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Der Geruch des Blutes lag noch schwer und süßlich in der Luft des kleinen Zimmers, doch ein weiterer Geruch mischte sich darunter, sein Geruch. Deutlich konnte sie ihn erkennen oder hatte sich dieser einfach nur tief in ihr Gedächtnis eingebrannt, dass sie einfach nur meinte dass jener Geruch noch da war? Sie lag auf dem Bett und ließ ihren Blick im Zimmer umher schweifen. Es war klein und zweckmäßig eingerichtet, ein Bett, ein Schrank, ein Tisch und ein Stuhl. Mehr war nicht darin, wobei man auch sagen musste, dass für mehr gar kein Platz gewesen wäre. Normalerweise war es wenigstens sauber und ordentlich, doch nach den Vorfällen der Nacht herrschte hier nur noch Chaos vor. Die Tür war aufgebrochen, Splitter lagen überall herum, dass Bett war zerwühlt, ein Krug hatte in der Zimmerecke seine letzte Bestimmung gefunden und wartete nun darauf im Müll entsorgt zu werden und hier und da konnte man noch Schatten von Blut auf dem Dielenboden erkennen.
Sie stand vom Bett auf und ging zum Fenster um es zu öffnen. Die kühle Nachluft flutete das Zimmer und lies sie frösteln. Sie schlang ihre Arme um sich herum und blieb eine ganze Weile am Fenster stehen. Draußen hoben sich die Umrisse von Vandris schwarz gegen die ersten, noch rötlichen Strahlen Felas ab. Aus einigen Kaminen stieg dicker Rauch hinauf in den Himmel um sich dort mit einigen Wölkchen, welche gerade vorbeizogen, zu vermischen. So viel Ruhe, wo doch erst vor kurzem so viel Tumult geherrscht hatte. „Lauf“ seine Stimme ließ sie zusammen zucken und sie drehte sich abrupt vom Fenster ab um sich wieder im Zimmer umzusehen. Niemand war dort, es war noch immer leer, er war wirklich weg und die Stimme, welche sie gerade noch vernommen geglaubt zu haben, war nicht mehr als der Widerhalle einer Erinnerung. Sie war nicht weggelaufen, hatte nicht auf ihn gehört und hatte ihm stattdessen geholfen, sie hatte ihm, so hoffte sie zumindest, die wertvollen Minuten geschenkt, die er zu Flucht brauchte. Ihr war zwar immer noch nicht ganz klar, warum sie es getan hatte, aber es war zweifelsohne so geschehen.
Wieder ginge ihre Gedanken zu den Vorfällen des Abends. Alles war wie immer gewesen. Sie hatte in der Taverne gearbeitet, hier bedient und da getanzt. Sie mochte es, wenn man sie beim tanzen beobachtete. Oft stand sie auf einem der robusten Tische und ließ sich von den Männern zu immer weiteren Drehungen verleiten, wie so oft, so auch an diesem Abend. Die Männer johlten, klatschten und ließen die ein oder andere Dukate für sie springen. Der Abend war schon weiter vorangeschritten, als mal wieder einer der Trunkenbolde von Franz, dem Rausschmeißer der Taverne durch die noch geschlossene Tür hinaus katapultiert wurde. Er machte sich selten die Mühe die Tür vorher zu öffnen, so dass die Männer die Tür mit lautem Krachen immer mit sich nahmen und Franz sie danach wieder einhängen musste. Franz machte sich gerade an der Tür zuschaffen um sie wieder in die Angeln zu heben, wobei ein Schwall frischer Luft in den niedrigen, von Rauch schwangerem Raum schwappte und dann stand er plötzlich in der offenen Tür. Irgendetwas hatte sie veranlasst aufzusehen und da war er. Seine Haare waren zerzaust, der dunkle Mantel umhüllte seine ganze Gestallt und der Geigenkasten vervollständigte das Bild jenen Mannes. Auf seltsame Art und weise nahm er den ganzen Raum mit einem male ein und ihr Blick blieb länger als sonst bei einem Neuankömmling auf ihm haften. Er hatte irgendetwas an sich, etwas ungewöhnliches, etwas was so greifbar war und doch hätte sie nicht in Worte fassen können, was es genau war. Als er sich an einen der Tische gesetzt hatte, sprang sie vom Tisch, auf welchem sie gerade noch getanzt hatte, ignorierte die Proteste der anderen Männer und ging geradewegs auf den Fremden zu. „Was kann ich dir bringen, Streicher?“ Streicher, ohne darüber nachzudenken hatte sie ihn so bezeichnet, aber irgendwie kam ihr die Bezeichnung für den Fremdem richtig vor, lag wohl an dem Geigenkoffer, welchen er bei sich führte.
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Die Taverne war bis zum letzten Platz besetzt und die Stimmung war auf ihrem Höhepunkt. Noch immer tanzte sie auf einem der Tische, es war der Tisch an dem auch dieser Fremde saß. Rhythmisch zur Musik drehte und bewegte sie sich auf dem Tisch, vom Klatschen der Männer nur noch mehr angestachelt. Nur Streicher ließ sich anscheinend nicht von der Stimmung mitreißen. Er saß da und betrachtete sie nur. Lasziv kreisend bewegte sie ihre Hüften, ihre Hände glitten an ihrem Körper hinab, als sie wieder zu dem Fremden hinab sah hielt dieser ihr einen Zettel hin. Von Neugier getrieben beugte sie sich hinab und nahm den Zettel um diesen zu lesen. Mehr als eine Zimmernummer stand nicht darauf. Das Blut schoss ihr vor Zorn ins Gesicht. Was glaubte dieser Kerl eigentlich?! Sie sprang vom Tisch hinab und baute sich vor ihm auf, was bei ihrer Körpergröße eigentlich weniger bedrohlich wirkte, sah man ihr jedoch ins Gesicht, so hätte man, ob des Zornes, welcher sich auf ihren Zügen widerspiegelte, doch die wahre Bedrohung leicht erkennen können, welche von ihr ausging. „Seh ich für dich so aus wie eine Hure?“ Sie spie ihm die Worte entgegen und holte aus um ihm mit Wucht eine Ohrfeige zu verpassen. Der Schlag traf ihn so hart, dass sein Kopf zur Seite geschleudert wurde. Dunkelrot hob sich der Abdruck auf seiner Haut ab, jeder einzelne Finger hatte sich deutlich auf seiner Wange verewigt. Für einen Moment war es völlig still im Schankraum und alle Augen waren auf sie und den Fremden gerichtet, doch kaum dass die Ohrfeige verhallt war, schwollen auch wieder die Stimmen an. Was ihren Zorn in diesem Moment noch weiter schürte war die Tatsache, dass er sie nach dieser Ohrfeige, in die sie ihre gesamte und nicht geringe Kraft gelegt hatte, anlächelte. Er sagte nichts, nicht ein Wort. Wutschnaubend wandte sie sich ab und ging zur Theke hinüber um dort ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Zu Anfang sah es fast so aus, als hätten die anderen Männer dem Fremden an die Gurgel springen wollen, weil sie wegen ihm ihren Tanz unterbrochen hatte. Gestört hätte es sie reichlich wenig, eine Abreibung hätte sich dieser Kerl allemal verdient gehabt, aber nach einer Weile hatte sich alles, ohne größere Schlägerei, wieder beruhigt.
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Der Abend war längst der Nacht gewichen und es wurde langsam ruhiger in der Taverne, aber auch wenn die anderen so nach und nach gingen, war er immer noch da. Sie war sich sicher, dass er sie beobachtete, auch wenn sie ihn nie dabei erwischen konnte wenn sie selbst in seine Richtung sah und das war nicht gerade selten. Irgendeine Anziehungskraft ging von ihm aus, die sie selbst nicht erklären konnte. Er hatte sie so schwer beleidigt und doch konnte sie nicht umhin immer wieder zu ihm zusehen. Sie hasste sich selbst dafür, aber es war wie ein innerer Zang der sie immer und immer wieder zu ihm sehen ließ. Er war so anders als die üblichen Gäste der Taverne, fast greifbar war diese dunkle, geheimnisvolle Ausstrahlung, welche von ihm ausging. Zu gern hätte sie gewusst wer er war und was ihn hergeführt hatte. Gerade als sie wieder zu ihm aufsah stand er auf um hinauf zu seinem Zimmer zu gehen. Eine Weile lang blickte sie zu der Stelle wo er verschwunden war. Sie war mit ihren Gedanken so weit fort, dass der Wirt, der ihr jetzt zum dritten Male sagte, dass einer der Gäste noch etwas haben wollte, ohne dass sie es mitbekommen hätte, sie anschubsen musste, ehe sie wieder ins Hier und Jetzt zurückkehrte.
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Ihre Schritte führten sie bis vor seine Zimmertür. Sie hob die Hand an um zu klopfen, hielt aber im letzten Moment inne. Was wollte sie eigentlich hier? Sie konnte es sich nicht erklären, was sie dazu bewog überhaupt nur daran zu denken zu ihm zu gehen. Doch als hätte ihre Hand ein Eigenleben entwickelt, konnte sie, noch als sie darüber nachdachte, zusehen, wie sie an die Zimmertür klopfte. Kaum einen Wimpernschlag später tat sich die Tür auch schon auf, es war fast so, als hätte er schon vor ihr gewusst, dass sie genau in diesem Moment klopfen würde. Das Zimmer, einfach alles um sie herum, versank, als er sie in seine Arme zog und seine Lippen auf ihre senkte zu einem langen und innigen Kuss. Geradezu sanft hob er sie vom Boden um sie auf seiner Schlafstätte zu betten. Nie zuvor hatte sie eine derartige Nähe und Geborgenheit verspürt, auch wenn es völlig unlogisch und verrückt war, sie kannte ihn doch noch nicht einmal. Seine Lippen tasteten sich über ihren Mund, ihre Wangen und ihren Hals. Warm strich sein Atem über sie und riss sie hinfort in eine Welt, die nur aus ihm und ihr bestand.
Wie durch dicken Nebel hörte sie seine Worte, wie er einfach so über sich und seine Pläne nach Siebenwind zu gehen erzählte. Sie konnte sich konnte sich an keinen Augenblick in ihrem Leben erinnern, an dem sie glücklicher gewesen war. War dieses Gefühl, so irrsinnig es auch sein mochte, Liebe? Sie wusste im Moment nur eines wirklich, sie wollte sich ihm hingeben, ihm alles schenken was er begehrte. Seine Lippen waren so weich, sein Körper so warm und sein Geruch betörte sie regelrecht. Wenn dies beginnender Wahnsinn war, so würde sie sich dem Wahnsinn nur zu gerne mit weit geöffneten Armen hingeben.
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Wie lange sie da Arm in Arm zusammen gelegen und einander liebkost und geküsst hatten, wusste sie nicht mehr. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor und gleichzeitig war ihr, als wäre es nur ein Wimpernschlag lang gewesen. Es hätte nie enden dürfen, aber es endete doch und das auch noch abrupt. Die ganze Zeit über hatte man leise im Hintergrund die Stimmen aus der Taverne bis nach oben hören können, doch diese waren nun verstummt. Eine andere Stimme war an Stelle des üblichen Wirrwarrs getreten. Sie hatte es erst nicht bemerkt, er allerdings schon. Ihre Hand sank von seiner Wange hinab und noch als sie fragte, was los sei, wusste sie schon, dass das was man hören konnte nichts als Ärger bedeutete. Er sprang auf um zum Fenster zu gehen und dieses zu öffnen. Von der Straße drang eine weitere Stimme empor, anders als die letzte, aber ihr Blut rauschte so sehr in ihren Ohren, dass sie die Worte nicht verstehen konnte. Polternd, fast als wolle jemand die Tür einschlagen, klopfte es an die Zimmertür. „Aufmachen, im Namen der viergöttlichen Kirche.“ Ihr Blick huschte von der Tür zu ihm, mit wenigen Schritten stand er neben ihr und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen. „Lauf“, mehr war es nicht, nur dieses eine Wort.
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Die Tür gab krachend nach, Splitter flogen ins Zimmer, dann standen die bewaffneten Tempelwachen im Zimmer, doch er war längst fort, entkommen durch das Fenster. „Er ist nicht mehr hier, nur noch seine Hure.“ Tausend Gedanken schossen ihr im Bruchteil einer Sekunde durch den Kopf und gerade als die Wachen wieder aus dem Zimmer stürmen wollten, erhob sie das Wort. „Ich weiß wo er hin will.“ Abrupt blieben die beiden breitschultrigen Männer der Tempelwache stehen und ein kleiner dicklicher Mann, offenkundig ein Geweihter Astraels trat in das Zimmer und nickte der Tempelwache zu, worauf hin der größere der beiden auf sie zuging. Er holte zu einer Ohrfeige aus, als wäre dies der einzige Weg um an die gewünschten Informationen zu kommen, Fragen wäre ja zu einfach gewesen, allerdings kam er nicht mehr dazu ihr die Ohrfeige zu geben. Als er nah genug an sie herangetreten war, zog sie ihren Dolch, welchen sie seit geraumer Zeit immer bei sich zu führen pflegte, es war einfach sicherer und vor allem wusste sie mit diesem Ding umzugehen und sich zu schützen. Der Stich des Dolches, welcher ihn direkt in den Bauch traf, wäre vielleicht noch nicht einmal tödlich gewesen, der Schwerthieb mit seinem eigenen Schwert, welches er vielleicht vor Schreck, vielleicht vor Schmerz hatte fallen lassen, jedoch schon. Die Klinge war scharf und bohrte sich ohne große Mühe in seinen Bauch. Als er zur Seite zu sacken drohte, zog sie die Klinge heraus um gleich auf den nächsten loszugehen, welcher seltsamer Weise, den Ernst der Lage erst jetzt erkannte. Er schien ihr regelrecht träge, als er versuchte die Schwerthiebe zu parieren. Schnell hatte sie ihn soweit, dass er aus Unachtsamkeit seine Deckung fallen ließ und sich das Schwert tief in sein Fleisch bohren konnte. Der Astraeli war eine noch leichtere Beute für sie. Er kreischte in seinen letzten Momenten auf Tare wie ein kleines Kind.
Blut floss über die hölzernen Dielen und sickerte langsam in jede Spalte und Ritze. Jetzt musste sie nur noch zusehen, dass sie aus dem Zimmer kam ehe die Verstärkung, nach der der Geweihte noch gerufen hatte, eintraf. Sie hatte es nicht nötig sich zu verstecken, denn niemand wusste, dass sie zu dem Fremden in sein Zimmer gegangen war und jeder in der Taverne konnte bezeugen, dass sie ihm alles andere als wohl gesinnt gewesen war, warum hätte sie ihm also auf eine solche Weise helfen sollen?!
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Die Stunden zogen sich als sie immer und immer wieder befragt wurde zu dem Vorfall und dem Fremden, auch die ein oder andere Beleidigung kam ihr zu gute, aber sie ließ alles still über sich ergehen und bewahrte ihr Geheimnis für sich. Es waren sowie so alle der Meinung, dass der Fremde das Blutbad hinterlassen hatte. Nicht einer kam auf die Idee der jungen und irgendwie unschuldig wirkenden Frau diese gar gräulichen Dinge zuzuordnen. Für die Wachen war sie nur eine Dirne, nicht mehr.
Hab die letzten Absätze neu geschrieben.
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Zuletzt geändert von Isodora: 26.11.05, 12:28, insgesamt 1-mal geändert.
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