Zitat:
Wenn du auf dem Kirchweg Umdesds aus dem Viertel der Fey'Haîm hinausgehst, wirst du bald einen auffallenden Hügel mit knochenbleichen Tafeln und melancholisch wuchernden Blumen entdecken - das ist der Morsananger der Viergöttertreuen. Unsere Leute, die Capenses, die Vascagnis, sind dort begraben. Meine Mutter liegt neben meinem Vater, und die Gräber der Verwandten, zwanzig oder mehr, umgeben sie wie die eingesunkenen Wurzeln eines versteinerten Baumes. Unterhalb des Hügels ist ein Feld von hohem Honiggras, dessen Farbe mit den Jahreszeiten wechselt. Im Bellum, im späten Carmer gehe ich hin, um es zu sehen, wenn es sich rötet wie die untergehende Sonne, wenn Scharlachschatten wie ein Glutschein darüberhuschen und die Bellumswinde seufzend aus seinen dürren Halmen Menschentöne locken - eine Harfe von Stimmen.
Jenseits des Feldes beginnt die Düsternis der Flusswälder. Es muss an solch einem Carmertag gewesen sein, als wir in den Wäldern Wurzeln sammelten, dass Aneva sagte: "Hörst dus? Das ist die Grasharfe, die immer eine Geschichte erzählt - sie weiß die Geschichten aller Leute dort vom Hügel, aller, die jemals lebten, und wenn wir tot sind, wird sie auch die unsere erzählen."
Aus den Aufzeichnungen des Iridias Capense, Schüler des rechten Pfades zum Herzogtum Savaro
[Übernommen von Truman Capote - Die Grasharfe, Suhrkamp, 1952 Frankfurt am Main.]