Dem Boten blickt sie hinterdrein, dann auf den Brief und das erbrochene Siegel. Nichts zeigt sich auf dem blassen, herzförmigen Gesicht, das bar jeder Schönheit ist, dann wendet sich die kräftige, stämmige Frau ab und kehrt in das kleine Anwesen zurück, in dem ihre Familie in Draconis residiert. Natürlich ist es im Vergleich zu den Sitzen eines Geschlechts aus dem Blutadel armseelig, doch ihr ist es nur recht: wer braucht bitte ein Haus mit hunderten von Gemächern, die er selbst nicht einmal kennt? Jetzt bereits ist ihr das Anwesen zu luxuriös, aber andererseits war es besser als wie einer der Gestrandeten auf der Straße zu hausen... Sie schließt die Türe hinter sich, betritt das Arbeitszimmer mit ihrem Gemahl, dem allmählich ergrauenden Stephan, legt den Schwertgurt ab, den sie nun seit dem Aufenthalt in der Stadt wieder beständig bei sich trägt, und gemeinsam liest das alternde Paar den Brief ihres einzigen Kindes. "Dur? Ernsthaft?" sie muss lachen, wider Willen. Einst hatte sie die Magier gehasst, Nhergas, Dur, das waren Namen gewesen, die man in ihren Kreisen mit heimlicher Furcht, aber vor allem mit Hass, Verachtung und Abscheu ausspie. Später hatte sich das dann besänftigt, auch wenn sie nie wirklich warm mit diesen Leuten geworden war; Stephan hatte eine wesentlich bessere Bindung zu ihnen gehabt. "Leskadon." Er sieht zu ihr, durchdringend mit leicht verengten Augen, greift nach ihrer Hand, als sie schwankt und sich am Schreibtisch festhält. "Tot." flüstert sie und liest die Zeile noch einmal und noch einmal, doch der Text bleibt grausam gleich. Natürlich wusste Diana nicht, wer da getötet worden war; sie hatte keine Ahnung von der Vergangenheit ihrer Mutter und dass die ermordete Tardukai überhaupt erst der Grund war, wieso Miana hatte leben dürfen. Lieben. Dass die so beiläufig erwähnte Tote der Schutzschild war, der die Beziehung die zu Dianas Geburt führte schützte: hätte es Selina nicht gegeben, wäre Miana nicht frei gewesen, hätte man sie gezwungen, Stephan und die Ritterschaft weiter zu infiltrieren. Sie war so nahe daran gewesen, die Ritter zu Fall zu bringen, so nahe daran... und da hatte Vitama ihr Herz berührt. Die Mutter fasst sich an die Brust, lehnt die Stirn an die ihres Gatten und er liest ihr leise und mit stetiger, ruhiger Stimme weiter vor, während sie stumme Tränen vergießt. Nur wenige, nur ein paar, nie war da mehr, um das Feuer des Schmerzes zu löschen, und wie stets wird sie ihn unter Arbeit begraben, unter Sorgen, vielleicht auch dem Blut der Cortaner, wenn sie wieder angreifen und sie statts der Nähnadel das Schwert schwingt. Schließlich verstummt der Ritter und zieht seine Gemahlin an sich heran. Lange sitzen sie schweigend beieinander, an einem Schreibtisch voller Papierkram, denn auch hier widmet sich der Ritter der Ausbildung junger Geister und es ist stets aufs neue erschreckend, wie monströs viele Kämpfe dies mit der Feder mit sich bringt. Miana ist es, die ihre Stimme als erstes wieder findet. "Vielleicht ist es ein angemessener Preis, dass sie unsere Tochter... einfordert, nach dem sie uns trotz dieser widrigen Umstände..." "...erlaubt hat, zusammen zu sein und dieses Glück zu finden. Vergiss nicht, es ist kein Raub: wir verlieren sie dadurch nicht." Sie nickt, wischt sich trotzig mit dem vernarbten Handrücken über die Augen. "Sie kommt zurecht." Er nickt. "Gleich 2 Elfen?" "Das ist nicht das, was du denkst." sie zögert. "Oder?" "Ah, wer weiß." er lächelt. Selten ist es geworden dieser Tage. Er sieht immer noch gut aus, stellt sie einmal mehr fest, klassisch wie ein Held aus alten Epen, auch wenn es nie sein Antlitz war, das sie gereizt hatte. "Celetheyon, ja..? Mal sehen. Ich muss ohnehin einmal wieder zum Vitamaorden.."
_________________ Inaktiv.
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