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 Betreff des Beitrags: Ein Kuvert unter der Tür des Hospizes
BeitragVerfasst: 6.03.03, 09:17 
Edelbürger
Edelbürger
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Registriert: 7.02.03, 11:33
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Nachdenklich sah sie auf das Kuvert. Warum eigentlich? Es gab seinen Inhalt nicht preis. Es war auch unnötig. Sie kannte die Zeilen darin auswendig. Lange stand sie schon unschlüssig unter dem Torbogen des unteren Eingangs des Hospizes. Einige male war sie gezwungen gewesen, in der nächsten Häuserecke zu verschwinden, wenn sie Schritte auf den Stufen hörte oder sich eine weitere Person in ihre Richtung begab. Sie wollte jetzt niemandem begegnen. Ihr Blick fiel erneut auf das Kuvert. Erneut vergewisserte sie sich, daß ihr Name und ein anderer darauf standen, daß es nicht feucht geworden war und all die anderen Dinge, die sie schon mehrmals überprüft hatte. Sie begann sich etwas Luft damit zu zu fächeln. Eine nutzlose Geste. Es war kühl und um sie herum gab es mehr Luft als sie benötigte. Eine nutzlose Geste. Wie passend, tönte es in ihrem Kopf. Sie verdrängte den Gedanken, aber er kam zurück in Form von Bildern aus ihrer Kindheit, sie und all die anderen. Niemals vertrauen. Es wird ausgenutzt. Niemals binden. Es macht berechenbar. Niemals nachgeben. Es wird alles kosten. Das war ihre Maxime gewesen. Ihre und die aller, die sie gekannt hatte. Sie sah erneut auf das Kuvert. Zum wievielten male jetzt eigentlich? Sie wußte es nicht. Vergangenheit und doch so real. Eine Schlange konnte sich häuten, aber sie blieb eine Schlange. Eine Raupe hatte es da besser, dachte sie. Eine Raupe hatte mehr Zeit für ihre Verwandlung, darum war es auch eine und keine bloße Erneuerung von Bekanntem. Aber sie war keine Raupe. Auf der Straße hatten Raupen keine Chance. Falls sie überhaupt irgendwo eine hatten. Beiß oder werd gebissen. Niemals vertrauen. Niemals binden. Niemals nachgeben.
Verärgert schleuderte sie den Brief unter dem Türspalt hindurch in den Vorraum. Jetzt war es zu spät. Sofort durchfuhren sie Gedanken, was sie alles hätte ändern können, was man wohl falsch auffassen könnte, was sie hätte weglassen sollen. Sie seufzte ein mal. Es war zu spät.
Vergangenheit. Sie haßte es, wenn ihr Verstand sich meldete. Und sie haßte es noch mehr, wenn er Recht behielt. Hastig zog sie den Umhang an ihren Körper und rannte fort. Wohin war nicht wichtig.

Das Kuvert ist dick und aus Pergament. Auf der Vorderseite steht "Zu Händen von Samira Sandelholz", in der linken oberen Ecke der Rückseite ihr eigener Name, Elodia. Der Brief selbst ist mehrfach gefaltet, um in das Kuvert zu passen und an mehreren Stellen leicht gewellt, an diesen wurde die Schrift aber nachgezogen.

Liebe Samira,

als erstes möchte ich Dir danken, daß Du diesen Brief überhaupt liest. Ich habe lang überlegt, auf welche Art ich Kontakt mit Dir aufnehmen soll und habe mich schließlich trotz der Unpersönlichkeit für einen Brief entschieden, da er Dir gegenüber das fairste ist, weil er Dich nicht dazu nötigt, Dich mit ihm auseinander zu setzen, so Du dies nicht wünscht, sondern Du kannst ihn in dem Fall getrost ins Kaminfeuer werfen. Bei all dem Kummer, den ich den Heilern und vor allem Dir bereitet habe, könnte ich dies verstehen. In diesem Fall werde ich Euch und speziell Dich auch nicht weiter belästigen, habe schon genug Schaden angerichtet.
So der Brief doch nicht die rechte Form ist, um mich an Dich zu wenden oder Du dies gar nicht wünscht, so tut mir das leid und ich bitte Dich, es zu entschuldigen, es geschah nicht in böser Absicht. Und auch wenn ichs nicht verdient habe bitte ich um ein wenig Nachsicht, da das geschriebene Wort, wie Du weißt, mir nicht liegt, ich bin einfach unfähig, dort das, was ich wirklich denke und fühle aus zu drücken.

Dann möchte ich sagen, daß ich weder vorhabe, mich zu rechtfertigen, noch jemandem außer mir selbst eine Schuld zu zu weisen, da es nichts gibt, was mein Verhalten den Heilern und vor allem Dir gegenüber rechtfertigen kann und ich Schuldzuweisungen für billige Ausflüchte halte. Trotzdem werde ich nichts zurück nehmen. Nicht, weil mir das, was ich getan habe, nicht leid tut oder ich mich dessen nicht schämen würde, sondern weil über meiner ganzen Zeit im Hospiz ein roter Schleier liegt. Ich weiß oftmals nicht, was ich getan habe und was nur geträumt, was Einbildung war und was real. Das einzige, dessen ich mir bewußt bin, sind die Folgen und die bedauere ich zutiefst. Je mehr ich über die Zeit nachdenke, desto unsicherer werde ich mir, was ich wirklich getan habe und was nicht, ich kann mich ganz einfach nicht daran erinnern, wie es war. Oder ich will es nicht. Ich weiß es nicht.
Offen gestanden weiß ich nicht mal mehr, womit ich Dich genau getroffen habe, ich weiß nur, daß ich Dich der Lüge bezichtigt habe und das ist auch das einzige, was ich zurück nehme, da es ungerechtfertigt war, da Du mich nie belogen hast und ungerecht Dir gegenüber und es mich beschämt, dies gesagt zu haben. Den genauen Wortlaut kann ich allerdings nicht zurück nehmen, da ich ihn nicht mehr kenne und ich nicht pauschal etwas zurück nehmen möchte, auch wenn ich weiß, daß es falsch war, weil ich genau wissen will, was, damit ich auch weiß, warum es falsch war. Blöder Satz. Was ich meine ist, daß ich es gerne ganz zurück nehmen möchte und nicht nur teilweise und das ist mir momentan nicht möglich. Ich hoffe, dies verletzt Dich nicht zusätzlich, denn das will ich nicht. Ich fände es halt nur einfach nicht fair Dir gegenüber, etwas nur zurück zu nehmen, nur weil ich will und eben nicht auch, weil ich muß. Auch siehst Du mir hoffentlich nach, daß dies nicht diejenige meiner Taten ist, die ich am meisten bedauere und derer ich mich am meisten schäme, da ich Leomar, als ich ihn bedrohte, eine ganz andere Form von Unrecht angedeihen ließ und wenn ich mich auch nicht mehr an viel erinnern kann, dann doch daran, daß ich gegenüber dem Hobbit, dessen Namen ich nicht kenne und der mich am Hafen aufgelesen hat mehr als nur reichlich undankbar war. Was ich Euch sonst noch alles angetan habe, kann ich nur abschätzen und allein der Gedanke daran läßt mich schaudern.
Dann möchte ich gerne zwei Dinge erklären, wenn Du mich läßt, da ich nicht möchte, daß hier weitere Mißverständnisse erstehen, aus denen weiterer Kummer für Dich erwächst. Verstehe sie bitte nicht falsch, ich erwarte dafür weder Sympathie, noch Verständnis, noch sonst irgend etwas, es liegt mir ganz einfach am Herzen.
Das erste ist die Laute und warum ich sie zurück gelassen habe. Dies geschah nicht, um einen Schlußstrich zu ziehen oder weil ich zu stolz, fein oder was auch immer bin, um sie an zu nehmen, ich sehe sie lediglich als Geschenk von Dir an jemanden, die ich gerne wäre, aber nicht bin. Du wirst eine bessere Trägerin für sie finden, für die sie gedacht ist.
Das zweite ist das mit der Freundin. In meiner kurzen Zeit im Hospiz habe ich Dich als freundliche, hilfsbereite, sorgen- und aufopferungsvolle junge Frau kennen gelernt, als jemand, die eine gute Zuhörerin ist aber auch eine gute Erzählerin und die es immer schafft, einen ein wenig zu verzaubern, als jemanden, die lachen und weinen kann, die Verständnis zeigt, aber auch hart sein kann, wenn es von Nöten ist. Jemanden, die man gerne in seiner Nähe hat, wenn sie da ist und die man vermißt, wenn sie es nicht ist. Darum möchte ich, daß Du etwas weißt, was ich Dir im Hospiz nie gesagt habe und wohl auch nie so offen gesagt hätte.
Ich habe Dich dort immer als die Freundin angesehen, die ich nie hatte. Ich weiß, daß es nicht fair Dir gegenüber war, das nie zu erwähnen, aber ich hatte schlicht Angst, daß Du dies nicht willst und Dich deshalb von mir entfernst, denn auch wenn ich dies im Hospiz niemals zugegeben hätte, so hätte ich doch lieber auf die Laute, das Fell oder was auch immer sonst verzichtet, als auf die zwar meist kurzen aber sehr schönen Momente, in denen Du bei mir warst. In meiner kleinen Welt von Bett, Laute und Fensterschlitz warst Du ganz einfach der Sonnenschein, immer wenn Du da warst, wurde es etwas wärmer und heller in dem Raum, der mir oft dunkel und kalt vorkam. Durch meine eigene Blödheit habe ich es dann doch geschafft, das zu verlieren und es tut mir wirklich maßlos leid, wie sehr ich Dich dabei verletzt habe.

Ich danke Dir für Deine Zeit und Geduld, den Brief bis hierhin zu lesen und möchte beides nicht weiter strapazieren, ich habe Dich schon genug Nerven gekostet. Langsam sehe ich eh nichts mehr vor Tränen, darum möchte ich hier lieber Schluß machen, auch wenn ich Dir noch tausend andere Dinge sagen möchte und mich nachher dafür ohrfeigen werde, mich nicht noch für fünf oder sechs Zeilen zusammen gerissen zu haben.
Nun habe ich mich doch noch gerechtfertigt. Naja, kommt nicht immer alles so, wie man es gerne hätte.
Es tut mir leid, was ich Dir angetan habe.

Hab Dich lieb.
Elodia


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 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 7.03.03, 17:02 
Festlandbewohner
Festlandbewohner

Registriert: 1.02.03, 02:18
Beiträge: 4
Wohnort: Seelenwald
*langsam und vorsichtig kommt ein noch etwas verschlafener Hochelf die Treppe im Hospiz hinunter und gähnt ein wenig – als er unten angekommen ist schaut er durch die untere Etage und sein Blick bleibt bei dem Umschlag auf dem Boden hängen*

Mhmm, was ist das denn?

*Vorsichtig hebt er den Umschlag auf und hält sich dabei den Kopf – dann reibt er sich die Augen und hält den Umschlag mit der rechten Hand – vorsichtig schiebt er seine Umhängetasche mit der linken Hand wieder zurück auf seine Schulter und blickt auf den Umschlag*

Scheint für Samira zu sein...

*dann wendet er den Umschlag und sieht dort Elodias Namen..*

Oh, von Elodia – hab noch gar nicht mitbekommen, dass sie entlassen wurde!

*er legt den Umschlag auf den Schreibtisch und beginnt dann das Hospiz aufzuräumen*


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