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BeitragVerfasst: 10.03.15, 20:11 
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In der Garnison zu Ersonts Tal

Die Hilferufe des weggeschleppten Aonghas, der Waffentumult in den Königsgemächern haben die ganze Garnison geweckt: Das Schwert in der Hand stürzen die getreuen Anhänger der Königin, Brodigh und Darach, aus ihren Gemächern. Aber die Verschworenen haben auch diese Möglichkeit vorausbedacht: auf allen Seiten umstellt von ihren bewaffneten Knechten, jeder Zugang gesperrt, damit nicht rechtzeitig Truppen aus der Garnison von Ersonts Tal für die Königin zu Hilfe geholt werden können. Brodigh und Darach bleibt, um ihr Leben zu retten und rechtzeitig Entsatz herbeizurufen, kein anderer Weg als aus dem Fenster zu springen. Auf ihren Alarm, das Leben der Königin sei bedroht, lässt der Garnisonskommandeur sofort die Sturmglocken dröhnen. Landsknechte der Garnison sammeln sich auf dem Exerzierplatz, Offiziere stürmen zu den königlichen Gemächern, um die Königin zu sehen und zu sprechen. Aber statt ihrer empfängt sie ein Berater der Königs, Lucius Watering, der lügnerisch beruhigt, es sei nichts vorgefallen, man habe nur einen Spion beseitigt. Ein Königswort wagt selbstverständlich der Garnisonskommandeur nicht zu bezweifeln, still kehren die Recken zurück in die Unterkünfte der Garnison, und Brynn, die vergebens sich bemüht hat, Botschaft an ihre Getreuen gelangen zu lassen, bleibt in strengem Gewahrsam in ihre Gemächer versperrt. Ihren Hofdamen, ihren Dienerinnen wird der Eingang verwehrt, alle Türen und Tore in der Garnison sind dreifach besetzt: zum ersten Mal nach ihrer Krönung ist Brynn in dieser Nacht aus einer Königin eine Gefangene geworden. Bis in die letzte Einzelheit ist die Verschwörung gelungen. In einem Zimmer schwimmt in einer Blutlache die zerfleischte Leiche ihres Liebsten, an der Spitze ihrer adligen Feinde steht der König, ihr Gemahl. Alle Pläne, alle wohlgenährte Hoffnung scheint zerstoben. Mit einem Ruck ist sie von der höchsten Stufe herabgestürzt, ohnmächtig, verlassen, ohne Helfer, ohne Freunde, umstellt von Haß und Hohn. Alles scheint für sie verloren in dieser furchtbaren Nacht, aber unter dem Hammer des Schicksals härtet sich ein heißes Herz. Immer findet gerade in den Augenblicken, da es ihre Freiheit, ihre Ehre gilt, Brynn mehr Kraft in sich selbst als bei allen ihren Helfern und Dienern.

Gefahr ist im menschlichen Sinne für Brynn immer ein Glück. Denn nur in den entscheidenden Augenblicken, da sie zum letzten Einsatz ihres Wesens genötigt ist, wird man gewahr, welche außerordentliche Fähigkeiten in dieser Frau, die einst eine Magd, verborgen sind. Eine unbedingte, eherne Entschlossenheit, ein rascher, wacher Überblick, ein wilder und sogar heldischer Mut. Um diese ihre äußersten Kräfte ins Spiel zu bringen, muss jedoch zuvor der unterste, der empfindlichste Grund ihres Wesens hart berührt werden. Erst dann sammeln sich diese sonst spielerisch zerstreuten Seelenkräfte zu wirklicher Energie. Wer sie zu demütigen sucht, der richtet sie in Wahrheit; jede Prüfung des Schicksals wird ihr im tieferen Sinn Gewinn und Geschenk.

Diese Nacht der Erniedrigung verwandelt Brynns Charakter und verwandelt ihn für immer. In der feurigen Schmiede dieser furchtbarsten Erfahrung dieser Nacht, da sich ihr allzu fahrlässiges Vertrauen im selben Augenblick von ihrem Gatten, ihren Untertanen betrogen sieht, wird alles in dieser sonst weiblichen und weichen Frau hart wie Stahl und zugleich von der biegsamen Geschmeidigkeit eines im Feuer gut gehämmerten Metalls. Aber wie ein rechtes Schwert zweischneidig, so wird ihr Charakter auch zweideutig seit dieser einen Nacht. Nur der eine Gedanke an Vergeltung erfüllt jetzt ihre Sinne, da sie, eingeschlossen in ihrem Zimmer, eine Gefangene verräterischer Untertanen, rastlos auf und nieder geht, immer nur das eine denkend, das eine erwägend: wie diesen Ring ihrer adligen Feinde zersprengen, wie das Blut ihres getreuen Liebsten rächen, wie all jene in die Knie beugen oder vor den Richtblock, die eben unbotmäßig sich aufgereckt und die Hand an sie, die gesalbte Königin, gelegt? Jedes Mittel scheint dieser bislang ritterlichen Kämpferin angesichts des erlittenen Unrechts von nun an erlaubt und gerecht. Eine innere Wandlung geschieht: die bisher unvorsichtig gewesen, wird vorsichtig und hinterhältig, die bisher zu ehrlich empfunden, um irgendjemanden anzulügen, lernt sich verstellen, wird nun alle ihre außerordentlichen Fähigkeiten daransetzen, Verräter mit ihren eigenen Finten zu schlagen. Welcher Fehler, leichtgläubig zu sein gegen Verräter, ehrlich zu Lügnern, welche Torheit, offen sein Herz den Herzlosen zu zeigen! Nein, jetzt sich verstellen, sein Gefühl verleugnen, seinen Ingrimm verstecken, freundlich tun zu jenen, denen man Feind ist auf immerdar, und mit verdecktem Hass auf die Stunde der Vergeltung warten. Alle Kraft einsetzen jetzt, um seine wahren Gedanken zu verschleiern, die Feinde einzuwiegen, solange sie noch trunken sind im Triumph ihres Erfolges, lieber vor dem Geschmeiß des Adels demütig tun, um sie dann endgültig zu demütigen! Einen solchen ungeheuren Verrat kann man nur rächen, indem man noch kühner, noch verwegener, noch zynischer die Verräter verrät.

Mit jener blitzhaften Genialität, wie sie Todesgefahr oft auch matten und lässigen Naturen verleiht, fasst Brynn ihren Plan. Nur eines kann sie retten – wenn es ihr gelingt, einen Keil in den Block der Verschworenen zu treiben. Da sie die würgende Kette nicht mit einem Ruck zerreißen kann, muss sie versuchen, sie mit List an der schwächsten Stelle durchzufeilen.
„Die Prophezeiung – Die Prophezeiung ist’s, die mir den Weg zum Sieg über meine Feinde weisen wird. Ich muss einen der Verräter zum Verräter an den anderen machen und das wiederholend. Und ich weiß auch, wo zu finden die Seelenschwächsten von all diesen Betrügern – auf Siebenwind, diesem Eiland.“


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein Netz wird gewoben ............
BeitragVerfasst: 11.03.15, 20:49 
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In der Garnison zu Ersonts Tal

Gleich die erste Maßnahme, die Brynn ersinnt, ist psychologisch meisterhaft. Sie erklärt, von heftigen Kindswehen befallen zu sein. Die Aufregung der vergangenen Nacht, ein brutaler Mord vor den Augen einer im fünften Monat schwangeren Frau muss ja die Möglichkeit einer Frühgeburt tatsächlich glaubhaft machen. Brynn heuchelt furchtbare Krämpfe, legt sich zugleich zu Bett, und nun kann niemand, ohne den Vorwurf brutalster Grausamkeit auf sich zu nehmen, der Schwangeren die Hilfe ihrer Dienerinnen und ihres Leibarztes verweigern. Mehr hat Brynn fürs erste nicht gewollt, denn damit ist die strenge Klausur durchbrochen. Jetzt hat sie endlich die Möglichkeit, durch ihre verlässlichen Dienerinnen und ihrem getreuen Leibarzt Mantaris Botschaft an Brodigh und Darach zu senden und alles für ihr beabsichtigtes Entkommen vorbereiten zu lassen. Außerdem versetzt sie durch die Drohung einer Frühgeburt ihre Feinde in arge moralische Bedrängnis. Denn das Kind, das sie im Schoße trägt, ist der Thronerbe Galadons. Eine ungeheure Verantwortung würde vor den Augen aller auf den eigenen Vater, ihrem verhassten Gemahl, dem König lasten, wenn er durch den Sadismus, die Mordtat vor den Augen einer Schwangeren vollbringen zu lassen, auch das Kind in ihrem Schoße getötet hätte.

Als nach Eintritt der Bediensteten die Adligen, die Verschwörer, das Zimmer von Brynn betreten, ist’s eine Szenerie, in der die Kunst der Verstellung dämonische Beredsamkeit gewinnt. Gestern noch tödlich erniedrigt und in der ersten und wahrsten Aufrichtigkeit ihrer Entrüstung tödliche Rache ankündigend, finden die anwesenden adligen Herren die Brynn, die stolz aufgebäumte Gegnerin und Rächerin nicht mehr, sondern ein armes, geknicktes Weib , sterbensmüde, nachgiebig, krank, eine Frau, die untertänig und zärtlich aufblickt zu den hohen Herren.

Den hohen Herren müsste eine derart rapide Verwandlung immerhin verdächtig erscheinen. Ihnen müsste noch der grelle Aufschrei in den Ohren nachklingen, mit dem gestern diese Frau, die Augen blitzend wie mörderischer Stahl, sie Verräter genannt. Sie müssten sich daran erinnern, dass diese Frau, einst Magd, für Schmach keine Vergebung kennt und für Beleidigung kein Vergessen. Aber die hohen Herren, korrupte Lakaien des Königs, ihres Gemahls, sind leichtgläubig wie alle Eitlen, wenn man ihnen schmeichelt.

„Man hoffe, dass sich Eure Majestät baldigst erholen möge. Man hoffe zudem, dass die freudige Botschaft über die baldige Ankunft seiner Majestät in Ersonts Tal dazu beitragen möge.“ „Wahrlich eine frohe Botschaft, ihr edlen Herren. Doch bitte ich Euch nun, sich zu entfernen. Ich bin noch arg erschöpft und wünsche zudem, dass Medicus Mantaris sich um mein Wohlergehen kümmere.“

Als die hohen Herren und die Bediensteten das Zimmer verlassen haben, nähert sich Medicus Mantaris, sich zuvor verneigend, der Königin. Der einäugige Medicus setzt sich ein Monokel auf und schickt sich an, Brynn zu untersuchen. „Lasst es gut sein, mein lieber Mantaris. Mir geht es gut und es ist kein Grund, dass Ihr Euch um das meinige Wohl und das Wohl meines Kindes sorgt, das ich unter meinem Herzen trage. Es ist nicht viel Zeit, die uns bleibt. Darum berichtet rasch, was mir zu berichten Euch obliegt.“ „Gewiss, Majestät.“

Einige getreue Dienerinnen der Königin warten tuschelnd vor dem Zimmer der Königin, auf Anweisungen ihrer Herrin harrend.
„Mich ängstigt es immer, wenn ich des Medicus gewahr werde.“ „Mir geht es ebenso. Nicht, dass er nur noch ein Auge hat. Aber dieses entstellte Gesicht lässt mich kalte Schauer über den Rücken laufen.“ „Ich hörte, dass er einst ein Diener des Astrael war und darum sich selbst ein Auge ausgestochen hat.“ „Ja, das tun manche dieser Diener des Astrael wohl. Aber diese Fratze und diese Blutleere, diese aschfahle Haut im Gesicht dazu.“ „Aber unsere Herrin scheint dem Medicus zu vertrauen.“ „Er soll der schwarzen Künste sich befleißigt haben.“ Als nahende Schritte von Wachsoldaten zu hören sind, verstummt abrupt das Getuschel.

„Majestät, es ist gewiss, der Schlüssel für den Erfolg unserer Sache, der Eurigen, er findet sich allein auf diesem Eiland. Wohl wahr ist, dass in den letzten Jahren dieses Eiland dahin zu dämmern schien. Doch dieser Schein ist trügerisch. Bedenket die Dinge, die schon geschahen auf diesem Eiland und die in Vergessenheit geraten sind. Euer Gemahl ist schwach gewesen, letztlich auch geschwächt durch die Zwistigkeiten zwischen Ersont und Malthust. Darum ist es nun an Euch. Gedenket der Prophezeiung und gedenket darum der Frucht Eures Leibes.“ „Gewiss, mein getreuer Mantaris. Darum gilt es nun noch mehr als zuvor, die Fäden zu spinnen zu diesem Eiland und sich der Getreuen auf diesem Eiland zu vergewissern. Wie lange dauert es noch, bis unsere Botschaften auf dem Eiland ihre Adressaten finden?“ „Wohl gut 3 Monde, Eure Majestät.“ „Dann ist Eile geboten und zugleich Vorsicht, denn mein Gemahl wird alsbald in Ersonts Tal erwartet. Suchet meine Getreuen aus dem Nordland, Brodigh und Darach, zu finden. Doch still – ich höre Schritte, die Wachen.“


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