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BeitragVerfasst: 22.10.04, 22:23 
Altratler
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Aves

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So ein Gefühl geboren wird, erklingt ein Lied in der Ferne. Durch die Höhen und Tiefen des Landes, fliessend in jede Ritze, einnehmend ein jedes Wesen an dessen Ohr es dringt.
So ein Gedanke den Geiste verlässt, entsteht eine Geschichte. Das Bildnis von Farbe, Form und Figur in sich vereinend, durchbrechend jene feine Linie zwischen Wahrheit und Fantasie.
So eine Gabe eingesetzt, geschenkt demjenigen, der sie zu nutzen weiss, und es vergehen Krieg und Schande, Schmach und Leid. Ein Licht, entzündet im Dunkel der Welt. Doch ein Lied verklingt und Worte einer Geschichte finden zu einem Ende.“


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BeitragVerfasst: 23.10.04, 17:47 
Altratler
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Geordnet sitzen sie auf des Baumes Ast. Kleinen Soldaten gleich. Die gefiederte Brust stolz in Richtung der untergehenden Sonne gestreckt. Rot und rund am mit einigen Wolkenfetzen verhangenen Himmel stehend. Flügel an Flügel. Den Kopf hie und da nach links und rechts streckend und den Schnabel des jeweiligen Nachbarn zu berühren, sich so die Vergewisserung einholend nicht alleine zu sein. Selbig Ziel, die selben Absichten. Die Nacht wird bald kommen, das wird sie, und mit ihr der Abschied. Hin und her schaukeln die goldgelben und roten Blätter. Hin und her.

Mit seiner schneeweissen Unschuld verhüllt die Decke den dürren, ausgehungerten Körper. Welch kranker Mann. Gebrochen. Verkümmert. Liegend auf einem Bette, gefertigt aus schwerem, dunklem Holz, in diesem kleinen, beengenden Zimmer, staubgetränkt und erdrückend. Vier Wände halten zurück, was eigentlich weit, weit in die Welt hinaus getragen werden sollte. Die sich öffnende Tür spült zumindest ein wenig frische Luft in dieses Dickicht aus Hoffnungslosigkeit und dem nahenden, in der dunklen Ecke kauernden Tode. Doch schnell ward sie wieder geschlossen. Die unbekleideten Füsse kaum anhebend huscht sie durch den Raum. Kein Geräusch hinterlassend. Noch nicht einmal die ansonsten knirschenden Holzdielen, den Boden abdeckend, wagen es die Ruhe zu durchbrechen und ihre Stimmen zu erheben. Sachte setzt sie sich auf den Rand des Bettes. Das dampfende Schüsselchen, eben noch achtsam vor dem Ausschütten bewahrt, auf seinen Bauch stellend. Wärme. Wohlige Wärme durchströmt seinen Körper, wandert durch seine Glieder und versiegt in den Finger- und Zehenkuppen. Lässt ihn seine Augen öffnen. Flackernde Lider. Ehe er in jenes Gesichte, wohlig geformt, blickt, welches er seit Anbeginn seiner Zeit des Denkens, liebte. Ein müdes Lächeln wandert über seine Lippen. Und wird erwidert. Obwohl ihr die Tränen doch so viel näher stehen würden. Schnell mit dem Handrücken über die Augen gefahren. Und umgerührt. Den Löffel schwungvoll am Rande der Schale entlang führend. Abgeklopft. Darüber gepustet. Dampf steigt auf, verschwindet, während sie den Löffel langsam zu seinem Munde führt. Nur schwerlich bewegen sich seine trockenen Lippen und kosten. Kosten, was in einem Topfe aus feinstem Stahl und unter Aufopferung von viel Zeit zubereitet wurde. Sein Gesicht verzieht sich. „Du musst etwas essen.“ Schnell, schnell streicht sie mit der freien Hand eine graue Strähne seines Haars, einst der Farbe des goldgelben Kornes, stehend in voller Reife nicht unähnlich, aus dem Gesicht. Er legt seinen Kopf zur Seite. Abwehrend. Ehe seine Züge wieder in ihre gewohnten Bahnen zurück finden und sich Müdigkeit zu ihnen gesellt. Den Blick auf das einzig Fensterlein gerichtet, welches Licht gewährt, so er ja den Weg sehen muss, wenn er seine letzten Schritte geht, erhebt er seine raue und belegte Stimme. Durchbricht die Stille. „Mein Engel, erinnerst du dich?“

Und weit fort mischt sich Unruhe unter die Vögel. Sitzend in Reih und Glied. Begleitet vom Harfespiel des Waldelfen, vor einiger Zeit geklettert auf den Baum und gemächlich liegend im Schosse eines gebogenen Astes, den Fuss im Takte hin und her schwenkend, steigen sie auf. Zu Hunderten. Verlassen die farbige Krone. Eine schwarze Wolke, sich erhebend in den kühlen, frühabendlichen Himmel. Zurücklassend nur einige Federn, zu Boden schwebend. Ihre letzte Reise hat begonnen.


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BeitragVerfasst: 24.10.04, 00:07 
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Apfel

„Sag, erinnerst du dich an jenes Feste der Zwerge? Welch Pracht. Welch Bärte. Welch Braten. Nichts gegen deinen Brei, Liebste. Er schmeckt wahrlich… Wahrlich speziell. Aber hast du ihn nicht immer noch in deiner Nase? Der Duft. Schmeckst du die Zartheit des Fleisches noch auf deiner Zunge? Die Grösse von vier Kühen hatte er. Jaja. Es ward an einem Tage, an dem die Sonne hoch über einer, mit Schnee, gefallen in der Nacht zuvor, bedeckten Landschaft stand. Morsan. Kühle und eisiger Atem. Ein jeder war gekommen, obschon keine Einladungen verschickt wurden. Der Dwarschim mit dem flammenden Haupthaar. Die rundliche, wohlgenährte Tochter des familieneigenen Bäckers. Ein eigenbrötlerischer Schmied, seinen Hammer niemals aus der Hand legend. Viele mehr. Und wir. Zwei Elfen. Inmitten eines Völkchens aus Haaren und erhobenen, wohl überraschend grossen Biergläsern. Eine Ehre. Wenn man bedenke, dass ich nichts anderes für jene Ladenden getan habe, als ab und an in ihrer Taverne, beim lauschigen Lichte einer Laterne, Geschichten vorzutragen. Die hohe, steinerne Halle ward reich geschmückt. Rüstungen, schimmernd und auf Hochglanz poliert gingen Hand in Hand mit Blumen, deren Blüten, gross wie ich sie noch nie zuvor sah, geknüpft und zusammengefügt zu wundersamen Gebilden. Hängend von der kaum sichtbaren Decke und aufgestellt inmitten der Wartenden. Viele Köpfe. Viele hungernde und knurrende Mägen. Welche jedoch alsobald verstummten. In einem Kleid wie es farbenfroher nicht hätte sein können stand sie unter dem grossen Torbogen. Die Braut. Von stämmiger Natur und einem Kranze aus weissen und blauen Blumen auf dem Kopf. Ein einprägender Anblick. Ohne weiteres Zögern riss sich die Menge auseinander. Einen Weg zur Mitte der Halle bildend. Offene Münder. Offenes Getuschel. Hatte sie etwa abgenommen? Wie viel dieses Kleid wohl wieder gekostet hat? Und überhaupt, welch Glück sie habe. Entschlossenen und festen Schrittes durchschritt die Dame des Tages den freigelegten Pfad, gesäumt von Freude, guten Wünschen und Neid. Drei Gestalten, nur noch schemenhaft mag ich mich an sie erinnern, empfingen sie. Und mit ihnen der zu Vermählende. Zitternd am ganzen Körper. Was natürlich nicht zu sehen war, doch zu hören. Ein klimperndes goldenes Kettenhemd. Kein einfacher Schritt für einen Manne, musst du wissen mein Engel. Die ewige Bindung. So… ewig halt. So war das bei unserer Trauung unter den Linden bei Mondeschein natürlich ganz anders. Versteh mich nicht falsch. Doch wollen wir nicht von der Geschichte abweichen. In feierlichem Tone ergriff einer der Gestalten das Wort. Und es sollten noch viele Wörter folgen. Zu jedem weiteren gesellte sich wiederum ein knurrender Magen, eben noch geschwiegen nun nach seinem verdienten Lohne für das lange Warten fordernd. Dann ward es soweit. Das Fest. Rauschend und erlösend. Erhobene Biergläser. Fallen gelassene Vorsätze. So stritt man sich noch während den Feierlichkeiten darüber was nun der Höhepunkt sei. Der hemmungslose Tanz der vollschlanken Bäckerstochter auf dem zu unstabilen Tische oder der althergebrachte Brauch des Apfels. Geschnitten in zwei Hälften. Liegend vor dem Brautpaare. Der Anzahl Kerne gleich sollen Kinder aus der Frucht ihrer Liebe entspringen. So sage man. Ein kleines Zwergenmädchen, kaum den eigenen Stoffwindeln entwachsen, hatte die ehrenvolle und zugleich wichtige Aufgabe mit seinen kleinen Fingern die Samen aus der Frucht Gehäuse zu pohlen. Welch gute Gelegenheit die gelernten zählerischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Ein Kernchen. Auf den Boden geworfen. Zwei Kernchen. Auf den Boden geworfen. Drei Kernchen. Auf den Boden geworfen. Und so kam der Moment an welchem des Mädchens Künste an ihre Grenzen gelangten. Ganz im Gegensatze zu den Kernen. Offene Münder. Offenes Getuschel. Und ein Brautpaar rückwärts vom Banke fallend. Ein Granatapfel! Der aufklärende Zwischenruf. Gefolgt von erleichtertem Raunen und schallendem Gelächter. Welch übler doch lustiger Streich. Jaja, die Dwarschim wussten es kecke Witze zu reissen. Das Brautpaar lachte nicht. Regungslos am Boden liegend, die Augen weit aufgerissen. Herzen lieben. Herzen versagen. Eheringe verbinden. So versagten die ihrigen an diesem, ihrem schönsten Abend gemeinsam. Noch lange brauchte es bis alle, auch wir, die traurige Nachricht erfuhren. Und so ging man nach Hause. Ohne sich zu verabschieden. Man würde sich ja an der Bestattung sowieso wieder sehen. Und schon wieder müsse der Bart gekämmt und das Kettenhemd poliert werden. Man ging nach Hause mit einem merkwürdigem Gefühle im Magen. Und der Frage was es wohl an der Bestattung zu Essen geben werde. Braten?“


Zuletzt geändert von Illis: 24.10.04, 17:04, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 24.10.04, 17:05 
Altratler
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Frei fliegen sie. Frei von alle dem was ihnen die Natur einst auferlegt. Eine Ansammlung dunkler Punkte am Himmel, ein Gebilde, sich fortbewegen mit ein jedem Flügelschlag. Überqueren die höchsten Berge, die tiefsten Täler. Folgen dem Lauf eines Flusses um nach einem Atemzug die Endlosigkeit einer weiten Grasebene unter sich zu wissen. Frei fliegen sie. Frei von allem.

Nur mit Mühe würgt er die kleine Portion, eingegeben durch des Holzlöffels tückischen Verrats, herunter. Brei. Doch lag es nicht an ihm. Er verspürte keinen Hunger mehr. Nicht mehr. Nur Geschichten, tausende von Gedanken, schwirrend in seinem Kopfe. Erzählen muss er sie. Bevor es zu spät ist. „Lass es.“ Bestimmt doch liebevoll schiebt er die Hand seiner Frau, einen weiteren Bissen heranführend, zur Seite. „Leg dich zu mir.“ Tätschelnd die Hand auf die freie Stelle des Bettes. Kein Zögern. Die Schale beiseite gelegt. Seitlich schmiegt sich ihr Körper an den seinigen. Zwei alte Gestalten. Wohlig im Arme. „Unsere Hochzeit…“ Ihre Stimme, auffordernd und von der seinigen aufgefangen. Den Blick an die dunkle Decke gerichtet. „Unsere Hochzeit. Unter den Linden, deren Geäst, tief gen Boden ragte. Ihn beinahe berührte. Der Mond stand hoch, legte sein silbern Licht über die Farne, die Halme, wunderschön stehend am Rande des Teiches. Das Zirpen der Grillen. Der Geruch des nahenden Morgentaus. Vieles ereignete sich an diesem zauberhaften Orte. Vieles, das nicht im Entferntesten etwas mit uns zu tun hatte.“ Ein Husten durchwandert seinen Körper. Blut. Wenige rote Spritzer auf dem weissen Kissen. Von ihr gesehen und ignoriert. „Erinnerst du dich an jenes traurige Schicksal?“


Zuletzt geändert von Illis: 30.10.04, 20:55, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 30.10.04, 20:55 
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Letzter Tag

Ist der Kröten Kleid wahrhaftig grün, so man es mit den Augen einer Hoffnungslosen betrachtet?

Langsam tragen sie ihre dünnen Beine durch die engen Gassen. Schwebendes Gleiten. Eingekesselt von mehr oder weniger sauber verarbeitetem Mauerwerk. Moos, über die Jahre angesetzt, frisst sich in den harten Stein. Unnachgiebig an ihm nagend. Ein Gefängnis? Doch nein, es öffnet sich vor ihr jener Pfad, gibt einen Platz frei, weit und mit gepflastertem Boden. Wellen aus Geräuschen, Gerüchen und Schatten brechen über ihr zusammen. Sie ertrinkt nicht. Klammert sich fest an jenen hölzernen Pfahl, gehörend zu einem Verkaufsstand, wie sie hier noch zu dutzenden aufgestellt sind. „Kauft meinen Fisch, der einzig Frische auf diesem Markte!“ Sie geht leicht in die Knie, den Blick auf die vorbeihuschenden Gestalten gerichtet. Emsiges Treiben. Farben. Stoffe. „Werter Herr, wie viel mag dieser Umhang kosten?“ Zögerlich löst sich ihr Griff. Schreitet voran und streckt ihre Hand aus. Lässt sie wandern über die Menschen. Berührt die edle Dame, gekleidet in zartes Rosa, feilschend um jede Münze und den Sacke voller Gold in der Hand. Lässt ihre Fingerkuppen wandern über den Herrn in eisernen Rüste, stramm stehend und seinen Dienste im Namen einer gesichtslosen Organisation verrichtend, ohne Frage zu stellen, ohne Zweifel zu hegen. Ertastet des Diebes krummen Rücken, gebückt um den Nichtbetuchten ihr letztes Säcklein aus der Tasche zu ziehen. Wird begleitet von ungläubigen Blicken, empörtem Gemurmel, uneinsichtigem Kopfschütteln. „Der Bote! Frisch gedruckt. Der Bote!“

„Schon oft war ich hier. Habe gekauft. Habe verkauft. Wurde verkauft. Doch, so ich nun in die Gesichter jener schaue, welche Tag ein, Tag aus meinen Weg kreuzten so erblicke ich sie doch erst jetzt. Weshalb haben sie sich verloren? Verloren im Ganzen. Untergegangen in der Menge. Mögen auch sie es sehen, jene Meute wilder Tiere, sich kämpfend von Stand zu Stand, sich lügend von Angebot zu Angebot. Gebrochenes Lächeln aufgesetzt. Zähne gefletscht. Gebrochenes Lächeln abgenommen. Friedlich kauend. Doch ich werde es mitnehmen, dieses Bild, und es bewahren.“

Ihre Griff umschliesst die kunstvoll geschwungenen, gusseisernen Klinke, vereinzelt verziert mit kleinen Blumen. Wie kalt sie doch ist, obwohl sie vom Aufgang der Sonne, bis zum Erglühen der Sterne durch tausende von Händen geht. Sie öffnet die Tür. Stimmen, hohe, tiefe, kratzende, wohlklingende, sich beschwerende, anzweifelnde, übertreibende, lautlose. „Noch ein Bier bitte.“ Freundlich wird sie empfangen von jener jungen Frau Lächeln, in dem ihrigen Alter und stehend hinter einem langen Tresen, sich quer durch den ganzen Raum ziehend. Doch ward es von ihr nicht gesehen. Langsam schwebt sie von Tisch zu Tisch, liebevoll gedeckt mit roten Tüchern, flackernden Kerzen und duftenden Mahlzeiten. „Hast du das neuste Gerücht schon gehört?“ Steckt ihren Finger in die dampfende Suppe. Kostet. Beisst ab vom knusprigen Brot. Kostet. Trinkt aus dem halbvollen Weinglas. Und kostet. Nimmt sich Zeit, lässt ein jeden Gaumenschmaus auf ihrer Zunge vergehen. „Darf man ihnen noch etwas bringen?“ Schliesst die Augen und findet sich wieder auf selbigem Platze, die herrische Stimme der Tavernenwirtin im Nacken. Das Lächeln verflogen, eine finstere Miene an seinen Platze getreten. Was einem auch einfalle. Kein Anstand. Mit wetternden Sätzen schmeisst sie um sich, doch werden diese weder gehört noch wahrgenommen.

„Und ihre Lippen hängen an ihren Gläsern, ebenso wie ihre Gedanken dem Vergangenen, Verpassten und Unerfüllten nachhängen. Ersäufen ihr Leid. Trinken ihre Gegenwart schön und merken nicht wie sie an ihnen vorbeizieht, wie sie vergeht, wie sie sie verpassen und sie unerfüllt zur Vergangenheit wird. So hoffe ich, wachen sie auf. Doch ich werde es mitnehmen, dieses Bild, und es bewahren.“

Sie geht. Verlässt die Menschen. Verlässt die Stadt. Lässt sie hinter sich, die Mauern, die Türen und kommt zu jenem Orte der Stille. Von der Nacht umschlungen stehen sie, die Weiden, ihre Äste weit gen Boden geneigt. Ihn streichelnd. Und hinter ihnen liegt der Teich, ruhige Wellen und das Licht des Mondes auf seiner Oberfläche tragend. Schon am Morgen hatte sie es sich vorgenommen. Sachte hebt sie ihr langes, weisses Kleid an und taucht ihre Füsse ins Wasser ein. Kühl und doch wärmer als vieles, was sie heute und ihr ganzes klägliches Leben lang erlebt hatte. Unverstanden. Ungeliebt. Sie hatte sie gesehen, die Welt. Sie nimmt sie mit, die Bilder, und bewahrt sie auf. Ewig. Schritt für Schritt. Das Wasser schwappt, in kaum merklichen Wellen von ihr weg, umschliesst sie. Schwebend auf dem schwarzen Teppich, ihr Kleid. Während sie untergeht.

Denn am Rande des Teiches, zwischen Farnen und Halmen sitzt eine Kröte mit einem, im Mondeschein, silbern schimmerndem Kleid.


Zuletzt geändert von Illis: 30.10.04, 22:47, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 31.10.04, 17:36 
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Hauchend berühren ihre Lippe seine Wangen, geziert von der Falten Verlauf. Ein Leben, niedergeschrieben in einem Gesicht. Langsam drückt sie sich vom Bette hoch, stets bemüht ihn nicht aus seinem Schlafe, ihn soeben übermannt, zu reissen. Träume. So sind sie es doch, welche Geschichten nähren und ihnen Leben verleihen. Nackt gleiten ihre Füsse über den glatten Holzboden. Ihr Gewand leicht anhebend, verlässt sie das kleine Häuschen durch die einzige Tür. Führend in den eben angebrochenen Morgen. Das Richtige tuend.

Auf die Zehen stellt sich der schmächtige Junge, streckt den Finger seiner kleinen Hand gen Himmel. Mit der anderen am Rockzipfel der Mutter ziehend. Nur widerwillig dreht sich jene von den frischen Früchten und dem saftigen Gemüse, angerichtet zu kleinen Türmen, einladend, auffordernd, ab. Folgt der Deutung des Kleinen. Der Sonnen Licht, eben noch fallend auf das rege Treiben des Marktes, wird gebrochen. Schatten ziehen über die Dächer der Stadt, durch die Strassen, über die zahlreichen Gesichter, gewandt zum Spiele der Natur. Gewandt zu hunderten von Vögeln, die Häuser überfliegend. Und den Tage für einen Moment verdunkelnd.

Geweckt vom Rütteln. Aus dem Schlafe erlöst vom Wiehern der Pferde. „War ich nicht noch eben in meinem Bette, dich an meiner Seite wissend. Mein Engel?“ Eingemummt in eine dicke Decke sitzt er auf einem Wagen, fahrend über unsauber verarbeitete Wege, eilend durch eine unbekannte Gegend. In selbig Weiss gekleidet, wie sie es schon seit Anbeginn ihres ersten Augenblickes zu tun pflegte, sitzt sie zufrieden Lächelnd neben ihm. Vorbeischnellende Bäume, Felder, Häuser spiegeln sich in ihren Augen. Kurz nur ist ihre Antwort. „Wir gehen dort hin, wo wir hingehören.“ „Ich vertraute dir immer.“ Leise schmatzend kuschelt er sich an ihre Seite. Er ward müde. Müde doch noch nicht eingeschlafen. „So lass mich die unsrige Reise verkürzen. Erinnerst du dich an die kleinen Pfotenspuren vor unserem Haus, meine Liebe?“


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BeitragVerfasst: 31.10.04, 20:01 
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Winter

Vor einigen Tagen schon fiel der erste Schnee. In gleichmässigen, schwungvollen Bewegungen finden die einzelnen Flocken ihren Weg vom Himmel zur Erde um sich dort wieder zu vereinen und eine weisse Decke über Hügel, Wälder und Wiesen zu werfen.
Drei kleine tapsige Schritte vorwärts. Innehalten. Drei weitere Schritte. Die kleine Nase immer achtsam in die kühle Abendluft gehalten. Vorsichtig macht sich die Hasenmutter mit ihren zwei Jungen auf den Weg zurück in den sicheren Bau. Vergebens war ihr Streifzug auf der Suche nach dem letzen Grün, gefährlich noch dazu. Besonders für ihre Kinder. Kam doch das eine blind, das andere taub zur Welt. Eine Welt, die auch ohne diese Einschränkungen schon ein Risiko für kleine Hasen darstellt.
Weitere hastige Schritte, ihren Kleinen den Weg weisend. Doch da, ein Rascheln. Ein Sprung zurück. Schnee wirbelt auf und nimmt der ängstlichen Mutter die Sicht. Als sich das Gestöber langsam wieder legt, erkennt die Häsin den spätabendlichen Überfall. Eine Füchsin und ihr Nachwuchs versperren ihnen den Weg in den heimischen Bau. Rot funkeln ihre Augen, als würde sich ein Feuer, heiss und glühend, in ihnen spiegeln. „Ach meine Kindchen, seht da. Läuft unser Abendessen doch unwissend über unsren Weg.“ Der Hase schweigt. „Das eine blind, das andre taub, einfacher können wir’s nun wirklich nicht mehr haben, was?“ Die jungen Füchse lachen in hohen, grellen Tönen. Kläffend. Selbstsicher. „Doch eines möchte ich noch von dir wissen, Häsin, bevor ich deine Kinder verschlinge. Wieso traust du dich mit den zweien überhaupt noch aus deinem Bau? Nicht nur, dass ihr leichte Beute seid, stört es dich nicht, dass dadurch der ganze Wald von deinen Jungen erfährt?“ Die Hasenmutter schaut sich die beiden Jungfüchse musternd an. Das Kichern der beiden verstummt und es wird ruhig. Erdrückende Ruhe. Ein sanfter Windstoss bringt die Wipfel der Tannen in langsames Wanken. „Füchsin“, beginnt sie, „schau in die roten Augen deiner Kinder. Nicht mehr lange wird es gehen und sie werden in Hühnerställe einbrechen und kranke, alte Waldbewohner ihre spitzen Zähne in den Rücken bohren. Schau in ihre Augen. Meine Kinder können vielleicht das Wasser das sie trinken nicht sehen oder es Rauschen hören, wenn es sich seinen Weg im Bachlauf sucht, doch ich bin mir sicher, dass du und deine Jungen eurem Spiegelbild auf der fliessenden Oberfläche des kühlen Nass nicht in die Augen schauen könnt.“
Stille. Die tiefgrünen Bäume tanzen mit dem auffrischenden Wind. Zeit vergeht.
Mit gewohnt tapsigen Schritten weist die Hasenmutter ihren Jungen den Weg, vorbei an den Füchsen, hinein in die Dunkelheit der eben eingebrochenen Nacht und einem Meer aus Schneeflocken, sich schwungvoll ihren Weg vom Himmel zur Erde suchend.


Zuletzt geändert von Illis: 12.11.04, 13:59, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 31.10.04, 20:48 
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Langsam wird der Wagen. Bis er schlussendlich still steht. Verspielt liegen die Äste des Baumes auf dem Verdecke aus Stoff, gespannt über jenes Gefährt, welches sie während dieses Tages zu ihrigem Ziele geführt hat. Mithilfe des feuerroten Scheines der untergehenden Sonne zaubern die Blätter wundersame Schatten auf die Überdachung. „Weiden?“ Kindliche Freude mischt sich seiner Stimme bei. Wortlos und weiterhin Zufriedenheit in dem ihrigen Gesichte steigt sie ab. „Der junge Kutscher wird dir beim Absteigen helfen.“

Regelmässig ihr Flügelschlag, während sie die Stadt, das Grün der Wiesen, das Blau der Seen und Teiche, ihre Kinder, aufgezogen und behütet, ihr Leben hinter sich lassen. Dem Sonnenuntergang entgegen. Stolze Tiere auf ihrem letzten Flug.

„Ich konnte nicht alles erzählen, mein Engel.“ Arm in Arm sitzen sie am Rande des Teiches, dem ihrigen Leben Mittelpunkt. „Das musst du auch nicht.“ Unberührt vom Husten, seinen dürren Körper durchschüttelnd, spielen ihre Finger mit ihres Mannes Haar. Grau und trocken. „Ich werde sie für dich hinaustragen. In die Welt.“ Entspannter scheint er zu werden, während sich sein Blick gen Himmel wendet. „Vögel.“ Kleine Schatten. Hindurchschlüpfend zwischen den Sternen. Mit ihnen spielend. Umkreisend der Monde volle Scheiben. Kaum vernehmbar ihre Geräusche.

Ins Dunkel fliegen sie. Passieren die Grenze von Tag und Nacht, von Wasser und Land. Das Meer, wie weit es doch ist. Der Spiegel des Himmels. Nichts, dass sein wunderschönes Bild zu brechen vermag. Sterne. Überall Sterne.

Seine Lider schliessen sich. „Mein Engel, erinnerst du dich?“ Schwer hebt und senkt sich seine Brust. Sie beugt sich zu ihm hinab, legt ihren Kopf auf selbige. Herzschlag. „Ich erinnere mich an alles.“

Und so erreichen die Vögel ihr Ziel. Versiegende Bewegungen. Versiegendes Leben. Dem tropfenden Regen gleich fallen sie vom Himmel. Unzählige kleine Körper. Tauchen ein in die rauschende See, in die ewige Ruhe.

Ein letzter tiefer Atemzug. Kein Herzschlag mehr. Nur das Zirpen der Grillen erfüllt die Dunkelheit. „Ich werde sie für dich hinaustragen, Liebster.“


Zuletzt geändert von Illis: 12.11.04, 13:59, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 12.11.04, 14:00 
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So man diese Tage die Ankommenden an des Brandensteiner Hafens beobachte, mag vielleicht eine kleine, alte Frau, das Haar vom Weiss frisch gefallenen Schnees, die Augen grün wie die Halme der Auen, in der Menge der Reisenden auffallen. Bei sich tragend einen ledernen Beutel, gefüllt mit neuen und älteren Pergamentstücken. Langsamen, schleppenden Schrittes durchschreitet sie jene Anhäufung von Hoffnungsvollen, Schwerterschwingenden und Münzenklirrenden und verschwindet in einer Gasse nahe des Marktes.


Zuletzt geändert von Illis: 12.11.04, 14:09, insgesamt 1-mal geändert.

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