Siebenwindhomepage   Siebenwindforen  
Aktuelle Zeit: 16.07.25, 13:07

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]




Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 1 Beitrag ] 
Autor Nachricht
 Betreff des Beitrags: Briefe in die Heimat
BeitragVerfasst: 22.02.03, 20:51 
Bürger
Bürger

Registriert: 16.04.02, 13:30
Beiträge: 326
5.Onar 14 n. Hilg.

So kurz bin ich doch erst hier und schon der ganzen Gesellschaft überdrüssig. Ach, was soll ich denn bei all dem Prunk und Glanz, wo ein jeder auf das feinste herausgeputzt einherwandelt und mich schon das allerschlechteste Gewissen beschleicht, ich könnte einen hohen Feiertag vergessen haben. Aber nein, sie gehen so zur Arbeit oder in die Taverne und haben offenbar einen ganzen Schrank voll feiner Kleidung, so dass ein paar Schmutzflecken darauf nicht schlimm sind.
Das ganze Volk ist dicht zusammengedrängt auf engem Raum und bald schon ist mir alles so zuwider. Die banalen Gespräche, Neid und Missgunst, Pläne und Intrigen, ich wünsche mich nur fort von alledem.
So wandle ich draußen vor den Toren der Stadt durch die Natur, bestaune, was es um diese Jahreszeit zu bestaunen gibt und suche so einige Zeit dem Leben der Stadt zu entfliehen. Und wenn ich in den Sträuchern die kleinen Vögel aufgeplustert sitzen sehe, wie sie munter mit ihren Äuglein blitzen und mir so viel klüger scheinen als viele der Menschen, dann springt mir das Herz in der Brust wie ein munteres Kind.
Und wenn ich die Raben betrachte, wie sie sich in den kahlen Zweigen dunkel vom Winterhimmel abheben, dann vergesse ich die Kälte um mich herum und mir wird warm und wohlig.
Solche Augenblicke sollte ich festhalten, auf Papier bannen können und oft sitze ich draußen mit dem Schreibbrett auf den Knien und doch kann ich nicht zeichnen. Keinen Strich bringe ich zu Papier, fühle die Natur um mich, spüre etwas zum Greifen nahe, das mein verstand nicht fassen kann und das mich unendlich glücklich macht.
So sehr erfasst mich das Gefühl des Glückes, dass ich bisweilen fast zu ersticken glaube, dass ich unter der Gewalt der Herrlichkeit erliege ohne Gegenwehr.
Und so ich all dies nicht zeichnen kann und es mir zu entgleiten droht, schreibe ich statt dessen. Schreibe für niemanden und jeden Tares, schreibe für die Götter, die mir so nah scheinen oder doch einfach nur für mich. Schreibe nieder, was mir durch den Kopf geht, nein, was ich min meiner Brust fühle, was in meinem Herzen brennt. Ich fürchte, es ist nichts als Unsinn und die ach so klugen Leute in der Stadt würden es als blanken Unsinn abtun, als Verschwendung des Papieres, nur für den Abtritt zu gebrauchen, doch was kümmern mich die Menschen, sie stören mich nicht in meiner Natur, sie sitzen in ihrer Stadt und ahnen nichts von der Herrlichkeit, die sie umgibt, von den Wundern, die sie hier draußen sehen könnten. Sie verkriechen sich in ihren Häusern, sind stolz auf ihren Besitz, ach Besitz. Ich frage dich, mein Freund, was besitzen sie? Geld, Waren, was sind sie wert? Ein prächtiges Haus, eine Werkstatt, ein guter Ruf, was zählt’s? Und sie wetteifern und wollen die besten sein und immer noch besser und sie betrachten den Garten des Nachbarn mit Neid und so sie reich einfahren, so nennen sie es Vitamas Segen, doch erntet ihr Nachbar noch reicher, so ist er mit dem Ungenannten im Bunde, verteilt doch Vitama immer gerecht und gleich. Ich sags dir, es ist lächerlich, dieses Leben mitanzusehen und doch ist mir dabei mehr zum Heulen zumute, denn zum Lachen.
Deshalb sitze ich hier, der Schnee ringsum blendet meine Augen und meine Finger werden klamm. Doch ich schreibe, bis mir der Stift entgleitet und keine Minute früher als nötig kehre ich die Wärme der Stadt zurück, die mich mehr schreckt als die Kälte des Morsan.

Eines Tages kehre ich zurück nach Hause, die Ziele, die ich mir setzte, ehe ich hierher aufbrach, haben kein Gewicht mehr, treiben mich nicht mehr an, ich lebe einfach nur und begreife, was es heißt zu leben, zu leben ohne nach Anerkennung, Besitz und einem guten Namen zu streben. Sehe das elende Dasein der Menschheit mit anderen Augen.

Sende meinem Bruder und meinen Eltern Grüße, ich hoffe es geht ihnen gut.

Deine Franziska


Nach oben
 Profil  
 
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:  Sortiere nach  
Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 1 Beitrag ] 

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast


Sie dürfen keine neuen Themen in diesem Forum erstellen.
Sie dürfen keine Antworten zu Themen in diesem Forum erstellen.
Sie dürfen Ihre Beiträge in diesem Forum nicht ändern.
Sie dürfen Ihre Beiträge in diesem Forum nicht löschen.

Suche nach:
Gehe zu:  
cron

Powered by phpBB © 2000, 2002, 2005, 2007 phpBB Group
Deutsche Übersetzung durch phpBB.de