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 Betreff des Beitrags: Wege in Brandenstein
BeitragVerfasst: 3.07.03, 11:33 
Einsiedler
Einsiedler

Registriert: 3.04.02, 17:08
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Wohnort: Hessen
Dunkel wars in den Gassen von Brandenstein, doch nicht still, die Stadt schien niemals zu schlafen. Es waren nicht die Laute der Nacht, die Feawen kannte, das klägliche Rufen des Käuzchens gar, der Wind, den man nur flüstern hörte, wenn alles Volk auf seinem Lager ruhte. Müde und schleppend hob das Mädchen die schlammigen Stiefel über das holprige Pflaster, leise klirrte der leichte Beinschutz bei jedem matten Schritt.
„Wenn du in Brandenstein angekommen bist, Feawen, so gib Acht auf dein Tun und dein Wort. Viele Grosse und Mächtige gibt es dort, deren Stimmen man folgt, und nicht immer ist ihre Wahrheit die deine. Nicht immer ist eine Lehre von Lauterkeit, doch ihnen ist die Macht und du bist nur ein Wurm unter deinesgleichen. So sei vorsichtig mit deinen Worten und siehe mit beiden Augen hin, ehe man dich zerquetscht. Höre und lerne von den wirklich Weisen. Du erkennst sie an ihrem rechten Schweigen, nicht an ihrem aufgerissenen Maule, an Ihren Taten und nicht an ihrem Blendwerk.“
Feawen blieb stehen und dachte nach. Vor ihr im schwachen Licht, das durch viele verrauchte Scheiben fiel, stand das Rathaus zu Brandenstein beeindruckend und von neuem Anstrich. Aufstöhnend liess sie sich auf die breiten Stufen davor hinab, denn es schien niemand zugegen, der sie verjagen wollte. Sie zog die Knie dicht an den Leib und senkte die Stirn auf die verschränkten Arme.
„Vjera Vitama,“ schallte ein Gruss durch die düstern Gasse.
„Vjera Vitama,“ erwiderte eine andere blasse Stimme.
Ein Zwerg stampfte an Feawen vorüber, kurze, feste Tritte, leises, tiefes Brummen, doch sie hob den Kopf nicht an.
„Beim Arkadon, übers Ohr hauen wollt mich dieser Nichtsnutz,“ schimpfte er vor sich hin und verschwand knurrend zwischen den Häusern.
Eine Weile schien es ruhig um Feawen zu sein, bis abermals Schritte sie aufhorchen liessen. Sie waren langsam und schlurfend, als fiele es jemandem sehr schwer, überhaupt noch einen Fuss vor den anderen zu setzen. Das junge Mädchen blickte nun auf und sah ein altes Mütterlein, das sich mit drückendem Bündel über das unebene Pflaster bewegte. Viele Lagen von braunem Stoffen trug sie über dem gebeugten Körper, das ergraute Haar hing in dünnen Zotteln lang an den Seiten herab. Doch ihre Augen waren gütig und freundlich, als sie die des Mädchens trafen. Sie lächelte schwach und trat sogleich an sie heran. Die alte Frau liess das gebundene Brennholz von ihrer Schulter herunter und setzte sich langsam auf den Stufen nieder, dicht an Feawens Seite.
„Das Tuch, das Ihr tragt, ist von warmen Rot, so rot wie Fela, wenn er sinkt, um hinab zu tauchen hinter Xans Gründen. Ich sehe Ketten an den jungen Gliedern und Ermattung in der Maiden Zügen, die so rosig und rein sein sollten, als hätte Fela sie gerade wachgeküsst.“
Die Alte schmunzelte, doch Feawens Miene blieb stumpf und sie gedachte erst lange einer Antwort .
„Rosig und rein sei die Maid, die um anderes ersucht, als mich es drängt.“
„Was sucht Ihr, Mädchen?“
„Ich... weiss es nicht mehr,“ seufzte Feawen tief.
Sie starrte fort über die Gasse hin zu den überschatteten Fassaden. Die Alte musterte sie eingehend und geruhsam, noch immer lächelte sie aus dem faltigen, runzligen Gesicht.
„Ihr versucht mit dem Schwerte zu kämpfen... Mädchen, Euch sei geraten, stattdessen Euer Wort zu benutzen. Sucht Ihr die Gunst der Götter, so wählt nicht Blut und Groll.“
Der Blick der Alten war an der Klinge hängen geblieben, die unter dem wallenden Umhang an Feawens Seite schimmerte.
„Wenn Edelmut und Gerechtigkeit es führen, mag auch ein Schwert den Göttern gefallen,“ stiess das Mädchen gepresst aus.
„Edelmut...,“ wiederholte die Alte klanglos, „das ist freilich eine seltene Eigenschaft in diesen Zeiten. Könnt Ihr von Euch behaupten, frei von Selbstsucht zu sein?“
Feawen schüttelte langsam den Kopf. Langes, braunes Haar fiel über die Schultern nach vorne, das seitliche Flechten aus ihrem Gesicht gehalten hatten.
„Zu was hat man Euch erzogen, Kind?“ fuhr die Alte aufmerksam fort.
„Wenn ich’s denn wüsste...,“ begann Feawen unsicher, „Viele Bücher gab man mir zu lesen, und ich lernte die Namen der Herren, denen die Mutter in Güte diente, und ich lernte die Namen der Viere, denn Bellum war es, der meines Vaters Schwertarm führte. So ging ich zu den einen und sie verstanden nicht mein Bitten, ich ersuchte die anderen um Unterweisung und sie schickten mich zu den ersten. So gehöre ich nun zu niemanden und doch zu beiden und habe gespürt, wie gross und fremd die Welt sein kann.“
„Wie ist Euer Name?“
Die Stimme der Alten klang heisser doch noch immer wohl meinend.
„Feawen...,“ antwortete sie gehorsam.
„In Eurem Wort und Eurer Haltung liegt etwas, das mir verrät, Ihr habt längst den Weg betreten, den man für Euch vorsah.“
„Mein Weg ist der der Götter,“ kam es lauter aus dem Mädchen heraus und sie sah die Alte gefasst an, „So sie wollen, werden sie mich führen, hier, wo jede Hand von Nöten ist, um diesen Krieg zu beenden. Nie war ein anderer Wunsch in mir, nie verspürte ich etwas anderes als... Aber woran soll ich glauben, könnt Ihr mir das sagen? Wenn sie mich gar so verwirren mit ihren beklemmenden Reden. Niemals war Zweifel in meiner Eltern Worte, niemals zweifelte ich an dem, was sie niederschrieben...“
„Ihr solltet nicht darüber nachsinnen, Mädchen, überlasst das Denken den Weisen und Erhabenen. Sie werden uns raten und leiten,“ sprach die Alte ihr ruhig zu.
Zwiespalt war zu erkennen in Feawens lichthellen Augen. Schon löste sich die Gestallt eines hochgewachsenen, hageren Mannes aus den Schatten der Häuser. Er lachte tief und hämisch, als er an sie heran trat, sich vor ihnen aufbaute und auf sie hinabblickte.
„Ihr vertraut dem Wort der Weisen und Erhabenen? Ihr lasst sie für Euch denken?“
Er lachte wieder schallend auf. Sein Atem schlug Feawen beissend entgegen, selbst seine schäbige Kleidung roch wie eine ganze Destille.
„Ich sag Euch etwas, altes Weib, die Gelehrten verlieren sich in ihren eigenen Vorstellungen, fangen an nach Macht und Glorie zu greifen, und was sie Euch erzählen, stützt ihrer und nicht Euch.“
Feawen hob den Blick mit erwachtem Argwohn zu ihm auf. Er aber liess sich vor ihr in die Hocke hinab und hielt eindringlich ihren Blick. Das Mädchen wich zurück, als er ihr so nahe kam, dass seine Ausdünstung ihr die Luft nahm und sein hässliches Angesicht sie bestürzte.
„Feawen... So ist doch Euer Name? Ihr wollt in diesen Krieg ziehen, obwohl Eure Kindheit noch über Euren Sinnen hängt, wie fahler Nebel? Obwohl Euer Arm kaum diese Klinge zu halten vermag? Obwohl Ihr zweifelt an dem, was Eure Eltern sahen? Glaubt an die Einigkeit aller guten Götter, oder verflucht sie, wie es Euer Vater tat...“
Mit seinen letzten Worten fuhr er wankend und unter verächtlichem Gelächter auf und wandte sich einmal um die eigene Achse, bevor er Feawen wieder ansah. Etwas hatte die jungen Züge verdunkeln, verbittert und verzerrt. Etwas, das man in den hellen, klaren Augen niemals zu finden glaubte.
„Edel...edel war sein Gemüt... nie war es dunkel...,“ stammelte sie und mit jeder Silbe verlor die Stimme an Festigkeit.
Ihr Haupt fiel herunter. Behutsam legte die Alte die fleckige, gebrechliche Hand an ihre Schulter.
„Hört nicht auf ihn, der Wein lähmt seinen Verstand. Ich sehe wohl, Ihr seid ein braves Kind. Und brav ist auch Euer Ersuchen. Übt Euch in Geduld und lasst niemals Zorn Eure Waffe ziehen. Lernt zu warten und zuzuhören. Junges Holz ist so viel leichter zu schnitzen, sucht den, der ihm eine Form geben kann.“
Das Lachen des Säufers übertönten ihre Worte.
„Junges Holz wird nicht mehr alt und fest, wenn es vorher bricht oder in den Feuern des Wahren verglüht...“
Boshaft johlend warf er sich herum und verschwand in den Schatten, aus denen er getreten war.
Bedrückt wandte sich das Mädchen der alten Frau zu, um sich an ihrer Friedfertigkeit und Zuneigung zu beruhigen.
„Es wird nie dunkel sein in mir, ich wills versprechen, und nicht Zorn soll mich je verleiten. Ich will an die Türen der Ordenshäuser klopfen und sehen und hören. Ich will meinen Meister suchen, der es vermag, diesen Arm zu stählern. Bis die Nebel meiner Kindheit vollends von mir fallen.“
Feawen lächelte vorsichtig und die Alte erwiderte es zugetan und offen.
„So lasst mich Euch etwas mitgeben, Feawen,“ holte sie leise aus, „in dieser Stadt gibt es viele von verschiedenster Herkunft, manchen Feind oder Freund werdet Ihr schnell erkennen, doch das meiste ist nicht so offensichtlich wie Ihr und ich es sind. Habt ein waches Auge und hört nur gut hin. Eure Mutter war eine Gläubige der Elementarkirche. Was immer Euch widerfährt, wendet Euch an den Orden der Eclessias Elementorum, man wird Euch aufnehmen, denn sie werden Eure Treue erkennen. Elfen, Zwerge und Menschen gehören ihnen an, Ihr dürft ihnen trauen, gleich welcher Art sie sein mögen. Fragt nach der Priesterin Jilyna oder nach Karag, Hohepriester des Ignis, an diese Namen erinnert sich mein alter Geist. Der Krieg hat alle hier zusammen gepfercht, Ihr werdet jenen vom kleinen Volk begegnen, friedfertig und besonnen, vor ihnen habt Ihr nichts zu befürchten. Nichts böses haben sie im Sinn. Die kleinen Leute sind mir wohl ans Herz gewachsen...“
Die Alte unterbrach und schien sich lächelnd an etwas erinnern zu wollen, bevor sie fortfuhr.
„Der beste Ort, um sich umzuhören und jemanden zu finden, ist die Taverne zur Seeschlage, oberhalb des Markplatzes. Fast jeder kehrt dort ein, fast jeder Weg führt zuerst dorthin. Sheeban, die Wirtin, ist eine gute, beherzte Person, sie kennt die Bürger der Stadt, ihre vielen Verbindungen können hilfreich sein. Der werte Herr Kalde schenkt dort aus, ein freundlicher, zuvorkommender Mann, an ihn könnt Ihr Euch mit Fragen wenden, ohne dass es Euch schaden wird. Doch gebt Acht auf das Gesindel, das in den Ecken und Winkeln herumlungert. Im Ordenshaus der Viere werdet Ihr willkommen sein zum Gebet, doch seid auf der Hut vor dem Erzgeweihten des Astraels, seine Eminenz Donarius... Ein grosser Gelehrter, dessen Wort das Volk glaubt und befolgt. Schon manchen hat man auf dem Scheiterhaufen brennen sehen und man munkelt so allerlei in Brandensteins Gassen über den Zwiespalt der Kirchen. Schon für geringeres als Ketzerei kann man sich hier im Pranger wiederfinden. Zu dem Patrizier Trinso Langenbriehl weiss ich nicht viel zu berichten. Die hohen Herren werden kaum mit mir verkehren, aus meinem Mund spricht nur die Stimme des Volkes. Und die kennt den Patrizier als ruhigen, fleissigen Herrn, der noch immer seinem Handwerk der Bognerei nachgeht. Die Ritter der Siebenwinde, mein Kind, vertraut auf sie, auch wenn es das Gesindel anders meint, und tut es mit Obacht, wahrlich sind sie nur königs- und göttertreu. Nie wähnten sie Feind ihrer Untertanen zu sein, stets ziehen sie hinaus, um die ihren zu schützen. Und Sir Koruun Mc Kevin... Die Sprache des Lehnsherren ist wohl die seiner Klinge, doch er ist ein gerechter Mann, das will ich glauben. Und die Götter wissen, was ihn um den verdienten Schlaf bringt und schwer auf seinen Schultern lastet. Es gibt viele undurchsichtige Vereinigungen, haltet Euch fern von allem, das nicht den guten Göttern dient. Braucht Ihr gute Schwerter, harte Rüste, so wendet Euch an die Zwerge. Keine bessere Schmiedekunst werdet Ihr finden auf ganz Tare. Doch sei Euch gesagt, die Wachen der Stadt werden keinerlei Waffen unter Eurem Tuch dulden und die Strafen sind unbarmherzig, seit der Kampf tobt und das Übel unter uns ist. Feawen, seid bedacht... Auch jene, die den Falken auf ihrem Tuche tragen, werden nicht immer gnädig sein. Eure Augen mögen mir Fleiss und Beharrlichkeit zeigen, doch mein Herz sieht ein halbes Kind, das sich selbst noch nicht erkannt hat. Unvollendet, unbeholfen... unfertig der feine Schwung, ungelenk das fliessende Winden unter Stahl und Schutz. Die Götter mögen Euch begleiten, Feawen in Felas Farbe des Niedergang. “
Feawen senkte den Kopf, doch richtete den schmalen Oberkörper gerade auf. Still harrend schloss sie die Lider. Nichts in ihrem Leben war wirklich geschehen, nichts hatte sich je verändert. Sie war aufgewachsen unter hütendem Flügel. Sie hatte mit verbissenem Eifer versucht, des Vaters Geschichten gerecht zu werden, hatte beflissen das Wort gelesen, das man ihrer Mutter lehrte. Schwach schien die Hand nun, die den Schwertgriff unter dem roten Tuch umfasste. Die Augen noch immer verschlossen, so gedachte sie der vielen Worte. Manchmal, so schien es, wurde die stolze Fassung des Mädchens durch Tränen erstickt. Niemand konnte ihr hier raten, niemand etwas von ihr erwarten, nur die Götter konnte sie um Antwort fragen. Und die Antwort, so glaubte sie, lag dort, wo das Unheil kroch und siechte und das Land mit Blut überzog. Ein wenig nur und ruckartig, zog sie die Klinge aus der Scheide und liess sie wieder versinken.
„Traget die Güte und die Hoffnung Eurer Mutter, traget den Glaube und die Stärke Eures Vaters, und traget es in Ehre... So geht nun, Feawen, zum Orden der Euren und suchet Darlan aus dem Hause der Unauen, Wache unter Herrn Gangrosch, Sohn des Schwarzsteinspalters, das will ich Euch raten.“
Das junge Mädchen öffnete die Augen und erhob sich aufrecht. Tief atmete sie die kühle Nachtluft ein und neigte sich dann achtungsvoll vor der alten Frau zu ihren Füssen auf den Stufen.
„Ich glaube, ich habe meine Wahl getroffen, habt Dank, gute Frau, in meinen Gebeten will ich Euch nennen und stets Eurer Worte gedenken.“
Wieder klirrte der leichte Beinschutz bei ihren dumpfen Schritten, doch nicht mehr elendig und verloren wanderte ihr Blick an den Häusern und Strassen, Schuppen und Gassen entlang, als sie den Weg fortsetzte, um das Zeichen der Herren zu finden.


Zuletzt geändert von Eichhorn: 3.07.03, 11:55, insgesamt 1-mal geändert.

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