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Von dem Schrecknis des leeren Grabes
Die nachfolgenden Zeilen sind als Petition an alle aufrechten Bürger dieser Insel zu verstehen und bergen die Hoffnung, dass etwas geschehe, um diesen Missstand abzustellen:
Stelle dir vor Lesender, du stürbest, und deine Liebenden, deine Eltern oder Kinder, begrüben dich an einem Orte, um stets die Erinnerung an dich zu halten und dich dort zu besuchen. Gedenke des Trostes den ein Grab spenden kann, den eine solche fast richtige Berührung mit dem toten Menschen an dessen Grab ermöglicht wird, jenen die vermissen müssen. Nun gedenke weiter, dass dieses Grab leer ist. Das jemand kam des Nächtens und die Reste des Angedenkens mit sich nahm. Gar viel schlimmeres musst du Lesender dir vorstellen, allseits kluge Menschen, die Weisesten der Weisen darunter, zermahlen die Knochen deines toten Körpers um wilder phantastischer Tränke wegen, zermahlen Andenken und Trauer zu Alchemie und Profit. Schändliches Tun. Dieser arge Fall der Grabesschändung ist wohl öfters vorgekommen als uns allen lieb sein mag. Doch ist diese Grabschändung nur die Spitze des andenkenzerstörenden Tuns, auch jene Tote, die wieder ihren Willen erhoben worden, waren dereinst Heimstatt einer Seele, welche Ruhe fand oder finden wird, und deren Körper ebenso die Ruhe verdient hat. Die würdige Ruhe. Niemand will, dass dessen eigene Kinder ein leeres Grab berühren im Angedenken. Die Trauernden haben Gewissheit verdient, wie der Sterbende Ruhe. Und nebst dem Wissen um Grabschändung zur Erlangung solcher Knochen, wie wirkt da erst der Gedanke, dass jemand Überreste anderer Menschen in Tränken und Tinkturen zur eigenen Behandlung zu sich nimmt. Sind wir auf dieser Insel den Myten geistig so nah gekommen, dass wir deren Kannibalismus übernehmen. Pfui! bei den Vieren. Ich sage solch abscheuliches Tun, Menschen mit den Leichenteilen anderer Menschen zu nähren, ist bisher so unvorstellbar gewesen, dass es noch gar keine Strafe dafür gibt oder mir bekannt wäre. Dennoch kommt es vor auch unter uns, Menschen sammeln Knochen ein, unter seltsamsten Umständen, verkaufen sie an Alchemisten, Heiler und Krämer als Andenken, Trophäen und Tinkturen. Um diese lasterhaften Treiben ein Ende zu setzen, muss etwas geschehen: Ich fordere alle Institutionen dieser Insel, die Ritterschaft, das Regiment, das Gericht, der Inselrat und meine eigene Kirche auf einzugreifen. Schafft Gesetze und Prüfungen ein um diesem Tun, was unmoralischer nicht sein kann, ein Ende zu bereiten. Wider der Grabschändung und dem Verletzen des Andenkens Verstorbener! Wider dem Kannibalismus und Fetischismus!
Wim Derfflinger Geweihter Astraels
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