Ein durchdringendes Heulen hallt durch die kalte Nacht. Mit einem Ruck springt der kraftvolle Krieger mit den Zeichen des Ordens des wachenden Löwen auf seine Füße, im selben Augenblick schon die lange, gefährlich glitzernde Klinge in der Rechten. Die eisblauen Augen, in der Finsternis der Nacht kaum in dem von Schatten bedeckten, feingeschnittenen Gesicht zu sehen, durchdringen angespannt die Dunkelheit. Schon lässt er die Klinge wieder sinken und macht Anstalten sich auf sein Felllager zurück zu legen, als plötzlich ein wuchtiger, wirbelnder Schatten aus dem Nichts auf ihn zu springt. Scharfe Krallen schlagen sich in seine Wangen, zerreißen die Haut und zerstören das attraktive Gesicht in einem einzigen Augenblick. Sein Schrei dringt nur erstickt durch die Finsternis, der breitschultrige, kräftige Mann stürzt zurück auf sein Lager, mit einer ersterbenden Bewegung stößt der todbringende Stahl nach vorn und durchbohrt den unförmigen Leib des Monsters. Ein Aufheulen, zu hören im ganzen Ödland löst sich aus dem mit spitzen Zähnen bewehrten, hässlichen Maul. Die riesenhaften Pranken gleiten, Schnitte auf dem Brustkorb hinterlassend, langsam an dem Mann herab. Mit letzter Kraft und ungelenken, vom Tod gezeichneten Bewegungen verschwindet die Bestie in der Dunkelheit, den blutüberströmten Löwenkämpen zurücklassend. Mit zitternden Händen, die Sicht von Blut getrübt, versucht jener die aus dem Leib rinnende Lebenskraft aufzuhalten, presst seine Hände auf die Wunden. Endlich, zuckend und sich in Schmerzen windend, sackt er auf dem Felllager zurück.
Vier Tage später, das 18. Jahr n. Hilgorad hat erst vor kurzem begonnen, öffnen sich die Augen in dem völlig entstellten Gesicht. Der Glanz von Mut ist einem düsteren, tief im Innern angstvollen Glitzern gewichen. Die Pupillen irren unstet umher, der geschwächte Körper bebt als wolle er jeden Moment aufspringen, fliehen, kämpfen, sein Leben erhalten! Da entdeckt er den Burschen der neben ihm kniet. Er starrt ihn an, Ewigkeiten verrinnen ehe er die vertrauten Züge des vielleicht sechzehn Götterläufe zählenden Jungen erkennt. Ein Aufleuchten des Erkennens lässt das immernoch blutbeschmierte Gesicht für einen Augenblick schön wirken. Der Bursche wendet sich ihm zu. "Ihr werdet gebraucht, Christopher." - "Mein Name ist jetzt Wilhelm!" Erwidert der immernoch bebende Mann angestrengt. "Euer Gefährte braucht Euch, Ihr wisst von wem ich spreche ... Wilhelm. Ich bin eigens hergereist und in's Ödland geritten um seine Nachricht zu überbringen: Er braucht Euch!" Wieder und wieder hallen die Worte in seinem Kopf nach ... "Er braucht Euch!" ... "Er braucht Euch!" ... "braucht Euch!" ... "Euch!".
Mit einem Satz springt er auf, das vernarbte Gesicht noch immer von den bösen Gedanken des Traums zu einer stählernen Maske gefroren. Bebend zieht er seinen Umhang fester um den vernarbten Leib, richtet sich auf. Mitten im Wald entzündet er sein kleines Feuer erneut, die todesgewohnten Augen starren in die tanzenden Flammen und leise flüstert er mit bebender Stimme: "Herr der Ehre, ich flehe Dich demütigst an, gib mir ein Zeichen. Nur ein Zeichen! Wie kann ich meine göttergegebene Seele von meiner unverzeihlichen Sünde reinige! Ein Zeichen Bellum, ich fleh' Dich an, nur ein Zeichen! Ich war Dein treuer Diener, lass mich nicht allein in der Dunkelheit des Sünders!"
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