL DER FURT – DIE ZIEGE STEHT VOR BRANDENSTEINLange war es ruhig um Siebenwinds berühmtesten Ziegenbock geworden, der sich unverschämt und scheinbar vollkommen ohne adäquate Selbsteinschätzung „Herr des Krieges“ nennt. Man vermutet, er habe einige Wunden zu lecken gehabt, schlugen die Grünlandbewohner doch einen seiner stümperhaften Angriffe mit Bravour und Heldenmut zurück (das Falkenauge berichtete). Doch natürlich ließ der selbsternannte Kriegsherr sich die Gelegenheit nicht nehmen, erneut seinen fehlenden Mut zur Schau zur stellen:
Als lautes Getrommel aus den Ruinen Falkensees und dem umliegenden Wald nahe der Dunqueller Furt zu hören war, sammelten sich die wackeren Verteidiger der Freiheit an der Brücke, um den Feind dort in Empfang zu nehmen. Tatsächlich zeigte sich der Ziegenmann auch und gab wie üblich dröge Provokationen zum Besten. So viel heiße Luft hat die Redaktion seit dem Besuch der heißen Quellen am Falkenwall nicht mehr gesehen! Unser Tipp an Feldherren und alle, die es werden wollen: Engagiert einen Schreiber, damit eure Feder und Worte nicht so stumpf sind, wie der Wortschwall der Ziege!*
Zu einer Schlacht kam es nicht, denn auch wenn der Name des Feindes anderes vermuten lässt, versteht er sich mehr auf Finten und Ablenkungsmanöver, um bloß nicht in den Kampf ziehen zu müssen. So hatte der Feigling – durch welch verderbte Magie auch immer – es geschafft, ein Schiff mit Siedlern, die gerade auf ihrem Weg nach Siebenwind waren, in arge Bedrängnis zu bringen. Natürlich eilten die Verteidiger des Grünlandes sogleich zur Rettung des Schiffs. So zog die stolze Litheth aus, um den braven Leuten beizustehen. Unterwegs wurden die Tapferen von Ungeheuern aus der See angegriffen, doch der Magie, dem Stahl, den Pfeilen und Bolzen sowie den Schiffsgeschützen waren diese Bestien nicht gewachsen! Und so darf Brandenstein nun eine Schar neuer Seelen in ihrer Mitte begrüßen!
Der Strolch, der sich Ziegenmann nennt, setzte derweil dreist über die Furt über und verteilte seine stinkenden Armeen im Grünland. So wurde die erste Verteidigungslinie nun vor die Tore Brandensteins verlegt, wo die Verbündeten Trolle und einige tapfere Krieger, Schützen und Magier nun Wache stehen. Schenken wir Ihnen unsere Dankbarkeit und Anerkennung, liebe Leser! Die Redaktion des Falkenauges ist stolz auf die Bewohner Siebenwinds! Es ist nicht immer einfach, das richtige zu tun. Doch wir sind überzeugt, dass an diesem Tage Wohl und Recht getan wurde. Soll der Ziegenmann nur kommen! Siebenwind steht bereit!
*Die Redaktion steht für Anwerbungen durch Ziegen, Ziegenmänner, Ziegenböcke, Bockziegen, Mannziegen (oder vergleichbares Dämonengezücht), Goblins und Trolle nicht zur Verfügung.
DAS FALKENAUGE INFORMIERT: GEFAHR IM GRÜNLANDDen Bewohnern Siebenwinds wird empfohlen, sich nur mit äußerster Vorsicht durch das Grünland zu bewegen! Der Feind besetzt derzeit große Teile der Insel und ist vor Kurzem in den Westen vorgestoßen. Die Redaktion empfiehlt, sich vorrangig in den Städten aufzuhalten und Ausflüge in die Wege und Wälder der Insel zu vermeiden. Dies gilt sowohl für die Ländereien um Brandenstein westlich von Dunquell, als auch das Land südlich der alten Stadt Falkensee, den Südfaller Wald und das Gebiet um Finsterwangen. Geht nicht ohne Geleit! Es könnten Goblins im Gebüsch stecken!
GERÜCHT: DWARSCHIM AUFGETAUCHT! Unter der Überschrift befindet sich eine weitere Zeichnung. Diese zeigt einen sich wohl in Eile befindenden Dwarschim. Der Oberkörper ist mit Kettenhemd und Plattenpanzer gerüstet, auf dem Rücken hängt eine große Streitaxt. Wohl in vollem Laufschritt hält er mit der einen Hand einen steinernen Humpen aus dem die Flüssigkeit oben herausschwappt, mit der anderen bemüht er sich, seine Kettenhose im Laufen über das zweite Bein zu bekommen: denn eines der Beine ist noch ohne Schutz! Hinter dem Dwarschim in der Luft fliegen mehrere große und kleine Krümel, ein ganzer Laib Brot, ein Spiegelei herum – ganz so als würden sie im Laufen aus seinen Taschen fallen (oder aus dem Bart, ganz klar ist es nicht!). Mitten im Bart des gehetzten Dwarschim hängt ein Hähnchenschlegel. Unter der Zeichnung befindet sich eine Zeile, wohl ein Ausruf des Dwarschim: „Zu spät zur Schlacht! Wär‘ ich doch zeitig aufgewacht!“ In der letzten Ausgabe hatte sich die Redaktion des Falkenauges besorgt über das scheinbare Verschwinden der werten Dwarschim gezeigt. Nun freuen wir uns, doch eine Entwarnung geben zu können: Sie sind wieder aufgetaucht! Zwar bekamen wir bisher nur drei Exemplare zu Gesicht, doch scheinen Sie sich bester Gesundheit zu erfreuen. Einer der ihren verteidigte tapfer die Furt gegen den Ziegenmann (das Falkenauge berichtete), ein weiterer lief unserem Chefredakteur bei einer gemütlichen Lokalrunde in Brandenstein über den Weg. Das Falkenauge ist erleichtert, dass die Dwarschim wohlauf sind! Weckt bitte noch die anderen auf! Zwergenstahl eignet sich Gerüchten zufolge ausgezeichnet, um aufsässige Ziegen zu rasieren!
THEATERSTÜCK „LINDWURMEIER“ VERZAUBERT PUBLIKUMAm vergangenen Vierentag lud eine siebenwind’sche Theatergruppe zu einer exklusiven Probeaufführung des Theaterstücks „Lindwurmeier“ ein. Eine beträchtliche Gruppe fand sich an dem sonnigen Abend an der Freilichtbühne bei Brandenstein ein, um dem Stück, welches unter der Regie von Frau Sharina geführt wird, beizuwohnen. Wir wollen allen, die das Stück nicht gesehen haben, nicht zu viel verraten, doch so viel sei gesagt:
Die Geschichte folgt dem tapferen Ritter Specht (B. Steinhauer) auf einer wichtigen Queste, der ihn mit der adretten Elfe Alfindel (T. Wolframm) und Magus Mumpitz (Rianna) zusammenbringt. Gemeinsam erkunden sie verborgene Winkel Siebenwinds und schlagen sich mit so manchem Unglück und Missgeschick herum. Das Stück ist kurzweilig, voller Witz, Gesellschaftskritik, Klamauk und noch dazu einer spannenden Geschichte und makellosen Requisiten. Die Redaktion empfiehlt jedem, sich das Stück bei der nächsten Gelegenheit anzusehen. Gemessen an dem lauten Gelächter, welches an dem Abend über den Platz schallte, wird bei der Aufführung kein Auge (und auch der ein andere Elf nicht) trocken bleiben. Versprochen!
REKRUTIERUNGSBEMÜHUNGEN DER MARINE ZEIGEN ERFOLGAuch hier befindet sich eine Zeichnung. Die Szene zeigt den Raum einer Amts- oder Schreibstube. In der Mitte des Bildes sitzt ein bärtiger Mann mit wallendem Haar und einer Marineuniform an einem Schreibtisch. Das Gesicht des Mannes ähnelt ganz entfernt dem Kapitän Lazalantin, allerdings hat der Künstler sich wohl einige Freiheiten genommen. Die Arme des Mannes sind auf dem Tisch abgestützt und er schaut mit wachem Blick und einem selbstsicheren Grinsen auf dem Gesicht den Betrachter direkt an. Rechts daneben und etwas hinter dem Sitzenden steht ein weiterer Soldat mit makelloser, strammer Haltung und ernstem Blick, ein Bogen ist über die Schulter gelegt. Ein gewisser Soldat Meran Herenas könnte sich wohl selbst erkennen oder zumindest an die Begebenheit erinnern, auch wenn ihm auffallen wird, dass auch bei seiner Darstellung einige künstlerische Freiheiten Eingang fanden. Zur linken des Mannes befindet sich eine weitere Gestalt. Diese überragt die anderen beiden Männer. Das Gesicht des Mannes ist nicht sichtbar, da dieser Herr von so hünenhafter Größe zu sein scheint, dass aus der Perspektive sein Kopf nicht mehr in den Bildausschnitt passt. So ist nur die Brustpartie, über der sich die Marineuniform bedenklich spannt, des Mannes zu sehen. Dieser steht scheinbar mit breitem Stand dort, die riesige Hand ist auf einen Streithammer gestützt. Unter der Zeichnung steht folgender Satz: „Willkomm’n bei der Marine, Jüngelchen!“ Die Bewohner Brandensteins dürfen sich etwas sicherer fühlen: Die Rekrutierungsbemühungen der Marine haben offenbar Früchte getragen und gleich mehrere tapfere Freiwillige haben sich zum Dienst gemeldet! Die Zahl der aktiven Marinesoldaten hat sich in den letzten zwei Wochen verdoppelt! Feinde der Stadt dürfen sich also warm anziehen! An der Fähigkeit dieser Männer und Frauen besteht kein Zweifel: Das Falkenauge durfte aus nächster Nähe die neuen Rekruten und Soldaten im Einsatz erleben und kann Euch, liebe Leser, versichern, dass ihr mit ihnen in den besten Händen seid!
GESCHICHTENECKE: DIE MÄHR VON DER FEIGEN ZIEGEEine winzig kleine Anmerkung befindet sich über dem Textblock: Geschichte frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realen Ereignissen sind reiner Zufall.Einst, vor langer Zeit, schickte sich ein finst’rer Höllenherrscher an – sein Name ist schon lang vergessen – herauszufinden, welcher seiner dämonischen Diener wohl der blutrünstigste und grausamte unter ihnen sei. Vier Diener hatte dieser unter sich: Eine Todesschwinge mit gewaltigen Krallen, einen Krötenmann mit dickem Bauch und langer Zunge, einen Goblin, der gar furchtbar stank, und als letztes einen dämonischen Ziegenbock. Die Ziege, so wussten die anderen Diener, war ein faules, feiges Stück, welches sich gern zurückhielt und mit fremden Lorbeeren schmückte. „Ihr sollt ausziehen zu zweit auf die Schlachtfelder Tares und so viele Menschen töten wie ihr könnt!“, dröhnte da der Höllenfürst. „Wer die meisten töten erhält meine Gunst und einen wichtigen Auftrag! Die anderen schlag‘ ich alle tot!“.
So geschah es, dass das erste Paar zu zweit ausziehen sollte. Es waren die Todesschwinge und der Ziegenbock. Sie zogen in die khalandrischen Ebenen und fanden alsbald ein großes Scharmützel vor. Die Todesschwinge stieß hinab und warf die armen Menschen mit ihren Klauen gegen die Bergwand und in Schluchten, wo ihre Körper zerschmetterten. Die Ziege aber versteckte sich in einer Höhle. Als die Schlacht vorbei war, wälzte sich die Ziege in dem Blut der Gefallenen. Die Todesschwinge schwang sich aus der Luft herab und kehrte mit der Ziege heim. „So!“, sprach da der Höllenfürst. „Wie hat sich die Ziege geschlagen?“. Ganz verstimmt sprach da die Todesschwinge:
„Sie saß nur in ‚nem Höhlelein, erschlug kein einzig‘ Menschelein!“
Der Höllenfürst aber sah, dass die Ziege voller Blut war, die Todesschwinge aber gar keines an sich hatte, denn sie hatte die Menschen ja gegen die Berge und Klippen geworfen und nicht zerrissen. Und so fragte er: „Stimmt denn das, Ziege?“ Und sie antwortete:
„Er lügt nur matt, ich schlug‘ alle platt, määäääh, määääh, määäääh!“
Da wurde der Hölllenherrscher zornig und schlug die Todesschwinge tot. Nun aber schickte er den Krötenmann mit der Ziege fort, auf dass sie sich beweisen sollten. So zogen sie nach Galadon, wo gerade zwei hohe Adelshäuser eine große Schlacht bei einem Fluss schlugen. Der Krötenmann legte sich in den Fluss und lauerte den Kämpfern auf. Mit seiner langen Zunge zog er sie unter Wasser und ersäufte die armen Menschen. Die Ziege aber versteckte sich hinter einem großen Baum. Als die Schlacht vorbei war, wälzte sich die Ziege in dem Blut der Gefallenen. Der Krötenmann stieg aus dem Wasser auf und kehrte mit der Ziege heim. So!“, sprach da der Höllenfürst. „Wie hat sich die Ziege geschlagen?“. Ganz verstimmt sprach da der Krötenmann:
„Sie saß hinter dem Bäumelein, erschlug kein einzig‘ Menschelein!“
Der Höllenfürst aber sah, dass die Ziege voller Blut war, der Krötenmann aber gar keines an sich hatte, denn er hatte ja im Wasser gelegen und die Menschen ersäuft. Und so fragte er: „Stimmt denn das, Ziege?“ Und sie antwortete:
„Er lügt nur matt, ich schlug‘ alle platt, määäääh, määääh, määäääh!“
Da wurde der Hölllenherrscher zornig und schlug den Krötenmann tot. Nun waren es nur noch der Goblin und die Ziege und der Höllenfürst befahl, dass sie sich zu einem Schlachtfeld aufmachen mögen. „AROHK, BARI BARI!“ schrie da der Goblin und stürzte im Überschwang in seine eigene Axt. „Dummes, unfähiges Gezücht!“, rief der Höllenfürst erbost. „Da bleibst nur Du, meine liebe Ziege! Für Dich hab‘ ich einen besonderen Auftrag!“ Und so trug er ihr auf, zu einem kleinen Eiland weitab des Festlandes zu reisen, denn auf dieser Insel sollte sich einst das Schicksal entscheiden.
Und so Schritt die Ziege hochnäsig auf die grünen Felder der Insel und blökte: „Der Ziegenmann bin ich, drum zollt mir Tribut! Sonst werdet ihr alle sterben!“ Die Bewohner des Eilandes aber wollten sich dies nicht bieten lassen. Und so kamen sie tapfer heran und schlugen das feige Vieh einfach tot, denn es hatte ja noch nie wirklich gekämpft.
Und so endet die Mähr von der feigen Ziege.
EIN HINWEIS IN EIGENER SACHETransparenz und Offenheit ist ein Markenzeichen des Falkenauges! Daher ist es der Redaktion wichtig zu erwähnen, dass die Redaktion in den vergangenen Wochen von mehreren Personen eine Zuwendung erhalten hat. Namentlich möchte die Redaktion folgenden Personen danken:
- Kapitän Lazalantin
- Sekretarius Theodor Fuchs
- Hochmagus Toran Dur
Freilich versichert die Redaktion, dass sich aus der Patronage oder eine Spende keine bevorzugte Berichterstattung ergibt! Die Redaktion des Falkenauges bemüht sich um Neutralität und wird immer der Wahrheit verpflichtet sein.
Dank der Spenden ist es dem Falkenauge nun möglich, kleine Vergütungen für Hinweisgeber und Quellen zu zahlen. Habt ihr eine Geschichte, die aufgedeckt werden sollte? Behandelt Euch eurer Vorgesetzter schlecht oder stiehlt vom öffentlichen Eigentum? Meldet es vertrauensvoll unserem Chefredakteur und erhaltet einen kleinen Obulus als Dank sowie die absolute Garantie, dass eure Identität verborgen bleibt!
Am untersten Rand der letzten Seite findet sich folgender Hinweis:Verantwortlich für den Inhalt:
D. Falkenheimer, Siebenwind