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 Betreff des Beitrags: Krieger des Lichts
BeitragVerfasst: 5.01.08, 14:12 
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Es war damals die Zeit der Reue. Er wußte um die Schrecklichkeit seiner Taten und gegipfelt hatten sie in dem Mord an seinem Führer und Verführer, an dem menschgewordenen Dämon, der ihm demonstrierte was Macht über andere Menschen bedeutete.
Doch nun reute ihn was er getan hatte und er bat den alten Mann, den er gerettet hatte, um Vergebung.
Sie beteten gemeinsam zu den Vieren. Er, der reuige Sünder, und der sterbensalte Paladin.
Dieser sah ihm gütig in die tränenfeuchten Augen und sprach mit seiner leisen, aber seltsam festen Stimme:
"Jeder Krieger des Lichts hatte schon einmal Angst zu kämpfen.
Jeder Krieger des Lichts hat bereits einmal gelogen oder jemanden verraten.
Jeder Krieger des Lichts hat schon einen Weg beschritten, der nicht seiner war.
Jeder Krieger des Lichts hat schon wegen bedeutungsloser Dinge gelitten.
Jeder Krieger des Lichts hat schon gemeint, er sei kein Krieger des Lichts.
Jeder Krieger des Lichts hat bei seinen spirituellen Verpflichtungen schon einmal versagt.
Jeder Krieger des Lichts hat schon einmal ja gesagt und nein gemeint.
Jeder Krieger des Lichts hat schon einmal einen geliebten Menschen verletzt.
Darum ist er ein Krieger des Lichts: kraft dieser Erfahrungen und weil er die Hoffnung nicht aufgegeben hat, sich zu bessern."

Der Sünder senkte den Blick und sah beschämt zu Boden.
"Ich bin kein Krieger des Lichts", flüsterte er rau.
"Doch, du bist einer, und ich zeige dir, wo er sich versteckt", sprach der alte Paladin.


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BeitragVerfasst: 6.01.08, 04:05 
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Der alte Paladin lag auf den Fellen am Lagerfeuer und atmete schwer. Seine Wunden waren versorgt.
Seltsam eingeschüchtert saß sein Retter auf einem Baumstamm ihm gegenüber. Immer wieder sah er auf zu dem alten Mann, der so schwach schien, und doch so viel Kraft ausstrahlte.
"Nun? Hast du dich entschieden?", fragte der Alte ruhig mit seiner festen Stimme.
Der Angesprochen sieht ihn unentschlossen an.
"Ich weiss nicht, ich möchte gerne erstmal alles verstehen, bevor ich eine Entscheidung treffe.", sagte er mit verzagter Stimme.
Leise seufzte der Paladin auf und sah sein Gegenüber traurig an.
"Du willst dir die Freiheit der Meinungsänderung vorbehalten, Söhnchen?"
Zögernd nickt der Angesprochene.
Der Alte schloss die Augen und schien aus dem Gedächtnis zu zitieren:
"Der Krieger des Lichts betrachtet diesen Satz mit Misstrauen. Auch er kann die gleiche Freiheit besitzen, doch das hindert ihn nicht daran, einer Verpflichtung nachzukommen, auch wenn er nicht genau weiß, warum er sie eingegangen ist.
Ein Krieger des Lichts fällt Entscheidungen. Seine Seele ist frei wie die Wolken am Himmel, aber er ist seinem Traum verpflichtet. Auf seinem frei gewählten Weg muß er zu Unzeiten aufwachen, die ihm nicht gefallen, mit Wesen reden, die ihn nicht weiterbringen, und auf einiges verzichten.
Seine Freunde meinen: „Du opferst dich umsonst auf. Du bist nicht frei.“
Der Krieger ist frei. Aber er weiß, dass ein offener Ofen kein Brot bäckt."
Lange schwieg der Paladin mit geschlossenen Augen, seinen Rücken hatte er auf den Fellen abgelegt.
Nach langer Zeit sprach der andere am Feuer.
"Ich will Euer Schüler werden."
Der alte Paladin nickte nur sachte und sagte leise:
"Ich weiss."


Zuletzt geändert von Guntram: 6.01.08, 04:14, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 6.01.08, 15:28 
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Der Morgen war angebrochen und der Sünder starrte nach der durchwachten Nacht in die Glut des erlöschenden Feuers. Sein Blick war nachdenklich, gebrochen saß er da.

Er fühlte sich unwürdig, dreckig. Konnten ihm seine Sünden überhaupt vergeben werden? War es nicht schon zu spät?

Langsam erhob er sich um das Lagerfeuer zu verlassen und in den Wald zu gehen um dort irgendwo zu sterben. Doch gerade als er dem vermeintlich schlafenden Paladin den Rücken zuwandte, begann dieser zu sprechen:

"Der Krieger des Lichts hat gelernt, dass es besser ist, dem Licht zu folgen.
Er hat schon verraten, gelogen, ist von seinem Weg abgekommen, hat der Finsternis den Hof gemacht. Und alles ging weiterhin gut, als wäre nichts geschehen.
Dennoch öffnet sich unvermittelt ein Abgrund. Man kann tausend sichere Schritte tun, und mit dem nächsten Schritt ist alles zu Ende.
Dann hält der Krieger rechtzeitig inne, bevor er sich selbst zerstört.
Wenn er diesen Beschluss fasst, hört er vier Kommentare von einer bösartigen, verstellten Stimme gesprochen:
'Du hast falsch gehandelt!'
'Du bist zu alt, um dich zu ändern!'
'Du bist nicht gut!'
'Du verdienst es nicht!'
Er schaut zum Himmel. Und eine Stimme, chorgleich einig aus vier Stimmen, sagt zu ihm:
'Mein Lieber, jeder hat schon falsch gehandelt. Dir sei vergeben, aber wir können dir nicht gegen deinen Willen vergeben. Entscheide dich!'
Der wahre Krieger des Lichts nimmt die Vergebung an."

Dann verstummte der Paladin und der Sünder verharrte, wie er war. Dann drehte er sich um und griff mit beiden Händen in die kalte Asche am Rande des Lagerfeuers. Er schmiert sie sich ins Gesicht und bekennt laut, dass es im Walde schallt:
"Ich nehme Eure Vergebung an, ihr Gnadenvollen!"


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BeitragVerfasst: 7.01.08, 02:09 
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Die Tage zogen ins Land. Die Wunden des Paladins heilten erstaunlich gut für das Alter des Mannes. Er konnte nun wieder aufstehen und umher gehen.

Seine Vorräte waren inzwischen zwar langsam zur Neige gegangen, aber sein neuer Begleiter hatte einige Fallen im Wald aufgestellt und ein paar Hasen fangen können. Davon ernährten sie sich, und von den Beeren und Pilzen des Waldes, die er sammelte.

Sie führten lange Gespräche miteinander. Gespräche über die Götter, über die Menschen und ihre Kriege. Aber auch und vor allem über den Ungenannten und seine offenen und versteckten Diener.

"Der Gegner ist weise", sprach der Paladin.
"Sobald er kann, greift er zur einfachsten und wirksamsten Waffe: der Intrige. Er braucht nicht viel Mühe aufzuwenden, denn die anderen arbeiten für ihn. Fehlgeleitete Worte zerstören Monate des Fleißes, Jahre der Suche nach Harmonie.
Der Krieger des Lichts wird häufig Opfer dieses Hinterhalts. Er weiß nicht woher der Schlag kam, und hat nichts, um die Hinterhältigkeit der Intrige zu beweisen. Die Intrige gewährt kein Recht auf Verteidigung: sie verurteilt ohne Gerichtsverfahren.
Dann erträgt er die Konsequenzen und unverdienten Strafen - denn Worte sind mächtig, und das weiß er.
Doch er leidet stumm und schlägt niemals mit der gleichen Waffe zurück.
Ein Krieger des Lichts ist nicht feige."

Solche und viele andere, ähnliche Gespräche führten sie. Selten sprach der Paladin den Sünder direkt an, oft nur in der dritten Person, und sein Name interessierte ihn offenbar auch nicht.
Manchmal erschien es ihm, als widerspräche sich der Paladin pausenlos, aber dann wieder erkannte er die Zusammenhänge und staunte über die tiefe Weisheit des Paladins.

Lange Nächte lag er wach und dachte über die Worte des alten Mannes nach, der ihn so seltsam aufgenommen hatte. So uninteressiert, so kühl, aber gleichzeitig doch wieder mit einer menschlichen Wärme, wie er sie seit Jahren nicht gespürt hatte.


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BeitragVerfasst: 8.01.08, 02:41 
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Die Träume waren böse...

[WT]Er lag in dem dreckigen Zelt unter stinkenden Decken und verlausten Fellen. Sein Körper war geschunden, sein Rücken eine einzige offene Wunde. Sie mochten es an ihm zu schneiden, während sie es taten. Mit Weinen hatte er schon lange aufgehört, sein Hals war rau, seine Augen trocken. Sein Leben war eine einzige Qual.

Die Zeltwand raschelte. Gereiztes Lallen ertönte von außen. Er kam wieder... und da wurde auch schon die Zeltplane zurückgeschlagen und herein torkelte ein betrunkener Söldner. Seine schielenden Augen stierten umher bis er das zitternde Bündel Mensch unter den Decken und Fellen entdeckte. Schmierig lachte er auf und näherte sich ihm unsicher schwankend, eine Schnapsflasche in der Hand.

"Hast Angst, mein Häschen?!", lallte er spöttisch und brach in hustendes, raues Lachen aus. Er schmiss die Flasche auf die Felle und beugte sich zu ihm herab. Der faulige Atem des Söldners drang ihm tief in die Nase und er versuchte sich weiter unter die, nun fast angenehm, riechenden Decken zu verkriechen. Doch die grobe, schwarzbehaarte Hand des Söldners ergriff ihn unerbittlich und zog ihn erbarmungslos darunter hervor.

Verzweifelt wehrte sich der Junge, doch die Kraft des Söldners war der seinen weit überlegen. Der Söldner begann seine Uniform aufzureissen. Angsterfüllt versuchte der Junge um sich zu schlagen, doch seine Schläge waren nicht zielgerichtet und verpufften offenbar wirkungslos an dem robusten, feisten Mann. Dieser schleuderte ihn wütend zu Boden und beugte sich wieder über ihn.

Voller Furcht tasteten die Hände des Jungen über die Felle, bis sie einen glatten, schweren Gegenstand zu fassen bekamen. Plötzlich entschlossen griff er zu und zog dem Söldner die Schnapsflasche so stark über den Kopf, dass sie zersplitterte. Die Augen des Söldners schielten auf einmal nicht mehr, mit einer seltsamen Verwunderung schaute er den nun so überlegen wirkenden Jüngling an. Dieser hielt den Flaschenhals in der Hand und zog dem Söldner kraftvoll diesen durch das Gesicht.

Blut spritzte über die Fellen und Decken und über das kalte Gesicht des Jünglings. Der nächste Hieb mit der zerborstenen Flasche ging zielgerichtet durch den Hals. Gurgelnd brach der Söldner zusammen und schaute angsterfüllt auf den kräftigen Jüngling der über ihm stand wie ein grausamer Racheengel, finster auf ihn herabsehend. Schwach drang noch ein letztes Röcheln aus der Kehle des Sterbenden, dann brach sein Blick.

Kurz blitzte es in dem Kopf des Jünglings auf:
Macht! Zeig deine Faust, sonst wirst du geschlagen! Macht!

Wenig später wurde die Zeltplane zurückgeschlagen und heraus trat der Jüngling, gekleidet in der Uniform des Söldners. Kurz glitt sein Blick noch zum Lagerfeuer, wo die anderen Söldner saßen und tranken. Doch dann wurde sein Schritt sicher, seine Haltung aufrecht. Er ging zu ihnen und setzte sich, blutbespritzt wie er war, zu ihnen. Erst schauten sie verdutzt, doch die Gespräche wurden gleich fortgesetzt und als die Schnapsflasche beim Kreisen das nächste Mal ihn erreichte, gehörte er dazu wie wenn es schon immer so gewesen wäre.
[/WT]

Keuchend erwachte der Sünder... Sein erster Mord! War es Mord?! War es Sünde?!

Der Paladin saß ruhig am Feuer und schürte es ein wenig.
"Es war nur ein Traum," sagte er ruhig ohne ihn anzusehen.


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BeitragVerfasst: 9.01.08, 18:58 
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"Was geschah dann?", fragte der Paladin, nachdem der Sünder ihm den Traum am nächsten Morgen erzählt hatte.
Zögernd blickte dieser zu Boden. Er presste seine Lippen aufeinander und sein Blick wurde bitter.

"Ich wurde zum Liebling des Söldnerhauptmanns Bellodor Franzen! Er nahm mich an als seinen Burschen."

Bei diesen Worten blickte er auf das Grab, wo er vor ein paar Tagen die Leiche, das Opfer seines letzten Mordes, verscharrt hatte. Der aufmerksame Blick des Paladins verfolgte dies.

"Ist er das?", fragte er mit einem Nicken Richtung des Grabes.

Beklommen nickte der Sünder und sah wieder zu Boden.

Einige Augenblicke ruhte der Blick des Paladins auf dem einfachen Grab, dann sah er wieder zu seinem Gegenüber. Schweigend blickte er ihn an, bis dieser wieder begann zu sprechen.

"Ich bin aufgestiegen, habe mich hochgedient... vom Schuhputzer des Hauptmanns zum Zugführer des Ersten Zuges unserer Kompanie... Schwertkämpfer."

Langsam nickte der Paladin. Dann lehnte er sich zurück.

"Ich habe Hunger, Söhnchen. Sieh nach, was wir haben und fang an zu kochen," sagte er mit ruhiger Stimme.

Der Sünder nickte und begann zu arbeiten.


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BeitragVerfasst: 15.01.08, 02:01 
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Die Träume waren tückisch...

[WT]Vor ihm breitete sich das Meer der Sünde aus und neben ihm stand der Vater aller Sünder, der gemein lachende Söldnerhauptmann.

Das Dorf brannte lichterloh, die geschlachteten Männer lagen auf den Strassen und aus den Häusern erschallten die verzweifelten Schreie der Frauen.

Der Söldnerführer Bellodor Franzen und sein Stellvertreter, der reuige Sünder, standen beieinander.

"Das alles ist ein Sinnbild für das was du getan hast...", sagte Bellodor und deutete mit ausgestrecktem Arm auf das abfackelnde Dorf.
"Du bist Mörder, Brandschatzer, Schänder, du bist böse..."

Verzweifelt versuchte der Sünder den Kopf zu schütteln, doch sein Körper gehorchte ihm nicht. Er nickte, bösartig grinsend. Seiner Kehle entrann ein wollüstiges Grollen.

War das er? Er, der Sünder? Oder war das ein bösartiges Bild?

"Du bist ein Kind des Blutes, du hast die Zeit der Vergebung versäumt! Folge deinem Pfad, nur so kannst du noch etwas Glück geniessen bevor deine Seele ewig leiden wird", sprach Bellodor weiter.[/WT]


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BeitragVerfasst: 27.01.08, 04:54 
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[WT]Plötzlich rannten vier Gestalten aus dem brennenden Dorf. Es waren kleine Gestalten, offenbar Kinder, die dem Inferno zu entkommen suchten.

Bellodor bemerkte die entkommenden Kinder und sein Gesicht verzerrte sich wutentbrannt. Eine Ader pochte auf seiner Stirn und er riß den Mund auf zu einem gutturalen Brüllen.

"Im Namen der Hölle, des Blutes und des Feuers, Ihnen nach! Hol sie zurück!", befahl er brüllend dem reuigen Sünder.

Und dieser setzte sich tatsächlich in Bewegung, erst langsam, dann wurden seine Schritte länger und schneller, bis er rannte, den Kindern hinterher.

Seine Klinge flog fast aus der Scheide, während auf seinen Zügen ein wölfisches Grinsen erschien. Das Jagdfieber hatte ihn gepackt, jede Emotion, die auch nur am Entferntesten an Mitleid erinnerte, war getilgt.

Seine großen Schritte brachten ihn schnell nahe an die Kinder heran. Er konnte sie nicht immer sehen, aber er hörte ihre spitzen Schreie, ihr aufgeregtes Keuchen. Manchmal blitzten die angsterfüllten Augen in der Dunkelheit auf, wenn sie sich panisch umdrehten um nach ihrem Verfolger zu sehen. Die lodernden Flammen des brennenden Dorfes spiegelten sich in den kleinen Äuglein wieder.

Der Jäger genoß das Spiel und verlangsamte sein Tempo um das Ende hinauszuzögern. Ab und an rannte er näher an das Mädchen, das ganz hinten floh, heran und zog es etwas an den roten Haaren, nur um die Angst weiter zu kitzeln.

Lange dauerte die Flucht schon, die Flammen waren nur noch ein roter Schein am Horizont.

Plötzlich hielten die Kinder, der Sünder fiel fast über sie, so unvermittelt blieben sie stehen.
Sie wandten sich zu ihm um und musterten ihn mit seltsamen Augen und ausdruckslosen Gesichtchen. Verwundert blickte der Sünder um sich, unsicher ob dieses seltsamen Verhaltens, jede Angst schien den vier Kindern genommen zu sein.
Das Mädchen blickte ihn aus dunkelgrünen Augen an, die drei Knaben aus weißen, schwarzen und blauen.

Verdattert ließ er sein Schwert sinken, doch dann erhob es wieder entschloßen diesem seltsamen Treiben ein Ende zu setzen.
Bevor er zuschlagen konnte, begannen die Kinder einstimmig zu sprechen:
"Und ob dein Weg gezeichnet ist von Sünde und Schuld, und ob er gesäumt ist von den Leichen deiner Opfer, Vergebung erfährst du, wenn du den ersten Schritt von diesem Pfad machst und deinen wahren Weg suchst, den der dich zu den Vieren führt."

Der Sünder hatte das Schwert wieder sinken lassen und drehte sich im Kreis, die vier Kinder standen um ihn herum und sprachen immer wieder diesen Satz. Immer schneller drehte er sich, sah nur noch die Augen der Kinder und hörte ihre Stimmen in seinem Kopf. Er liess das Schwert fallen und hielt sich die Ohren zu, schloß die Augen. Dennoch hörte er die Stimmen und sah die Gesichter. Immer schneller drehte sich alles. Immer schneller und schneller, bis eine tiefe Stimme sagte:[/WT]


"Aufstehen, Junge, es wird Zeit, wir müssen los!"

Der Paladin löschte gerade das Feuer mit etwas Wasser. Er war voll gerüstet und sein Gepäck hatte er dem Pferd schon aufgeladen.

Der reuige Sünder blinzelte ihn verwirrt an. Der rüstige Gotteskrieger richtete seinen Blick auf ihn.

"Na, was ist? Aufstehen! Ein langer Weg liegt vor uns", sagte er noch einmal und spritzte ihm das letzte Wasser aus dem Kessel ins Gesicht.


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BeitragVerfasst: 17.02.08, 15:36 
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Sie waren nun schon zwei Tage unterwegs und gingen immer tiefer in den Wald hinein. Der reuige Sünder stolperte dem Paladin hinterher, der sich trotz seines Alters und seiner schweren Rüstung erstaunlich behende und schnell fortbewegte.

Wohin sie denn gingen, hatte er gefragt. Doch der Ritter antwortete nur knapp: "Zu einem alten Freund!"

Während sie durch den Wald wanderten sprachen sie von allen möglichen Dingen, manchmal kam es dem Sünder vor, als ob das alles nichts miteinander zu tun habe. Sie unterhielten sich über den Adel, die Kirche, die Inquisition, den König und die Geschichte seiner Heimat Vandrien.

"Fürst Raziel mag den Krieg auf dem Schlachtfeld verloren haben, aber letztlich hat er etwas gewonnen. Der Mensch dieses Zeitalters hat die Folter wieder aufleben lassen und seinen Nächsten beigebracht, dass es möglich ist, die Augen vor dem Unglück anderer zu verschliessen.

Es gibt verlassene Kinder, in Massakern getötete unschuldige Frauen und Männer, Unschuldige in Gefängnissen, Betrunkene im Rinnstein, Verrückte an der Macht.

Doch eins hat er vergessen: Es gibt die Krieger des Lichts.
Und die Krieger des Lichts akzeptieren niemals, was inakzeptabel ist", sprach der alte Paladin und nickte gewichtig bei seinen Worten, als müsste er sich selbst der Wahrheit dieser Lehre versichern.

Fragend blickte der Sünder zu dem alten Mann.
"Wen verurteilt Ihr denn, hoher Herr? Dürft Ihr das überhaupt?", fragte er vorsichtig.

Der Alte sah ihn an und hob eine buschige weiße Augenbraue. Ein tadelnder Blick erreichte den Sünder.

"Verurteilen?", brummte der Paladin. "Ich verurteile niemanden, aber ich urteile und tue die Dinge, die ich für richtig halte, das ist Teil des Freien Willens, den uns die Viere geschenkt haben. Ich bin nicht unfehlbar, das ist keiner... Doch urteilen müssen wir, sonst ist unser Leben haltlos und wir können nichts, gar nichts tun, denn alles erfordert ein Urteil.
Erkenne jedoch bei allem Urteilen über das Verhalten Anderer den Menschen dahinter, verdamme vielleicht sein Handeln, aber verdamme nicht den Menschen, denn er verdient Gnade.
Irgendwann hat jedoch jeder die Gnade der Menschen verspielt und muss sich vor den Vieren verantworten. Sie werden erkennen, ob er Nachsicht verdient und in das Paradies gelangt oder den Qualen ewiger Verdammnis anheim fallen soll.

Stelle also nicht das Urteil anderer in Frage, sondern versuche zu erkennen, was sie zu diesem Urteil bringt und sei er noch so gering von Stand. Denn keiner ist unfehlbar, du schon gar nicht.

Mein Junge, zweifle nicht an dem, der dir sagt er habe Angst. Aber habe Angst vor dem, der da sagt, er kenne keinen Zweifel", sprach der Alte, während sie durch den Wald gingen.


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BeitragVerfasst: 1.03.08, 16:28 
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Nach einiger Zeit des Schweigens und des Grübelns bei dem Marsch durch den Wald erhob der reuige Sünder erneut zögerlich seine Stimme. Man sah ihm seine Ratlosigkeit und sein Unverständnis an.

"Ihr spracht von einem Paradies, hoher Herr. Was ist denn das?"

"Das ist der Ort an den die Seelen der Verstorbenen gelangen, wenn sie sich vor den Augen der Viere bewährt haben."

Sofort setzte der Sünder nach.

"Aber ich dachte, das wären die Morsanshallen, wo die einfachen Leute hinkommen, und die Krieger und Kämpfer kommen in die Feste Bellums, die Magier und Gelehrten kommen dann in die Bibliothek des Astrael und die Liebenden werden in Vitamas Garten aufgenommen", zählte der Marschbegleiter des Paladins eilig auf.

Dieser winkte jedoch lässig ab mit der in Bronze gepanzerten Hand. Sein Kopf schüttelte sich leicht, als ob er nur zu oft solche Worte gehört habe.

"Und was ist mit kämpfenden Magiern? Oder liebenden Kriegern? Was ist mit dem Bauern der auf dem Schlachtfeld fiel? Wo kommen die hin, nach ihrem Tod?", fragte er. Das nun vollkommen verständnislos blickende Gesicht des Sünders ließ ihn kurz auflachen.

Doch dann erklärte der Paladin weiter:
"Viele glauben die Viere trennen zu können indem sie ihre Gegensätze herausstellen, indem sie sagen, sie würden sich widersprechen in ihren Aspekten. Aber dem ist nicht so.
Vielmehr bedingen sie sich gegenseitig. Sie können alleine stehen, aber nur zusammen sind sie perfekt.

Das Recht des Astrael kann alleine stehen aber nur zusammen mit der Gerechtigkeit Bellums ist es perfekt.
Die Gerechtigkeit Bellums allein ist gut, aber vollständig ist sie erst wenn sie in das Recht seines Bruders gekleidet ist.
Was wäre Leben ohne Ruhe? Chaos.
Was wäre Ruhe ohne Leben? Tod.
Was wäre der Kampf ohne die Liebe? Gemetzel.
Was wäre die Liebe ohne den Kampf? Langweilig, sinnlos.

Verstehst du? Ich kann ewig so weitermachen und dir die vermeintlich widersprüchlichen Aspekte der Viere aufzählen. Doch sie brauchen einander. Und deswegen glaube ich auch nicht, dass die Viere unsere Seelen im Jenseits trennen, ist doch alles in uns:
Gelehrter und Krieger, Bauer und Edelmann, Liebender und Tötender.

Trenne die Viere nicht, sieh sie als Einheit, als untrennbar an, denn nur so kannst du die Vollkommenheit ihres Glückes spüren, schon in diesem Leben."

So sprach der Paladin und nun schwieg der Sünder lange Zeit auf dem Marsch. Gedanken wurden in seinem Hirn angestoßen.


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BeitragVerfasst: 31.03.08, 01:59 
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Sie hatten endlich eine Hütte erreicht. Tief im Wald stand sie, einsam und verlassen war sie. So schien es zumindest, wäre nicht die keifende Altweiberstimme aus dem Inneren der Hütte gewesen.
Der alte Paladin und sein Schützling näherten sich dem kleinen, aus schweren Stämmen gefertigten Blockhaus. Der Alte setzte sich auf eine Bank vor der Hütte und ließ den Jungen das Pferd absatteln und mit Stroh trocken reiben. Derweil tönte immer wieder das Geschimpfe einer alten Frau aus der Hütte.

„Immer dasselbe… Sauerei! Götterlästerliche Sauerei! … Keinen Augenblick aus den Augen lassen...“, so ging es fort und fort. Der Paladin reagierte nicht darauf, er warf seinen blaugrauen Umhang zurück und genoss blinzelnd die letzten Strahlen der warmen Abendsonne, deren Strahlen einen Weg auf die kleine Lichtung vor der Hütte gefunden hatten. Der Junge mühte sich derweil mit dem schweren Gepäck und dem Sattel ab und legte beides sorgfältig vor die Hütte.
In diesem Augenblick schwang die Tür mit rasanter Geschwindigkeit auf und heraus fegte eine alte, dicke Frau, erstaunlich behände für ihre Leibesfülle und ihr Alter. Sie war in einfache Kleider gehüllt, mehrfach geflickt und ordentlich abgewetzt, erdfarben. Auf ihrem runden Kopf trug sie eine Haube von schmutzigem Weiß, die ihr Haar bedeckte. Eine braune Warze auf der Wange zierte ihr rundes, fast faltenloses Gesicht. Insgesamt erschien sie eine resolute Persönlichkeit zu sein.
Kurz verharrte sie erschrocken als sie das Pferd sah, dann erblickte sie den alten Paladin und ihr Mund öffnete sich. Zum ersten Mal war ihre Stimme verstummt, seit die beiden Reisenden die Hütte erreicht hatten. Dann wandte der Paladin ruhig seinen Blick zu ihr und deutete ein Nicken an. Sie sank sofort auf ein Knie herab und ihre Stimme ertönte wieder, immer noch keifend aber bedeutend sanfter.
„Hoher Herr Severinus von Borg, ich habe Eure Ankunft gar nicht bemerkt. Bitte verzeiht…“, sprach sie und richtet dabei nervös ihre Haube.
Der Paladin winkte lässig ab.
„Steh schon auf, Gesina. Der Segen der Viere mit dir und deiner rauen Schale“, lachte er leise. Sie erhob sich und sah ihn etwas unsicher an. Sie nickte nur einmal knapp als er ihr einen unmerklich kurzen fragenden Blick zu warf. Sie hob an zu sprechen, doch er brachte sie mit einem Winken zum Schweigen.
„Er lebt noch, das reicht“, sagte er knapp und sie nickte und verschwand im Haus um wenig später mit einem Krug Wasser und einem Fladenbrot herauszukommen, was sie dem Alten reichte. Dieser verzehrte es langsam und winkte den Jungen zu sich heran, als er unschlüssig da stand nachdem er die Arbeiten vollendet hatte. Der junge Mann setzte sich neben den Alten und sah ihn fragend an.
„Was war deine schlimmste Schlacht, mein Junge?“ fragte der alte Paladin. Kurz blickte der Junge ihn verwirrt an, dann verlor sich sein Blick nachdenklich in der Ferne.

„Vor ein paar Jahren, die Schlacht von Vandris, im Jahr 14 war es, glaube ich. Ein paar tausend Mann standen sich gegenüber…“

Und schon sah er sich wieder an jenem Ort…

[WT]Er war im Zelt der Unterführer an der linken Flanke ihrer Truppen als Adjutant seines Hauptmannes Bellodor Franzen. Er war der Führer der Truppen an dieser Stelle. Fast 800 Mann standen dazu unter seinem Kommando, ihnen gegenüber 500 Mann der Inquisitionsarmee. Gerade erklärte Bellodor welchem Gegner sie sich gegenüber sahen.
„Die ketzerischen Streitkräfte haben in der Mitte ihrer Heerscharen ein paar Dämonen beschworen um unsere Truppen zu ängstigen. Wir werden es ihnen mit selber Münze vergelten: Unsere Illusionisten haben einige Abbilder dieser höllischen Kreaturen beschworen um unsere Feinde zu erschrecken und sie ihre eigene Medizin schmecken zu lassen. Diese Schergen der falschen Inquisition werden bald erkennen, dass die Viere mit uns sind und nicht mit ihnen“, fügte er grinsend an.[/WT]

Jetzt war es klar. Im Nachhinein war es klar, und das Wunderlichste schien, dass er nicht einmal rot wurde als er log. Die Dämonen auf ihrer Seite waren keine Illusionen, sie waren von den Schwarzmagiern beschworen worden, die in ihren Reihen kämpften. Der Gegner hatte hingegen gar keine Dämonen, denn sie kämpften ja wahrhaftig für die Viere.

[WT]Als Bellodor und sein Adjutant wieder hinter ihren Reihen standen und über das Schlachtfeld sahen, verdunkelte sich der Himmel. Mehrstimmige klerikale Gesänge schallten von den Inquisitionstruppen zu ihnen herüber. Blitze zuckten vom Himmel herab und erleuchteten fahlhell das Schlachtfeld. Man hörte wie sie Bellum anriefen.
„Seht nur“, schrie Bellodor geifernd über seine Schlachtreihen hinweg. „Seht nur, Bellum zürnt ihnen, denn sie rufen ihn an ohne ihm zu dienen“, lachte er laut und die Söldner lachten mit ihm. „Da“, fügte er lachend hinzu. „Ich sehe wie die falschen Inquisitoren von den Blitzen Bellums erschlagen werden. Einer, noch einer und noch zwei!“ Bellodor deutete in die Menge hinein und sein Adjutant versuchte es ebenfalls zu erblicken, doch sah er es nicht, obwohl auch er erhöht stand, nur wenige Schritte von seinem Hauptmann entfernt. Bellodor grinste ihn zuversichtlich an und rief ihm zu: „Ich sage dir, Bellum ist auf unserer Seite!“[/WT]


Jetzt war es klar. Im Nachhinein war es klar, wieder hatte er gelogen. Die Blitze erschlugen ihre Feinde nicht. Sie waren ein Zeichen von Bellums Wohlwollen ihnen gegenüber. Sie waren die Diener und Streiter der Viere und keine falschen Inquisitoren.

[WT]Der junge Adjutant sah zu den Leuten seines Söldnerhaufens und suchte nach Wulfgar Rolfson, einem dicken Lanzenträger, der ihm gezeigt hatte wie man einen Hasen ausnimmt und zubereitet. Er wollte ihm zuwinken, doch sah er ihn nicht. Er stand wohl ganz vorne, wie es sich für ihn gehörte. Die Schlachtreihen marschierten aufeinander zu, die ersten Geschoße flogen durch die Luft und die ersten Schmerzenschreie ertönten. Dann prallten die Streiter aufeinander und der Kampf begann. Der Auftrag Bellodors war es den Hügel auf dem sie standen um jeden Preis zu halten, um weiterhin die Flanke der Hauptkräfte sichern zu können. Bellodor trieb seine Soldaten unerbittlich an, um dieses Ziel zu erreichen, doch immer wieder brandeten die Soldaten der Inquisition gegen ihre Reihen, verlustreich waren ihre Angriffe, doch auch die Reihen der Söldner dünnten sich immer mehr aus. Bellodor war wutentbrannt und brüllte Befehle. Dann richtete er seinen Blick auf die gegnerischen Reihen.
„Da! Da ist er! Der muss fallen, dann können sie nicht mehr“, rief er seinem Adjutanten zu und deutete auf einen großgewachsenen Krieger der Inquisition mit langen braunen Haaren. Er trug eine silbernschimmernde Rüstung und einen roten Umhang. Immer wieder trieb er seine Soldaten an und schickte sie gegen den Feind, wehrte dort einen tödlichen Hieb ab, stieß hier zu um einen vandrischen Söldner in Bedrängnis zu bringen. Dem Adjutanten entfuhr ein Schrei als er sah, wie sich dieser Krieger gegen Wulfgar wandte und mit ihm focht. Wulfgar wehrte sich so gut es ging, doch schien er ihm klar unterlegen. So zögerte der Junge nicht und folgte dem in die Schlacht stürmenden Bellodor, der geradewegs auf den Inquisitoren zurannte. Von Schlachtreihe war inzwischen keine Rede mehr, jede Ordnung hatte sich aufgelöst und die Kämpfer hackten wild aufeinander ein. Immer wieder mussten Bellodor und der Adjutant Soldaten ausweichen um zu Wulfgar und seinem Gegner vorzustoßen. Wulfgar schrie plötzlich auf und sank tödlich getroffen zu Boden. Der Inquisitor wandte sich herum und empfing Bellodor mit einem Schwerthieb, den dieser leicht parierte, dennoch wurde er durch den Schwung seines Ansturms an ihm vorbei getragen. Der Inquisitor wandte sich herum um den nächsten Angriff Bellodors abzuwehren, deswegen sah er nicht den jungen Adjutanten der ebenfalls auf ihn zustürmte und mit voller Wucht sein Schwert gegen seinen Hals stieß. Der Hieb wurde nur abgefangen durch den eisernen Kragen, den der Inquisitor trug, doch unter der Kraft des Schlages zersprang dieser und fiel zu Boden. Mit verwundertem Blick wandte sich er sich um und sah dem Adjutanten in die Augen. Dieser starrte ihn ebenso entsetzensstarr an und für kurze Zeit verharrten sie regungslos während um sie herum die Schlacht tobte.
Dann drängten einige zurückweichende Söldner den Jungen weg von dem Inquisitor wieder den Hügel hinauf und dieser wandte sich von dem Adjutanten ab und widmete sich wieder der Schlacht. Nur kurz konnte der Junge noch einen Blick auf den Mann erhaschen, seinen Nacken zierte die Tätowierung zweier gekreuzter Schwerter, dann war er im Tumult verschwunden.[/WT]

Die Flanke und die Schlacht gingen verloren. Die vandrische Armee wurde geschlagen von den Truppen des Königs. Nur wenige hatten überlebt nach vier Tagen des Kämpfens und Schlachtens, doch darunter waren Bellodor Franzen, der sich mit den Überresten seines Söldnerhaufens in die weiten vandrischen Wälder zurückzog und sein Adjutant. Und vielleicht auch jener geheimnisvolle Inquisitor mit der Tätowierung im Nacken.

Als der junge Mann seine Erzählung beendet hatte, nickte der Paladin. Er erhob sich und das stilisierte Auge auf seinem Brustpanzer glitzerte in der untergehenden Sonne. Er ging wortlos in die Hütte hinein und deutete dem Jungen zu folgen, was dieser etwas ratlos tat. In der Hütte schritt der Paladin zu einem verhangenen Gemälde und riss die Decke weg. Das kostbare Bild mutete seltsam an in der ansonsten ärmlichen Hütte.

Bild

„Dieses Bild zeigt den Bellumgeweihten Paladin des Königs, Utger von Leuenmuth, bei der Seebelagerung der Stadt Vandris. Man sagt es war seine größte Schlacht, doch es war nicht seine schrecklichste.“

Severinus von Borg ging zu einem weiteren Vorhang der eine Schlafnische vom Rest des Raumes trennte und riss auch diesen zurück. Dem Jungen stockte der Atem bei dem Anblick.


Zuletzt geändert von Guntram: 31.03.08, 02:35, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Krieger des Lichts
BeitragVerfasst: 15.05.08, 22:23 
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Ein ekelerregender Geruch breitete sich in der Hütte aus. In der Schlafnische lag ein Mann. Es war mehr ein Bündel als ein Mensch. Der Körper des Mannes war total ausgemergelt, wie trockenes Pergament spannte sich die Haut über die Knochen, die Adern sahen unter der durchsichtig scheinenden Haut wie blaue Schnüre. Ein paar graue Strähnen bedeckten den kahlen Kopf und um den Mund sah man noch die Überreste eines einst stolzen Bartes. Der Sünder glaubte den Mann auf dem Bild wieder zu erkennen. Dann räumte Severinus jeden Zweifel aus.
"Dies ist Utger von Leuenmuth, dem Bellum geweihter Paladin des Königs, und du siehst ihn bei seiner schlimmsten Schlacht, wahrscheinlich sogar seiner letzten."

Der alte kranke Mann in der Schlafnische schien nicht mehr wirklich Herr seiner Sinne zu sein. Er sabberte und schwitzte und bewegte sich kaum, seine Augen waren halbgeschlossen und sein Atem ging kaum hörbar. Offenbar hatte der Mann einen Zustand zwischen Leben und Tod erreicht, seine Tage, ja, seine Stunden schienen gezählt zu sein.

"Was ist mit ihm?", fragte der Sünder atemlos.

Der alte Paladin sah mit bitterem Gesicht auf Utger nieder und sprach:
"Er ist krank, er hat sich vor einigen Monden irgendeine Seuche eingefangen und siecht seither dahin."

"Und warum ist er hier? Er ist doch ein wichtiger Mann, warum wird er nicht von den besten Ärzten versorgt?" fragte der Sünder erneut.

"Er ist hier, weil ihn alle so in Erinnerung behalten sollen, wie er auf dem Bild war, das war sein Wunsch. Seine Krankheit ist unheilbar. Er wollte hierher und in Einsamkeit sterben... aber seine Brüder und seine Schwester haben ihn nie vergessen, wir sind immer wieder zu ihm gekommen und haben ihn besucht, bezahlten seine Pflege. Und jetzt kommen wir zusammen um ihn gemeinsam zu Morsan zu geleiten."

Stumm sah der Sünder auf den tugendhaften Mann, der todesnah in der Schlafnische lag, und so gar nichts mehr mit einem Paladin gleich hatte.


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 Betreff des Beitrags: Re: Krieger des Lichts
BeitragVerfasst: 27.06.08, 01:07 
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Der Scheiterhaufen war errichtet, und gerüstet lag der Leichnam des Paladins darauf. Die Hände waren auf der Brust verschränkt und die Finger waren um den Griff des altertümlich anmutenden Schwertes gelegt.

Die anderen waren kurz nach seinem Tode eingetroffen und standen nun versammelt um den Verstorbenen um ihn auf seiner letzten Reise zu begleiten.

Die hochgewachsene, fast dürr zu nennende Frau mit den langen immer noch schwarzen Haaren. Selinda von Hagebrecht wurde sie genannt und anhand der Symbole konnte sie der reuige Sünder als eine Dienerin des Morsan erkennen, ihre Rüstung war schwarz eingefärbt, aber sie trug einen Wappenrock darüber, der so weiß war, dass es fast in den Augen weh tat ihn anzusehen.
Ihre dunklen Augen hatten ihn nur kurz gemustert, aber sie strahlte eine solche Ruhe aus, dass es ihn schon wieder fast beunruhigte. Ein schwerer Rabenschnabel baumelte an ihrer Seite, ebenfalls aus geschwärztem Metall gefertigt und reich verziert.

Neben ihr stand ein grauhaariger Mann, der eine grüne Lederrüstung trug und einen gepflegten Vollbart. Seine braunen Augen hatten ihn traurig gestreift nur, und doch war er sich sicher, dass er normal ein lebenslustiger Mann war. Marcus von Grünwald strahlte Geborgenheit aus und sein Gesicht war überzogen von kleinen Lachfältchen und doch trug er, neben einer kleinen Harfe, einen schlanken Säbel an der Seite, dessen Knauf die Form einer Lotosblüte hatte.

Severinus von Borg hatte ihn den Scheiterhaufen aufbauen lassen. Nachdem er das Holz gesammelt und aufgeschichtet hatte, fragte er ihn etwas: "Warum verbrennt ihr ihn denn? Ich dachte immer, nur Ketzer werden verbrannt, aufrechte Gläubige werden doch vergraben..."

Der alte Mann sah ihn an und schwieg lange. Dann sprach er ruhig zu ihm:
"Sie haben uns verfolgt, sie haben unsere Art zu dienen nicht verstanden und alles schlecht gemacht, was wir taten. Sie haben unsere Riten verboten, unsere Art zu Leben verdammt. Sie haben unsere Bestattungsriten zu einer Strafe für Ketzer gemacht um uns zu diskreditieren, sie nannten unsere Opfer blutrünstig und unsere Feindschaft zum Thronräuber nicht tief genug. Die Politik hat uns zu Feinden gemacht, der Krieg hat die Wahrheit als sein erstes Opfer gefordert. Wir waren ihnen nicht total genug in der Verdammung des Dunklen Prinzen, das hat uns zu ihren Feinden gemacht, denn sie sagten uns, wer nicht mit ihnen sei, sei gegen sie. Das ist alles."

Der reuige Sünder sah ihn verständnislos an, half ihm dann aber den Leichnam von Utger zu waschen und für die Verbrennung vorzubereiten.

Rauch stieg aus den Öffnungen der Rüstungen und der Geruch verbrannten Fleisches breitete sich aus.
Selinda trat vor und warf einen Ast auf das Feuer, dann sprach sie mit rauher Stimme.
"Utger, du warst immer ein treuer Freund und aufopferungsvoller Mitstreiter. Wo du warst, war es sicher, wo du warst, konnte ich ruhig schlafen. Dein starker Arm hat sich um deine Freunde gelegt, wenn es nötig war, aber du hast dir auch Schwächen eingestanden und hast damit deinen Wert als Verbündeter noch mehr bewiesen. Danke, dass ich dich meinen Freund nennen durfte. Wir sehen uns, Utger."

Sie trat zurück und Marcus trat hervor, Tränen flossen ihm über das Gesicht in seinen weichen grauen Bart hinein. Er warf seine kleine Harfe in die lodernden Flammen des Scheiterhaufens und sprach mit überraschend klarer Stimme:
"Utger, selten hast du mich sprachlos gesehen, jetzt ist es wieder einmal so weit. Meine Trauer um meinen Verlust an dir lässt sich nicht in Worte fassen, .... Bruder...., ich schweige, im Andenken an dich."

Dann senkte er den Blick und trat stumm weinend zurück. Nun war es an Severinus vorzutreten, auch er warf einen Ast auf den Scheiterhaufen. Sein Gesicht war versteinert, seine Stimme trocken, keine Gefühlsregung war an ihm zu erkennen.
"Utger, mein treuer Utger, du hast die Gemeinschaft der Vier verlassen, das ist ein herber Schlag für uns. Noch härter trifft uns die Tatsache, dass du es versäumt hast einen Nachfolger auszubilden. Die Gemeinschaft der Viere ist alt geworden, wir sind alt geworden, der Tod ist uns näher als wir glauben wollen. Und wieder einmal bist du uns vorausgegangen, vorgestürmt ins Ungewisse, wie schon dutzende Male zuvor in Schlachten, Kämpfen und Kriegen. Wir werden dich nicht vergessen, Utger, du lebst weiter in unseren Herzen."

Dann trat auch er zurück zu den anderen und sie fassten sich an den Händen, sie formten eine Raute, doch zwei Hände griffen ins Leere. Betrübt sahen die drei auf die leere Stelle.
"Er fehlt", flüsterte Marcus leise.

Dann erklang plötzlich aus heiterem Himmel ein unnatürliches Zischen, es hörte sich widerwärtig und ekelhaft an. Ein schwarzer Riss entstand in der Wirklichkeit, alle Vier, die drei Paladine und der reuige Sünder, starrten voller Mißtrauen auf das sich formende Tor. Heraus trat eine Gestalt, gerüstet mit einer schwarzen ungeschmückten Plattenrüstung, der Helm gekrönt mit fünf schwarzen Spitzen, die Schulterstücke geformt wie die Schwingen einer Fledermaus, der Umhang nahm sich aus wie eine Meute wimmelnder Ratten. In der Hand hatte die Gestalt einen verkrüppelten Ast. Die drei Paladine griffen zu ihren Waffen, doch verharrten sie still. Wuchtig trat der schwarz Gepanzerte auf den Scheiterhaufen zu und warf den Ast ebenfalls in die Flammen. Kurz verharrte er schweigend auf den brennenden Leichnam niedersehend, dann ertönte eine metallisch verzerrte Stimme unter dem Helm:
"Feindschaft kann nicht über den Tod hinaus gehen, Respekt hingegen ist unsterblich, alter Feind."
Dann sah er zu den anderen Dreien.
"Dennoch, die Raute ist zerbrochen! Bald wird der Thron dem Prinzen zufallen, werdet euch endlich seiner Macht gewahr! Wer will uns jetzt noch aufhalten?", donnerte er, dann ging er eilig durch das schwarze Tor in der Wirklichkeit, welches sich mit einem widernatürlichen Schmatzen schloß.

Die drei Paladine standen immer noch starr da und bewegten sich erst wieder, als sie sahen wieder reuige Sünder lautlos zusammengebrochen war.


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 Betreff des Beitrags: Re: Krieger des Lichts
BeitragVerfasst: 18.12.08, 00:40 
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Die Asche war eingefüllt worden in eine unscheinbare Urne. Selinda wollte sie ans Meer bringen um dort die sterblichen Überreste ihres Weggefährten den dunklen Tiefen Morsans zu übergeben. Es war bereits die Nacht hereingebrochen und die drei Paladine saßen mit dem jungen Begleiter Severinus' um ein Lagerfeuer außerhalb der Hütte. Gesina war schon am späten Nachmittag wieder nach Hause aufgebrochen, sie wollte ihre Familie wieder bei der Ernte unterstützen. Der dicke und schwere Lederbeutel, den ihr Marcus überreichte, würde sie sicher zu einer willkommenen Person machen.

Die Funken des Feuers schwebten in einem irrlichternden Tanz dem schwarzen Nachthimmel entgegen. Der Sünder sah ihnen gedankenschwer nach. Die Runde um das Feuer wurde kleiner, Marcus hatte noch ein Lied gesungen und war dann zu Bett gegangen, wenig später folgte ihm Severinus, nachdem er sich ächzend erhoben und eine gute Nacht gewünscht hatte.

"Lifnas Segen!", wünschte ihm sein Begleiter leise hinterher, woraufhin sich die dunklen Augen der von Hagebrecht auf ihn richteten. Kurz musterte sie ihn nachdenklich, dann fragte sie ihn mit ihrer rauchigen Stimme:
"Weißt du denn, wer Lifna ist, Bursche?"

Er sah sie verwundert an. "Lifna?! Natürlich, sie ist ein Engel Morsans und behütet unsere Träume..." Ihr trockenes Lachen ließ ihn verstummen.

"Engel?!" Kurz schloss sie die Augen und atmete seufzend aus. "Die Worte der neuen Ordnung, sie klingen so... schal, so blass." Sie öffnete die Augen und sah ihn fragend an. "Kann ein Wort blass klingen?"
Er zuckte nur unsicher mit den Schultern, sah sie ungewiss an. Eine Weile schwieg sie still, dann sprach sie weiter.

"Lifna ist kein Engel. Sie ist eine Halbgöttin und sie spinnt uns unsere Träume."

Schon mit diesen Worten wurde ihr die ungeteilte Aufmerksamkeit des jungen Mannes zuteil. Er sah sie mit offenem Mund an.

"Es war vor langer Zeit, als die Berge noch wuchsen und die Meere noch wild waren, da lebte eine Frau in den noch jungen Wäldern von Daben, wo heute Morthum ist. Sie war arm und eine Weberin. Larissa war ihr Name und sie war trotz allem eine schöne Frau. Aber sie war auch stolz und so konnte sie kein Mann erreichen. Alle wies sie ab und schenkte ihnen kein Lächeln. So wurde auch der Gott des Todes auf sie aufmerksam und er beobachtete sie durch die Augen eines Raben. Er verspürte eine Regung in sich sich, wenn er das Mädchen betrachtete. Dann fasste er den Entschluss und erschien ihr als junger, schlanker Mann mit schwarzen Augen und langen dunklen Haaren. Sie war fast wie gebannt von seiner Schönheit, doch wich sie auch ihm aus. Morsan verlangte von ihr mit ihm das Lager zu teilen und versprach ihr die höchste Lust in diesem Leben. Doch auch ihn wies sie zurück, schön wie er war, besiegte er doch nicht ihren Stolz und er wurde zudringlich. Er riss ihr die Spule aus der Hand und griff nach ihrem Kleid. Sie wich zurück und stolperte über die Schwelle in ihre Hütte. Morsan wollte ihr folgen, doch lag auf der Türschwelle eine trächtige Hündin und so konnte der leibgewordene Gott ihr nicht folgen, denn wo das Leben wächst, kann der Tod nicht eindringen. Er wich zornerfüllt zurück und liess das Mädchen in ihrer Hütte allein. Sie traute sich den ganzen restlichen Tag nicht mehr hinaus. Doch Morsan änderte seine Pläne. Als sie sich des Abends zu Bett legte und einschlief, kam er im Traum über sie und verführte sie. Losgelöst von der Körperlichkeit erreichte er sie und nahm sich wonach ihm verlangte. Larissa empfing ein Kind in dieser Nacht und Morsan kehrte zufrieden in sein Reich zurück.
Die Weberin trug das Kind aus und war verschlossener denn je. Sie nannte ihr Kind Lifna und bildete es in ihrem Handwerk aus. So wurde Lifna Weberin und weil sie und ihre Mutter immer so alleine waren und nicht viel miteinander redeten, verlor sich die junge Lifna in ihrer Fantasie und wob sie in ihre Arbeiten hinein. Sie zeigte so außergewöhnliches Geschick dabei, dass es ihnen gut ging und Larissa sehr alt werden konnte. Doch der Tag kam, da sie sterben musste und ihr ehemaliger Geliebter kam. Als er die Hütte betrat und seiner Tochter in die Augen sah, erkannter sie sofort an seinem Blick und er wusste, dass es umgekehrt ebenso war. Ohne Erbarmen ergriff er die Seele der Mutter seines Kindes und warf sie in die Stille des Totenreichs, seine Tochter aber, ihr Talent erkennend, nahm er an seine Hand und führte sie heim in sein Reich. Dort sollte sie für ihn weben bis ans Ende der Tage und manchmal, da webt sie für die Sterblichen Träume im Auftrag ihres Vaters, aber auch oft aus eigenem Antrieb. Und so ist sie heute noch bekannt, als die Traumweberin und beglückt oder verdammt uns im Schlaf.“

Als sie die Geschichte beendete schwieg sie eine Weile und starrte ins Feuer. Dann sprach sie mit rauer Stimme:
„Das ist die Legende von Lifna, eine Erzählung voller Leidenschaft und Kraft. Nicht die fahle Erzählung die sich die Priester der weichen Orden heute erzählen, ohne Kraft, ohne Leidenschaft.“

Wieder schwieg sie einige Augenblicke, dann fragte sie, dem reuigen Sünder einen finsteren Blick zuwerfend:
„Gefällt sie dir?“

Unsicher sah er kurz zu ihr auf, dann senkte auch er wieder den Blick ins Feuer.

„Um ehrlich zu sein… nein…“, sagte er ruhig. Die schwarzen, dünnen Augenbrauen Selindas schnellten nach oben. Aber kein überraschter Ton lag in ihrer Stimme als sie verlangte:
„Erkläre dich!“

Ruhig sah der junge Mann weiterhin die erlöschenden Flammen und sprach leise:
„Es ist eine Geschichte die eine Antwort liefert, es ist eine Geschichte mit einem Ende, es liegt… nichts… darin.“ Er sah auf zu ihr und sah sie nun doch wieder unsicher an. „Ich weiß nicht, mir fehlt das Wort dafür.“ Selinda hob die Hand und gebot ihm damit zu schweigen.

„Es ist schon gut. Erzähl mir eine deiner Geschichten, vielleicht kannst du es daran erklären“, befahl sie ihm.

Tief holte der reuige Sünder Luft und begann ins Feuer zu sprechen:

„Es ist eine Geschichte dir mir meine Mutter erzählt hat, abends vor dem Einschlafen, es ist keine gute Einschlafgeschichte, denn ich musste die erste Nacht nur über das Ende der Geschichte nachdenken.“ Kurz zögerte er. „Sie hatte irgendwie kein richtiges Ende…“

„Fang an!“

Noch einmal holte er Luft und begann dann zu erzählen:

„Und also geschah es, als der junge König Hilgorad ap Mer gerade den Thron bestiegen hatte und sich Hilgorad I. nannte, dass eine Frau vor das Königsschloß in der alten und ehrwürdigen Hauptstadt des Reiches Galadon trat und um Einlaß begehrte. Sie war erbärmlich gekleidet und dennoch strahlte sie eine majestätische Würde aus. Ihr Haar war schlohweiß und ihre Augen lagen tief in ihren Höhlen, doch wem es gelang einen Blick hineinzuwerfen, der verlor sich in ihnen wie in einem klaren, kalten Gebirgssee. Fast ungehindert trat sie vor des Königs Thron und gespannt sah der Erwählte der Viere einer Begegnung mit ihr entgegen.

Als sie dann vor ihm stand neigte sie leicht den Kopf vor ihm und ging weder auf die Knie noch verbeugte sie sich, was Unmut in den Reihen der Adligen auslöste, doch der König hob nur leicht seine Hand und das Raunen verstummte.

"Wer bist du und welches Begehren führt dich vor meinen Thron?", fragte der König ruhig.
"Ich bin die Sibilla und ich bin gekommen dir einen Handel anzubieten, mein König!"
Als sie ihren Namen nannte ging wieder ein Raunen durch den Hofstaat, war die Sibilla doch bekannt als die größte und gesegnetste aller Wahrsager im Reiche Galadons.
Die Sibilla hielt neun Pergamentrollen empor und sprach mit rauher Stimme:
"Auf diesen Rollen habe ich neun Prophezeiungen niedergeschrieben, die von großer Bedeutung sind für die Zukunft deines Reiches, mein König. Ich biete an sie dir zu verkaufen."

"Was verlangst du dafür, Sibilla?", meinte der König nach kurzem Überlegen. Kurz erschien ein schmales Lächeln auf dem faltigen Gesicht der Wahrsagerin.

"Ich verlange... fünfhundert mal tausend der Münzen mit deinem schönem Profil darauf, mein König!", antwortete sie. Der Hofstaat hielt den Atem an und nur der König hob leicht eine Augenbraue.
"Das ist ein hoher Preis, Sibilla. Lass uns verhandeln", sprach er dann ruhig.

Kurz schien die Sibilla in sich hinein zu lauschen, als ob sie überlegte, dann trennte sie Schriftrollen voneinander und hielt drei in der linken und sechs in der rechten Hand. Plötzlich wallte eine Flamme in ihrer Linken empor und verzehrte die drei Schriftrollen bis nichts von ihnen übrig war als Asche.
"Ich verhandle nicht, mein König", schnarrte sie. "Für die restlichen Schriftrollen verlange ich tausend mal tausend deiner Goldmünzen."

"Du verlangst mehr für weniger Schriftrollen, Sibilla?" fragte der König und strich sich nachdenklich durch den Bart. "Ich denke, du hast den Handel nicht verstanden."

"Oh doch, mein König, ich habe es verstanden zu handeln", krächzte sie hämisch und diesmal nahm sie drei Schriftrollen in jede Hand. Wieder leuchtete eine Flamme aus ihrer linken Hand empor und vernichtete die drei Schriftrollen, die sie dort mit ihren langen, krallenartigen Fingern umklammert hielt.

Der König sprang von seinem Thron auf und streckte eine Hand aus.
"Halt ein, Sibilla! Was verlangst du für die letzten Prophezeiungen?"

Kurz schien die Wahrsagerin nachzudenken, dann sprach sie:
"Für die letzten drei Prophezeiungen verlange ich... zweitausend mal tausend deiner Münzen, mein König."

Der König sank auf seinen Thron zurück und nickte.
"Es sei dir gewährt. Bringt ihr die Münzen", befahl er.

Nur wenig später erschienen sechs starke Männer die eine große Truhe auf den Schultern trugen, die bis an den Rand mit Gold gefüllt war. Sie setzten sie neben der Sibilla ab und traten sich verbeugend wieder zurück.

"Hier hast du deinen Lohn, Sibilla, nun gib mir die Prophezeiungen", sprach der König. Sibilla schloß den Deckel der Truhe mit einem Donnern und setzte sich rittlings darauf. Sie warf ihm die verbliebenen drei Schriftrollen entgegen und lachte leise. Dann erhob sich die Truhe wie ein Vogel in die Luft und die Sibilla ritt darauf aus dem Thronsaal heraus und keiner wagte sich ihr entgegenzustellen.
Stille herrschte im Thronsaal, bis das meckernde Gelächter der Wahrsagerin nicht mehr zu hören war. Dann öffnete der König die Schriftrollen und seine Augen flogen darüber...

In der ersten las er von einer Insel, auf der sich das Schicksal Tares erfüllen sollte. In der zweiten las er von einer einfachen Frau, die zu höchsten Ehren aufsteigen sollte und mit ihm weise und gerecht über sein Reich herrschen sollte.
In der dritten las er, etwas das ihn erblassen ließ und sofort verschloß er die Rolle mit seinem persönlichen Siegel und ließ sie in die Tiefen seiner Schatzkammer bringen und verbot es jedem beim Tode diese Schriftrolle zu öffnen oder gar zu lesen.

Bis heute weiß keiner, was den König so erschreckte und keiner wagte es ihn zu fragen...“

Unsicher sah er wieder hoch zu ihr, doch sie stand nur ehern da, regungslos wie ein Fels. Keine Regung war in ihrem Gesicht abzulesen oder zu erkennen, nur ganz kurz war so etwas wie ein anerkennendes Nicken zu sehen.


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