Es ist still. Nur die goldenen Blätter der Bäume singen ihr Lied mit Khalebs Unterstützung. Aufgewacht durch das Knacken eines morschen Holzstücks öffnet sie ihre Augen. Geblendet kneift sie die Augen zu einem kleinen Spalt zusammen. Nur langsam gewöhnen sich die Augen an das grelle Licht der aufgehenden Sonne. Sie liegt an einen alten Baum gelehnt. Ganz in der Nähe gewahrt sie einen kleinen Waldweiher. Wie ein leuchtender Lichtpunkt hebt sich ein schneeweisser Vogel vom dunkel des Wassers ab. Regungslos steht er auf einem kahlen Ast über dem seichten Wasser. Sein Spiegelbild tänzelt hundertfach im leicht kräuselnden Wasser wie Schneeflocken im Wind. Gebannt schaut sie auf das mystisch anmutende Bild. An Ihrem Fussende spriesst ein kleiner junger Baum, karg, mager kraftlos sieht er aus, wohl nicht würdig Morsan zu überstehen. Trotzdem fühlt sie sich von der Pflanze angezogen. Ihre stickelartig, hageren Finger befühlen eines der wenigen schlaff herabhängenden wohl immergrünen Blätter und spürt, trotz dem abweisenden Äusseren, eine starke Kraft von der kleinen Pflanze ausgehen. Erschrocken zieht sie ihre Hand zurück. Sie schaut auf ihre Finger und bemerkt erst jetzt das eingetrocknete Blut und die schwarzen teils abgebrochenen Nägel. Es sieht aus als wenn ihre Hände den harten Boden umgegraben hätten. Ihre Hände schmerzen. Nein ihr ganzer Körper scheint zu bersten.
In der Zwischenzeit haben sich die Augen an das Licht gewöhnt. Wo war sie hier? Wie ist sie überhaupt hier her gekommen? Angst macht sich breit und verstärkt das Unwohlsein. Vorsichtig schaut sie sich um. Nichts kommt ihr vertraut vor, alles ist ihr fremd. Sie versucht sich zu erinnern. Doch es scheint keine Vergangenheit zu geben. Ihr Blick gleitet zu einem reich verzierten Lederbeutel ganz in ihrer Nähe. Sie schaut hinein um vielleicht hier eine Antwort zu finden. Ein paar Kleidungsstücke, einige Kräuter, Münzen und etwas hartes Brot können ihr die Antwort aber auch nicht geben. Einzig der Inhalt eines fein gestickten Leinentuch weckt ihre besondere Aufmerksamkeit. Es handelt sich um einen ihr nicht bekannten, fein glänzenden Stoff, darauf mit goldenem Faden gestickte seltsam anmutende Zeichen. An den Rändern ausgefranst wie von Motten und Mäusen zerfressen. Es macht den Anschein als sei es hunderte von Jahre alt. Die Zeichen selber jedoch scheinen unantastbar. Ihr Verstand versucht die Zeichen zu deuten. Doch noch nie hat sie solches gesehen. Sie ist verwirrt den sie spürt eine ihr unbekannte Kraft welche von den Zeichen ausgeht. Sorgfältig legt sie das Tuch zusammen und verstaut es wieder in den Lederbeutel.
Woher hat sie nur all diese Dinge? Sie weiss es nicht. Langsam versucht sie sich zu erheben. Vorsichtig, mit weichen Knie, begibt sie sich zum nahen Wasser und erschrickt als sie ihr Gesicht als Spiegelbild im leicht gewellten Wasser sieht. Ihr Haar ist schneeweiss, weiss wie die Federn des Vogels.......... Ihr Blick sucht den weissen Vogel der vorher doch noch....... Vielleicht hat sie das ja alles nur geträumt. Die Haut ist dunkel und gefurcht wie die Rinde des Baumes an dem sie geschlafen hat. Sie schätzt ihr Alter auf etwa 60 Jahre. Die weissen Haare verwirren sie. Vielleicht ist sie ja auch schon 80. Aber vielleicht irrt sie sich auch gewaltig. Sie kann es nicht sagen. Ihr Name? Wie war ihr Name? Sie versucht sich zu erinnern. Doch die Vergangenheit bleibt ihr verschlossen. Ihr wird heiss und kalt und muss sich übergeben. Als sie sich wieder erholt hat, betrachtet sie ihren nackten Körper. Er ist ausgemergelt. Abstossend wie sie selber bemerkt. Eine lange Narbe ziert ihren rechten Oberschenkel. Sie fährt mit den Fingern über die Narbe. Kalt fühlt sie sich an. Fast unheimlich, unwirklich.
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