Vorgeschichte
Es war mitte des Monats Sekar, als ein greller Schrei durch die Hallen des Landhauses bei Draconis ging. Es war ein kurzer Schrei, doch ein Beweis für neues Leben. Doran sprang aus seinem Sessel auf, in dem er sich nach unzähligen Wegen durch die Wohnkammer gerade erst gesetzt hatte und lief zu der noch immer geschlossenen, schweren Holztüre. Der Regen prasselte seit Zyklen an den Fenstern des Landhauses und das prasselnde Geräusch trug nicht unbedingt dazu bei, das Doran sich beruhigte. Das warten auf seinen Erstgeborenen schien endlos, endlos lange 9 Monde und er sah mit Freuden, wie seine Frau von mal zu mal runder wurde. Er sprach mit ihm und strich liebevoll über den Bauch seiner Gemahlin und schmiedete bereits Pläne, wie er in den Frühmonden mit auf die Jagd gehen würde, wie er ihn in die Kunst des Bognerns einarbeiten und ausbilden würde.
„Bei den vier Göttern, kann nicht einmal einer sagen, was nun los ist?“ Er sprach laut und ungehalten. Sein Diener Selmar trat hinter ihn und versuchte, mit einem eher spöttischen lächeln, den Mann zu beruhigen. War er in all den Jahren doch eher ein Vertrauter als ein Diener für Doran geworden.
„Es wird alles gut sein, sonst würden die Mägde schon wie aufgescheuchte Hühner durch das ganze Haus rennen und Hektik verbreiten.“
Doran starrte zunächst Selmar und dann wie gebannt auf noch immer verschlossene, schwere Holztüre, als könnte irgendeine Macht dafür Sorgen, das er durch sie hindurch sehen könnte.
„Ob es meinem Sohn gut geht? Ach Selmar, wie schön es ist, wenn ich ihn bald das Bognern und die Kunst des Bogenschiessens beibringen kann. Eine Aufgabe, die ein Vater doch gern übernimmt, oder nicht?!“ Er fasste seinem Freund an die Schulter und drückte diese Kurz, was Selmar mit einem breiten Grinsen erwiderte, als die Türe aufflog. Seine Frau lächelte nicht. Sie lag in dem großen Bett, die Augen gerötet.
Die Amme trat Doran entgegen und hielt ihm ein, in weiße Laken gehülltes Bündel hin. Mit geneigtem Kopf sagte sie, eher flüsternd:
„Ich gratuliere zur neuen Bewohnerin auf dem Gut Zandorim, Herr.“ Doran starrte die Alte aus starr geweiteten Augen an, sein Mund leicht geöffnet, als wolle er etwas sagen, doch die Worte mochten nicht über seine Lippen treten. Ein Blitzt durchzuckte den Himmel, begleitet von einem Donnerschlag, der nicht minder die Enttäuschung Doran widerspiegelte. Er rührte sich nicht. Er konnte sich nicht rühren. Das erste Kind.. ein.. Mädchen? Nein, das konnte nicht sein, wieso straften ihn die Götter mit einem erstgeborenen Weibsbild!?? Wie sollte ein Mädchen die Werkstatt und den Laden, welche er allein mit bloßen Händen aufgebaut hatte, weiterführen.. ein Mädchen, ein Weib!!
Doran drehte sich, ohne ein einziges mal auf das keline Bündel geschaut zu haben auf den Absatz um und ließ die Amme stehen.
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„Papaaa, Ich möchte auch einen Bogen!! Wieso bekommt Jarem einen Bogen und Pfeile und ich nicht. Ich kann das auch, bestimmt! Papaaaa!!!“ Die Stimme des 6 Winter alten Mädchens klang bitterlich, den Tränen nahe. Sie lief hinter ihrem Bruder und ihrem Vater her und zog immer wieder am Rock des Vaters, nur um ein wenig seiner Aufmerksamkeit zu erhaschen.
„Geh ins Haus Alyzea, hilf deiner Mutter beim Nähen. Ein Weib hat nichts an Pfeil und Bogen zu suchen.“ Grob stieß er die Hand des Mädchens von seinem Rock und nahm den jüngsten seiner 3 Söhne an die Hand und lief Richtung Wald.
In Tränen aufgelöst sah Alyzea hinter ihnen her, bis der Wald die Gestalten wie ein Mantel umhüllte. Zurückgewiesen von Anfang an. Einsamkeit, obwohl das Haus nicht einsam war. Allein ...
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Leise strich die schlanke Gestalt durch das Dickicht. Federn, die sie vom Waldboden aufhob und für geeignet empfand, steckte sie in die Gürteltasche. Man hörte nichts, nicht einmal das knacken am Waldboden als sie sich langsam zur Mitte des Waldes vortastete. An einer großen Eiche machte sie halt und holte eine kleine Kiste unter der riesigen Wurzel hervor. In dieser legte sie die Federn und schloss sie wieder. Sie hielt das Kästchen einen Moment wie einen Schatz an sich gedrückt.
Es waren weitaus mehr als nur Federn in diesem Kästchen. Ein kleiner Dolch, welcher mit feinen Schnitzereien verziert war, ein Schnitzermesser und zwei dutzend Pfeile waren ebenfalls vorhanden.
Der Carmer neigte sich bereits dem Ende zu und es wurde merklich kühler doch suchte Alyzea so oft es ging den umhüllenden Schutz des Waldes auf. Hier fühlte sie sich wohl, geborgen. Hier konnte sie dem nachgehen, was ihr die Götter in die Wiege gelegt hatten, auch wenn sie „nur“ ein Mädchen war. Schon im alter von 10 Wintern hatte sie oft heimlich, durch einen Riss in der Hintertür der kleinen Hütte, die am Waldesrand stand und als Werkstatt diente, zugeschaut, wie ihr Vater Bögen und Pfeile fertigte. Natürlich hat es viel mühe und kraft gekostet und sie musste viele Niederlagen hinnehmen, bis sie selbst einen halbwegs tauglichen Bogen herstellen konnte, doch sie gab niemals auf und verfeinerte den Bogen immer weiter. Irgendwann zog sie in die Wälder und erlegte krankes Getier, zog ihnen das Fell ab und verkaufte die Felle in den nahe gelegenen Städten. Die Dukaten wurden ebenfalls in ihrem Kästchen bewahrt. Sie erwarb sich durch den Verkauf warme Kleidung welche sie in den kalten Monaten ein wenig wärmte, wenn sie sich im Wald tummelte, anstatt im Haus zu bleiben, wo sie nur jedem im Weg zu stehen schien. Stets wurde sie aus dem Zimmer geschickt, wenn Vater sich mit den 3 Brüdern über die nächste Jagd unterhalten wollte. Sie hegte mittlerweile einen Hass auf ihre Brüder, ebenso wie auf ihren Vater.
Sie war schockiert über sich selber, als sie mit Genugtuung sah, wie niedergeschlagen ihr Vater war, als ihre Mutter im Dular den 4. Sohn tot gebar.
Der Schock, über den Verlust der Mutter, die wenige Tage danach an hohem Fieber starb, war allerdings zu schmerzhaft für Alyzea. Nun war keine Seele mehr da, die sich Schützend zwischen sie und dem Vater stellte, wenn er seine Wutausbrüche wieder an ihr auslies, und sie mit grün-blauen Flecken in ihre kleine Kammer stieg.. Sie veränderte sich.. Wie weit war es mit ihr gekommen, doch sie konnte nichts für ihre Gefühle. Sie hasste die Welt und die Männer. Sie war nun bereits 19 Winter und zu einer Frau heran gewachsen. Doch niemand hatte ihr erklärte, was das Erwachsenwerden mit sich brachte. Nur die alte Amme, die bis zu ihrem 16. Lebensjahr auf dem Gut lebte und dann verstarb, erklärte ihr das nötigste.
Alyzea verstand langsam, mit jedem weiteren Winter mehr um ihre Reize und spielte diese auch gerne aus, wenn es darum ging, etwas zu kaufen oder zu handeln. Oftmals bekam sie das gewünschte zum halben Preis und sie empfand keine Reue dabei. Wieso sollte sie die Männer nicht ebenso behandeln wie sie sie behandelten. Wieso sollte sie nicht das ausnutzen, was _die vier_ ihr mit gegeben hatten.
So trug es sich zu, das Alyzea ihre Pfeile, auf dem Markt, nahe des Hafen’s bei Rothenbucht verkaufen wollte.
Die Nacht zuvor war Alyzea nach einem zusammentreffen mit Ihrem Vater in den Wald gelaufen. Sie suchte Schutz unter ihrer großen Eiche und versuchte das Weinen zu unterdrücken, das sie nur wieder schwach werden ließ. Nichtsnutz, hatte man sie genannt und mit jeder Faser spüren lassen, das sie nicht gewollt war. Und als sie es wagte dem Vater kontra zu geben und sich endlich Luft zu machen, was sie all die Jahre ertragen musste, schlug der Vater auf sie ein. Die bösartigsten Beschimpfungen prasselten das erste mal einfach an ihr ab und Alyzea vergoss keine Träne. Sie stand nach der Attacke auf und schaute ihm tief in die Augen. Hass, tief aus ihrem inneren, glühte in ihren Augen, das Doran gleich einen Schritt zurück setzte.
„Du .. bist von _dem Einen_ Geschickt worden, mir mein Leben zu ruinieren.“ Die Worte kamen mit entsetzen und fast flüsternd. Alyzea grinste leicht und hob die Brauen. “ Soo..“ eine kleine Pause setzte ein, “meinst du das, Vater.. So solltest du dich vielleicht vor mir und vor der Wut, die _der Eine_ auf deine Familie bringen könnte, in Acht nehmen, wenn du mich weiterhin so behandelst.“ Mit einer Genugtuung sah sie, wie Doran die Farbe aus dem Gesicht schwand. Sie lächelte ihrem Vater noch einmal bösartig entgegen, dreht sich um und lief langsam, hocherhobenen Hauptes in den Wald, wo sie das flüstern des Windes und das rauschen der Baumkronen beruhigend empfing.
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„Was hast du da, Mädchen?“ Ein ungepflegter, schief grinsender vollbärtige Mann trat ihr entgegen. Alyzea hielt ihm ein Kästchen entgegen und öffnete es, ohne es aus der Hand zu geben.
„Es sind Pfeile hochwertiger Qualität! Ich verkaufe sie euch für 8 Dukaten. Seht die feinen Federn.“ Sie lächelte zuckersüß, was ihr wie jedes Mal einige Überwindung kostete, doch seine Wirkung zumeist nicht verfehlte.
Der Mann lachte und es zeigten sich alte, abgebrochene braune Stumpen, die weniger als Zähne zu bezeichnen waren. „Ich gebe dir 8 Dukaten für 20 Pfeile. Das sollte für ein Weib wie dich reichen!“
Er griff nach den Pfeilen, doch Alyzea schnellte den Deckel herunter und klemmte die Finger des Mannes darin ein. „Nehmt die dreckigen Finger weg. Ich sagte 8 für einen, das war mein Angebot.“ Zischte sie ihm entgegen. Der Mann starrte sie mit großen Augen an und zog seine Finger zurück, die zu schmerzen begannen. Doch grinste er. „Na, was haben wir denn da. Eine kleine Straßendirne versucht einen Seebären aufs Kreuz zu legen, hat man das schon gesehen!“ Er legte den Kopf ein wenig schräg und grinste kurz, ehe sich sein Gesichtsausdruck in pure Bösartigkeit wandelte. „ Gib mir das Kästchen, Weib und du kannst gehen.. GIB ES MIR!!“ Brüllte er und machte gleichzeitig einen Satz nach vorne, doch Alyzea wich ihm geschickt aus und drehte sich um. Doch sie hatte die 5 Männer, die sich bereits grinsend hinter ihr aufgebaut hatten, nicht bemerkt.
Einer der Männer packte sie und der vermeintliche Kerl riss ihr das Kästchen aus der Hand. Alyzea trat um sich und versuchte sich zu befreien. „Macht, das sie ruhig wird, ich kann nervige Weiber nicht ausstehen. Und dann aufs Schiff!“ Alyzea bemerkte kaum den Schlag an ihrer Schläfe als ein schwarezer Schleiher sich über sie legte.
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Gegenward
Mir ist schlecht. Die ganze Welt scheint sich zu drehen. Das Oberste wird zu unters gekehrt, der Himmel ist gleichsam schwarz wie das tosende Wasser das mich umgibt. Meine Hände finden keinen Halt an den feuchten Sparren und ich wäre vermutlich schon längst über Bord gegangen, hätte mich die Crew dieses 2 Masters nicht an einem Mast festgebunden. Das Wasser spritzt in mein Gesicht, es tropft aus meinen Haaren und brennt in meinen Augen. Nicht das ich hätte etwas sehen können, denn die Krämpfe in meinem Magen bringen mich dazu meine Augen zu schließen. Hoffentlich nicht für immer.
Das Meer ist nicht mein Element. Ich würde lieber auf meinen Füßen durch die Wälder laufen, den Wind in meinem Gesicht und stets das Flüstern des Waldes in meinen Ohren. Wie in meiner Heimat.. Nein nicht in meiner Heimat - in meiner Vergangenheit-. Ich verdamme die Umstände die mich zu dieser Reise zwingen und dazu bringen das halbe Meer zu trinken, gefesselt an einen Mast, hilflos wie ein Kind, ein Spielball der feuchten Gewalten.
Es scheint als würde das Meer zu einem gigantischen Schlag ausholen um uns alle zu ertränken. Nun trifft uns die Macht der Wellen mit voller Stärke. Ich sehe, als ich meine Augen kurz öffne, wie das hölzernes Beiboot aus den Tauen gerissen wird und über Bord geht. Die Männer, die es am Fallen hindern wollen, werden mit in die Tiefe gerissen. Nicht einmal Schreie sind zu hören ... mir ist als würde ich ein Bersten und Knacken hören, als das Beiboot verschwindet, aber bei diesen infernalischen Geräuschen bin ich mir nicht sicher. Ich sehe ein Ruder das auf mich zu fliegt, unfähig zur Seite zu weichen, es trifft mich an meinem Kopf und es wird schwarz um mich.
Eine grobe Stimme, laut gebrüllte Befehle und hastige Schritte dringen zu mir, als wäre alles unter einem Berg von Watte verschüttet. Ich schmecke das Salz auf meinen aufgebissenen Lippen, spüre Wärme auf meinem Kopf, ein prickeln im Gesicht. Die Sonne. Der Sturm ist vorbei ... und ich lebe. Langsam öffne ich die vom Salz und Blut verkrusteten Augen und versuche etwas zu erkennen.... ich sehe eilig hin und her rennende Seemänner, der vollbärtige und Wettergegerbte Kapitän brüllt seinem ersten Maaten Befehle entgegen. "..die Beute... Nehmt was ihr könnt! ...." sind nur einige Bruchstücke die ich erfassen und begreifen kann. Zu sehr stehe ich noch unter dem Eindruck des Sturmes.
Ich werde vom Mast losgebunden. Hohntriefende Blicke treffen mich, spöttisches Gelächter dringt an meine Ohren. Wortfetzen "...wie ein Kind am Mast gebunden...", .. " sie kann ja nicht mal richtig stehen..." erreichen mich, können mich aber nicht verletzen. *Wie lange würdet ihr in den Tiefen meiner Wälder überleben, ihr Kinder der See! Jagen würde man euch, Gesindel des Meeres* ist eine stille Frage die ich mir stelle, selbst beantworte und mich dadurch zum lächeln bringe.
Land.. Land.. Kommt es mir in den Sinn, als ich langsam wieder aus meiner Trance erwache und meine Beine festen Boden spüren. Sie schubsen mich vorwärts und ich stolpere bei fast jedem Schritt. Zu ausgezehrt sind noch meine Knochen. Lang ist der Weg. Fast einen halben Tag lang werde ich getrieben, geschubst begleitet von anmaßenden Blicken. Sie denken wohl, ich sei zu schwach und bräuchten meine Hände nicht mehr zusammenbinden. Sie täuschen sich, denn meine Kräfte kehren allmählich zurück!
Eine Gruppe der seefahrenden Taugenichtse biegt nach rechts. Zwei der Männer schubsen mich weiterhin in Richtung eines großen Gebäudes. „Einsperren!“ ,lacht einer der beiden hämisch in mein Ohr „Verrotten!“, kommt es flüsternd und gefährlich nahe von der anderen Seite. Dabei schlägt mir der eklige Geruch von Fäule und Rum entgegen, das ich meine Übelkeit unterdrücken muss.
Beim nächsten Schubser lass ich mich fallen und greife den Stock auf, den ich vor mir auf den Weg liegen sehe. - Kräftig und schwer sieht er aus- Ich nehme all meine Kraft, die ich aufwenden kann zusammen, nutze den Schwung meiner Drehung, schmettere den Ast meinem Linken Widersacher gegen den Schädel. Fast gleichzeitig ziehe ich den Ellenbogen hoch und treffe den anderen, der sich soeben bücken und mich greifen will, am Kinn. Dieser sackt sogleich, begleitet mit einem leisen stöhnen, zu Boden. Treffer, kommt es mir vernichtend in den Sinn. Ich richte mich auf und sehe den anderen, den Kopf vor Schmerzen haltend, am Boden kauern. Er sieht mich, will mein Fußgelenk greifen, doch schmetterte ich meinen Fuß nochmals mit aller Kraft in die Magengrube. Ich keuche kurz auf, suche vor Anstrengung nach Atem und sehe, nicht minder mit einem selbstgefälligem Grinsen, auf die beiden herab. Fort, schnell fort!, denke ich bei mir und so wie meine Beine mich tragen nehme ich Kurs in Richtung der Wälder um mir dort einen sicheren Platz zu suchen und meine Kräfte zu sammeln.
Es vergehen einige Tage und ich ernähre mich von Beeren und Kräuter, die ich im Wald finde. Satt machen sie mich nicht, doch bewahren sie ich vor dem verhungern. Ich laufe, ohne genau zu wissen, wohin mich mein Weg führt. Eine kleine Lichtung mit Wegweisern darauf sagen mir, das ich mich in der Nähe Brandensteins befinde. Ich entschließe mich den Weg dorthin einzuschlagen erpicht auf das, was mich dort erwarten mag.
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