Gähnend streckte sich Sorata auf dem weichen Fell aus. War es denn bereits wieder morgen? Müde rieb er seine Augen und rappelte sich ächzend hoch. Noch im Halbschlaf tapste er zum Fenster und spähte hinaus. Als er den Stand der Sonne betrachtete, war er von einer Sekunde auf die andere Hellwach. Er kannte sich zwar nicht sonderlich mit diesen Dingen aus... aber es sah so aus als ob er noch gerade rechtzeitig kommen würde! Hastig stürmte er aus dem Zimmer und aus dem Haus, die Stufen hinab und Richtung Marktplatz. Erleichtert atmete er aus, als er Nalia, Aishira und Rila erblickte. Die grummlige Jamila war noch nicht da, das konnte nur bedeuten das er rechtzeitig eingetroffen war. Er begrüßte alle freundlich und setzte sich sogleich mit Rila etwas abseits auf eine der Mauern. Leise flüsternd sprachen sie über verschiedene Dinge, während nach und nach die anderen eintriefen, unter ihnen eine ihm unbekannte Frau. Nur noch Isodora fehlte... es wurde immer später und er begann sich bereits Sorgen zu machen, als sie schließlich doch noch auftauchte. Ohne weitere Worte schritt Jamila auch schon los. Er musste sich ziemlich beeilen um Schritt halten zu können, sie schien es wirklich eilig zu haben... er hingegen hatte es ganz und gar nicht eilig... immerhin wusste er noch nicht einmal worum es ging! Aber Jamila war noch nie sehr gesprächig gewesen. War halt nicht ihre Art und sehr störte er sich nicht daran. Während des Fußmarsches, der sie aus der Stadt führte, stellte sich ihm die unbekannte Frau vor. Ihr Name war Valia, und schon lange hatte er keine so aufrichtig freundliche Person mehr gesehen. Sie war ihm auf anhieb sympatisch! Kurz hielten Jamila und Aishira an um mit einer komischen alten Frau zu sprechen, doch er machte sich nichts aus ihr... er kannte sie nicht und interessierte sich nicht für sie. Immer weiter wurden sie durch die Wildniss geführt, bis sie an eine Stelle am Meer kamen, wo weit und breit kein Mensch in Sicht war. Er wusste zwar nicht was jetzt passieren würde, doch er war sich bewusst das es von ungemeiner Wichtigkeit war. Sie stellten sich um Aishira und Jamila auf und alle begannen ein seltsames ,,Gebet" zu sprechen. Unbehaglich blickte er von einem zum anderen. Selbst Rila kannte die Worte, die nun gesprochen wurden! Jeder schien sie zu kennen... außer ihm! Verlegen senkte er den Blick ab und schloss die Augen. Es war einer der Momente in denen er sich auch unter Freunden seltsam allein vorkam... fremd... und dumm. Denn als einziger konnte er nichts beitragen, konnte nicht helfen... und dabei half er sehr gerne seinen Freunden, wenn dies ihm möglich war! Noch immer die Augen geschlossen haltend, spürte er plötzlich etwas seltsames. Er konnte dieses Gefühl nicht genau ergründen, doch... es war einfach irgendwie seltsam. Als er vorsichtig die Augen wieder aufschlug taumelte er erstaunt zurück...
... und prallte gegen die Holzwand der Hütte. Erstaunt blickte er sich um. Vor ihm auf den Boden saß seine Mentorin Medeia, murmelte leise Worte vor sich hin... und sackte plötzlich in sich zusammen. Erschrocken wollte er vorspringen und ihr helfen, doch was hätte er schon tun können? Außerdem waren die anderen bereits bei ihr, seine Hilfe war nicht von Nöten... so wenig wie sie es jemals war. Seufzend lehnte er sich wieder zurück und strich mit den Händen über die Wand hinter sich. Er verzog kurz das Gesicht und nahm sie langsam wieder vor. Sie waren voll mit Spinnenweben und dreckverschmiert. Erst jetzt fiel ihm auf wie dreckig und verfallen es hier drinnen aussah. Nicht das es ihn wirklich stören würde... er konnte mit so etwas Leben. Dieses Haus... es bedeutete ihm nicht wirklich viel. Es war bloß ein Gebäude in dem er sich ein paar mal aufgehalten hatte... Schachgespielt hatte... Jariel geärgert hatte... kein Zuhause... dennoch spürte er einen Stich tief in sich, als er die Hütte in diesem Zustand sah. Immerhin hatte er hier einige freudige Momente gehabt.
Die anderen schienen inzwischen Medeia wieder gestärkt zu haben und sie schritten alle hinaus. Diesen Anblick hätte er sich sehr gerne erspart! Eine gewaltige Hecke grenzte die Hütte vom Wald ab... alles wirkte kalt, dunkel, bedrohlich und gefährlich. Noch nie in seinem vorigen Leben hatte er einem Wald gegenüber solche Empfindungen gehabt! Immer hatte er sich geborgen gefühlt, nie war es ihm düster oder kalt vorgekommen... doch diesmal spürte er bereits die eisigen Finger der Furcht an seinem Herzen. Hastig eilte er den anderen nach und stellte sich dicht an Isodora. Nicht zu dicht, immerhin war er ein Junge! Jungen durften doch nie einem Mädchen zeigen das sie Angst haben!
Erstaunt musterte er die gewaltigen Steine vor der Höhle... die anderen spekulierten kurz wie sie diese würden entfernen können, doch Medeia riet ihnen knapp bis zum Tage zu warten, da des Nachts die Skelette unterwegs waren.
Drinnen sah er sich kurz um und ein Blick zu Jamila reichte um ihn wissen zu lassen wozu es kommen würde. ,,Sorata, Rila... ihr macht hier erstmal sauber!" Sorata hatte das Diskutieren mit Jamila schon lange aufgegeben und machte sich resignierend an die Arbeit. Nachdem er das kleinere Zimmer so gut wie ihm möglich saubergemacht hatte, half er Rila mit dem Größeren. Beim Abstauben des Standfußes eines großen Kandelabers, schlief er einfach ein.
Verschlafen blinzelnd sah er sich im Raum um, nachdem er erwacht war. Isodora und Aishira saßen sich gegenüber auf dem Boden und hatten es sich auf mehreren Fellen bequem gemacht. Ein müdes ,,Morgen" seinerseits unterbrach kurz ihre Konversation und als er sich weiter umsah, blickte er auch schon einer gereizt wirkenden Rila in die Augen. ,,Morgen du Faulpelz! Einfach einschlafen, also wirklich!" Das Gespräch zog sich noch etwas in die Länge, es war eine dieser Konversationen mit Rila, die er eigentlich ausnahmslos verlor. Verflucht, er würde daran noch arbeiten müssen... doch was sie während des Gespräches verlauten ließ, machte ihn so wütend das er verärgert aufsprang und zum ersten mal war er wirklich sauer auf Rila. Sie hatte schon viel zu ihm gesagt... doch das hier war schlimmer als alles andere! Sie hatte ihn einen Lügner genannt! Gut... er musste sich eingestehen das er ab und an mal log... ein klein wenig.. und sicher nur ganz selten, aber sie hatte es bei einer Sache getan wo er nicht log und dies ihr auch versprach! Schnell sah sie ihren Fehler ein und seufzend nahm er wieder Platz. Genauso schnell wie sein Zorn in ihm gewachsen war, war er auch schon wieder verraucht. Sie unterhielten sich noch eine ganze Weile, doch bald war er schon wieder eingeschlafen... immerhin kämpfte er schon seit ein paar Tagen mit einer angehenden Erkältung.
Als er wieder erwachte, fand er keine der anderen wach vor. Doch Valia, Jamila, Aishira und Medeia waren nicht in der Hütte, somit konnten sie nur draußen sein. Hustend rappelte er sich auf und schritt aus der Hütte in den Garten. Dort waren sie auch schon, um die Steine versammelt und unterhielten sich. Die Entscheidung, wie der Stein entfernt werden sollte, war wohl bereits getroffen. Es ging nur noch um die Vorbereitungen des Rituals. Er unterhielt sich kurz mit Valia, doch diese hatte nicht wirklich Zeit für ihn da sie sich um das Ritual kümmern musste. Als sie sich von ihm abwand, folgte er ihr kurzerhand und sah ihr zu wie sie eine kleine Schüssel wiederlich aussehenden Wassers dem Brunnen entnahm und sie zu ,,reinigen" begann. Tatsächlich schaffte sie das Wasser einigermaßen zu säubern. Nunmehr sah es aus wie normales Pfützenwasser aus dem Wald. Noch eine Weile sah er den Hexen bei ihrem geschäftigen Treiben zu, doch blickte recht unschlüssig drein als sie sich für das Ritual aufstellten. In ihrer gewohnt kalten Stimme befahl seine Mentorin ihn zu sich und hastig eilte er an die gezeigte Position. Er hatte sich die Worte vom letzten Ritual gut eingeprägt, diesmal würde er helfen können! Diesmal würde er nicht allein sein, er würde tun was man von ihm erwartete und er würde sein bestes geben! Doch mit jedem Satz den er sprach, überkam ihn eine seltsame Schwäche. Er spürte wie ihn die Kraft verließ, als ob jemand ihm einen Dolch in den Magen gerammt hätte und ihn langsam die Kraft hinausbluten ließe. Doch war es kein unangenehmes Gefühl... eher wie eine unerklärliche Müdigkeit. Wort für Wort kam über seine Lippen und plötzlich bemerkte er wie etwas anderst war. Alles war... größer als zuvor. Nein... das war nicht richtig... es dauerte eine Weile bis er bemerkte das er auf die Knie gesunken war. Noch immer sprach er die erst kürzlich gelernten Worte und eine seltsame Kälte ergriff die rechte Seite seines Körpers. Was war dies? Es fühlte sich an wie... Schnee! Schneite es so stark? Erneut brauchte er ein paar Momente um zu realisieren das er seitlich auf den Boden gefallen war. Ein kurzes Lächeln umspielte seine Züge, denn er war sich sicher diesmal geholfen zu haben... tiefe schwärze Umfing ihn und bis auf das heben und senken seines Brustkorbes blieb er regungslos im Schnee liegen.
Er zitterte am ganzen Körper als er erwachte. Ihm war eiskalt, doch er konnte nicht herausfinden wieso. Eine weile starrte er einfach gen Himmel, bis ihn plötzlich bewusst wurde das er noch immer draußen im Schnee lag! Stimmt, er war ja bewusstlos geworden! und... und... sie hatten ihn einfach... liegengelassen! Diese Erkenntniss traf ihn wie einen Schlag. Liegengelassen... alleine... schon wieder... mühsam erhob er sich und blickte mit trüben Augen in Richtung der Höhle. Die Steine waren weg, also hatten sie erfolg gehabt! Sein Gesicht war betäubt vor Kälte, daher war er sich gar nicht so sicher ob er tatsächlich lächelte. Völlig mit den Kräften am Ende taumelte er auf die Höhle zu. Zwischenzeitlich gaben seine Füße nach und ließen ihn wieder in die Knie gehen, doch unter ungemeiner Willensanstrengung schaffte er sich wieder aufzurappeln. Hustet stolperte er in die Höhle hinein und was er erblickte ließ seine Hoffnungen erneut ein wenig schrumpfen. Dort war noch immer diese Rankenwand... damals hatte er sie nie durchdringen können und nur mit Hilfe Medeias war er einmal in die Höhle gelangt. Dennoch, ihm blieb keine weitere Wahl, und somit taumelte er der Wand entgegen. Er ließ sich einfach dagegen fallen, zumindest wollte er dies, doch die Ranken wichen rasch zurück und gaben den Gang frei, worauf er hart auf dem Boden aufschlug. Einen Momentlang wollte er einfach liegenbleiben... er konnte einfach nicht mehr, doch irgendwas trieb ihn an noch nicht aufzugeben, somit schaffte er es erneut sich aufzurappeln. Das Gehen bereitete ihm mühe und somit schliff er mit der Schulter die Höhlenwand entlang, während er weiterstolperte. Er gelang in die große Höhle, doch seine Verstand nahm gar nicht wahr was er dort sah. Er spürte bloß eisige Kälte... oder bildete er sie sich nur ein? Sein gesamter Körper schien taub und doch vor Schmerz aufzuschrein! Woher rührte dieser Schmerz? Ohne zu wissen wie ihm geschah, fiel er eine Reihe von Stufen hinunter. Nur noch aus bloßen Instinkt heraus rappelte er sich wieder empor und wand sich zur seite... worauf er weitere Stufen hinunterstürzte. Doch dort waren sie! Er konnte es spüren.. irgendwo, weit entfernt wie es schien spürte er ihre Anwesenheit... und dann drangen Dumpf worte an sein Ohr, doch vermochte er sie nicht zu deuten... man schliff ihn hart über den Steinboden, doch all dies bekam er nicht mehr mit... er wahr zwar noch wach... doch nicht mehr wirklich anwesend...
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