Auf dem südlichen Baumstamm liegt ein gefütterter, nicht verschlossener Umschlag, mit einem kleinen, flachen Stein gegen ein Fortwehen gesichert. In dem Umschlag befindet sich ein kurzes Schreiben. Die Schrift ist sauber und recht stark verschnörkelt. Der Text selbst lautet:
Meinen Gruß Wohlgeboren Steiner.
Was hat das Schicksal nur gegen uns beide, daß es uns immer wieder zusammen führt? Nun, unsere Geweihten würden sagen, es ist der Wille des Herren und dieser ist nur schwer ergründlich für uns Sterbliche. Wie dem auch sei, ich vernahm heute, daß ihr Euch mit mir treffen wollt. Schmeichelhaft, zugegeben, der Aufmerksamkeit der Ritter des Königs würdig zu sein, zu schade, daß man sich erst gegen diesen erheben muß um sich diese zu verdienen, seid ihr doch unter den Schildkröten wie unser gemeinsamer Bekannter zu sagen pflegen würde einer der interessanteren. Aber nun ja, ohne Euch allzu nahe treten zu wollen, dies ist nun wahrlich keine schwierige Aufgabe, besieht man sich doch die diversen Ritter und Ritterlein der Orden vom roten Drachen, blauen Greifen, gelben Falken. Die einzigen weiteren erwähenswerten Exemplare dieser sonderbar entarteten Gattung von Menschen sind wohl lediglich Seine Hochwohlgeboren Athos und Ihre Wohlgeboren Nohadi, auch wenn letztere sich noch am ehesten als abschreckendes Beispiel eignet. Aber wie ich zu sagen pflege, hätten die Götter gewollt, daß Frauen Ritter werden, hätten sie den Orden vom rosa Häschen ins Leben gerufen. Aber ich schweife ab. Ihr wollt also ein Treffen mit mir. Ihr werdet sicherlich verstehen, daß mein Wille, mich in eine Falle locken zu lassen ein eher geringer ist, vor allem, wenn man bedenkt, wo es enden wird. Hält man mir eigentlich immer noch vor was ich nie getan habe? Interessant nicht, Gefreite und doch nicht Soldatin, kein Eid, keine Pflicht, aber nun ja, der Eid ist eh den Atem nicht wert, den man benötigt, ihn aus zu sprechen, somit sei wohl hinfällig, ob ihn nun ein Sire abnimmt oder nicht, bei mir hat es jedenfalls keiner getan und sonderlich traurig bin ich darum auch nicht. Höchstens wenn ich mir die neuen Rekruten so ansehe, immer wenn ich ihnen gegenüber stehe fällt mir doch deutlich auf, daß ihnen eine fähige Ausbilderin fehlt, die ihnen an der Front all die Flausen austreibt, die im Lehrzimmer übersehen werden. Aber ich schweife schon wieder ab. Ihr wollt also ein Treffen. Den Ort und die Bedingungen habt ihr auch schon festgelegt, auch wenn ich auf letztere offen gestanden nichts gebe, denn kaum etwas hat so wenig Bestand vor dem Herren wie das Wort eines Ritters oder das was sie beschmutzen indem sie es Ehre nennen, wenn sie sich erst einmal an der Front befinden. Bleibt wohl nur noch die Frage der Zeit, hier würde ich vorschlagen, da unser Bekannter sich bereit erklärte, uns beiden einen umständlichen aber auch ungefährlichen Briefwechsel zu gestatten, ihr überlaßt ihm ein Schreiben für mich in dem ihr mehrere Tage und Zeiten vorschlagt und ich werde ihm ausrichten, welcher Tag und welche Zeit mir genehm sind. Damit ihr einen groben Rahmen habt, vom 7. bis 10. Oner ist mir so ziemlich alles genehm, als Zeit würde ich den Abend vorschlagen, vielleicht auch die Nacht, wie es Euch beliebt. Allerdings, da ihr bereits so freizügig die sonderbarsten Dinge festlegt stelle ich mir die Frage, welchen Nutzen ich davon haben sollte, mich mit Euch zu treffen, denn offen gestanden, ich bin eine vielbeschäftigte Frau und mich von der Ritterschaft fangen zu lassen, damit das Banner mich wegen Fahnenflucht hängen kann gehört nicht unbedingt in meine momentanen Pläne. Daher wäre eine kleine Geste des guten Willens durchaus angebracht, denn offen gestanden, das Tor passieren zu können ist keine, klettern kann ich selbst und ein Seil führe ich immer bei mir. Auch drängt sich mir bei diesem doch sehr dreisten Angebot, oder ist es mehr ein Befehl, der Eindruck auf, ihr wollt lediglich so viele von uns wie möglich zusammen pferchen wie Schafe die man zur Schlachtbank der Vier führt. Nein, dies ist wahrlich nicht, was ich unter einer Geste des guten Willens verstehe. Ich denke eher daran, daß ihr Daluwirh neben einem Schreiben auch das Schwert wieder aushändigt, das ihr mir heute abgenommen habt und ich will es in dem tadellosen Zustand in dem ich es Euch heute übergeben habe zurück. Die Axt könnt ihr von mir aus für meine Hinrichtung aufheben ich war eh nie gut darin, eine solche zu führen, aber das Schwert will ich zurück, schon allein vor dem Hintergrund, daß ihr weder allein noch unbewaffnet kommen werdet. Was mich zu dem Gedanken bringt, was ihr wohl von mir halten würdet, wenn mitten in einem Gespräch eine Kohorte Unlebendiger hinter mir auftauchen und das Gespräch stören wird so wie es Eure zwar lebenden aber nicht minder seelenlosen Untergebenen zweifelsfrei tun werden, aber nun gut, drei mal ab zu schweifen in nur einem Schreiben ist wahrlich genug des guten. Somit gehabt Euch wohl mein Patient.
Hochachtungsvoll
*schwungvoll* Selina Leskadon, Dracon
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