Siebenwindhomepage   Siebenwindforen  
Aktuelle Zeit: 19.11.25, 05:19

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]




Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 2 Beiträge ] 
Autor Nachricht
 Betreff des Beitrags: Hauch der Vergangenheit
BeitragVerfasst: 16.06.06, 19:46 
Ehrenbürger
Ehrenbürger

Registriert: 13.02.06, 22:30
Beiträge: 529
Wir sind wie das Meer, wie die schäumende Gischt,
die den Sand überspült und die Spuren verwischt


Dunkeltief, die letzten Tage 16. n. Hilgorad, Malthust, irgendwo an der Küste nahe Kalamudus

Die schäumenden Kronen brandender Wellen donnern vom Winde getrieben einher, sie fallen wie Bestien übereinander, verschlingen einander im tosenden Meer- und schneller und härter, von gierigem Trachten getragen erklingen die Donner der Gischt, gar tausende Donner von tausenden Wogen, wenn Welle um Welle am Felsen zerbricht.
Nichts vermag an Schönheit, nichts an Stärke und Gewalt der Macht der entfesselten, ihrem Alltage entrissenen Natur zu gleichen, kein Künstler zeichnet mit solcher Intensität und Leidenschaft in den dunkelsten wie den schillerndsten Farben- und nimmer mit solcher Nachdrücklichkeit, mit solch außergewöhnlicher und sich tief in die Erinnerung verankernder Kraft.
Dort sind die Wellen aus fernen Landen, die ferner noch liegen als der Streif am Horizonte, bis zu welchem nur das Auge zu blicken vermag. Gekrönt wie die Häupter von Königen sind sie, mit dem Weiß ihrer Gischt, dem Zeugnis ihres unaufhaltsamen Willens, und dazu bestimmt, weiter und immer weiter zu wandern, um noch mehr der Horizonte zu überschreiten und hinter sich zu lassen, bis hin zum Ende der Welt, und, so ihnen dies möglich wäre, noch darüber hinaus. Und dann zerschellen diese Urgewalten, diese ursprünglichen, aus Wind und Wasser geborenen, todbringenden Kräfte an den Felsen, den Klippen, die aus dem tobenden Meere emporragen wie dunkle Türmee, als wollten sie das belebte Land vor dem Ansturme dieser Wogen bewahren. Nicht in der Ferne, nicht abseits allen Geschehens, sondern hier, direkt unter ihr brandeten die Wellen gegen das Gestein und ließen von diesem aus, als käme es aus den Schlünden tiefster Abgründe, ein dunkles Grollen erklingen.

Sie stand nur einen, vielleicht einen halben Schritt von dem Rande der Klippe entfernt und hielt ihren Blicke in die Dunkelheit hinaus gerichtet, dorthin, wo am Tage das Wasser sich, soweit das Augen sehen kann, erstreckt, bis das Blau des Ozeans am Horizonte den weißblauen Himmel berührt und sich mit diesem vereint, wie die Lippen zweier Liebenden in einem sanften Kusse. Ein schmaler Streif zeugt von jener innigen Verbindung, der jetzt jedoch, in der tiefsten aller tiefschwarzen Nächte, nicht mehr zu sehen ist- in der Trostlosigkeit und Leere der Finsternis erblickte man lediglich die vereinzelten Lichter einer Stadt, die den Menschen unter dem Namen Kalamudus bekannt war, doch waren diese Lichter weit entfernt von jenem einsamen Orte, an dem sie sich nun, um diese gottlose Zeit, befand. Nur das Branden der schäumenden Wellen, das Pfeifen des kalten, peitschenden Windes und der Regen, der sich in dicken Tropfen aus den Toren des Firmamentes ergoß waren um sie herum. Sie stand auf einem schmalen Grat, ein Schritt hätte gereicht, und sie wäre innerhalb dreier Herzschläge dort unten, wo die Wut des Wassers sich gegen die stoische Beharrlichkeit der Felsen schleudert, und sie würde wohl verschlungen werden und untergehen in jenem gewaltigen wie unerbittlichem Kampfe der Elemente.
Über ihr hatten sich pechschwarze Wolken zusammengezogen, und selbst das Licht der fahlen Sterne ward nicht mehr zu sehen, nur Dunkelheit legte sich auf das Antlitz der Erde wie ein bleiernes, trübes Tuch. Der Regen prasselte unaufhörlich auf sie hernieder, die Tropfen tränkten ihre schwarze Rüstung und zersprangen an der harten Oberfläche des Leders in tausend winzige, noch kleinerer Tropfen- sie bildeten um sie herum Pfützen und sie gaben dem tobenden und zornigem Meere immer neue Nahrung für seinen unerbittlichen, wilden Ansturm gegen die Klippen. Jedoch ward es das beständige, monotone Platschen der Regentropfen, die auf der Oberfläche getränkter Pfützen zersprangen, welches ihre Sinne weit mehr erfüllte und ihre Aufmerksamkeit weit mehr erregte als das Donnern der Wellen unter ihr.

Ruhig und selbstbewußt stand sie auf der Klippe, gehüllt in ihre nachtschwarze Kleidung, die Hände verschränkt auf ihrem Rücken gelegt. Die Kapuze hatte sie sich tief im Gesichte gezogen und ein schwarzer Schal bedeckte ihren sonst einladenden, sinnlichen und für jede Schandtat bereiten Munde- doch hätte er diesmal nichts Sinnliches an sich, lagen ihre Lippen doch schmal wie ein Striche aufeinander und hätte ihr gesamtes Antlitz nurmehr das Aussehen einer in Stein gemeißelten, reglosen und kalten Schönheit- wie passend zu jenem Vergleiche stachen zwei eisige, blauschimmernde Augen aus dem Dunkel der Kapuze hervor, blaue Augen, die wie Eiskristalle wunderschön anzusehen waren und doch kalt funkelten und denen nichts entging. Hinter ihr, auf ihrem Rücken, flatterte ihr Umhang, gleichsam schwarz wie die Nacht und doch schlicht und unscheinbar, wenn man ihn näher betrachtete- er wurde vom Winde hin- und hergerissen, zerrte an seinen Schnüren, als wolle er entkommen und war doch nicht wegzudenken, war er doch gleichsam ein Teil ihrer Selbst- wäre um diese Zeit und bei jenem Wetter jemand auf See gewesen, er hätte wohl vermeint, auf den Klippen im fallenden Regen eine dunkle Gestalt mit schwarzen Flügeln zu erblicken, die reglos dastand und dem Treiben der Naturgewalten beiwohnte- die Gestalt eines Engels- vielleicht- aber wenn, dies hätte er beschworen, dann könnte es nur die Gestalt eines Todesengels sein.

„Du machst Deinem Namen noch immer alle Ehre“ erklang die Stimme jenes vermeintlichen Todesengels- die Stimme einer Frau, so sanft und harmonisch wie der Klang einer meisterhaften Melodie, und doch gleichzeitig so sachlich, kühl und feststellend wie ein Block gefrorenen Eises. Weder Spott noch Ironie, nur aufrechte Ehrlichkeit waren aus ihren Worten herauszuhören.
„Ich werde alt.“ Die leise, rauhe Stimme eines Mannes drang durch den peitschenden, mit Wasser getränktem Sturme aus einem Winkel in den Seitenwänden am Rande des Plateaus- Wind und Wetter hatten in den schroffen Felsen einige Durchgänge geschaffen, die jene Anhöhe vom zerklüfteten Bergmassiv und den schmalen Bergpfaden aus zugänglich machten. Seine Worte kamen nur langsam über seine Lippen, und man hörte aus ihnen die Last seines Alters- und vielleicht noch die Bürde anderer Dinge- heraus „Du hast mich bemerkt, das ist kein gutes Zeichen. Und es bedeutet wohl auch, daß ich vorsichtiger sein sollte, wenn ich nicht allzu früh in den Hallen Morsans enden will“
Wie recht er doch hatte, und wie bald schon sich seine Befürchtungen auf tragische, grausame Weise bestätigen sollten- doch wußte keiner der beiden an diesem Orte und zu dieser Zeit von alldem, was noch geschehen würde und welches ihrer beider Schicksal auf dieser Welt besiegeln würde.
„Die Pfützen haben Dich verraten. Der Regen“ führte die Frau langsam das Gespräche fort, reglos, ohne ihre Blicke von der vor ihr liegenden, sich über die See erstreckende Finsternis abzuwenden und ganz so, als erzähle sie eine leise, melancholische Geschichte „ist etwas Gefährliches für unsereins. Er verrät unsere Schritte und er weist den Wege, den wir gegangen, wenn wir mit nassen Kleidern in fremder Leute Haus waren. Deswegen mag ich ihn nicht, auch wenn er beizeiten sehr schön und sehr hilfreich sein kann. Wir dürfen die Elemente nicht unterschätzen und wir müssen der Sprache der Natur lauschen, in stetiger Aufmerksamkeit, was uns umgibt und was uns die Dinge unserer Umgebung erzählen.“
Der alte Mann trat aus seiner Nische zwischen den schroffen Felsmassiven hervor und überbrückte die letzten Schritte, die er nun, wohl ohne weiter auf seine vermeintliche Tarnung zu achten, platschend durch einige Pfützen beschritt. Seine Kleidung war jener der Frau sehr ähnlich, auch er trug eine schwarze, leichte Lederrüstung und einen im Winde flatternden Umhang gleicher Farbe. Würde man einen Blick unter die Kapuze erhaschen, könnte man das Gesicht eines Mannes erkennen, der vom Leben gezeichnet ward, schmale Falten hinterließen ihre Spuren als verästelte Risse auf blasser, ausgedörrter Haut. Man mochte ihn auf 60 oder 70 Jahre schätzen, trotz dessen, daß er in Wahrheit erst knapp vor dem Beginn seines 50. Lebensjahres stand.
Die Muskeln der Frau spannten sich unmerklich an, als sie den Schritten des Mannes lauschte- sie waren schwer nur zu vernehmen und zu lokalisieren, denn der heulende Wind und der peitschende Regen trugen ihren Teil dazu bei, daß die Geräusche der Stiefel, die auf den steinernen Boden und in die tiefen Pfützen traten, zum Großteil verschluckt oder übertönt wurden. Es wäre ein leichtes gewesen, die Frau die Felsen hinabzustoßen und sie den Gewalten der Natur zu überlassen, niemand hätte gewußt, was geschehen war, noch wer ihr Mörder wäre- es hätte auch niemanden interessiert, sie wäre nur eine weitere Leiche in den Abgründen der Gossen, zwischen dem zwielichtigen Treiben der Gestalten dieser Lande. Es war schwierig den Schritten zu folgen, und sie war immer darauf gefaßt, schnell handeln zu müssen. Doch ward es, in diesem Falle, unnötig, stellte sich der greise Mann lediglich neben sie und blickt hinaus in die tosende Dunkelheit, auf die stobenden Wellen und den prasselnden Regen. Langsam entspannten sich die Muskeln der Frau wieder, die Aufmerksamkeit aber blieb.

„Warst Du erfolgreich?“ Nach einigen Momenten des Schweigens durchbrach die Stimme der Frau wieder das Heulen des Windes, leise nur, aber gut hörbar für ihn, der er neben ihr stand. Seine Arme lagen hinter seinem Rücken verschränkt, die Hände ineinander verschlungen und unter den Umhang geschoben. Ein Kopfschütteln wurde von einem kurzen Seufzer begleitet, dann erwiderte er mit rauher Stimme
„Nein, leider nicht. Es wird gefährlich und es gibt zu viele, die ein Stück von dem Kuchen abhaben wollen. Die Armut trägt bittere Früchte und man tötet einander schon für ein Stück Brot. Die Anwesen der Adligen werden strenger bewacht, aber einzig in diesen Bereichen scheint es möglich, etwas Vernünftiges zu bekommen“
„Ich habe, was Du wolltest“ wechselte die Frau das Thema nach einigen Augenblicken der Stille, eine relative Stille, die doch noch immer durchzogen ward von dem Donnern der Wellen gegen die Klippen unter ihnen und dem Rauschen des Regens aus den Pforten des Himmels.
„Das ist sehr gut, ich wußte, Du würdest mich nicht enttäuschen. Ich werde es mir im Unterschlupf genauer ansehen.“ kam die Erwiderung des Mannes wieder leise, es glich einem geraunten Flüstern, rauh und etwas lauter als würde man es in einem ruhigen Raume von sich geben- jedoch machte die Brüchigkeit und Schwerfälligkeit seiner Stimme den Eindruck, daß ihn selbst diese leicht erhöhte Lautstärke seiner Stimme Probleme und Schwierigkeiten bereitete, als sei er es lediglich gewohnt, zu flüstern. Eine Angewohnheit, die ihm sein Leben lang nützlich war und die auch auf die Frau abgefärbt zu haben schien, war doch auch ihre Stimme keine fünf Schritte weit zu vernehmen. Doch klang sie nun von leichtem Erstaunen geprägt und ein Hauch der Überraschung mischte sich ihren Worten bei.
„Wieso wolltest Du mich dann hier treffen?“
„Ich wollte sehen, ob Du Angst hat“
„Angst? Vor der Dunkelheit?“, sie lacht leise „Nein, ich habe keine Angst vor der Dunkelheit, das solltest Du wissen“
„Das weiß ich“, die Stimme des Mannes war rauh, tief und bedeutungsschwer, so daß das Lachen der Frau abrupt erstarb und für einige Momente nur das Heulen des Windes und das Fallen des Regens zu vernehmen war.
„Ich wollte sehen, ob Du Angst vor dem Meere hast, vor der Ferne und der Einsamkeit, der Weite des Ozeans und den Gewalten der Wellen. Ich fühle, daß es bald soweit sein wird und Du Dein Leben der wogenden See überantworten mußt, um Deinen Wege zu gehen- er wird Dich weg von allem führen, was Du bisher kanntest und er wird Dich an neue Ufern bringen- ich weiß nicht, wann, doch wird dort draußen Dein Schicksal liegen, wenn hier in diesen Landen nur noch der Tod auf Dich wartet“
Er verstummte und sie standen schweigend beieinander, lange Zeit, und blickten hinaus in die grollende Finsternis.


Nach oben
 Profil  
 
 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 16.06.06, 19:53 
Ehrenbürger
Ehrenbürger

Registriert: 13.02.06, 22:30
Beiträge: 529
Dunkeltief, die letzten Tage 16. n. Hilgorad, Malthust, Kalamudus

In derselben Nacht wechselte in einer verruchten Spelunke im Armenviertel der Stadt ein großer Beutel Gold den Besitzer. Es waren der Dukaten viele, viel mehr, als eine solch heruntergekommene Kaschemme überhaupt wert war, und schwer lag der Beutel in den Händen. Eine dunkle Gestalt nahm ihn zufrieden entgegen und wog ihn prüfend, ohne die Schnüre des Beutels zu öffnen und genauer in diesen hineinzusehen, als der Auftraggeber noch zwei Zeichnungen hinterherschob. Die Zeichnungen zeigten zwei Gesichter, das eines Mannes im hohen Alter, mit furchigem Gesicht und schmalen Falten, sehr ungenau gezeichnet und wenig detailliert. Das andere war das Bild einer Frau mit blonden Haaren, die ihr sanft bis auf die Schultern herabfielen, einem glänzenden Augenpaar und einem sinnlich geschwungenen, weichen Munde. Sie trug ein paar Krüge durch die Reihen der sitzenden und anscheinend laut lachenden und johlenden Menge, wobei die Dynamik der Szene unzweifelhaft von einer weichen Ausweichbewegung der Dame getragen wurde, die geschickt ihre Hüften an einem der Stühle vorbeischwenkte. Dieses Bild war weitaus detaillierter und genauer als das erste, die Augen, der Mund und die Brüste des Mädchens hatten es dem Zeichner anscheinend besonders angetan, waren sie doch filigran und fast schon naturgetreu wiedergegeben.
Die dunkle Gestalt nahm auch diese beiden Zeichnungen entgegen und warf einen nur flüchtigen Blick auf das Bild des Alten, ehe sie es zusammenfaltete und einsteckte- das Bild der Frau betrachtete sie intensiver und länger, um dann auch dieses wortlos zusammenzufalten und in einer der Taschen ihres Mantels verschwinden zu lassen. Kurz darauf konnte man sehen, wie die Gestalt die Taverne verließ und mit schweren Schritten im strömenden Regen zwischen den in Dunkelheit versunkenen Häusern der Stadt verschwand.


Nach oben
 Profil  
 
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:  Sortiere nach  
Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 2 Beiträge ] 

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Google Feedfetcher und 24 Gäste


Sie dürfen keine neuen Themen in diesem Forum erstellen.
Sie dürfen keine Antworten zu Themen in diesem Forum erstellen.
Sie dürfen Ihre Beiträge in diesem Forum nicht ändern.
Sie dürfen Ihre Beiträge in diesem Forum nicht löschen.

Suche nach:
Gehe zu:  

Powered by phpBB © 2000, 2002, 2005, 2007 phpBB Group
Deutsche Übersetzung durch phpBB.de