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 Betreff des Beitrags: Tagebuch der Flammen
BeitragVerfasst: 24.11.05, 02:05 
Einsiedler
Einsiedler

Registriert: 23.11.05, 20:47
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Eilig strich eine spitze Feder über das leicht rauhe Papier, kratzte leise, während die Tinte sich in Form von dünnen, schwarzen, geschwungenen Spuren auf das Papier niederliess.


25. Seker 16 n. H.

Die Zerrissenheit ist geblieben, auch wenn ich Hoffnung schöpfe.
Das Gespräch im Tempel tat mir gut, nun habe ich zumindest etwas, an was ich mich klammern kann, doch Zweifel keimen immer wieder in mir auf.
Werde ich es schaffen?
Ein seltsamer Tanz zwischen Licht und Dunkelheit und ich selber finde mich dazwischen wieder, glaube mich manchmal kaum mehr wieder zu erkennen. Ich ertappte mich sogar dabei, wie ich in einen Handspiegel sah, mein Gesicht betrachtete, als wäre es fremd.
Oder ist es die Rastlosigkeit? Die Müdigkeit?
Doch wie auch immer - ich werde diese Aufzeichnungen nun beginnen. Ich werde sie aber nicht aufbewahren.
Sie sollen mir nun für den Moment Klarheit und Ordnung in meinem Geist verschaffen. Chaos ist das letzte, was ich in mir entstehen lassen mag. Vor allem jetzt nicht.

Oder ist es schon da?

Verstand und Gefühl - manchmal weiss ich selber nicht mehr, was mich noch leitet und was richtig ist, wem ich die Gefolgschaft bisher geleistet habe. Ich hielt mich für einen Gefühlsmenschen.
Bin ich das, wenn ich auf das Wort anderer höre?
Bin ich nicht eher ein Sklave des Verstandes anderer?

Hastig wurde die Feder beiseite gelegt, griff eine Hand hinab zu einer Flasche, setzte sie an die Lippen an, stellte sie nach einem eiligen Schluck wieder ab und setzte dann erneut wieder die Feder an, zu ihrem kratzenden, taumelnden Tanz über das Papier.

Wie können Worte mich in solch' eine Verwirrung stürzen?
Ein Berg von Leichen, Frauen und Kinder.
Fehler... Menschen machen Fehler
Hatte er es nicht auch ihr gesagt? Nicht der Kirche gibt er den Vorzug, sondern einzig den Göttern?
Aber warum dann wider den Vieren, wenn es doch gegen die Menschen gerichtet ist, die sie vertreten?

Für den Schein leben. Welcher Schein eigentlich?
Der, der ausserhalb der Schatten aufgebaut wird?
Dort, wo Menschen, die nicht in das perfekte Bild passen, rausgetreten werden? Es mag wohl stimmen.
Für was lebe ich überhaupt?

Für dich?

Ein Augenpaar huschte rasch hin und her in seinen Höhlen, überflog die hastig niedergeschriebenen Zeilen.
Ein nachdenklicher Blick zum prasselnden Feuer, dann fand sich das beschriebene Papier darin wieder und gierig wurden die verräterischen Beweise verschluckt.


Zuletzt geändert von Schattenfeuer: 24.11.05, 02:07, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 25.11.05, 02:59 
Einsiedler
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Müde Augen starrten hinab, eine gebeugte Gestalt, spärlich beleuchtet vom vor ihr leise knackenden Feuer. Eilig huschte die Feder erneut über Papier, hinterliess Gedanken...


27. Seker 16 n. H.

Ein seltsamer Mann und doch - in seinen Worten liegt so viel Wahres und ich fühlte mich angenehm wohl in seiner Nähe. Er hat ein sanftes und reines Herz, denn wer sonst würde sich so um seine Tiere kümmern?
Seltsam, wie leicht es doch mit seiner Erklärung nun scheint.
Doch die Unsicherheit werde ich kaum los.
Ich werde mit ihm reden müssen, mehr erfahren, eine neue Sichtweise.
Fraglich, welche richtig ist.

Es wäre so einfach, auf das eigene Herz und Gefühl zu hören, doch immer noch bleibt da der Verstand, der Zweifel in mir säht.
Ich habe Angst um meine Seele.
Ist es überhaupt richtig, darüber nachzudenken?
Zürnen mir die Götter nicht jetzt schon?
Ich will meine Seele nicht verlieren. Und doch mag ich auch nicht in einer scheinbaren Lüge mein Leben fristen.

Ich wünschte, ich könnte mein Wort an die Viere richten in einem Gebet, sie um mögliche Erleuchtung bitten - aber das erscheint mir langsam als zu vermessen.
Ich werde weiter suchen.
Irgendwann, so hoffe ich, finde ich die Wahrheit oder gehe an der Lüge zugrunde.


Ein Seufzer, einen Moment lang überflog die Gestalt die Zeilen, ehe sie das Blatt in die Flammen warf und noch lange beobachtete, wie sich das Feuer durch das Papier frass, bis es sich letztlich zur Asche mischte.


Zuletzt geändert von Schattenfeuer: 25.11.05, 03:03, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 27.11.05, 02:45 
Einsiedler
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Eine Träne fiel hinab auf das Papier, verharrte dort noch kurz, ehe sie allmählich einzog und an ihr vorbei sich die schwarzen Tintenlinien zu Buchstaben und Worte bogen...

29. Seker 16 n. H.

Warum macht er es mir nur so schwer?
Diese Einflüsterungen, wie sie ständig in mir immer wieder Gedanken aufkeimen lassen, was wäre wenn.
Ja, es wäre einfach, wenn ich blind ihm folgen würde. Ich hätte mein altes Leben, ohne Sorgen und wenn ich mich bemühe, nicht mehr darüber nachzudenken, würde ich nie wieder ins Schwanken geraten.
Aber ich weiss, dass ich mich immer fragen würde, was wäre, wenn ich versucht hätte, die Wahrheit zu erkennen.
Ich will sie erkennen.
Ich weiss selber, dass ich mein Seelenheil gefährde und - bei den Vieren! - ich habe Angst!
Kaum einer kann ermessen, wieviel Angst.

Wenn ich damit wirklich einen Fehler begehe, bin ich verloren.
Ich muss aufpassen.
Ich darf mich nicht täuschen lassen.
Ein Blick hinüber, erfahren, was wahr ist und was nicht, Eindrücke sammeln und dann darüber nachdenken und entscheiden.
Das ist der richtige Weg.
Ich werde zurückkehren. Nur um eine Erfahrung reicher.


Rasch strich die Gestalt über die Augen, dann ein kurzer Blick noch über die wenigen, hastig geschriebenen Zeilen, ehe sie ein Raub der Flammen wurden.


Zuletzt geändert von Schattenfeuer: 27.11.05, 03:09, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 28.11.05, 18:09 
Einsiedler
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Hell und lodernd flackerten die Flammen, eine fast versengende Hitze dabei zu der gebeugten Gestalt, die vor dem Feuer sass und die Feder über das Papier kratzend tanzen liess, abgebend.
Tinte formte Gedanken und Eindrücke, den kurzen Moment, bis...


30. Seker 16 n. H.

Die Entscheidung ist gefallen - ich werde weitergehen. Kein Schwanken, keine Zweifel mehr.
Ich werde sehen, was am Ende auf mich wartet.
Die Wahrheit wird nicht einfach zu tragen sein und schmerzen - dessen bin ich mir bewusst.
Ich könnte fallen und es könnte mein Ende werden.
Ich könnte alles verlieren.
Aber ich kann ebenso auch eine neue Sicht erlangen, wie sie sonst nur wenige wohl auf dieser Welt besitzen.
Wie weit könnte ich über mich hinauswachsen?
Und wollte ich nicht auch das, als ich von meinem behaglichen, ruhigen, aber auch einengenden Zuhause abreiste, hierher nach Siebenwind? Wachsen, Lernen, die Angst verlieren.
Und am Ende wartet...

... der Moment ruhte, ein Lächeln formte sich auf den Lippen der Gestalt, ehe die Feder wieder ihren Lauf aufnahm, bis...

Ich schöpfe wieder Mut und Hoffnung, doch fürchte ich mich dennoch, früh zu fallen.
Ich muss vorsichtiger werden.
Ich weiss selber, ich habe noch viele Schwächen. Stärke muss ich erlangen, um den Weg gehen zu können und wohl auch Verschwiegenheit.
Kaum einer wird verstehen, warum ich das hier tue und je mehr man mich liebt, desto mehr wird man mich wieder herumzureissen versuchen.

... der Moment in den Flammen verging und ihre Hitze weiter antrieb.


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BeitragVerfasst: 30.11.05, 00:55 
Einsiedler
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Müde strich die Spitze der Feder über das Papier, die Buchstaben etwas zittrig, während die Gestalt leise gähnte.

1. Sekar 16 n. H.

Ahnt er etwas? Habe ich mich verändert? Ich hoffe nicht offensichtlich.
Aber andererseits sagte er mir auch nur das, was ich wissen wollte.
Mag es wahr sein? Oder haben andere dafür gesorgt, dass sein Blick für das Vergangene verschwamm?

Ja, es ist wirklich eine Brücke - eine schmale Brücke, auf der ich mich bewege und ich schwanke ständig hin und her, sehe immer wieder hinab und aus lauter Furcht vor dem Abgrund fühle ich, wie mir schwindelig wird. Aber vielleicht auch nur, weil ich in den Abgrund hinabsehe. Ich muss voranblicken, mit meinem Ziel vor Augen, dann mag ich auch nicht stürzen - hoffe ich.

Ich frage mich, ob es Schicksal sein mag.
Dasselbe Blut - derselbe Weg.

Werde ich das Gleiche sehen wie er?
Oder werde ich das vollenden, was er begann?

Ein müder Blick wanderte über das Blatt, ehe eine Hand es matt in das Feuer warf und die niedergeschriebenen Gedanken vergehen liess.


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BeitragVerfasst: 2.12.05, 11:06 
Einsiedler
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Eilig wurde die Tinte aufgetragen und der Moment der Gedanken festgehalten.

4. Sekar 16 n. H.

Ich beginne langsam zu verstehen.
Frei von den Zwängen kann ich nun meine Augen öffnen, die Welt von einer anderen Seite her betrachten. Die Erkenntnis mag schmerzen und doch fühle ich, wie sie mich befreit.

Zum einen verstehe ich den Sinn der "Reinigung durch Zerstörung" nun, eigentlich war dieses mir schon vorher klar - Rohehafen musste zerstört werden, ebenso wie auch irgendwann, früher oder später, Falkensee vernichtet werden muss, damit etwas Neues, Reineres erblühen kann.
Ich kenne die Ruinen Rohehafens, die Reste des dekadenten Marmors, die wenigen verbliebenen Mauern einstmals prächtiger Häuser. Wie auch Falkensee musste diese Stadt wohl ein Ort angefüllt mit wahnsinnigen Narren gewesen sein, die sich vom Blendwerk der prall gefüllten Stände täuschen liessen, sich zweifelhaften Spässchen hingaben, bis sie in der Zerstörung endeten oder lernten, dass ihr bisheriges Leben nur eine Farce war.
Ich wiederum fühle mich jedes Mal unwohl in dieser Stadt. Der enge Gürtel der Mauer, der sich um sie zieht und das Gefühl von Sicherheit vermitteln soll und doch auch wohl dafür gedacht ist, die Menschen, wenn es nötig ist, einzusperren. Die engen Gassen, in denen der Gestank von Abfall und Dung festhängt. Die ganzen Irren, fehlgeleitet von den Verlockungen der scheinbaren Pracht und der gefüllten Marktstände, die sie mit ihrem Tand ablenken von den wahren Problemen ausserhalb der Mauern.
Nein, ich werde keine Träne weinen, wenn diese Stadt mit solchen Bewohnern einst untergehen sollte.

Zerstörung ist also notwendig, damit Raum für etwas Neues entsteht, damit das, was schon wie ein Geschwür vor sich hinwuchert, sein Ende findet und etwas Reineres entstehen kann.

Ich beginne auch zu verstehen, warum ich nun gerade diesen Weg beschreite.
Ich bin ungebunden, ich liebe meine Freiheit und gewinne mehr und mehr Freiheit, je mehr ich über all diese Dinge nachdenke, neue Sichtweisen gewinne und mir so die Freiheit herausnehme, entscheiden zu dürfen, welchen Weg ich nun gehen werde.
Wie recht er doch hat. Das Leben in der Knechtschaft, wie es der andere bevorzugt, ist nichts für mich. Ich beobachte ihn - sein Dienst, sein Leben in seiner Familie, sein Versprechen, das er mir gab. All das zeigt mir, wie sehr er sich bereitwillig einengen und in Ketten legen lässt.
Ob er je erwachen wird? Ob er es je wagen würde, die Welt aus anderen Augen zu betrachten?
Fraglich.


Einen längeren Moment verharrte die Gestalt, mehrmals die Zeilen lesend, ehe auch dieses Papier wieder den Weg ging, wie all die anderen zuvor und vom Feuer beweislos vernichtet wurde.


Zuletzt geändert von Schattenfeuer: 2.12.05, 15:20, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 8.12.05, 01:21 
Einsiedler
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Leise knisterte das Feuer, wieder die gebeugte Gestalt, die mit hastiger Feder einige Zeilen niederschrieb. Stille herrschte um sie herum...

9. Sekar 16 n. H.

Stillstand.
Und ich hasse es - meine Gedanken kreisen umher, reissen mich mit ihnen.
Die Aussicht auf das, was mich erwartet, lässt mich vorangehen und doch gibt es immer wieder diese Zeiten, in denen ich das Gefühl habe zu stolpern oder kaum mehr voran zu kommen.
Dann nehmen meine Gedanken ihren eigenen, unheilvollen Lauf und ich versuche mich abzulenken, um ihnen ja nicht zu erliegen.
Begehe ich einen Fehler?
Oder mache ich das einzig Richtige?

Lügen.
Es gibt Momente, in denen ich mich für meine Lügen hasse.
Doch sind diese Lügen leider langsam notwendig geworden, um so für den ausreichenden Schutz zu sorgen. Würden sie wissen, worüber ich nachdenke, was mich bewegt, wie rasch würden sie ihr eigenes Lügennetz errichten und mich darin einfangen.
Eigentlich ist es doch mein Umfeld, was mich indirekt dazu zu zwingt zu lügen.
Oder?

Veränderung.
Manchmal erschreckt sie mich.
Heute war es soweit - wie lange schon hatte ich nicht mehr diese Wut gefühlt? Diese Worte von ihm gingen so tief in mein Herz und verletzten mich dort.
Früher hätte ich nur still gelitten, aber ich kann und mag nicht mehr schweigen, nicht mehr alles hinnehmen, es akzeptieren, wie es ist.
Wo mag es enden?


... bis die Gestalt das Papier dem Feuer übergab, sich erhob und müde zu ihrer Schlafstätte wankte.


Zuletzt geändert von Schattenfeuer: 8.12.05, 01:22, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 16.12.05, 03:47 
Einsiedler
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Unsicher und zittrig hielt die Hand die Feder, ebenso verschwommen und zittrig die Worte, die zu Papier gebracht wurden...

18. Sekar 16 n. H.

Die Lügen anderen gegenüber, das Versichern, mir ginge es gut, obwohl ich innerlich litt - all das kam mir bisher so leicht über die Lippen.
Doch ihm gegenüber nicht alles sagen zu können, mich nicht öffnen zu können, tat schon weh.
Auch beginnt die Unsicherheit wieder zu siegen.
Stürze ich mich nicht gerade ins schwerste Unheil?

Ich schlief vorhin zwar, erwachte aber durch einen Alptraum - meine eigenen Schreie hallten noch in meinem Kopf nach. Qualen litt ich in meinem Traum, Folter, Tod und Pestilenz um mich herum und ich war Täter und Opfer gleichermassen.
Mag es mich doch zu diesem Ende führen?
Ich musste mit den Tränen kämpfen - wie gerne hätte ich ein paar warme, beruhigende Worte gehört, aber ich bin allein.

Nur eines lässt mich hoffen und doch ängstigt es mich in einem gewissen Punkt.
Wieder kamen mir die Worte in den Sinn, die ich vor Monden einmal hörte: "Liebe, Sterbender, führt zur Verzweiflung und Selbstaufgabe. Sie bindet dich, bis der Tod dich von ihren schweren Ketten erlöst...."

Ist das mein Schicksal?
Will ich es so?

Ich habe ihn gesucht, doch fand ihn nach dem Gespräch nicht. Wie gerne hätte ich die Worte des Geweihten bei ihm versucht zu prüfen - aber kann ich Lügen überhaupt noch erkennen?
Wer lügt nun wirklich?
Bin nicht ich es, die lügt und sich selber etwas vorgaukelt?

Von Schmerzen redete er, Wochen scheint es mir her. Wie recht er hat - es schmerzt alles so entsetzlich und ich schwanke, fühle das Feuer und das Verderben, was unter dieser schmalen Brücke auf mich lauert.

Und dann diese Einsamkeit mit all diesen Gedanken... fraglich ob es mich noch diese Nacht schlafen lässt.


Matt sank die Feder zu Boden, das Papier flog in das Feuer, wurde rasch verzerrt, während ein Augenpaar müde und unentwegt das Flammenspiel beobachtete.


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BeitragVerfasst: 2.01.06, 04:08 
Einsiedler
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Leise tippte die Federspitze gegen den Rand des offenen Tintenfasses. Ein beständiges Geräusch...

Unbeständiger dagegen die Gedanken. Sie wirbelten umher, liessen sich kaum fassen, kaum lange oder gar zu Ende denken.
Bilder kaum auf, erfassten das Herz, rührten es, ehe der Hass seinen dunklen Schleier darüber legte.
Gefühle, Erinnerungen, Sehnsüchte - sie alle vermischten sich zu einem vielstimmigen Locken, ehe andere, jüngere Bilder und Empfindungen dieses beendeten. Eine Symphonie der Verzweiflung erklang, aus der Tiefe sich quälend, rührend und mitreissend und weiterhin das Tippen der Feder wie ein beständiger Takt auf dem Tintenglas.


Und wenn ich es beende?

Der Gedanke schien so einfach - doch ja nicht weiter daran denken, wie das Gewissen und das Herz einen plagen könnte, wenn der Mord vollbracht wäre!
Abdrücken, Zustechen - was sich eben anbot. Dann wäre alles vorüber, dann wäre das Problem aus der Welt geschafft.

Und dann nie wieder darüber nachdenken.
Nie.


Zuletzt geändert von Schattenfeuer: 2.01.06, 04:08, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 4.01.06, 10:06 
Einsiedler
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Stille umfing die Gestalt, nur leise unterbrochen durch das Knacken frischen Holzes, was von den Flammen genüsslich verzehrt wird. Wieder einmal wird die Federspitze in die dunkle Tinte getunkt, am Rand des Glases abgestrichen, ehe sie ansetzt.

4. Oner 17 n. H.

Wie konnte ich solche Gedanken hegen?
Aber sie schienen mir die einzige Möglichkeit. Manchmal möchte ich einfach nur fortrennen und die Angst umfässt mich derzeit eisern und kalt.
Werde ich zurückkehren? Oder bin ich bereits schon verloren?

Aber ich kann nicht mehr scheuen - ein Blick, eine Berührung, ein Wort, sanft geflüstert, genügen, um jegliche Scheu zu ignorieren.
Ich will eigentlich nur eines und würde mich dafür auch freiwillig in Gefangenschaft begeben, solange ich mir sicher sein kann, dass ich es weiterhin bekomme.

Kurz überfogen müde Augen die wenigen Zeilen, dann ein rascher Handschwenk, das Papier segelte in das Feuer, ehe es dort von den Flammen verschlungen wird.


Zuletzt geändert von Schattenfeuer: 4.01.06, 10:07, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 7.01.06, 02:22 
Einsiedler
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Kälte war das erste Gefühl, dazu ein steter, pochender Schmerz, der wohl der Grund für das Erwachen war.
Mühseliges Aufrichten, der erste, unsichere Griff ging zu der angebrochenen Weinflasche, rasches Entfernen des Korken, ein tiefer, grosser Schluck aus ihr, die Wärme, die der Alkohol mit sich brachte, empfangend und dann ein Näherrücken an die zwischen Steinen eingeklemmte Fackel.
Wie spät es wohl sein mochte?
Welcher Tag es wohl war?
Das Gefühl für die Zeit war langsam fort.
Ein Griff in den Beutel, ein Stück vom harten Brot nehmend und darauf herumkauend, mehr dem Hunger als dem Appetit wegen. Der Blick aus den noch müden Augen glitt zu jener Stelle, wo ein dunkler Fleck den felsigen Boden zeichnete - ein Schandmal des Versagens.
'Und wenn ich es wieder nicht schaffe?'
Wieder dieser bohrende, schmerzende Gedanke, der die kurzzeitige Überlegung einer Flucht mit sich brachte.
Fliehen - nein, undenkbar. Diese Prüfung musste bestanden werden - Entschlossenheit, Mut, Stärke mussten bewiesen werden.
Und Demut...

Nur wie?
Ein mühseliges Aufrichten der steifen Glieder, Abschütteln des Felles, was noch stark nach der Gerbsäure roch, mit dem es wohl einst behandelt wurde. Langsame, schleppende und schlurfende Schritte über den felsigen, hier und da unebenen Boden, die Arme fest vor dem Körper verschränkend, während der pochende Schmerz wieder auferstand.
Ein Blick an den mit Felsen verschlossenen Eingang entlang, lauschend, doch bis auf das leise, stete Tropfen keine weiteren Geräusche zu vernehmen. Ein schneidend kühler, doch auch frischer und Freiheit versprechender Luftzug von der Seite her, wo sich auch tatsächlich ein schmaler Spalt befand.
Ein Versuch war es wert - wenigstens für kurze Zeit frische Luft atmen, für kurze Zeit die Freiheit geniessen.

Tief einatmend, die frische Luft durch die Nase und durch den Mund einziehend, spürend, wie der Wind den Umhang etwas aufblähte, an der Kapuze riss und zog - so stand die Gestalt da, die Augen einen Moment schliessend.
So fühlte sich Freiheit an.
Freiheit, für die man so vieles zu opfern bereit war.
Ein warmes, sicheres Heim, Liebe, Freunde, Geld - alles erschien fast unwichtig, solange man frei war.
Solange man frei war...
Der Gedanke, der sich so rasch im Kopf auszubreiten drohte, war erschreckend - aber war das nicht der Schlüssel?

Die Augen öffneten sich, langsam, gezeichnet von Erkenntnis, hinauf zu den Sternen blickend.


Zuletzt geändert von Schattenfeuer: 7.01.06, 02:32, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 22.01.06, 14:38 
Einsiedler
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Registriert: 23.11.05, 20:47
Beiträge: 17
"Der, der keinen Namen trägt, erschafft nichts von sich aus. Er nimmt die reine, unschuldige Schöpfung der Viere, reisst sie gewaltsam an sich und pervertiert sie zu seinem verdammten Werk."


Der Geruch von Fäulnis und achtlos fortgeworfenen Dreck hing stetig in der Luft, überwältigte die Nase und haftete an der Kleidung wie eine stinkende, dreckige Zecke, die das Blut zu vergiften schien. Es war schwer in diesem vom Elend verpesteten Ort so etwas wie eine Heimat zu sehen und doch hatte er die letzte Zeit genug Schutz geboten, um zumindest für wenige, unruhige Zyklen Schlaf zu finden. Keiner der Suchenden würde wohl je freiwillig diesen Ort betreten und dort sein Ziel vermuten, vegetierend zwischen den verlausten Ratten.
Wie lange eigentlich schon?
Fast eine Ewigkeit erschien es. Fast wie ein zweites Leben, das aufgebaut wurde und vielleicht war es das nun auch. Eine Zuflucht, wenn die eigenen Wände zu eng wurden, wenn die Blicke anderer abschätzend über einen strichen, die Haltung, die Kleidung, die Sprache bemaßen, korrigierten, tadelten. Ein Schutz auch vor dem allzu grellen Licht, was einem die Sicht raubte.

Kein Schutz jedoch vor den Worten, Schlägen, dem drohenden Tod, wenn erneutes Versagen einem den Geist betäubte.
Ein kurzes Schaudern bei der Erinnerung, doch jeglicher Zweifel, jedes Zögern war beständig fortgewischt. Es gab nur noch einen Weg, selbst wenn er Schmerzen oder gar Verdammnis oder bei Versagen gar den Tod bedeutete. Keine Schwäche durfte mehr gezeigt werden - würdig vor den Augen des Gebieters galt es zu treten.
Ketten, die einen bis in den Tod fesseln - ja, wie wahr. Doch versprachen sie nicht auch die schmerzende, schwere Wahrheit?
Und... warum nicht auch andere in Ketten legen?


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