Seit Tagen streifte sie nun zwischen den beiden Befestigungsanlagen hin und her. Ihr Nase triefte und ihre Glieder taten ihr weh. Ein dicker Schal war um Hals und Ohren gewickelt, doch auch er konnte die eisige Kälte nicht abhalten, die ihr in die Knochen fuhr. Manchmal tat es schon weh nur die Finger zu beugen, so kalt waren sie. Ihren Bogen hatte sie im letzten Schneesturm abgespannt und gut weggepackt, könnte sie ihn im Moment eh nicht halten, geschweige denn benutzen. So war die grosse Axt auf ihrem Rücken griffbereit geschnallt.
Immer wieder versuchten ein paar törichte Bürger durch die Absperrungen zu gelangen. Zum Tempel wollten sie angeblich, auch der Hinweis auf die lauernden und sehr augenscheinlichen Gefahren interessierte sie nicht. Nur mit Gewalt wären sie teilweise aufzuhalten.
Ab und an, wenn sie durch den verschneiten Wald streifte, hatte sie das Gefühl beobachtet zu werden. Doch wenn sie sich umsah, war nichts zu erblicken. Zuerst jagte ihr das Gefühl einen Schauder über den Rücken, dachte sie doch an die Orken mit grauen, in deren Gefangenschaft sie sich einst befunden hatte. Doch als sie nicht einmal Spuren im Schnee finden konnte, wurde ihr bewusst, dass es kaum Orken sein konnten, die ihrem Weg mit Blicken folgten.
In der Ferne sah sie ab und an diese alten ehrwürdigen riesigen Bäume. Riensbäume hatte ihr Vater sie genannt oder Elfenheim. In Luraths Waldebene hatte sie solch Bäume noch nie gesehen, auch wenn ihr Vater behauptet hatte es gäbe einen dieser Bäume dort. Wenn sie sich diesen Bäumen näherte überkam sie ein merkwürdiges Gefühl. Auch die unsichtbaren Blick schienen eher wie Dolche in ihrem Rücken zu sein, daher liess sie nach ein paar Schritt auch von ihrem Vorhaben ab und lenkte ihre Füsse gen Berge im Nordosten.
Ein paar Tage später lief sie wieder durch den Wald bis zu der Absperrung im Süden, mit fiebrigen Augen suchte sie ihn. Doch wie so oft in letzter Zeit war der Leutnant nirgends zu finden. Ja der Leutnant. Wann war es das letzt Mal her, dass sie ihn beim Namen genannt hatte? Nur im Schlaf erinnerte sie sich noch an glücklichere Zeiten, denn schon lange schlief sie alleine wo auch immer sie ein trockenes und warmes Fleckchen fand. Wenn sie ihn zu Gesicht bekam, dann nur weil er Befehle weitergab. In letzter Zeit hatte sie sich selber dann rar gemacht. Sie wollte sein Gesicht nicht mehr sehen, seine Stimme nicht mehr hören, seine Nähe nicht mehr spüren, die nur noch geschäftlich war. Der Wald war ihre Fluchtmöglichkeit. Hier hatte der andere versprochen immer auf sie aufzupassen. Aber auch er war fort. Hinfortgerissen von den Geschehnissen dieses scheusslichen Krieges. Die Leere die sie in sich spürte war grausam und noch kälter als der Wind dort draussen.
So in Gedanken versunken kam sie bei der Befestigungsanlage an.
Schon schnell war ihr klar, dass sie ihn hier nicht finden würde. Doch noch ehe sie wieder in den Wald verschwinden konnte, tönte es neue Befehle von Ritterseite. Und so stand sie nun da auf den Palisaden und versuchte im Schneesturm etwas zu erkennen. ....................
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