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 Betreff des Beitrags: Die Suche...
BeitragVerfasst: 7.10.03, 00:31 
Edelbürger
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6. Trier, 14 nach Hilgorad in der Stadt Draconis...

Leise trommelte der Regen gegen die Schweinsblase, die das Fenster verschloss und so das schlechte Wetter mit dem kalten Wind draussen hielt. Die kleine Kammer, in dem dieses Fenster das einzige war, war aber auch mit verschlossenem Fenster kühl genug und Lania, eine Frau um die Ende 20, deckte ihre sechsjährige Tochter sorgfältig zu. Leise seufzte sie, denn manchmal war es schwer, das Kind ruhig zu bekommen. Oft forderte es eine Gute-Nacht-Geschichte nach der anderen, manchmal geradezu an ihrer Mutter klammernd, bevor diese aus dem Haus gehen würde.

Sie strich über das braune Haar der Kleinen, blickte dann aber leise seufzend zur Tür. Sie musste los, zur Arbeit, doch Tormin, der auf ihr Kind aufpassen sollte, verspätete sich heute ungewöhnlicherweise.
Noch einen Blick warf sie auf ihre Tochter, gab sich dann aber einen Ruck, stand auf und zog ihren Umhang über.
'Kikia ist alt genug und wird sicher nicht mehr um diese Uhrzeit auf die Strasse gehen.'

Mit leisen, aber raschen Schritten ging sie durch die kleine Kammer, die alles war, was sie und ihre Tochter an Privatsphäre geniessen konnten, öffnete leise die Tür und warf noch einen letzten Blick auf das Kind mit den Sommersprossen im Gesicht, dann huschte sie hinaus und schloss die Tür leise.

***

Kurz zuvor, an einen ganz und gar anderen Ort in dieser Stadt...

Verächtlich verzog Calamirel d' Aspedia ihr Gesicht und blickte auf den blutroten Wein in dem Kristallkelch.
"Ich will, dass diese Hure stirbt," fauchte sie eiskalt zu einem dunkel und schlicht gekleideten Mann vor sich.
"Sie soll dafür büssen, dass er ... er mich so hintergeht.. wenn sie tot ist, wird er hoffentlich wieder zurückkommen!"
Ärgerlich biss sie die Zähne aufeinander und nahm den Kristallkelch auf, trank einen Schluck und blickte zu dem Mann empor, der sie jedoch fragend ansah.
"Wo kann ich diese Frau finden?"
Ein leiser, gequälter Seufzer entrann ihren mit Lippenrot gefärbten Lippen.
"Ach... ihr findet sie in..."
Wieder sah sie auf den Wein und schien kurz zu überlegen.
"Ich komme mit," murmelte sie, "werde dabei anwesend sein... und habe so zumindest den Beweis, dass sie tot ist."

***

Zurück in der kleinen Kammer...

Es war ein schöner Traum.. ein grosser, weisser Drache mit grossen Flügeln, der die Prinzessin schützen wollte.. doch wie es oft bei so schönen Träumen ist, enden sie jäh und dieser endete mit dem lauter werdendem Klopfen an der Tür.

Kikia blickte blinzelnd auf und rieb sich müde die Augen. Verschlafen blickte sie sich um, rief leise "Mama?", stand dann jedoch auf und tappste zur Tür rüber.
Sie reckt sich etwas und griff zum Riegel, den sie mühevoll zur Seite schob.
Sogleich öffnete sich die Tür und eine Frau in eleganten Gewändern blickte erst erstaunt, dann breit lächelnd auf das kleine Mädchen hinab.
"Na, Kleine... sag mal.. ist deine Mutter noch zu Hause?"

Kikia blinzelte in das geschminkte Gesicht empor, spürte, wie ein Duft von Rosen ihre Nase umschmeichelt und lächelte leicht, mit dem Gedanken, dass wohl vor ihr eine Prinzessin stehen müsse.
"Nein, die ist schon arbeiten," antwortete sie mit glockenheller Stimme.
Rasch, ohne noch ein Wort zu verlieren, wandte sich die Frau um, nickte einem Mann zu, der sich in der Dunkelheit des kleinen Flures aufhielt, um dann mit wallenden Gewändern davonzurauschen.

Kikia streckte ihren Kopf hinaus und blickte ihnen verwundert nach, schloss dann jedoch mühselig die Tür wieder und krabbelte gähnend in ihr Bett hinein.

***

7. Carmar, 14 nach Hilgorad, Friedhof von Draconis...

"Lania," hauchte ein etwa vierzigjähriger Mann, gehüllt in einer weiten Robe des Ventusordens, "ich kann sie nicht finden."
Ein verzweifelter Seufzer entwich seinem Mund.
"Wo ich auch frage oder suche... keiner hat sie gesehen."
Matt blickte er auf den Boden, spürte, wie sich seine Kehle zuschnürte und er nur mühevoll seine Tränen zurückhalten konnte.
"Es ist mein Fehler," flüsterte er leise, "ich hätte an dem Abend da sein sollen... hätte auf sie aufpassen sollen... oder zumindest hätte ich sie nicht allein zurücklassen sollen, als ich mich auf die Suche nach dir gemacht hatte."
Verzweifelt hob er den Blick, die grauen Augen angefüllt mit bitteren Tränen.
"Verzeih einem Narr... ich hätte dir anders helfen soll... Kindermädchen für deine Tochter.. das hat nicht gereicht... ich war nicht fähig genug, um sie davor zu bewahren, selber auf die Suche zu gehen."
Eine Träne rann über seine Wange.
"Ich hätte dich von dieser Arbeit abhalten sollen..." sagte er mit heiserer Stimme.

Ein Moment der Stille trat ein, weitere warme Tränen fielen hinab, benetzen seine Robe und das Zeichen des Ventus. Dann jedoch stand er leise schniefend auf, sich über das Gesicht reibend und blickte auf die frischen Rosen, die er aufs Grab gelegt hatte.
"Ich werde weitersuchen, Lania... bis ich Kikia wiedergefunden habe! Nicht eher werde ich ruhen!"

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BeitragVerfasst: 16.10.03, 11:16 
Edelbürger
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Strahlend funkelten die Sterne hinab und nur hier da und schoben sich einige Wolken vor sie, ein Käuzchen gab leise Laut in einem der grossen Bäumen ringsum und sanft strich Ventus' Atem durch die Wipfel.

Kikia lag unter einem dieser Bäume, blickte hinauf und lauschte den Geräuschen.. unter anderem auch dem leisen Schnarchen nahe bei ihr, was sie jedoch nicht im Geringsten störte, sondern vielmehr ein Gefühl der Sicherheit vermittelte.
'Papa,' dachte sie glücklich und dachte an all das, was an diesem Tag passiert war, an die 'magische' Flasche und ihren einzigen Wunsch, ihre Mama endlich wiederzufinden, der klägliche Versuch Daluwirhs sich als ihre Mutter auszugeben und ihre verzweifelte Anklage, dass sie doch alle nur Lügner wären.

Es tat ihr leid - sie mochte die Elfen und Garath über alles und sie schwor sich, nie wieder so etwas zu sagen, zumal Garath ihr versprochen hatte, sie niemals anzulügen.
Eigentlich wollten ja nur alle, dass sie endlich ihre Mama wiederfindet...

Kikia seufzte leise und rutschte mit ihrem Schlafsack etwas mühselig näher zu Garath heran.
Diese Suche dauerte schon so lange und sie fragte sich wirklich, ob Mama ihr wirklich so lange böse sein konnte?

Und doch hatte sie vieles kennengelernt und gesehen auf ihrer Reise - diese reisenden Spielleute, die ihr gezeigt hatten, wie man sich unbemerkt machen kann und stets genügend zu Essen hat, dann Arven, die ihr das Färben auf Etriska gezeigt hatte und hier auf Siebenwind die Elfen, bei denen sie nun lernte, wie man ein echter Elf ist.

Leise wiederholte sie die Worte, die sie gelernt hatte - Bunda, bundei, talija, fee, grogro und.. laen.
Das letzte Wort hatte sie oft wiederholt, immer wieder in Gedanken, in der Hoffnung, damit anderen Elfen, die ihre Sprache nicht kannten, sagen zu können, wen sie suche... Laen - Mama.

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BeitragVerfasst: 17.11.03, 02:32 
Edelbürger
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Wimmernd lag sie im Gras nahe des Goldquells. Der Regen fiel in Strömen, dann und wann donnerte es laut, doch Kikia, ein kleines, sechsjähriges Mädchen, das so oft ein Lächeln auf dem Gesicht getragen und die Hoffnung stets in sich bewahrt hatte, spürte all das nicht. Nur der Schmerz im Herzen bohrte sich in ihr, immer tiefer, bis auf den Grund ihrer jungen Seele.

Sie war tot.
Ihre Mutter war tot und sie wusste nun, dass es keine Lüge mehr war. Dieser Mann, noch selber nicht sehr alt, hatte ihre Mutter genau beschrieben, kannte gar ihren Namen...

Verzweifelt gruben sich ihre kleinen Finger wie Krallen in die vom Regen aufgeweichte Erde, der Kopf dagegen ruhte auf dem Boden und stetig rollten Tränen aus ihren Augen, um sich mit dem Regen zu vermischen.

Lachen, Sonne, Glück... als das schien zu vergehen. Nur an einem einzigen Tag schien das Schicksal oder gar die Götter ihr alles zu entreissen - ihre liebsten Freunde, die Auelfen rund um Daluwirh, die sie so oft besucht hatte, die Hoffnung, dass ihre Mutter noch leben würde und auch ihren neuen Vater, Garath, hatte sie heute nicht gefunden, war stattdessen von einem Ork und seinem Bären bedroht worden.

Leicht blickte sie mit Tränen gefüllten Augen auf und sah sich kurz um - sogar ihren Hasen, ein weiterer Freund, hatte sie nicht mehr bei sich, war sie doch schnell abgehauen, als sie sich aus dem festen Griff des Mannes nur dank dem kleinen, aber spitzen Dolch, den sie ihm an die Kehle gehalten hatte, befreien konnte. War er nun auch tot, fragte sie sich mit leerem Blick und sank wieder hinab auf die kalte, feuchte Erde.

Eine Weile lag sie so dort, noch immer schluchzend, all ihre Schmerzen in salzigen Tränen herausströmend, doch scheinbar verstärkte er sich mit jeder neuen Träne.
Doch dann schien es kurz in ihrem Geist aufzuglühen, fast wie ein Ruf, ein Locken...
Mit klammen und zitternden Fingern griff sie an ihren alten, mehrmals geflickten Rucksack und zog eine schlichte, dunkle Kette hervor. Sie schluckte den schweren Kloß in ihrem Hals mühevoll herab und strich über das Schmuckstück. Ein wenig, nur ein ganz klein wenig Hoffnung schien in ihrem Herzen mit kalter Flamme aufzulodern.

Es hatte im Gras gelegen.. achtlos hinabgeworfen, wie es schien... und sie hatte es mitgenommen - sie liebte Schmuck.
'Es macht unglücklich,' hallten die Worte in ihrem Geist wieder, doch wieviel unglücklicher konnte sie nun noch werden?

'Ich behalte es,' dachte sie und drückte sich die Kette leicht ans Herz, 'vielleicht hilft es mir...'

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 Betreff des Beitrags: ... nach neuen Wurzeln
BeitragVerfasst: 24.11.03, 15:10 
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Die Sonne kroch aus den Wolken hervor und beleuchtete mit ihrem schwachen, spätherbstlichen Schein eine grüne Wiese auf einer Insel unterhalb des Ritterforts. Ihr Schein strich über eine kleine, auf dem Boden liegende Person, die vollkommen versunken eine etwa kindsfaustgrosse, blaue, halbdurchsichtige Glaskugel emporhielt und diese leicht drehte. Der blaue Schimmer strich über das Gesicht des kleinen Mädchens und ihre braungrünen Augen fixierten die Kugel, doch in Gedanken verweilte sie bei den letzten Tagen...

Hoffnungslosigkeit, Trauer und Angst hatten ihr Herz im Griff gehabt, doch all das verflog nun langsam. Garath hatte mit ihr einen grossen schönen Apfelbaum ausgesucht, unter dem er eine rote Rose abgelegt hatte - ein Ort, an dem sie an ihrer Mutter denken konnte, hatte er ihr gesagt. Daluwirh und Ardanielle sprachen ihr Mut zu und kürzlich hatte sie bei ihnen, als sie mit ihren Sohn Lytharis spielte, alle Sorgen für wenige Stunden vollkommen vergessen. Sie erinnerte sich an die Reime von Honigmund, daran, dass ihre Mutter immer bei ihr sein würde - tief im Herzen.

Sie schloss die Augen langsam und liess die Hand mit der grossen Murmel gen Boden sinken.
'Weine nicht... das zeugt von Schwäche und du willst doch stark sein, oder?'
Kurz hallten Taleris' Worte in ihrem Geist nach. Ja, stark wollte sie sein und mit dieser Stärke konnte sie auch hier weiterleben.
"Ich bin ja auch kein kleines Kind mehr," murmelte sie etwas schläfrig und verschränkte die Arme hinter ihrem Kopf, die Kugel neben sich liegen lassend.

Langsam schlummerte sie in der Wärme, die auf dieser Insel selbst zu dieser Jahreszeit herrschte, ein und spürte, dass ihr jemand nah war und nah blieb - tief im Herzen, sicher voll jeglichen Gefahren, die diese Welt bieten konnte.

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BeitragVerfasst: 18.07.04, 13:04 
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Die Sonne strahlte hinab vom blauen Himmel und ein kräftiger Wind trieb ein grosses Segelschiff über das Meer von Etriska nach Siebenwind.
Tormin hatte die Augen geschlossen, spürte Ventus' Atem auf seiner Haut und genoss dessen Anwesenheit. Es war wie eine Meditation, im Wind an Deck des Schiffes zu stehen und zu spüren, wie die Anwesenheit des Herrn des Windes ihm neue Kraft gab.

Endlich hatte er, ein Priester des Ventus aus Draconis, eine Spur von Kikia gefunden. In Rothenbucht war er einem Trupp Gaukler nach langer Suche begegnet und erfuhr von diesen, dass vor längerer Zeit sich ihnen ein kleines Mädchen, nämlich Kikia, angeschlossen hatte. Mit ihr reisten sie vor etwa einem Jahr längerer Zeit umher und hatte mit ihr nach ihrer Mutter gesucht.
Dann irgendwann hatte die Kleine wohl erfahren, dass es im Moment viele Menschen nach Siebenwind zieht, trotz eines Krieges, der dort herrscht, und sie hatte wohl einige Tage lang davon gesprochen, dass dort vielleicht ja ihre Mutter sein möge.
Irgendwann... war das Kind fort.

Der Krieg - Tormins Sorgen wuchsen nun wieder, wenn er daran dachte. Er hoffte inständig, dass sich jemand der Kleinen angenommen und ihr sicheren Schutz gewährt hatte.

"Brandenstein in Sicht," gellte der Ruf eines Matrosen vom Möwennest hinab auf das Deck. Kurz blickte Tormin empor, dann aber nach vorne, wo sich am Horizont wohl langsam Land abzeichnete...

***

Zhnopf weit weg, Garath war oft beschäftigt und einige ihrer Freunde wohl wieder abgereist - Kikia sass mit trüber Miene am Hafen, liess die Beine vom Steg baumeln und angelte mal wieder, neben sich als Gesellschaft lediglich ihren kleinen, braunen Hasen Klein-Garath, der an einer Karotte mümmelte.

In letzter Zeit hatte sie oft an Draconis und ihre Freunde von einst gedacht. Sicher, das Leben war nicht einfach gewesen in dem Armenviertel, wo sie aufgewachsen war, aber sie hatte immer ihre Freunde um sich gehabt und jeden Tag zog die Rasselbande um die Häuser, spielte, machten ihre kindlichen Mutproben oder lümmelten einfach auf dem Markt herum.

Auch wenn sie hier alles hatte - einen Vater, saubere, schöne Kleidung, genug zu Essen und sogar ein Pferd - sie vermisste ihre alten Freunde in diesen einsamen Momenten schmerzlich.

Leise seufzte sie und sah hinaus aufs Meer, blickte kurz nur zu dem Segelschiff hin, dass sich allmählich am Horizont abzeichnete, dann aber wieder hinab an der Schnur ihrer Angel entlang.
'Sogar die doofen Fische mögen mich nicht und beissen nicht an!'

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BeitragVerfasst: 23.07.04, 13:32 
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Siebenwind war kaum noch zu sehen - bloss ein dünner Landstrich am Horizont, doch Kikia blickte immer noch zurück, unsicher, ob sie sich freuen oder weinen sollte. Sie hatte versprochen zurück zu kehren und das würde sie auf jeden Fall einhalten, doch andererseits hatte sie sich nur von Garath, ihrem Vater, verabschieden können. Alle anderen - Zhnopf, Julianna, Iko, Larson, Delera, ihre auelfischen Freunde und noch einige mehr - hatte sie in der Eile nicht mehr aufsuchen können. Aber vielleicht war das auch besser so? Bei Garath allein fiel es ihr ja schon so schwer..
Sie legte ihr Kinn auf die Reling ab und blickte weiterhin zurück zur Insel, während der Wind mit ihren braunen Haaren spielte.

Als sie ankam, war sie ganz alleine gewesen, hatte Hunger gehabt und hatte so letztendlich ein Haus betreten, dessen Tür offen stand. Dort hatte sie sich einige Lebensmittel und sogar ein wenig Kleidung genommen, die sie später kürzen liess. Dabei hatte sie bemerkt, dass jenes Haus offenbar ein Haus der Elementarherren war. Die Schuldgefühle hatten sie danach lange gequält, mochte sie doch Venuts immer am liebsten. Später legte sie daher dann und wann ein wenig Geld oder auch mal einen der glitzernden Steine in dem Gebetsraum ab, in der Hoffnung, es wenigstens ein wenig gut machen zu können.

Das war auch damals die Zeit, als sie oft im stadtnahen Wäldchen herumstreunte und dort, am nördlichen Rand, ein kleines Lager vorfand. Sie hörte das Lachen anderer Kinder und schlich sich neugierig heran. Ein eher kleiner, blonder Elf, gewandet in recht eigentümlicher, weiter Kleidung, spielte mit einigen Menschenkindern und entdeckte auch Kikia. Hier hörte sie spannende Geschichten, wurde das erste Mal von Ardanielles Magie geradezu verzaubert und kehrte mit einem Lächeln wieder zurück in die Stadt.
Die Auelfen rund um Daluwirh wurden zum einen grossen Teil zu ihren Freunden und sie übernachtete bei ihnen sogar öfters.
Als dann die Elfen eines Tages zu einem Ort namens Avindhrell gingen, schlich sie ihnen heimlich nach - sie hoffte noch immer, ihre Mutter zu finden und da sie sie in und um Brandenstein nicht gesehen hatte, musste sie eben weiter auf der Insel suchen. Zwar hatten die Elfen ihr gesagt, der Weg wäre gefährlich und sie sollte lieber im Lager bleiben, doch sie hörte nicht darauf und schlich ihnen nach.
Es war an einem Gebirgspass, wo Kikia innehielt, sich hinter einem Stein versteckte und den Elfen lauschte, denn diese hatten kurz gestoppt und redeten miteinander. Als die Elfen wieder weitergehen wollten, hörte sie hinter sich Hufgetrappel und wie ein Mann sie mit freundlicher Stimme ansprach. Rasch drehte sich die Sechsjährige um und sah erschrocken hoch zu dem Mann - er trug eine Uniform und sie wusste, dass solche Menschen gefährlich für sie waren. Als er sie fragte, was sie hier denn alleine machen würde, sagte sie nicht ganz wahrheitsgemäss "Nichts!", dann aber schaute sie gespielt entsetzt an ihm vorbei, zeigte auf einem Punkt hinter ihm und rief "Was ist das denn?"
Der Mann mit den langen braunen Haaren und der Uniform, auf der ein roter Falke abgebildet war, drehte sich um und Kikia konnte die Flucht ergreifen.
Bald hatte sie die Spuren der Elfen wiedergefunden und folgte ihn bis ins zerstörte Avindhrell rein, wo sie jedoch rasch von ihnen entdeckt wurde.
Daluwirh sprach mit ihr und nun erzählte sie das erste Mal von ihrer Mutter, dass sie sie suchen würde und hoffte, hier auf der Insel zu finden. Daluwirh war es auch, der ihr erzählte, es gäbe jemanden, der ihr vielleicht helfen könnte - Garath, so lautet sein Name, sagte Daluwirh zu ihr.
Wenig später traf jener Garath ein - der Mann, den sie am Pass mit ihrer kleinen Notlüge abgeschüttelt hatte!
Garath hörte sich ebenso ihre Geschichte an und versprach ihr zu helfen.
Von da an sah sie Garath oft und bekam von ihm sogar einen kleinen Hasen als Gefährten, den sie Klein-Garath nannte.

Als sie wieder einmal bei den Auelfen im Lager war, tauchten ein paar Zwerge auf, unter ihnen auch eine Zwergin namens Zechi. Die Zwergin hatte ein paar Geschenke dabei und überreichte Kikia eine Flasche, deren Glas ungewöhnlich schimmerte. Sie erklärte, es wäre eine magische Flasche und würde ihr einen Wunsch erfüllen. Kikia hatte einen Wunsch, doch sie schlief dennoch eine Nacht darüber, ehe sie sich dazu durchrang, ihn sich zu erfüllen.
"Ich wünsche mir, meine Mama wäre wieder bei mir," sprach sie, wieder im Lager bei den Auelfen am Feuer sitzend, hatte die Augen geschlossen und wartete mit einem Lächeln darauf, dass die vertraute, liebevolle Stimme ihrer Mutter zu ihr sprach.
Doch nichts geschah - stattdessen versuchte Daluwirh die Situation irgendwie zu retten und gab sich, wohl mit ein wenig magische Unterstützung von Ardanielle, als Kikias Mutter aus. Kikia durchblickte die Lüge und lief mit der Anklage, dass sie doch alles Lügner wären, fort. Garath eilte ihr nach, der ebenso dabei gewesen war und versucht hatte, Dalu als ihre Mutter hinzustellen. Lange redeten beide miteinander und es tat ihr langsam leid, was sie gesagt hatte. An diesem Abend bot ihr Garath an, dass er ihr Vater werden könnte, denn allmählich befürchtete er, dass Kikias Mutter schon gar nicht mehr an Leben sein könnte.

Wie recht er hatte - Kikia hielt weiter noch wochenlang an ihrer Suche fest, fragte umher und jeder versprach ihr zu helfen. Dabei fiel ihr ein Mann auf, noch recht jung und mit einem finsteren-kühlen Gesichtsausdruck, der sich in ihrer Nähe immer merkwürdig verhielt, indem er anfangs immer versuchte das Weite zu suchen.
Doch langsam kamen beide ins Gespräch und sie lernte so Taleris Blütenglanz kennen. Er versuchte sie mit ihren harten Worten zu stärken, was meist nicht den von ihm erwünschten Effekt erzielte. Er gab ihr öfters Geld oder Edelsteine, kaufte ihr vom Markt etwas, wenn sie sich was wünschte.
Doch eines Tages änderte sich alles, als er ihr endgültig sagte, dass ihre Mutter tot wäre. Sie mochte es nicht glauben, doch er konnte ihr Mutter beschreiben und wusste ihren Namen - Taleris hatte Kikias Mutter im Auftrag einer reichen Dame getötet, was ihm jedoch leid getan hatte, denn sein Schicksal, wie auch das von Kikia, ähnelten sich stark - beide verloren ihre Mütter durch die Willkür reicher, adeliger Herrschaften.
Ihre Suche endete, doch anders, als sie es erhofft hatte. Als Garath Kikia traf, erzählte sie mit trauriger Miene davon, doch Garath wusste, wie er sie wieder etwas aufheitern konnte. Er suchte mit ihr den Friedhof nahe Brandenstein auf und dort wählte sie einen Apfelbaum aus. Dieser Baum, so erklärte Garath, sollte für sie von nun an ein Ort sein, wo sie mit ihrer Mutter reden und an sie denken konnte. Hier legte er eine Rose nieder und oft suchte Kikia danach diesen Ort auf, um ihrer Mutter wieder ein wenig näher sein zu können.

Allmählich nahm ihr Leben wieder eine normale Bahn - sie fand weitere Freunde, darunter auch Zhnopf, den sie zufällig auf dem Markt traf. Sie schlenderte dort gerade umher, ihren Hasen wieder auf dem Arm, als sie den kleinen Orkjungen sah - auch er hatte einen Hasen und beide lachten über diese seltsame Gemeinsamkeit. So fand sie ihn ihm einen neuen, wenn auch etwas ungewöhnlichen Spielgefährten. Oft durchstreiften die beide die Gegend, nicht selten auch Orte, bei denen Garath vor Sorge sicher schier umgekommen wäre, wenn er gewusst hätte, wo sich seine Tochter rumtrieb.
Sie streunte mit Zhnopf durch Brandenstein, spielte mit ihm, einen Lederball und der Botentür Fussball, sie verkauften zusammen mit Tamahra, einem Mädchen, dass sie etwas später kennenlernte, den Siebenwindboten oder ärgerten hin und wieder mal einen Zwergen.

So ging allmählich der Herbst und Winter vorbei, Kikia lernte von Garath das Lesen, Schreiben, Zählen und auf seinem Hengst Ilion sogar das Reiten. Kikia kam über die Trauer um den Tod ihrer Mutter hinweg, genoss das Zusammensein mit ihren vielen Freunden und so langsam zeichnete sich doch ab, dass sie eine neue Mutter finden würde - Julianna, eine junge Frau und offenbar Heilerin, hatte Garath kennen, und so wie es schien, lieben gelernt. Kikia unternahm oft, nicht selten kindlich-plumpe, Versuche, um die beiden zusammen zu bringen. Oftmals brachte sie damit die beiden in grosse Verlegenheit.

Es war auch die Zeit, wo sie etwas anderes feststellte - es gab ein Thema, wo die sonst so abgebrüht scheinenden Erwachsenen sehr empfindlich reagierten - egal, ob sie nun ein etwa 30 Jahre alter Mensch oder ein 127 Jahre alter Elf waren. Stets kam das gleiche Symptom - Stottern, rote Wangen und rote, wohl kurz vor dem Platzen stehende Ohren und meist eine rasche Ablenkung auf ein anderes Thema.
Das erste Mal, wo sie diese Wirkung bei Garath feststellte, war die Frage, was Zhnopf eigentlich mit diesem "Pimpi-Pimpi" meinte und auch den Kuss, den sie Iko auf die Wange nach einem Zaubertrick gegeben hatte, erzeugte eine ähnliche Reaktion, wobei in Ikos Fall noch ein seltsames Misstrauen auf Garaths Seite hinzukam.
Im Winter hatten die Erwachsenen nun mehr Zeit, sassen in den Häusern an den warmen Kaminen und so konnten sie den Fragen neugieriger Kinder kaum entkommen. Kikia und Tamahra fragten an einem Abend während Dunkeltief in der Taverne Toran Dur zu dem Thema aus. Seltsam verworren waren seine Erklärungen zum sogenannten "Vitamaritual" und Sheesa Ardeen erklärte dann den beiden Mädchen in aller Ruhe und mit einer Engelsgeduld so ziemlich den ganzen, noch unklaren Rest. Lediglich auf die Frage hin, ob sie und Toran auch ein Vitamaritual machen würden, bekam sie die typischen Symptome, während Toran sich wohl fast an seiner Pfeife verschluckt hätte.
Als später noch Ardanielle den allerletzten unklaren Rest erklärte, nämlich wie die Kinder zu Welt kommen würde, wusste Kikia, dass wäre nie im Leben etwas für sie!

Der Frühling nahte wieder, Kikia lernte weiter das Schreiben und Lesen, was auch bitter nötig war, als sie auf Delera traf, die nicht Sprechen, aber dafür schreiben konnte. Auch wenn es für Kikia mühselig war - so lernte sie das Lesen auf eine recht rasche Art und Weise.
Im Frühling adoptierte Garath Kikia auch endlich offiziell. Da sie gerne zu Ventus betete, wobei sie es eher als eine Art Gepräch ansah, und er Rien verehrte, entschied Garath, dass die Adoption ein zwergischer Rienpriester namens Barkor vornehmen sollte.
Barkor schien ein Gespür dafür zu haben, mit beiläufigen Bemerkungen über die geisterhaften Myten Kikia Angst zu machen, doch letztendlich war die Adoption eines der schönsten Erlebnisse, die das Kind hatte und als Erinnerung daran, bekamen sie und Garath von Barkor ein Holzschwert geschenkt, auf dessen eine Seite das Zeichen Riens, auf der anderen das des Ventus eingeschnitzt war.

Lächelnd blickte Kikia noch immer zurück zu der Stelle, wo sie Siebenwind vermutete - sie hatte eine wirklich schöne Zeit dort verbracht und wollte dafür sorgen, so rasch wie möglich wieder zurück nach Siebenwind zu kehren.
'Bis bald, meine Freunde,' dachte sie noch, drehte sich dann um, um nicht mehr zurück, sondern nach vorne zu sehen, auf das, was auf sie zukommen mag.

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Zuletzt geändert von Kikia: 23.07.04, 14:34, insgesamt 1-mal geändert.

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