Wenn man das einsame Buch nun aufschlägt, finden sich in der Mitte zwei fein säuberlich zusammengefaltete Pergamente. In beiden Fällen ist das Gewebe selbst schon eher brüchig und staubig, was auf ein gewisses Alter und damit fehlende Aktualität hinweist. Noch dazu bricht die Schriftführung in der Mitte der Blätter ab und lässt fleißig Freiraum.Appendix: Alte Notizen.Von Lazalantin Georgssohn, HpdV.
Zum Windtanz - Eine meiner Novizenschriften.
Der Tanz mit dem Wind ist die reinste Form des Tanzens, mit der alles seinen Anfang nahm und zugleich die Königsdisziplin unter den Tänzen, ausschließlich praktiziert von den Diener des Ventus um sich selbst mit der meditativen Wirkung des Tanzens in die Entrückung zu begeben. Und es ist nicht abwegig, den Wind wie eine Frau zu betrachten.
Genau wie es Frauen in jeder erdenklichen Art, von jedem Charakter und von jedem denkbaren Aussehen gibt, so gibt es auch unterschiedliche Arten des Windes. Den reinsten Wind, der über die schneebedeckten Gipfel der Berge streift, der erdige, schwere Wind der träge durch einen Sumpf zieht oder der verbrauchte Lufthauch in einer tiefen Höhle und jeder ist auf seine eigene Weise besonders und schön.
Genau wie man eine Frau anfässt um sie zum Tanzen zu führen – so wie man seine rechte Hand auf ihren Rücken legt und vorsichtig mit seiner Linken ihre Recht ergreift – so kann man auch den Wind greifen, und mit ihm tanzen. Man stelle sich in dünner, leichter Kleidung in möglichst starken Wind, in einer entspannten Haltung in der man seine Füße und Arme möglichst einfach bewegen kann. Man lausche dem Wind.. Man höre ihm zu, wie er über die Hindernisse in seinem Weg rauscht, mit ihnen spielt, an ihnen zupft und dabei Geräusche verursacht. Man lasse das Heulen des Windes in seinen Ohren nachklingen und atme dabei tief und regelmäßig ein, die Augen geschlossen um sich nicht von Unwichtigkeiten ablenken zu lassen. Schon nach kurzer Zeit wird man eher spüren denn hören, dass der Wind eine bestimmte Art hat, kaum zu beschreiben, denn eine Melodie wird man des anfangs oder ohne kundige Anleitung durch einen Begleiter nicht heraushören können. Man bleibe solange stehen, bis man den Drang verspürt sich zu bewegen – aber nicht einfach nur zu bewegen um den Mangel an Bewegung auszugleichen, sondern das Bedürfnis sich im Wind vor und zurück zu wiegen wie ein Schilfrohr in einer Brise. Dann benutze man langsam die Füße und lasse sich schließlich freien Lauf, denn jeder tanzt auf seine Weise. Und so greift man den Wind und führt ihn zum Tanz.
Genau wie man sich im Tanze auch mit seiner Partnerin unterhalten kann, so kann auch der Wind ein anregender Gesprächspartner sein. Am Anfang wird er noch verstimmt sein, während man daran arbeitet seinen Tanz zu verbessern, denn wie eine Frau schätzt er es gar nicht wenn man ihm auf die – Füße – tritt. Aber sobald man den richtigen Takt gefunden hat und sich ganz dem Gespräch mit der Partnerin hingeben kann und die Füße die Arbeit von selbst übernehmen, da wird man erfahren, dass der Wind zu einem flüstert, mit einem spricht und dass man irgendwann auch antworten kann. Bis dahin gilt es ein geduldiger Zuhörer zu sein, denn selten herrscht in einem Ballsaal voller tanzender Paare Ruhe. Und so ist der Wind wie ein Ballsaal, denn nie ist man allein sondern man wird sehen dass der Wind auch mit sich selbst tanzt, der feurige Südwind mit dem kühlen, besonnen Nordwind, der mysteriöse Westwind mit dem Ostwind der den Geruch Galadons und der Menschen mit sich bringt und offen und fröhlich ist. Und bis man die Stimme seiner Partnerin vom Durcheinander der Gespräche im Ballsaal unterscheiden kann, kann einiges an Zeit vergehen.
Die Obskure Architektur. Interesse (halb) verloren.
Vorwort und Einführung
Die Obskure Architektur ist ein erst vor Kurzem neu begonnenes Forschungsfeld. Die Aufgabe der Obskuren Architektur ist das Anwenden neuartiger Techniken, hauptsächlich zu theoretischen Zwecken, doch ergeben sich auch vereinzelt praktische Nutzen. Die Obskure Architektur bedient sich dabei bereits bekannter Vorgehensweisen aus graumagischer Illusionistik, schamanistisch/elementaristischer Geisterlehre und Sphärenkunde.
Dieses Werk ist noch als erster, grober Versuch einer Beschreibung der Obskuren Architektur zu sehen und erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. So sollte das hier Beschriebene nicht als Anleitung dienen, sondern vielmehr als Anstoß zum weiteren Nachdenken über die Phänomene die sich selbst in so etwas augenscheinlich simplen wie Häuserbau finden lassen und uns allzeit umgeben.
Über die Techniken der Obskuren Architektur lassen sich nur wenige allgemeingültige Aussagen machen, denn jeder Versuch sie in der Praxis umzusetzen ist höchstgradig abhängig von den Gegebenheiten der Umgebung. So findet sich in diesem Werk kaum eine Regel, viel mehr eine Auflistung verschiedener Architekturbeispiele und die Theorie wie sie bewerkstelligt werden könnten.
Es wird darum gebeten, dass unter keinen Umständen versucht wird die beschriebenen Methoden selbst durchzuführen, denn besonders die eingehend beschriebenen Sphärenverzerrungen sind äußerst gefährlich. Unbedarfte wurden in gewissen Unfällen schon über mehrere Äcker hinweg verteilt.
19. Triar 5019 n.E.A.,
Lazalantin Georgssohn
Bibliothekar zu Draconis
Sphärenverzerrungen
Über ganz Falandrien verteilt gibt es dutzende Orte an denen das empfindliche Webstück unserer ersten Sphäre Mandon gestört wurde. Dies geschah fast ausschließlich durch die unsachgemäße und übertrieben häufige Anwendung von Magie: Genauer gesagt, der Magierkrieg zwischen den Anhängern des Grauen und des Weißen Pfades.
Generell kann man sagen, dass, solange das Gefüge sich in seinem Normalzustand befindet, ein Meter Sphärendurchmesser auch wirklich einem Meter wie wir ihn kennen gleicht. Wichtig ist dabei festzustellen, dass die erste Sphäre theoretisch endlich ist und nicht zwangsläufig von den selben Ausmaßen oder natürlichen Gesetzmäßigkeiten sein muss wie die zweite Sphäre. Desweiteren ist ein Sphärenriß, wie er zum Beispiel nahe Yota oder auf Siebenwind nahe Finsterwangen, zu finden ist, keineswegs einen Übergang zwischen der ersten und der zweiten Sphäre darstellt. Es liegt in der Natur der zweiten Sphäre Horandon für uns Sterbliche völlig unerreichbar zu sein.
Eine Sphärenverzerrung nun verschiebt diese Ratio 1:1. Vorstellen kann man sich dies anhand eines Tisches mit einer Tischdecke darauf. Sobald man die Tischdecke nicht gerade und flach über dem Tisch ausbreitet sondern sie verknüllt kann sie nur noch eine kleinere Fläche bedecken und mehr Tuch bedeckt die selbe Fläche Tisch.
Sphärenverzerrungen kommen im Wesentlichen in zwei verschiedenen Arten vor: Streckend und Stauchend. Eine streckende Sphärenverzerrung entsteht wenn ein bestimmtes Gebiet plötzlich eine größere Menge Energie ertragen muss als das Gefüge aushalten kann: Die „Tischdecke“ wird zerknüllt und mehr Realität häuft sich auf der selben Fläche Sphäre. So kann es geschehen, dass man eigentlich nur vorhatte, einen Schritt zu gehen, dieser Schritt plötzlich aber mehreren hunderten Schritten gleicht – mit selber Anstrengung legt man eine ungleich größere Strecke zurück.
Das Gegenteil einer Sphärenstreckung ist die Sphärenstauchung bei der wiederum eine größere Anzahl Schritte getan werden muss um die selbe Strecke Realität zurückzulegen. So kann eine scheinbar kurze Strecke ungleich länger dauern, als sie es eigentlich sollte.
Sphärenrisse stellen eine stärkere und unberechenbare Form der Sphärenverzerrung dar, da sie einerseits nicht an einem Ort gebunden sind – sie können wie Wanderdünen vergleichsweise langsam kurze, aber auf Dauer beachtliche, Strecken zurücklegen – sondern es lässt sich auch nicht abschätzen, ob der Riß eine Streckung oder eine Stauchung darstellt. Ein Riß kann einen folglich plötzlich zu einem gänzlich anderen Ort bringen.
Sphärenrisse sind sehr ungewöhnlich und momentan sind nur zwei Orte auf Tare bekannt an denen man sie finden kann: Finsterwangen auf der Insel Siebenwind und die Felder nahe Yota, einem Schauplatz des Magierkrieges. Sphärenverzerrungen sind sehr gewöhnlich und kommen tatsächlich viel häufiger vor, als man es vermuten würde. Genaugenommen unterliegt fast jeder Ort an dem Magie gewirkt wurde einer meist temporären Verzerrung, die jedoch in den meisten Fällen so schwach ist, dass uns kein nennenswerter Unterschied auffällt, wenn wir sie durchqueren.
Erwiesenermaßen wirken sich Sphärenverzerrungen und –risse aber nicht nur auf den Ort sondern, erstaunlicherweise, auch auf die umliegende Zeit aus. So haben Untersuchungen in Finsterwangen und Yota ergeben, dass beim Durchqueren einer starken Verzerrung, zumeist eines Sphärenrisses, die Zeit für den Durchquerenden lokal verschwimmt. Daraus kann resultieren, dass er sich plötzlich in einem Abbild des Ortes zu einer früheren oder späteren Zeit wiederfinden kann. Die Zeit- wie auch die Ortverzerrung basieren dabei auf purem Zufall.
Wir halten also als Definition einer Sphärenverzerrung fest: Ein lokal vorkommendes Phänomen, das das Resultat einer unsachgemäßen Anwirkung zu starker Magie ist und das Orts- wie auch das Zeitgefüge auf zufällige Weise durcheinanderbringen kann. Wir unterscheiden zwischen Streckung, Stauchung und Riß.
Wie man Sphärenverzerrungen aufspürt
Sphärenverzerrungen sind immer, per Definition, unsichtbar und sind so vor unserem Auge verborgen. Man kann direkt vor einer Verzerrung oder gar schon in ihr stehen ohne sich dessen bewusst zu sein. Doch gibt es einige mehr oder wenig simple Methoden um sich zu behelfen:
So kann man einen Stein voranwerfen und die Fallbahn von jenem betrachten. So er plötzlich weiter oder kürzer fliegt oder gar völlig verschwindet so kann man davon ausgehen, dass man es mit einer Sphärenveränderung zu tun hat.
Die magisch Begabten können sich bequemer und zuverlässiger von der Anwesenheit solch einer Verzerrung überzeugen: Unter arkaner Betrachtung offenbart sich dem geschulten Auge ein für Sphärenverzerrungen einzigartiges Muster in den Knoten (oder Fäden) der Elemente, welches man am ehesten mit einer Sonnenkorona vergleichen kann.
Für die dritte Möglichkeit der Aufspürung muss man über eine ausgezeichnete Nase verfügen: Denn eine Charakteristik besonders starker Sphärenverzerrungen (also solche, die auch tatsächlich und bemerkbar etwas verändern) ist ein stechender Geruch nach glühendem Eisen. Einige Vertreter der Sphärenkunde begründen diesen Geruch damit, dass die natürlichste Elementvermischung unserer Ebene das Eisen ist, welche wiederum am ehesten durch eine erzwungene Trennung am Rande zwischen reller und verschwimmender Realität leidet und schließlich unter intersphäralem Druck zerbricht.
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Lazalantin.