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 Betreff des Beitrags: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 10.09.08, 19:12 
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Die Akademie der Winde zu Ventria

Aufzeichnungen eines wandernden Windtänzers.

Die langen Tage meiner Wanderung über den Leib Riens, im weltlichen Sinne Galadons, führten mich weit umher, viele wunderbare oder auch schreckliche Orte sah mein Auge. Doch der schönste Ort den ich je sah, sollte auch der werden, der mich für die folgenden Dutzenden meiner Götterläufe bei sich behielt.
Wie ich nun im Scriptorium sitze und dies zu Papier bringe, kommt es mir beinahe so vor, als wäre ich an jenen Tag zurückversetzt, als ich, als eben erst mündig gewordener junger Mann die Straße von Rothenbucht hinab nach Süden wanderte, die Stadt Falkenstein als Ziel vor Augen. Einen kleinen Teil meiner Reise erst hatte ich mich hintergebracht, als ich am Dorf Erwelds Weg vorbei schließlich das Herzogtum Taras betrat. Davon wissen tat ich nicht, hatte ich doch nur Augen für die mich umgebende Schönheit der Natur. Die neugeborenen Lämmer der von den Hirten umhergeführten Herden sprangen auf den den Weg umrahmenden Hügeln umher, das, so mag es mir damals geschienen haben, glückliche Summen der fleißigen Bienen erfüllte die Luft, denn gerade war die Jahreszeit Riens angebrochen. Das Gras auf den Weiden der Tiere und das unter den Kronen der mächtigen Eichen am Wegesrand beschattete war grün und voll, beinahe hochgewachsen, so sah ich auch nicht zum rechten Zeitpunkt einen Sprung Rehe, wohl noch eine Notgemeinschaft aus der Jahreszeit Xans, die Galadon fest in ihrem Griff gehalten hatte. Die Tiere schreckten laut auf, fiepsten und bellten, so mag es mir nahe liegen die Laute der Rehe zu beschreiben, die ein Unerfahrener allzu oft mit den Lauten eines Hundes vergleichen möge, und entfernten sich in den nahen Wald. Mein Blick schweifte gen Himmel, die vereinzelten, weißen Wolken am sonst strahlend blauen Himmel betrachtend. Mit meiner Rechten schirmte ich die Augen dabei ab, denn Fela stand bereits beinahe in ihrem Zenit, sodass ihre Strahlen zugleich stark erwärmend und gleißend von den Gewölben Rilamnors herabfielen.
Der Sand des Weges unter meinen baren Fußsohlen knirschte leicht, während ich mich inzwischen darauf verlegt hatte dem lebenslustigen, fröhlichen Gesang der Vögel zu lauschen, der die Dickichte klangvoll erfüllte.
Aus der Betrachtung der idyllischen Natur gerissen wurde ich von einem großen Fuhrwerk, das von einer kleinen Nebenstraße auf den Hauptweg, auf dem ich ging, abbog. Es war ein, wie für das Herzogtum Taras allzu passender, Wagen des fahrenden Volkes. Eher kastenförmig mutete er an, als er an mir vorbeifuhr, doch in gemütlicher Geschwindigkeit gezogen von einem zottigen, alten Wallach, der sich schwer in das teils zerfledderte und ausgeblichene Leder seines Geschirrs lehnte, gelenkt von einem mit läutenden Bimmelchen besetzten Halfter, von dem die Leine zur Bank des Fahrers führte, von dem ich nicht viel sah, denn er saß auf seiner Holzbank, die vor dem Kastenwagen angebracht war unter einem hölzernen Schutz vor den Strahlen Felas, oder, je nach Wetterlage, wohl auch den Tränen Xans. Als er nun so an mir vorbeizog streckte er seinen rechten Arm zur Seite aus dem Schatten des Felaschutzes heraus, sich dabei leicht mitlehnend, und winkte mir breit grinsend zu. Viele Glöckchen, die, vor meinen Augen verborgen, an seiner kunterbunten Kleidung bimmelten ließen erneut keinen Zweifel an seinem Berufsstand. So auch war der Wagen grell mit verschiedensten Farben bemalt, vorherrschend waren die einfach zu gewinnenden Farben Blau, aus dem Färberwaid gewonnen, und Braun, das die Färber aus Rinden und Wurzeln zu gewinnen verstanden. Überschwinglich preisten mehrere, teils übereinander gemalte Schriftzüge die Vorzüge und Heldentaten des Wunderheilers an, dem dieser Wagen wohl gehörte. Ich wandte meinen Blick ab, gerade noch rechtzeitig, um nach rechts zur abbiegenden Straße zu sehen. Eigentlich war ein Abweichen vom Weg nicht geplant, aber meine Neugier war endgültig erfasst von dem an dieser Weggabelung platzierten Straßenschild. Aus einfachem, morschem Holz aufgerichtet kündete es von der Stadt Ventria, die in jener Richtung liegen sollte. Darunter war mit zwei Ketten aus Eisen gehängt ein ungleich kunstfertigeres Schild aus himmelsblau lackiertem Eisen, das, meine Augen mochten es kaum glauben, von einer Akademie der Winde kündeten. Leicht lehnte ich mich auf meinen knorrigen Wanderstab und fuhr mir mit einer Hand nachdenklich über den Nacken, ehe mein Blick an mir herabschweifte. In meiner alten, zerschlissenen Pilgerrobe, noch dazu ungewaschen und mit Haaren, die allzu lange keinen Bader mehr gesehen hatten, würde man mir wohl keinen Eintritt erlauben. Aber sie zumindest zu sehen würde mir schon eine Inspiration sein und so lenkte ich den Gang meiner Füße jene abzweigende Straße hinab, mich nun aufgeweckter und neugieriger umsehend. Bald konnte ich in der Ferne, fast schon ausser Sichtweite am sich verblauenden Horizont erkennen, dass ich eine Halbinsel betrat. Ein Blick auf meine Karte, die, von einem dünnen Lederbändchen gehalten, von meinem Hals hing, bestätigte mir dies. Für einen Augenblick fiel mir auf, dass diese Halbinsel wie eine Pfeilspitze aussah. Oder eine Federspitze. Die Wälder am Wegesrand wurden rarer und spärlicher, auch die Vegetation an sich ging zurück, das Gras wurde zu einer steppenartigen Matte und Grillen zirpten im Unterholz der kleineren, knorrigen Bäume, während meine Füße mich sicher meinem Ziel entgegen trugen.
Vor mir konnte ich, wie eine Landkarte ausgestreckt, Ventria sehen. Umgeben von einer hohen, wehrhaft anmutenden Holzpalisade konnte die Stadt durchaus als solche bezeichnet werden. Durchzogen von mehreren Kanälen des hereinfließenden Meeres erinnerte das Bild der Stadt an jenes Schachbrett, dass ich erst am gestrigen Abend in der Taverne zu Gesicht bekommen hatte. Die Architektur der Häuser spiegelte wieder, was schon die Büsche und Sträucher impliziert hatten. Der Großteil war nur zu kleinem Teile aus Holz erbaut, obgleich die meisten mit getrockneten und im Laufe der Trocknung braun gewordenen Schilfhalmen bedeckt waren, sah man sonst nur vereinzelt eine Stütze oder eine Querstrebe aus altem, vielfach von Rissen durchzogenem Eichenholz. Soviel wie auf diese Art erbaut werden konnte, hatten die Bewohner der Stadt aus Stein verfertigt. So machten die meisten Häuser einen eher gedrungenen, geduckten Eindruck, die gute Hälfte auch bedeckt von einem niedrigen Flachdach aus Steinen und das ganze Bild der Stadt war eher grau und trist. Die Straßen waren schlammig, ausgehöhlt und betreten von den zahllosen Stiefeln des einfachen Stadtvolkes. Nur wenige Felder in der Umgebung der Stadt, die meist zum Anbau der Rüben und des Kohles, der Kost des einfachen Mannes, dienten, zeugten davon, dass wohl, wie zu vermuten gewesen war, Fisch das vorherrschende Nahrungsmittel hier war. Aus dem allgemeinen Schmutz und der Geducktheit der restlichen Stadt erhoben sich direkt am Meer, gelegen am Hafen, die imposanten Lagerhäuser und Kontore der reicheren Kaufmänner und Bürger. Dort, wo die Straßen gepflastert waren, lief nicht mehr das einfache Volk herum, sondern Karren, geschoben von den Laufburschen und Arbeitern, transportierten die Waren von den Schiffen, die so regelmäßig anlegten, dass man dabei zusehen konnte, erst zu den Kontoren, um sie dort zu prüfen und anzumelden und schließlich in die Lagerhäuser, bewacht von dem wachsamen Blick des Hafenmeisters und seiner Helfer. Lange Stege aus uraltem scheinenden Holzplanken erstreckten sich tief in die Bucht hinein und kaum ein Platz dort war frei für ein anlegendes Schiff, waren doch schon viele von zahlreichen Anderen besetzt. Am meisten zog ein Handelsklipper des Königreiches die Blicke auf sich, ein prächtiger Viermaster, dessen güldene Verzierungen weithin strahlten und um dessen Wachen, die den treppenartigen Aufgang zum Deck bewachten, jeder einen Bogen machte, der es nicht auf eine tüchtige Tracht Prügel anlegte. Die Segel aus feinstem Leinen waren im Moment gerefft und vermittelten doch einen Eindruck von der Erhabenheit, die sie, vom Atem Ventus’ erfüllt zeigen mussten. Zahlreiche andere Handelsschiffe waren hier und dort zu sehen, schließlich, von jener Pracht an die entlegensten Stege gedrängt, auch die alten, windschiefen und holzwurmzerfressenen Kähne der Fischer, so jene nicht bereits hinausgefahren oder bereits zurückgekehrt waren. Ich schüttelte, von fern das Schauspiel des Stadtlebens betrachtend, stumm den Kopf und sah mich weiter um. In so eine Stadt würde ich nicht gehen, da bevorzugte ich doch eine Nacht in der Wildnis, bedeckt von Rilamnors Schwingen, um beim Zählen der Gestirne einzuschlafen. Der aufwecksame Blick meiner jugendlichen, braunen Augen schweifte über die Landschaft ehe ich auch schon etwas gar merkwürdiges ausmachte. Linker Hand des Weges erstreckte sich in einer Entfernung von etwa zehn Minuten zügigen Gehens eine Nebelwand aus dem Nichts. Verwundert trat ich einen Schritt in jene Richtung, ein Trampelpfad führte dort in eine Senke hinab. Nebel sollte es bei solch einem Wetter eigentlich nicht geben, auch hatte es längere Zeit nicht mehr geregnet. So beschloss ich dieser Sache auf den Grund zu gehen und ging guten Mutes auf den Nebel zu, bis ich ihn schließlich, eine gute halbe Stunde, nach Felas Stand zu urteilen, starr und unbeweglich wie eine Wand vor mir aufragen sah. Auf die Entfernung hatte er näher gewirkt, als er es tatsächlich gewesen war, so wie ein großes Gebirge nah scheinen mag, doch der Weg dorthin viel länger dauern mag, als ein Wanderer veranschlagen würde.
Langsam, beinahe instinktiv wohl, hob ich meine rechte Hand und tippt den Nebel an. Leicht waberte jener an der Stelle an der ich ihn berührt hatte, ebenso, wie eine Wasserfläche wohl erzittern mag, wenn man ein Steinchen hineinwirft. Kreisförmige Wellen gingen durch den Nebel, ehe sie auch schon wieder verebbten. Wie es zu erwarten war, war meine Fingerkuppe leicht angefeuchtet von dem Nebel. Ich fasste etwas Mut und trat einige Schritte voran, bis mich der Nebel völlig umgab. Schon nach wenigen Augenblicken, Wimpernschlägen gar, fühlte ich meine Kleidung wie eine zweite Haut feucht an mir haften. Mein Blick reichte nicht einmal mehr weit genug, um meine Füße zu sehen, ebenso, wie ich das Gefühl hatte, dass meine Ohren die Geräusche der Umgebung nurnoch wie durch ein Büschel Watte gedämpft wahrnahmen. Eine unbestimmte Furcht, eine Panik ergriff mich und Gedanken rasten wie Turmfalken im Steilflug durch meinen Kopf. Was wäre, wenn ich in eine Falle gelaufen wäre? Sollte meine Reise hier bereits zu Ende sein? Ich machte mir schwere Vorwürfe, mein Blick verschwamm noch mehr, als ich fühlte, wie mir Tränen in die Augen stiegen. Dann war der Spuk vorbei. Von einer starken Windböe getrieben zerriss der Nebel um mich herum wie ein dicker Vorhang aus Samt von einem Dolch zerschnitten werden würde und ich hatte, zwar durchnässt, aber froh, noch am Leben zu sein, wieder freie Sicht. Und jene freie Sicht raubte mir beinahe erneut den Atem, dieses Mal jedoch vor Ergriffenheit, gar vor Ehrfurcht. Ungeachtet der spitzen Steine, die überall aus dem Boden ragten und bereits meine baren Füße malträtiert hatten sank ich auf die Knie nieder und schloss andächtig die Augen, leise zu meinem Herren betend. Auf diesen Anblick hatte mich wahrlich nichts vorbereitet. Ich wusste sofort, dass ich den Weg zu der Akademie der Winde gefunden hatte. Breiter im Umfang als vier Junge Drachen wohl ihre Schwingen strecken können, ragte mehrere hundert Schritte vor mir aus dem Boden eine massive Stele aus wolkenweißem, reinem und unfassbar glattem Stein in den Himmel, man könnte fast meinen, er würde ihn berühren. Erst bei näherem Hinsehen erkannte ich durch die Entfernung winzig gewordene Fenster, und Stützstreben, sodass ich erkannte, dass es sich nicht um einen einzelnen Turm handelte. Es handelte sich um hunderte, vielleicht gar tausende Türme und Terrassen unterschiedlichster Größe, zusammengehalten von dünnen, bogenförmigen Streben aus dem selben weißem Stein. Die Architektur der Akademie schien mir mit nichts vergleichbar, das ich je zuvor gesehen hatte. Kein einziges Fenster war verglast, sodass der Wind wohl ungestört hindurch wehen musste. Es gab keine eckigen Formen, alles war geschwungen und elegant, aber nicht rund und kindlich mutete es an, sondern erhaben und vielfältig, wie die Winde und der sternenübersäte Himmel zum Dunkelzyklus selbst. Dutzende Schritte über dem Boden zweigten vom Hauptturm in regelmäßigen Abständen freischwebende Brücken aus Stein zu, so schien es mir, schwebenden Nebentürmen, vom selben anmutigen, beinahe elfischen Stil wie der Rest des Turmes. Insgesamt mag es sich wohl um ein Dutzend Nebentürme oder mehr gehandelt haben. Einige flogen tatsächlich, wurde mir später klar. Gehalten durch Magie und Glauben der Studenten, aber wie an vielen Stellen des Turmes selbst war die Statik des Gebäudes bis in das kleinste Detail so genial bemessen, dass es an ein Wunder grenzen mochte. Eben in jenem Moment kam erneut eine Windböe auf und trug eine Melodie heran, die ich seitdem immer wieder gehört habe und nie vergessen werde. Der Turm selbst spielte sie, denn als die Winde durch die Fenster und Öffnungen pfiffen wurden die Winde umhergeleitet und durch zahlreiche Engen gedrückt, wie es bei einer Flöte der Fall sein mag. So glich auch der Klang jenes Bauwerkes einem einzigen, durchdringenden Loblied, auf der größten Flöte Tares wohl gespielt, an den Herren, Ventus. In meine Richtung gewandt ragte eine riesige Pforte auf, deren Flügeltüren aus hellstem Buchenholz weit aufgeschwungen waren. Und zwischen jenen Türen stand mit ausgebreiteten Armen, die einen Willkommensgruß verkündeten, eine Gestalt, die mein Leben für immer verändern wollte. Dort stand, wie ich heute weiß, mein Lehrmeister. Denn nun bin ich alt und grau geworden. Mein Leben trug ich zu in der Akademie der Winde dort, lernte von Glauben an den Herren und angemessen zu ihm zu beten, verfeinerte meine Künste im Spielen der Hirtenflöten, der Syrinx, so auch in den meinem Herren gefälligen Künsten der Sternenkunde und des Lesens der Zukunft im Vogelflug und der Kunde von jenen herrschaftlichen Geschöpfen. Die Wunder jener Akademie aber zu beschreiben wäre an jener Stelle zu viel, denn viele Bücher könnten gut damit gefüllt würden. Hunderte, fast tausende Studiosi der Winde verbringen ihre Lehrjahre hier und so gleicht der Hochturm des Ventus, wie man ihn nennen mag, einer kleinen, eigenen Stadt, zu der noch, im Laufe der Zeit hinzugekommen, die dutzende Zelte der Besucher und Pilger hinzukamen. Aber auch der Turm selbst ist in ständigem Wandel inbegriffen, wie die Winde selbst. So beherbergt er eine ständig wachsende Zahl von Lehreinrichtungen für alle Künste, die mit den Winden im Zusammenhang stehen. So mag dies auf die Musik natürlich zutreffen, aber auch auf die Vogelkunde, die Meteorologie, den Tanz zur Melodie des Windes und vielem mehr. So schließe ich mit jenen Worten meinen Bericht. – Priester der Winde Gnaden Stephanus Simulacrum.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 14.11.08, 17:23 
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Schwungvoll klappte er das Buch zu, Staub flog auf und Sand rieselte aus den Seiten zu Boden. Nachdenklich drehte er das rechte dicke Buch in den lederbehandschuhten Händen und betrachtete es eingehend. Erste Salzkristalle begannen den Ledereinband und die Eisernen Beschläge zu besetzen und würde jene bald angreifen und wie alles auf See langsam versalzen und austrocknen lassen.
Welch eine Ironie, mitten in Xans Reich mag es für den Menschen kaum genug brauchbares Wasser geben.
Der Gedanke huschte kurz durch seinen Geist, während er sich daran machte die Salzkristalle mit seinem Dolch gewissenhaft abzuschaben.
Ab und an rutschte er ab, als der Boden unter ihm wackelte und etwas mehr hin und her wog als er es sonst schon tat. Möwengekreische klang schmerzhaft in seinen empfindlichen Ohren nach und eine steife, schneidende Brise wehte ihm ins Gesicht und ließ sein nussbraunes, schulterlanges Haar flattern. Schließlich ließ er sein Unterfangen sein und steckte den Dolch wieder in die bescheidene Lederscheide an seinem Gürtel und sah auf, eine Hand gegen den kalten Wind schützend vor das Gesicht hebend. Rings umher nur Meer, mehr und mehr verblassten auch die letzten Konturen der Insel in der Ferne, während er hinter sich den Rudermann schnaufen und schwer atmen hörte, im Takt hörte man das leise Platschen als die beiden Ruderblätter zeitgleich ins Wasser gingen, kräftig durchgezogen wurden und schließlich mit einem Plätschern waagrecht über das Wasser zurück zum Ausgangspunkt gezogen wurden von dem recht bulligen Seemann, gegen den Brands Gestalt, die eines körperlich schwachen, fast schon kränklichen, Gelehrten, mit Ausnahme seiner von vergangenem Tagewerk als Bauer kündenden Hände, fast schon mickrig aussah.
Er warf jenem nur einen kurzen Blick zu, dann wanderte sein Blick zum nächsten interessanten Detail, unstet wie ein Blatt im Wind. Auf einer Sandbank vor der Insel war das Schiff vor Anker gegangen.
Ein stattlicher Schoner der die Einöde der Wasserwüste durchbrach.
Der Rumpf war in einem durchgehenden Dunkelblau gefärbt, das nur an einigen wenigen Stellen abzublättern drohte. Auch sah man über der Wasseroberfläche immer wieder die Muscheln am Rumpf aus den Wellen auftauchen und sogleich wieder versinken. Sowohl das Großsegel als auch das Schonersegel des Zweimasters wurden soeben eingeholt, laut hallten die Rufe der in der Takelage umherturnenden Seemänner an sein Ohr. Auf der etwas erhobenen Brücke aus beinahe edel anmutendem Holz stand aufrecht und hochgewachsen der Kapitän des Schiffes, der sich soeben daran machte seinen Sextanten nach Fela auszurichten und wohl seinen navigatorischen Aufgaben nachging.
Brand streifte seinen Schal unter das Kinn und lächelte. Er zupft den Handschuh von der rechten Hand und betrachtete jene. Viel besser war es nicht geworden, seit damals. Noch immer war die Haut der Hand gräulich und verschrumpelt, haarlos - Wie ein übergezogener Strumpf. Mit dem Unterschied, dass seine Haut dazu noch viele, stromlinienförmige Verfärbungen trug. Brandwunden. Er verzog das Gesicht leicht und griff nach seinem Stab, den Blick gen Horizont richtend.
Zeit für ein neues Abenteuer.





[Ich werde für ein halbes Jahr in Schottland sein. Das hier wird der Thread für meine RP-Post und soll auch ein Mitmach-Thread sein, wenn ihr etwas hinzufügen wollt - Ich würde mich freuen!]

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 18.11.08, 19:14 
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Langsam und umständlich pellte er sich aus den zwei leeren, an den Nähten aufgetrennten Strohsäcken, die für diese Nacht seine Decke gewesen waren. Das behelfsmäßige Kissen aus Leinen fiel zu Boden – bald schon fiel er hinterher und kam mit einem dumpfen Aufprall auf den hölzernen Planken seiner Kajüte auf. Er murrte leise und fasste sich an den Hinterkopf, während er die von seinem Gewicht befreit hin- und herschwingende Hängematte betrachtete.
Während er sich ächzend aufrappelte und sich mit einer Hand verschlafen über die Augenwinkel rieb, trat er an das Bullauge heran, durch das von draußen das einzige Licht in die kleine Kajüte hereinfiel – über Nacht war die Kerze auf dem Schreibtisch heruntergebrannt, da er vergessen hatte, sie auszupusten. Nun verunzierten einige Wachsflecken die Pergamentseiten, die dort lagen.
Als er sein Gesicht an das Bullauge drückte, um hinauszusehen, sah er etwas unter sich die wogenden Wellen mit ihren weißen Gischtkämmen, aufgepeitscht vom Regen der vom mit dunklen Wolken verhangenen Himmel herabprasselte.
Er brummte etwas Unverständliches und ließ sich auf den Stuhl der an seinem Schreibtisch stand fallen, wo er sogleich begann die Pergamente beiseite zu legen, noch einen Schluck aus einem Becher mit kaltem Tee trank, bevor er auch jenen beiseite stellte, und schließlich eine kleine Karte ausbreitete, die die Route beschrieb, die die „Zephrionsschwinge“ nahm. Nach dem was er als Letztes vom Kapitän gehörte hatte kamen sie ausgesprochen gut voran und hielten auf die Nordlande zu, weil sie einer Warmwasserströmung folgten. Später würden sie wohl ihren Kurs gen Süden korrigieren.
Nach und nach fiel die Müdigkeit von ihm ab während er die Seekarte betrachtete, eine Sternenkarte heranzog und verglich und sich schließlich wieder von seinem Stuhl erhob.
Er trat an seine Garderobe heran und zog eine der Schubladen auf. Gegen die Kälte, die langsam durch die knarrenden Planken der nahen Schiffswand kroch, zog er einen leichten Überwurf aus Hirschpelz aus einer der Schubladen, den er sich mit einem Gürtel um die Hüfte festband. Schließlich trat er noch an ein kleines, poliertes Stück Kupfer heran, das ihm als Spiegel diente, und begann mit einem kleinen Rasiermesser seinen Bart zu stutzen und zurechtzuschneiden. Von wegen Schmuddelbart.
Dachte er sich während er den Kopf hin und her drehte, sein Kinn etwas anhob und sich im Spiegel betrachtete.
Mit einer Hand griff er noch nach einem kleinen Knochenkamm und begann sich die Haare zu kämmen, bevor er sich wieder auf dem Stuhl niederließ. Sein Blick wanderte über die Pergamente die recht unordentlich in einer Ecke des Tisches aufgehäuft waren. Letztlich zog er ein neues Blatt aus einer der Schubladen, breitete es auf dem Tisch vor ihm aus und bückte sich nach dem Schreibmaterial. Kurze Zeit später kam er auch schon wieder unter dem Tisch hervor und legte das Fässchen mit Tinte und den Federkiel neben dem Pergament ab.
Er rückte sich etwas zurecht, griff mit der rechten Hand nach der Feder und tunkte die Spitze mehrmals kurz in die Tinte ein. Anfangs noch etwas zögerlich, als wisse er nicht, was es zu schreiben gelte, begann er.
Einige Felaläufe später mag man eine etwas dickliche Taube wie sie in der Nähe größerer Städte nicht ungewöhnlich sein mag schwer bepackt mit zwei Pergamentrollen verzweifelt flatternd gen Falkensee streben sehen, wo sie alsbald ihre Fracht fallen lässt und sich auf einer Fensterbank der Magierakademie niederlässt um ihr windzerzaustes Gefieder mit dem Schnabel zu ordnen. Ein behagliches Gurren geht von ihr aus, wohl begründet darin, dass die Taube zufrieden scheint ihren ersten Auftrag ausgeführt zu haben. Das Tier scheint sehr gut gepflegt und ungewöhnlich intelligent.



Erster Brief – Toran Dur.

Zitat:
Lieber Toran,
Heute erst komme ich dazu einen ersten Brief zu verfassen – und gewiss wird es noch einige Felaläufe dauern bis meine Taube die Strecke zurück nach Siebenwind überwunden haben mag.
Es tut mir leid in Zeiten drohender Gefahr auf der Insel eben jene verlassen zu müssen – Aber manche Gelegenheiten im Leben warten leider nicht auf einen, sondern man muss ihnen folgen sobald sich die Möglichkeit ergibt.
Wie geht es dir? Ich hoffe gut. Das Hochseewetter ist wirklich prächtig. Strahlender Sonnenschein und frischer, starker, lebendiger Meereswind. Ich fühle mich wie neugeboren, auch wenn ich das Schiffsdeck wohl bald wieder gegen eine muffige Lehrstube eintauschen muss.
Gibt es Neuigkeiten bezüglich dieser unerquicklichen Doppelgänger-Begebenheit? Meiner Meinung nach wird dies eine der Hauptgefahren beim näherkommenden Dunkeltief darstellen – aber davon weiß ich nicht viel. In dem Dörfchen wo ich meine Jugend verbrachte gingen die dunklen Tage verhältnismäßig erträglich, beziehungsweise überlebbar ’rum.
Es war ein wirklich unschöner Anblick sein eigenes Spiegelbild kalt, gefühllos und schließlich mit einem Bolzen in der blassen Stirn vermodern zu sehen. Ich bin sicher du wirst bald eine Lösung für dieses magische Spielchen der Sammler finden.
Wenn möglich halte mich bitte auf dem Laufenden – Die Taube die dir den Brief überbringt wird für Antworten zur Verfügung stehen und ist ein ausgesprochen kluges Geschöpf Amnachos, wenn auch für meinen Geschmack definitiv zu geschwätzig.
Mögen die Winde allzeit mit dir sein,
Brand Windfluesterer.


Zweiter Brief – Aria und Noralis Dur / Ecclesia Elementorum

Noralis Dur mag folgendes von der Taube vernehmen:
Zitat:
Liebe Aria, Lieber Noralis, Liebe Celia,
Endlich komme ich dazu euch Kunde von mir zukommen zu lassen. Die Schiffsreise geht wirklich mit Ventus und Xans Segen voran und ich erfreue mich bester Gesundheit.
Es tut mir wirklich leid euch verlassen haben zu müssen. Ich hoffe ihr könnt meine Gründe verstehen und gewiss werde ich euch noch viele weitere Briefe schreiben.
Ich hoffe es geht euch und ganz besonders natürlich Celia gut.
Hat sie schon Anzeichen von sich gegeben, was aus ihr werden mag? Und entwickelt sie sich auch gut? Ich hoffe es sehr, da ich sie dann ja fast schon als Schwester bezeichnen kann, nicht?
Wie geht es der Ecclesia Elementorum? Ich hoffe die Novizen sind schön tüchtig. Erinnert Roku bitte auch daran mir Kunde davon zu senden, ob er den Auftrag den ich ihm zukommen ließ bereits gänzlich erfüllt hat – Ich glaube es nicht, meiner Meinung nach sind die Novizen dieser Tage alle faul und undankbar. Aber Briefe schreiben dürfen oder sollten sie mir trotzdem.
Noralis kann sicher seine gefiederte Begleiterin überreden mir ein paar Briefe zu überbringen – Ich befinde mich auf der „Zephrionsschwinge“ mit vorläufigem Kurs auf die Nordlande. Das Wetter ist prächtig, das Essen angemessen und meine Kajüte zwar beengend, das Erlebnis der Schiffsreise dafür aber umso mehr bereichernd. Endlich komme ich dazu meine Kenntnisse der Sternenkunde sinnvoll einzusetzen.
Antwortet mir bitte bald,
Brand Windfluesterer.


Dritter Brief – Say Ben Kanehir.

Zitat:
Anath Say.
Es tut mir leid dass ich nicht dazu kam mich vor meiner Abreise persönlich bei dir zu verabschieden. Der Wind hat gerufen und wenn er ruft, muss man manches stehen und liegen lassen, was einem wichtig ist, und folgen.
Ich hoffe dir und dem Blatt geht es gut. So es Neuigkeiten gibt, hoffentlich nur gute. Natürlich darfst du mir auch schlechte Nachrichten zukommen lassen. Blatt wird dir da gewiss gern behilflich sein – Ich befinde mich auf einem Schiff drei Tagesreisen von der Insel entfernt, mit Kurs auf das Festland bei Ventria. Ich verspreche bald wieder da zu sein. Bis dahin wirst du sicher auch gut alleine zurechtkommen. Halte dich so gut es geht fern von Vieredienern und natürlich auch von Dienern des Einen.
Aus Konflikten sollte man sich meistens heraushalten – Eine wichtige Lehre der Elemente, die sich seit der Entstehung Tares als sehr richtig herausgestellt hat. Konflikte bringen Unglück und Leid über Völker, aber auch über Einzelpersonen.
Hoffentlich hat sich die Lage auf Siebenwind etwas beruhigt.
Ich freue mich außerordentlich auf eine Antwort von dir, und möge der Herr der Windgeister mit dir sein,
Brand.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 19.11.08, 17:17 
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In einen dünnen Lodenmantel gehüllt saß Brand im Schneidersitz auf der Brücke des Schiffes und ließ sich den Wind durch die Haare wehen. Sein Blick schweifte mit müßigem Interesse umher, nur ab und an sah er zu den Seemännern die sich augenscheinlich über den "weltfremden Gelehrten" aufregten, der sich mitten in den Weg zum Steuerrad gesetzt hatte. Stören jedoch schienen sie ihn nicht zu wollen, sondern machten im Gegensatz einen großen Bogen um ihn, die lästerlichen Verwünschungen kaum gemurmelt - als hätten sie Angst.
Brand tippte sich mit der Spitze seines Federkiels an den rechten Mundwinkel und betrachtete einen der Männer eingehend. Alt, wettergegerbtes Gesicht, hager und sehnig, aber Hände wie Bärenpranken.
Dem Mann hingegen schien die Betrachtung durch ihn merklich unangenehm. Er griff sich den Bretterstapel den er kurz abgestellt hatte und fuhrt fort die Bretter vom Unterdeck zum Heck zu tragen, wo er augenscheinlich die hölzernen Bodenbohlen ausbesserte.
Brand griff wieder in die gut gefüllte Obstschale neben ihm und zog eine getrocknete Apfelspalte hervor, die er sich in den Mund schob.
Kauend setzte er den Federkiel wieder auf das Pergament und fuhr mit seinem momentanen Brief fort:

Vierter Brief - Pharalis Avistur

Zitat:
Den Winden zur Ehr', verehrte Knappin.
Ich hoffe weder der Vogel noch die Tatsache dass ich ausgerechnet euch einen Brief sende, ich habe kaum genug Pergamentblätter hier an Bord, das könnt ihr mir glauben, haben euch erschreckt.
Es wäre mir eine Freude von euch zu hören, was es für Neuigkeiten auf der Insel gibt - man mag mir beinahe Eigennutz dabei unterstellen ausgerechnet euch anzuschreiben. Ich denke ihr seid einfach die vernünftigste Ansprechperson im Hofstaate der Burg Finianswacht.
Wahrscheinlich habe ich mich damit des Hochverrates schuldig gemacht, nicht?
Scherz beiseite.
Darf man fragen wie es euch geht? Ich hoffe natürlich nur das Beste.
Von Interesse wären natürlich auch ob es Neues zu hören gibt von der Ecclesia Elementorum oder sich neue Angelegenheiten auf der Insel allgemein ergeben haben.
Übrigens habe ich ein wenig über eure Hautnarben nachgedacht und kann euch guten Gewissens empfehlen einmal den Xannovizen Isaar Fulcar aufzusuchen. Wenn ihr möchtet so wäre er sicher fähig euch zu helfen, sei es mit Alchemie, sei es mit dem Beistand Xans.
Behandelt den Vogel der euch die Nachricht überbrachte gut und seid mir nicht böse, dass er euch nicht von der Seite weichen wird bis ihr eine Antwort formuliert habt.
Zu meinem Befinden gibt es nicht viel zu sagen: Der Proviant ist noch frisch, die Fahrt angenehm wenn auch wenig abwechslungsreich und die Matrosen zwar primitiv und ängstlich, im Großen und Ganzen aber sehr nett, weil gläubig.
In Erwartung einer Antwort und mit besten Wünschen,
Gnaden Windfluesterer.



Der Brief wird überbracht von einer dicklichen Möwe, die recht unangenehm nach Fisch riechen mag und auch sonst sehr anhänglich und zutraulich Pharalis gegenüber sein mag. So trotzt sie auch jedwener Versuche sich ihrer zu entledigen. So man der Möwe eine zusammengeschnürte Pergamentrolle hinhält schnappt sie nach vorne und ergreift jene mit dem Schnabel wie einen Fisch und fliegt alsbald los, zielsicher zurück zu ihrem Ausgangspunkt, dem Schiff auf dem Brand sich befindet.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 19.11.08, 18:43 
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*eingehüllt in einen warmen Umhang, den wollenen Schal bis zur Nasenspitze hochgezogen, sitzt eine rothaarige Knappin am Hafen Falkensees unweit des alten Seemannes, der stoisch selbst bei diesem Wetter angelt. Ein abgegriffenes Notizbuch dient ihr als Unterlage, als sie, den Blick hin und wieder aufs Brackwasser des Hafenbeckens werfend, einen Brief schreibt.
Ob die dicke Möwe, die sich stets in ihrer Nähe aufzuhalten scheint wenn sie sich nicht gerade mit Fischresten vom alten Seemann füttern lässt, Grund für den luftigen Aufenthaltsort ist, ist schwer zu sagen.
Entrollt Brand das sorgfältig verschnürte Pergament, das die Möwe ihm schließlich überbringt, findet er darin neben einem in unverschnörkelter Schrift verfassten Brief auch noch einige leere Blätter Pergament.*


Zitat:
Mondtag der 21. Seker

Ehre der Krone und den Vieren!

Habt vielen Dank für Euren Brief, der am heutigen Tage von einer kapitalen Möwe überbracht wurde. Sie stärkt sich gerade an Fisch, so daß ich hoffe, die Rückkehr zu Euch wird ihr nicht anstrengender, als sie es ohnehin sein muss.
Es freut mich zu hören, daß es Euch gut geht. Ich hoffe, Ihr seid nicht der Seekrankheit anheim gefallen! Anbei einige leere Blätter Pergament, da Ihr über einen Mangel daran klagtet.
Vieles hat sich ereignet in den wenigen Tagen, seit Ihr die Insel verlassen habt. Die Sammler haben nunmehr die gesamte Insel untertunnelt, zumindest aber Falkensee, Kesselklamm und Greifenklipp. Vor zwei Tagen griffen sie durch Risse in der Erdoberfläche an, konnten aber durch die vereinten Streitkräfte der Insel unter Verlusten zurückgeschlagen werden, ihre Zugänge zumindest vorläufig geflutet oder versperrt. Der Wall jedoch wurde zerstört. Die Sammler brachten ihn stellenweise von innen heraus zur Explosion, so daß nun, da das Feuer sich gelegt hat, zahlreiche Breschen ihn durchziehen. Wenn er scheinbar auch im Kampf gegen die Sammler unnütz wurde, wo diese das Grünland jederzeit erreichen können, so wird er doch eilig mit Palisaden und Ähnlichem verstärkt, um die anderen unseligen Ödlandkreaturen abzuhalten – und auch die dunklen Tage sind nicht mehr fern.
Wenn die Neuigkeiten Euch auch erschreckend erscheinen mögen, so ist die Lage doch zumindest für den Moment ruhig, wenn auch immer wieder die Erde zu erzittern scheint. Man mag kaum hinterfragen, warum die Sammler uns diese Atempause lassen, oder ob es ein gutes Zeichen ist und wir sie mehr schwächen konnten, als wir uns zu hoffen erlauben. Nun gilt es, zusammen zu arbeiten mit allen Völkern und Gruppierungen der Insel, denn einzeln werden wir dieser Gefahr kaum standhalten.
Doch genug von diesem trübsinnigen Thema. Ich hoffe, Eure Reise verläuft auch weiterhin ruhig. Ich muss gestehen, über das genaue Ziel Eurer Reise verrietet Ihr noch nicht viel. Doch solltet Ihr zufällig nahe der Oberen Klauenberge passieren, so bietet sich vielleicht Gelegenheit für einen Abstecher nach Firnweil, meinem Heimatdorf, unweit einer der größeren Pässe hinüber nach Vandrien. Es ist eine ruhige Gegend, doch vielleicht gefällt sie Euch. In der Herberge „zum goldenen Kessel” (von einem goldenen Kessel keine Spur!) wird man Euch gut bewirten, und falls Ihr gar im Süden des Dorfes das Haus mit mit dem kleinen Garten neben dem Stall seht, so klopft an und grüßt meine Eltern herzlich.
Doch wahrscheinlich führt Euer Weg in ganz andere Gegenden des Reiches. Ich wünsche Euch, daß Ihr zahlreiche nette Bekanntschaften in der Fremde macht, und daß es ein wenig friedlicher zugeht, als hier. Ist am Festland bereits der Name der Thronfolgerin bekannt gegeben worden? Wie mag es der königlichen Familie gehen?

Mögen die Götter Euch auf Eurer Reise segnen, und am Ende wohlbehalten zurück nach Siebenwind bringen.

- Pharalis Avistur

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"Meine Mittelmäßigkeit erkennen. Nicht in geißelnder Selbstverachtung, nicht in Bekennerhochmut, aber als eine Gefahr für die Integrität des Handelns, wenn ich sie aus den Augen lasse."
- Hammarskjöld


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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 19.11.08, 21:35 
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In müßiger Routine streckte Brand den rechten Arm zu der fetten Möwe hin aus, welche sich daraufhin auf seiner rechten Hand niederließ und ihre Krallen im Leder des Falknerhandschuhs vergrub. Leise bimmelte das Glöckchen das am kleinen Finger des Handschuhs befestigt war und zeitgleich begann die Möwe laut und disharmonisch zu krächzen. Er legte die Stirn in nachdenkliche Falten, sah kurz hinauf zum Himmel und richtete schließlich seinen Blick wieder auf die Möwe auf seiner Hand. Kurz verharrte er so und ließ seinen Blick über das windzerzauste, weiß-gräuliche Gefieder hoch zum immer noch krächzenden Schnabel wandern, ehe er den Mund öffnete und zweimal möwisch anmutend krächzte.
Die nahestehenden Matrosen zuckten erschrocken zusammen und wirbelten herum - das erstaunlich laute Geräusch einer Laterne die die Treppe zur Brücke hinauf herabpolterte und schließlich auf den Deckbohlen verbogen und mit gesplitterten Glasfenstern ankam durchbrach die Stille. Zwei der drei bulligen Seemänner ergriffen nach einer wimpernschlaglangen Schreckensstarre die Flucht unter Deck in ihre Kajüten - der Dritte ließ sich zu Boden fallen, schlug die Hände über den Kopf und rief laut immer wieder "Oh Xan, beschütze mich, Oh Xan, beschütze mich..".
Das Theater rang Brand nur ein müdes, verständnisvolles Lächeln ab während er an den Lederbändchen herumnestelte die die Nachricht hielten und jene schließlich in den Händen hielt.
Sein Blick wanderte die Zeilen herab, immer mehr breitete sich ein sachtes Lächeln auf seinen Lippen aus während er der Handschrift der Frau folgte, kurz unterbrochen durch eine nachdenkliche Miene als er bei der Passage über die Sammler ankam.
Nachdem er offenkundig fertig gelesen hatte nahm er den Brief, legte ihn auf die Reling und zückte seinen Dolch. Mit geduldiger Präzision begann er sogleich die Schrift abzuschaben. Die Buchstaben gaben einer nach dem anderen der scharfen Dolchklinge nach und rieselten als Tintenstaub zu Boden, bis er ein leeres Pergament mit lediglich etwas aufgerauter Oberfläche in den Händen hielt.
Wunderbar. Noch ein Blatt mehr.
Er steckte das Blatt in das Bündel mit leeren Pergamentseiten das auf den Holzbohlen der Brücke lag, wo auch schon die beigelegten leeren Seiten von Pharalis ihren Platz gefunden hatten.
Und wieder ein Blatt weniger.
Dachte er mürrisch und zog es wieder hervor. Mit der linken Hand zog er einen Kohlegriffel aus seiner Tasche, nahm jenen in die Rechte, und begann eine Antwort zu verfassen, im Stehen, vornübergebeugt auf der Reling.

Fünfter Brief - Antwort auf Pharalis Avistur

Zitat:
*grußlos beginnt der Brief*
Eure Sorge um mein leibliches Wohl ehrt euch und beschämt mich gar - leider bin ich weder der Seekrankheit anheim gefallen, sodass ich wohl nicht mit dem Vergnügen rechnen darf einen erneut so niedlich besorgten Brief von euch zu erhalten, auch kann ich euch leider nicht den Gefallen tun euer, gewiss sehr hübsches, Dorf zu besichtigen. Mein Weg führt mich nach Ventria, zur Akademie der Winde.
Für eine wirklich fantastische Laune des Schicksals hingegen halte ich, dass wir beide Nah-Vandrier sind. Ich wuchs im Schatten der Klauenberge in einem kleinen, namenlosen Dörfchen an den Klippen Malthusts auf - Übrigens ein hervorragender Ort um die kalamuder Seeadler zu bestaunen. Ich kann euch wohl leider nicht, solange jene Bitte nicht jeden Sinnes entbehren soll, darum bitten wenn ihr bei der Hütte meiner Eltern vorbeisehen solltet, so ihr sie denn jemals finden würdet, jene grüßen möget - Sie sind tot.
Nun ja. Zu ernsteren Dingen!
Wenn es um Tunnel geht und wie man sie zubekommen sollte sprecht ihr am Besten mit diesen Beiden:
Lorien Arden, Hohepriester der Rien. Er hält sich im Moment in Avindhrell bei den fey'amrai auf - Er selbst ist ein fey'haim und hat sich von der Ecclesia distanziert. Helfen wird er euch dennoch gewiss.
Meryla Felsspalter, Terrabrim der Dwarschim. Ebenso eine Kundige der Domäne Riens, respektive Terra, mag auch sie euch helfen.
Euren Fragen nach Krone und Kronfolger, oder was auch immer, werde ich natürlich gerne und mit Gewissheit nachgehen.
Im Übrigen bedankt sich die Möwe herzlich für die Verpflegung. Und grüßt bitte auch den alten Seemann am Hafen und dankt ihm im Namen der Möwe.

Windfluesterer.


Erneut mag jene fette Möwe den Brief als Beute erhalten und fliegt sogleich los, sodass sie binnen kürzester Zeit, so man die nicht eben große Entfernung vom Schiff zur Insel bedenkt, eben jene erreichen und den Brief überbringen mag.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 20.11.08, 08:05 
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*etwas später am Abend mag die Taube wieder das Schiff erreichen und ihren Herren suchen, am Fuß befindet sich ein kleiner Beutel in welchem sich ein kleiner Kristall findet, der sobald Brand ihn berührt zu glimmen beginnt. Die klar verständliche Stimme von Toran Dur ist daraufhin zu vernehmen*

Grüß dich Brand,
danke für den Brief, ich hatte ehrlich nicht erwartet einen zu erhalten. Andererseits scheine ich da die Windpriester und ihren Einfluß auf die Kreaturen Ventus unterschätzt zu haben. Nun wie dem auch sei, die Lage auf der Insel ist schwierig geworden. Die Sammler haben mit Hilfe einer Arkaniumbombe den Wall zerstört und einen Großangriff auf Falkensee, Vänskap und das Zwergental durchgeführt die wir nur mit Mühe zurückwerfen konnten. Jedoch ist es ein kleiner Trost dass wir annehmen können dass sie nicht zu viele dieser Arkaniumkristalle haben, sonst hätten sie diese wohl schon benutzt. Dennoch verspricht das Dunkeltief dieses Jahr extrem schwierig zu werden und ich hoffe dass der Inselrat und die Völker sich zu gemeinsamer Aktion gegen diese Gefahren durchringen können. Im Bezug auf die Doppelgänger gibt es noch nichts neues, wobei die Weißmagier weiter an Gegenmitteln arbeiten die hoffentlich rechtzeitig bereit sein werden.

Wir werden das Schiff schon irgendwie schaukeln, von daher mach dir nicht zu viele Gedanken darüber.

Auf Bald - Toran.

*Das Glimmen des Kristalls erlischt daraufhin und dieser lässt sich auch keine weiteren Meldungen entlocken bis er mit magischer Kraft wieder aufgeladen wurde*

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 20.11.08, 19:09 
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Plitsch.
Der Kristall der die Meldung von sich gegeben hatte prallte auf das wogende Meerwasser auf. Das leise Geräusch des Aufpralls und der aufspritzenden Wassertropfen war durch den dichten Nieselregen hindurch bis zur Reling hoch schon nicht mehr zu vernehmen.
Dort lehnte Brand, auf den Ellenbogen auf der Reling gestützt, und sah dem Kristall nachdenklich hinterher. Nur ab und an hob er die linke Hand um seine Haare, wenn der Wind allzusehr mit ihnen spielte und sie ihm die Sicht nahmen, zurückzustreichen.
Also haben sich die Sammler doch als ein größeres Problem erwiesen.
Dachte er, zugleich murmelte er die Worte halblaut und ließ sich Sammler auf der Zunge zergehen.
Sein Blick wanderte zum Horizont, der Linie wo, so mag es scheinen, der aufgewühlte, dunkelblaue Ozean auf das nicht viel hellere tiefdunkle Blau der Wolkenberge traf, aus denen es unauffällig herabregnete.
Plitsch. Plitsch. Plitsch. Plitsch. Plitsch. Plitsch.Plitsch. Plitsch. Plitsch. Plitsch. Plitsch. Plitsch.
Jedes Mal wenn einer der kleinen Regentropfen auf dem Wasser aufkam ging eine kleine, kreisförmige Welle vom Aufschlagsort aus und ein kleiner Wassertropfen, oder auch mehr, wurden aufgespritzt von der Wucht ihres himmlischen Vetters und kamen alsbald wieder auf.
Schließlich drückte er sich von der Reling ab und ließ die fette Möwe auf seine rechte, die Taube auf seine linke Hand flattern und schritt, die Arme angewinkelt sodass die Vögel angenehm saßen, zu seiner Kajüte unter Deck hin.
Noch einige Stunden später mag man absonderliche Laute aus jener Kajüte vernommen haben, Vogelkrächzen, Nachtigallentirilieren, Kuckuckgekuckucke, Weihengeweine, stolze Adlerschreie und kurze Rotkehlchenarien, immer wieder unterbrochen von Taubengegurre und Möwengegackere.
Jene Seemännern die in diesen Stunde an eben jener Kajüte vorbeigingen ließen ausnahmslose alles aus ihren Händen fallen was sie im Moment trugen und griffen unter ihre Kleidung, wo sie sogleich meerblaue Gebetsperlen hervorzogen und zu Xan um Gnade zu flehen begannen.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 21.11.08, 18:02 
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Beide Beine über die Reling baumeln lassend saß er auf dem hölzernen Geländer der Brücke.
Bei jeder Bewegung des Schiffes knarrte das Geländer und wackelte, ab und an fielen einige Holzspäne aus dem maroden Holz und versanken in den wogenden Fluten des Meeres mehrere Schritt weiter unten, wo sogleich kleine Fischchen an die Oberfläche kamen und in der Hoffnung auf Nahrung die Holzspänen herumschubsten und zerknabberten.
Eine sanfte, liebliche Melodie hallte über das Deck, ausgehend von der Laute in seiner Hand. Registrieren tat er nicht viel davon, es schien ihm als spielten seine Hände einfach von selbst - schwer zu spielen oder komplex war jene Melodie gewiss nicht. Sein Blick war auf den Horizont gerichtet, in jene Richtung, in der das Festland noch weit, weit entfernt liegen mochte und die Melodie bereits etwas schnulziges, wehmutvolles angenommen.
Er spielte nicht so gut wie sonst. Ab und an schlichen sich falsche oder schiefe Töne in den Refrain ein oder er verlor den Faden und musste wieder von vorn ansetzen. Vielleicht lag es am kalten, schneidenden Wind der jedes Hindernisses frei über das Meer fegte und an allem zerrte und riss und gar die wettererprobten Matrosen unter Deck zwang, vielleicht auch an der enganliegenden Lederrüstung die Brand gegen eben jene Kälte trug. Neben ihm auf der Reling lag sein Handschuh nach Art eines Falkners und an seinen rechten Oberschenkel hatte er sein Brotmesser gebunden (aus dem Grund weil es gut aussah oder weil er es ständig gebrauchen konnte, zum Seilezerschneiden, Pergamentsäubern oder eben Brotscheiben schneiden, vermochte er nicht recht zu sagen).
Kleine Wimpel und Fähnchen die er in seine schon etwas längeren Haare geflochten hatte spielten mit dem Wind und flatterten geräuschvoll umher, wie er es sich gedacht hatte. Über ihm zogen immer wieder mal größere, mal kleinere Vogelschwärme am Himmel vorbei, von Siebenwind weg zum Festland. Wie er. Nachdenklich kräuselte er die Stirn als er mit dem Blick einem Schwarm Schwarzspechte folgte. Die kleinen Vögel rackerten sich förmlich ab gegen den steifen Gegenwind - Was ihn aber viel mehr verwunderte war die Tatsache, dass Spechte unter normalen Bedingungen eben keine Zugvögel waren.
Das verheißt nichts Gutes.
Er verzog das Gesicht und zog eine kleine Feder, die einer Wiesenweihe, aus seiner Tasche. Die Feder brummte und vibrierte aufgeregt in seiner Handfläche, ein mattes, oranges Leuchten ging von ihr aus, als wollte sie um jeden Preis Aufmerksamkeit erringen und sich nicht abwimmeln lassen.
Seine Hand verkrampfte sich als er die Feder erblickte, das vorher so müßig-ruhige Gesicht verzog sich, wurde gar unlesbar. Mit einer kräftigen, plötzlichen Handbewegung versuchte er die Feder hinab zu werfen, doch sie blieb an seiner Handfläche wie elektrisch angezogen kleben. Mit der freien Hand zog er sein Brotmesser und setzte es mit zitternder Hand auf der Handfläche auf. Mit einer ruckartigen Bewegung zog er das Messer durch, die Klinge trennte ein münzgroßes Stück Haut ab und entfernte schließlich auch die Feder.
"Lass mich in Ruhe!"
Rief er laut aus, das Gesicht verriet innere Zwiespältigkeit und Unruhe, während er die Feder betrachtete. Noch lange konnte man im Wasser ein oranges Glühen sehen, das scheinbar nicht ersterben wollte.
"Lass mich in Ruhe!"
Rief er nun fast schon verzweifelt klingend aus, eine einzelne Träne rann seine rechte Wange herab, fiel hinab und versickerte im aufgeweichten Holz der Reling. Die blutende Handfläche barg er in seiner rechten Kniekehle und verzog vor Schmerz das Gesicht.
Er wird mich immer wieder darin erinnern. Er wird keine Ruhe geben.
Und wer spendet mir Trost?

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 22.11.08, 19:32 
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Wieder war ein Tag in bemerkenswerter Ereignislosigkeit vergangen.
Die meiste Zeit hatte er, der klirrenden Kälte trotzend in eine dünne Robe wie bei Wandersleuten üblich ist gehüllt, auf dem Deck des Schiffes verbracht und mit seinem Fernrohr den Horizont nach Vogelschwärmen und anderen Schiffen abgesucht. Wohl um sich zu beschäftigen führte er nebenher Liste:

Handelsschiffe: III
Fischerkähne: II

Vögel:
Stadtspatz, gewöhnlicher: X V I
Rothergänse: X X I
Falconidae Siebenwinds: III


Er gähnte herzlich und ließ den schon reichlich tintenverklecksten Federkiel in seine ausgebeulte Robentasche fallen. Mit einem Handgelenksschlenker ließ er die Segmente des Fernrohrs ineinanderklappen ehe auch jenes seinen Weg in seine Robentaschen fand.
In der Luft vor ihm kondensierte sein Atem zu kleinen, weißen Wölkchen, die durch die steife Seebrise nicht mehr als einen Wimpernschlag zu sehen waren, bis sie in der Luft verwirbelt hinfortgerissen wurden. Ab und an machte er einige Schritte auf der Stelle um auf dem frisch gewischten Deck nicht festzufrieren - Immernoch hatte er es sich nicht angewöhnen können Stiefel oder wenigstens Sandalen zu tragen. Sie beengten ihn einfach und waren unbequem. Glücklicherweise hatten seine Fußsohlen ausreichend Hornhaut, sonst hätte er sich wohl schon so manchen Splitter zugezogen.
Warum antworten Say und Noralis oder Aria nicht?
Dachte er und machte ein mürrisches Gesicht. Er merkte schon merkliche Ungeduld in sich aufsteigen, die bald dazu führte dass er seine Morgengymnastik wieder aufnahm und in regelmäßigen Bahnen gleichmässig und geschmeidig über die Planken des Schiffes lief.

Mit beängstigender Ruhe und Gewissheit ihr Ziel zu erreichen flog hinter dem Schiff eine orange glühende Feder hinterher, knapp über den Wellenkämmen und von der Gischt durchnässt.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 22.11.08, 20:14 
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Kurze Zeit später kann man ein zerzaustes Rotkehlchen mit definitiv zu schwerem Gepäck, einer an die Krallen gebundenen Pergamentrolle, sich abrackernd gen Siebenwind fliegen sehen. Ihr Ziel mag Alassea sein und so jene das Pergament entrollt mag sie in großen, kinderfreundlichen Buchstaben folgendes geschrieben sehen:

Sechster Brief - Alassea

Zitat:
Grüße Alassea.
Meine Reise kommt gut voran. Langsam wird das erste Obst ungenießbar, aber es ist noch genug Fleisch und Fisch gepökelt und einige Säcke getrockneter Obststückchen gibt es auch noch. Der Wind ist sehr angenehm, die Seeluft wirkt wahre Wunder was die körperliche Verfassung angeht. Ich komme dazu meinen Tag geruhsam zu gestalten, etwas für meine Kondition zu tun - Laufen und sonstig' athletische Verrenkungen - und habe viel Zeit (und freundlich-zuvorkommende Boten) um Briefe zu schreiben und zu lesen. Auch der Vogelkunde, tagsüber, und der Sternenkunde, des nachts, kann ich gut nachgehen. Erstaunlich viele Vögel, auch solche die eigentlich über Winter nicht in wärmere Gebiete ziehen, verlassen die Insel. Ist die Kälte so schlimm geworden?
Ich hoffe dir geht es gut. Ich bekam bereits Kunde von den Wirren der Insel und hoffe du hast jene bis jetzt unbeschadet und heil überstanden.
Bei wem hast du nun ein Zuhause gefunden? Und hat dir Aria schon etwas erzählt? Und was war das eigentlich für ein Streit zwischen Say und dir? - Du siehst, ich habe auch Zeit mir Fragen zu stellen und viel nachzudenken.
Ich hoffe du isst ordentlich. Jetzt wo die Vorräte der kalten Zeit bedingt knapper werden ist es wichtig das man sich selbst bei guter körperlicher Verfassung hält.
Möge Ventus dich behüten, Sora,
Brand.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 26.11.08, 16:51 
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Eine einsame Pergamentseite, an den Rändern abgerissen wie als hätte sie sich aus einem Notizbuch selbstständig gemacht wird von den Morsansstürmen gen Siebenwind getragen. Eine Laune des Schicksals wohl mag es sein, dass das Pergament kaum nass geworden ist, sondern sich dem Finder, wer auch immer jener sein mag, lesbar offenbart - abgesehen davon, dass die Schrift ein furchtbares, beinahe hiroglyphisches Tinten-Kohlegriffel-Durcheinander ist.

Logbuch des Kapitäns Windpriesters Brand Windfluesterer, Wandeltag, der 22. Seker 19 nach Hilgorad.
Habe meine Kajüte Kammer Zimmer heute völlig durcheinander aufgefunden - als hätte jemand wäre jemand einer dieser Seemänner dort eingebrochen und hätte alle Schubladen durchwühlt. Meine drei Bücher sind entweder zerrupft, aus dem Leim gegangen oder nicht auffindbar - selbiges für meine Thesen Notizen. Überall Pergamentschnipsel.
Selbiges gilt für meine Instrumente. Sextant, Fernrohr, Lot, aber auch musikalische Instrumente wie meine kleine Handharfe und die Laute, sowie *unleserliches Gekritzel* sind mutwillig zerstört vernichtet *durchgekritzelt, eine Randbemerkung über Theologiethesen über Angamons Wesen* zerstört *steht nun doch wieder da*.
Ich hätte nicht gedacht dass es soweit kommen würde *halb in die Seite hineinragend sind stenographisch kurz gefasste Angaben wie die jeweiligen Tage auf dem Schiff verliefen*, aber so kann es nicht weitergehen.
In der ganzen Kajüte stinkt es nach billigem Weihrauch und jemand hat mit einem Kreidestück von meiner eigenen Schiefertafel "Hae*durch Nässe verschmiert*nd Ketzer" an die Planken über meinem Schreibtisch gekritzelt.
Ich weiß noch nicht wer es wa -
*hier bricht die Seite urplötzlich ab*

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 27.11.08, 23:05 
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Er rückte sich etwas zurecht, das Buch das auf seinem Schoß lag raschelte bei der Bewegung leise, und lehnte sich wieder an den Strohsack an.
In entspannter Haltung in einige Kissen gekuschelt saß er halb aufrecht da und laß mit müßigem, etwas gelangweilten Gesichtsausdruck in dem Buch, das er nun gewiss schon das vierte Mal las. Bei den Preisen die für Bücher verlangt wurden, so verständlich es auch sein mag, dass so edles Pergament kostspielig ist, war es nicht ungebräuchlich die Bücher die man sein Eigen nannte mehrfach zu lesen - für einen regelrechten Bücherwurm wie Brand erst recht nicht.
Der Geruch in dem großen, recht dunklen Raum hatte etwas Beruhigendes. Man roch durch die salzverkrusteten Planken die Meeresluft von draußen, hörte die Wellen gleichsam gegen das Schiff anbranden und zugleich hatte der Raum seinen ganz eigenen Duft. Da war einmal der etwas muffige Geruch nach alten Stroh, das hier und da als Polsterung eingesetzt worden war, der Geruch nach dem alten Leinen der Säcke und der anregende, ungewohnte Geruch des Inhalts der Säcke. In einigen befanden sich Kräuter. Manche alchemischer Natur, andere zum Kochen bestimmt. Ingwer, Ginseng, Dill, Lauch, Petersilie, Pfefferminz - der frische, gesunde Odem nach Natur und Heilmittelchen. Eine feine Nase konnte noch eine andere Nuance herausriechen, die von zwei dutzend Fässern in einer dunklen Ecke des Raumes ausging. Jene waren sorgfältig und gewissenhaft mit Seilen an Ort und Stelle festgemacht und ausgiebig mit Stroh gepolstert - Sprengflüssigkeit. Ob für den Handel oder zur Selbstverteidigung, als Munition sozusagen, im nicht seltenen Falle eines Piratenangriffes, wusste er nicht zu sagen.
Gleichgültig zuckte er mit den Schultern und las in dem Buch weiter, was nur durch eine kleine Wachsfunzel ermöglicht wurde, die er auf dem Fass hinter sich, Gewürzwein aus Hügelau, abgestellt hatte und die ein warmes, schummriges Licht verbreitete. Mit der rechten Hand rieb er sich über die Augenwinkel, kurz verschwamm seine Sicht. Von diesem Licht kriegt man wirklich Kopfschmerzen.
Hinter dem Schiff flog noch immer die Feder hinterher, mal schneller, mal langsamer, mal legte sie eine "Pause" ein und kam auf den Wellen zum Liegen, nur um sogleich wieder vom Wind hochgewirbelt zu werden bevor sie versank.
Ein orangrotes Leuchten ging von den Federkämmen aus, das unangenehm an eine Fackel erinnerte.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 30.11.08, 22:05 
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Es war einer jener Abende an denen man sich in sein Haus zurückzog, die Wolldecke oder ein Fell nahm und es sich mit einer heißen Brühe vor einem Feuer möglichst gemütlich machte – der zweite Sekar des Jahres 19 nach Hilgorad.
Der Wind pfiff durch jede Ritze der Häuser. So man sich im Freien aufhielt brachte er vereinzelte Schneeflocken mit sich und wehte die letzten herbstlichen Blätter von den Bäumen. Selbst Riens Kinder, die Wildtiere, hatten sich vor der Kälte verkrochen. Die Wildschweine hockten in den Dickungen der tiefen Wälder und auch die Rehe hatten sich schon zu jenen Notgemeinschaften in der kalten Jahreszeit zusammengeschlossen, den Sprüngen. Alles ruhte und manches Mal mag der eine oder andere von der Schönheit und der Friedlichkeit der schneebedeckten Wälder eingelullt sich selbst dabei erwischen die vergangen Gräuel zu vergessen.

So man sich am Hafen oder in der Burg Falkensees aufhielt konnte man in der Ferne immer noch – oder gar schon wieder – das Schiff erblicken, auf dem sich Brand Windfluesterer aufhält. Nicht abwegig scheint es, dass die Stürme Ventus’ und die Fluten Xans von der Kälte aufgebracht manches mal dem Schiff den Weg versperrten und es zwangen den Kurs zu korrigieren und, meist ohne sichtbaren Erfolg, zu versuchen gegen den Wind zu kreuzen.
Mit einem Fernrohr mag man einen orangroten, kaum zu erblickenden, Schimmer hinter dem Schiff herfliegen sehen, so fragil und diffus scheinend dass man beinahe daran zweifeln könnte dass er wirklich existiert.

Der Schimmer wird beinahe gänzlich vom Lichtschein vom Schiffe her überdeckt. An jeder Ecke der Takelage, an jeder Schot, dem Geländer der Brücke, an Leitern und unter Deck hinter den Bullaugen hängen festlich wirkende Laternen. Auf den ersten Blick mag sich einem Beobachter nicht erschließen warum die Seemänner feiern. Brands normalerweise recht auffällige Gestalt kann man unter den ruppigen Gesellen nicht ausfindig machen, auch die Stimmung scheint zwar festlich und so der Wind richtig steht vernimmt man wohl vereinzelte Fetzen von Gegröhle und das Klirren der Steingutbecher, wenn sie zum Prosit aneinandergeschlagen werden – aber der ganzen Gesellschaft haftet beinahe schon etwas kollektiv schuldbewusstes an, das Gegröhle ist nicht ganz fröhlich, es wird nicht viel getrunken, gar scheinen die Laternen nicht gänzlich geöffnet und verbreiten gewiss nicht soviel fröhlichen Schein wie sie könnten.

Eine ganze Zeit später, es mag auf Mitternacht zugehen, bringt der Wind den Geruch nach verbranntem Holz mit sich. Bevor man dazu gekommen sein könnte stutzig zu werden und über den Quell des Geruches nachzudenken, zerreißt plötzlich förmlich die Luft als die Druckwelle einer Explosion Falkensee, am Hafen gut spürbar, an der Burg kaum noch, am Markt gar nicht mehr, erreicht und man sieht wie das Schiff in helle Flammen aufgeht und in der Mitte entzweibricht. Das panische Geschrei der verwundeten Seemänner, das Knistern des Holzes werden von einem lauten Knacken unterbrochen. Für einen Moment breitet sich eine Stille aus, nur durchbrochen durch die knisternden Flämmchen, ehe der Hauptmast in der Mitte durchbricht und sich zur Seite neigt. Der zweite Mast leistet nur kurzen Widerstand und knickt wie ein Strohhalm ein. Die beiden Masten reißen ein großes Stück des Schiffes mit sich und die ganze dem Untergang geweihte Konstruktion neigt sich zur Seite weg. Salziges Meerwasser flutet die Kammern, die ersten Seemänner treiben im Wasser. Eine zweite Explosion, wesentlich schwächer als die Erste zwar, aber immer noch erschreckend stark, lässt die Brücke bersten.
Bald treiben nurnoch brennende Trümmer und leblose Seemänner im Wasser, von denen der eine oder andere angespült werden mag. Die kalten Fluten Xans bemächtigen sich bald der Übrigen und zerren sie in die Tiefen.

Das hier ist ein Mitmach-Thread!

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 4.12.08, 19:18 
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Langsam hüllte sich Fela schließlich in die erstickende Umarmung der Berge am Horizont, einem Mann ähnlich der nach einem langen und harten Arbeitstag seine wohlverdiente Ruhe auf seiner harten Pritsche findet. Die Singvögel fliegen von verschiedensten Orten in die Wälder zurück, wo sie ihre Ruhe auf einem hohen, sicheren Ast eines immernoch grünen Nadelbaumes finden, geschützt vor Habicht und Turmfalke, die schon so viele ihrer Brüder mitgenommen hatten - man sah sie nie wieder. Väter kleiner Küken wurden mitten in der Aufzucht ihrer Schützlinge hinfortgerissen, das Gelege war generell schon gefährt, wenn sich Wiesel und Iltis daran machten die schmackhaften Eier noch im Nest zu zerbrechen und auszuschlürfen, während die Eltern, welche schon keine mehr waren, auf Jagd nach Nahrung war, aber die Beutegreifer kannten keine Gnade, erst recht nicht wenn es auf die kalte Jahreszeit zuging und die Nahrung knapper wurde für das reichhaltige Spektrum der Tiere des Waldes, sodass manche von ihnen im Zuge von Kämpfen um das Futter ihren Verletzungen erlagen oder andere nur dank der Rien- und Vitamadiener oder der Forstverwaltung überleben konnten.
Diese Drama scherte die Krähen im Hafen Falkensees nicht, als sie sich im Fackelschein der Hafengebäude daran machten ihre Opfern um so manches Körperteil, bevorzugt die Augen, zu erleichtern. Im Laufe des Tages waren sicherlich zwanzig Seemänner angespült waren, einfach zu erkennen an ihrer derben, zweckmäßigen Kleidung und den rauen, wettergegerbten Gesichtern. Keiner von ihnen hatte überlebt und mit der Zeit hatten sie die Kälte des Wassers angenommen und waren bleich und aufgeschwemmt angeschwemmt worden in den Schlick aus Eis und Dreck an den Kaien des Hafens.
Verbrannte Holzplanken trieben vereinzelt im Wasser, teils in kleine Stückchen gebrochen, auch eine erstaunlicherweise Querstrebe des hinteren Rumpfes hatte es bis zum Hafen geschafft. Die Gestalten, die sich an das Holz klammerten, taten dies nurmehr passiv - sie waren nicht ertrunken, sondern erfroren oder verdurstet, als sie im Durst vom Meerwasser tranken, genau kann man es nicht erkennen. Und fragen würde man sie nicht können, gesetzt dem Fall dass man nicht Galtor ist, der sie wohl schon lange mit sich genommen hatte.
Von einer kalten Strömung mitgezogen schwimmt ein dicker Pergamentband auf den Hafen zu und kommt halbwegs trocken auf einer der Sprossen der Kaileiter zum Halten. Alle Seiten darin sind verbrannt oder durch das Wasser unleserlich geworden - nurnoch Tintenschlieren sind zu sehen. So man es dennoch bis zur Mitte weiterblättert fällt einem ein Stück Ölzeug entgegen, das etwas verbrannt ist, jedoch nur an den Ecken.
Die Tatsache dass es bis an den Rand vollgekritzelt wurde lässt die Vermutung zu, dass es als Pergamentersatz benutzt wurde und es dem Schreiber eher um Festhaltung seiner Gedanken als Ordentlichkeit ankam. Das Schriftbild ist ruhig und bestimmt, keinerlei Hektik oder Zeitnot sind zu erkennen.



Ich tanzte am Morgen,
Als Tare ward',
Und ich tanze auf den Monden,
Den Sternen und Fela,
Und ich kam hinab vom Himmel,
Und ich tanzt auf der Erd’.
Und der Tanz, der Tanz ist mein Werk.

Tanz’, tanz’, wo immer ihr auch seid,
Ich bin der Herr des Tanzes, spricht er,
Und ich werd’ euch führen, wo immer ihr auch seid,
Und ich führ’ euch im Tanz’, spricht er.

Und ich tanzte für die Schreiber,
Und drei Könige,
Aber sie wollten nicht tanzen,
Und folgen würden sie mir nicht,
Ich tanzt’ für die Bauern, für Ihaelwhôrt,
Und sie kamen mit,
Und der Tanz lebt fort.

Refrain

Und ich tanzte, tanzte übers Lande,
Und heilt’ die Lahmen,
Die Sa’Kinder sagten es sei eine Schande,
Und sie schlugen und peitschten,
Und hängten mich hoch an einen Baum,
Und ließen mich dort,
An des Raben Saum.

Refrain

Ich tanzte an einem Wandeltage,
Wenn der Himmel ward’ Schwarz von des Einen Entzücken –
Schwer ist es zu tanzen,
Mit dem Einen im Rücken.
Sie begruben meinen Leib,
Und dachten ich sei fort,
Aber ich bin der Tanz,
Und ich lebe fort.

Refrain

Sie schnitten mich hinab,
Und ich flog hoch hinaus,
Ich bin der Atem,
Der nimmer nimmer stirbt,
Ich leb’ in dir wenn du lebst in mir,
Ich bin der Herr des Tanzes, spricht er.

Refrain.



Hier ist das Ölzeug offenkundig zuende. So man weiter Ausschau hält findet man nicht viel weiteres von Belang vor, einige weiße Federn, die im Wasser treiben, einen Fetzen Pergament hier und da und so mag man schließlich zum Schluß kommen, dass von der Havarie des Schiffes nicht viel übrig blieb.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 8.12.08, 00:45 
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Noralis erfuhr von alledem nichts, ging noch weiter davon aus, dass Brand auf einem Schiff zum Festland ist und nahm sich einen seltenen Augenblick Zeit und Ruhe im Büro des Abtes, wo er einen Brief aufsetzte, welchen er einem Falken, welcher sich häufig um ihn herum bewegte, anvertraute.

Wind und Wetter Brand

Wie ergeht es dir auf dem Antlitz Xans? Ich hoffe, deine Reise ist bald zu Ende und du kannst uns bald von der Akademie zu Ventria berichten. Auf der Insel wird es zunehmend gen' Dunkeltief gefährlicher, der Wall wurde in einem Grossangriff Zerstört, doch immerhin kam heute eine neue Schülerin Ventus an, welche den Weg der Winde wählte. Celia wächst und gedeiht und uns geht es im Allgemeinen recht gut.

Ich hoffe, bald wieder von dir zu lesen, Ventus sei mit dir mein Sohn

Noralis


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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 8.01.09, 00:12 
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Wellen rauschten heran, wuchsen auf den letzten Schritten noch eimal vom Wind aufgepeitscht, erreichten schließlich den Kai – und brandeten gegen jenen. Gischt spritzte bis hoch in die Gesichter der beiden Männer, die mit unbewegter Miene voran zum Horizont sahen.
Die immer noch vorherrschende Kälte ließ ihren Atem zu kleinen, weißen Wölkchen werden, wie auch den Atem der Seemänner, die vor Anstregung schnaufend näher heranruderten in ihrem kleinen Beiboot und sich gegenseitig laute Befehle zubrüllten, ab und an ging die Flasche mit starkem Gebrannten unter den Seemännern herum, wohl, um die Kälte fernzuhalten und die morgendliche Stille wurde bald von so manch obzönem Scherz und dem darauffolgenden gröhlenden Gelächter durchbrochen.
Die beiden Männer die auf dem Kai standen und augenscheinlich darauf warteten standen in stiller Eintracht schweigend nebeneinander – ihr Anblick allein war schon recht verwunderlich, trugen doch beide gleichsam die Insignien eines Priesters des Ventus. Das himmelblaue, aus nur einer Stoffbahn bestehende Gewand, das sie kunstvoll umgelegt hatten, in der rechten Hand den Priesterstab aus hellem Wurzelholz, mit einem in Eisen eingefassten Saphir an der Spitze.
Ihre Blick wanderten gemeinsam, wie auf einen stillen Zuruf hin, hoch, gerade noch rechtzeitig, sodass sie einen der Turmfalken weit oben im Himmel kreisen und schließlich geschwind abdrehen sehen konnten.
Der Ursprung des Vogels zumindest war klar, denn die etwas zweifelhafte Atmosphäre des Hafens wurde zumindest von der eindrucksvollen Kulisse der Burg Finianswacht zu Falkensee in ihrem Rücken aufgebessert, über der anscheinend weitere Vögel kreisten.
Es gab ein lautes Krachen, als das Beiboot in dem die Seemänner saßen von einer besonders kräftigen Wellen gegen den Kai geworfen wurde und die beiden Männer, kaum erkenntlich um wen es sich handeln mag (Schuld an diesem Umstand mag das beeindruckende Aufkommen an Nebel an jenem Morgen gewesen sein) stiegen schließlich zu den Seemännern in das Boot, wieder gab es ein paar gebrüllte Befehle und die zwei Ruderpaare stießen gleichzeitig in die kühlen Fluten hinein, wurden zurückgezogen und das kleine Boot nahm Fahrt auf.
Das Wetter war nicht unbedingt das Beste, Ventus selbst schien sich diesen Tag ausgesucht zu haben um sich kräftig ins Zeug zu legen – immer wieder drehte der Wind und kräftige Böen fegten über das Land hinweg und warfen so manchen Unachtsamen um und richteten auch sonst deutliche Verwüstungen an.
Als sie in dem Beiboot sitzten wurde ihnen erst wirklich deutlich, wie unruhig das Meer an diesem Tag war. Es ging auf und ab wie von Tal zu Berg, als das Boot von Welle zu Welle erst herabsackte um dann gleich wieder in die Höhe gerissen zu werden, während die salzverkrusteten Holzbohlen gefährlich in ihren Eisenbeschlägen knarrten.
Viel miteinander sprachen taten die beiden Passagiere nicht, auch nicht mit den Seemännern. Einer der wenigen Sätze dieses Morgens wurde noch auf dem kleinen Beiboot ausgesprochen: „Brand, reich’ mir dein Fernrohr.“
Brand nickte und klemmte sich zum dutzendsten Mal die störrischen braunen Haarsträhnen hinter das rechte Ohr die ihm vom Wind hin und hergeworfen vor dem Gesicht herumflatterten und ihm förmlich die Sicht nahmen. Mit der anderen Hand griff er in die Tasche seines Gewandes und zog ein zylinderförmiges Stück Messing aus der Tasche, das er auseinanderzog bis ein Fernrohr daraus geworden war. Ohne von dem Buch in seinem Schoß aufzusehen reichte er es hinüber zu dem anderen.
„Hier, Meister.“
Während der andere, größere Mann im Sitzen die langsam verblassenden Sterne am Horizont betrachtete, wie sie Fela Platz machten, rückte Brand sich etwas zurecht bis er im Schneidersitz auf der Sitzbank des Ruderbootes Platz gefunden hatte.
Eine Weile lang versuchte er sich auf den Seewind zu besinnen und den Geruch, viel mehr ein Gestank, nach Fisch, Salz und Rum der von den Seemännern ausging zu übergehen. Dann begnügte er sich doch lieber damit sein Buch zuende zu lesen, während sie ihrem Ziel entgegen gerudert wurden.
Eine zerfledderte Pergamentseite war zwischen die Seiten des Buches geklemmt, auf der in beinahe hieroglyphisch anmutender Handschrift mit schwarzer Tinte jedes noch so kleine bisschen Platz vollgeschrieben wurde. Der Platz zwischen den Zeilen wurde von Diagrammen, Skizzen samt mangelnder Beschriftung und sonstigen Krakeleien gefüllt. Ein typisches Zeugnis von der gedankenlos-zerstreuten Art seine Gedanken zu notieren, die nur entstehen kann wenn man zu lange gezwungen ordentlich arbeitete und endlich seinen Gedanken freien Lauf lassen kann.

Das Gleichnis vom Schachspiel und den Göttern.

Man nehme ein Schachbrett. Vierundsechzig abwechselnde dunkel und hell gefärbte Felder aus Holz. Man nehme die dazugehörigen Figuren, für die weiße Seite wie auch die schwarze Seite jeweils acht Bauern, zwei Türme, zwei Springer, zwei Läufer, die Dame und der König. Auch die Figuren seien aus Holz.
Man stelle sich dieses Schachbrett in einem gemütlichen Kaminzimmer auf einem kleinen Tisch vor, an den zwei rot gepolsterte Sessel herangerückt worden sind, sodass sich die Spieler gegenüber sitzen.
Und man vergleiche das Schachbrett, seine Figuren und die zwei Spieler mit den Göttern.
Die Frage welche Farbe der Figuren welchem oder welchen Göttern er zuweisen würde würde jener gewiss schnell zu beantworten wissen: Weiß für die Viere, Schwarz für den Einen. Weiß ist die Farbe des Lichts, Schwarz die des Schattens und der Dunkelheit. Dinge, die uns im Licht begegnen sind uns angenehmer, denn wir können sehen, was uns gegenübersteht.
Wer sind die Spieler? Nun, auf diese Frage mag es unterschiedliche Antworten geben – manche würden gar abstreiten dass das Schachbrett ein passender Vergleich wäre, denn es mag widersinnig erscheinen, dass die Götter wie Schachfiguren gezogen werden könnte. Antworten auf diese Frage mögen sein: Galamnor, Go’Hor der Schöpfung, und Timanor, Go’Hor der Zeit. Man nehme einen Apfelbaum und pflücke einen der Samen von jenem. Man pflanze den Samen ein und siehe ihm zu wie die Zeit vergeht und er sich von Tag zu Tag prächtiger entwickelt. Man siehe aber auch zu, wie ein einmal gepflückter Apfel schnell vergeht, in kurzer Zeit und schließlich auch der Apfelbaum selbst vergeht, denn nichts ist ewig. So erscheint es logisch, dass die Schöpfung zwar Zeit braucht, denn ohne jene könnte logischerweise nichts geschehen, aber Zeit ihr auch zum Verhängnis wird. So kann man Zeit und Schöpfung als Gegenspieler betrachten.
Eine andere Möglichkeit wäre: Gut und Böse. Wie man den König nicht als Bezeichnung für „Weiß“ nehmen kann, so kann man auch nicht zwangsläufig die „Viere“ als Bezeichnung für „Gut“ nehmen. Sie sind es zweifellos, aber es sind nur Namen. Gutes kann auch geschehen durch Wesen oder Glauben an Wesen, die nicht zu den Vieren gehören. Ebenso handeln die Viere nach einem festgelegten Prinzip, werden, man könnte beinahe sagen, gesetzt: Nach dem Prinzip des optimalen Gut-Seins. Das Bestreben der Viere ist einzig und alleine Schöpfung weiterzuentwickeln und Leben zu bringen, ebenso wie das einzige Bestreben des Einen die Zerstörung und Vernichtung des Genannten ist, er handelt folglich nach dem Prinzip des optimalen Böse-Seins.
Nun hat man das Schachbrett bereits mit Sieben der Zwölf Horen verglichen.
Aber zu einem Schachspiel gehört ebenso das Brett an sich, die vierundsechzig hellen und dunklen Käste, die das Fundament des Spiels bilden, das Raster nachdem es abläuft.
Und dieses Raster, die Grundlage des gesamten Spiels und auch die vorher von den Spielern festgelegten Regeln sind Sie, die En’Hor.
Sie legen den beiden Seiten Regeln auf, wie sie ihre Figuren ziehen dürfen und wohin sie jene ziehen dürfen. Sie sind losgelöst vom eigentlichen Geschehen auf dem Schachbrett und stellen gleichzeitig das Feld da, auf dem der Kampf von Weiß gegen Schwarz ausgetragen wird. Sie existieren und ihre Existenz wurde von den meisten schon als selbstverständlich erkannt, aber kein Schachspiel kann stattfinden ohne Brett. Sie waren als Erste da, nach dem Willen der Spieler Schach spielen zu wollen, denn der Schreiner beginnt immer zuerst das Brett zu schreinern. Und so wie sie auch die Regeln sind kontrollieren und beschränken sie den Kampf auf ihrem Feld. Ein Springer darf nicht überall hinziehen, denn sonst wäre das Spiel viel zu schnell vorbei. Keine Figur darf dies. Und aus diesem Grund müssen die Gegenspieler nachdenken, sich Zeit lassen für ihre Züge, diese durchdenken und abwägen bevor sie ihre Figuren setzen, denn sie haben keine unbegrenzte Menge zur Verfügung. Und so einer der Spieler die Regeln verletzt muss der Zug zurückgenommen werden oder das Schachbrett wird schließlich geräumt. Und so sind die En’Hor die Letzte Instanz, über Gut und Böse, denn sie stehen über jenem Kampf, beschränken ihn und haben nur eines im Sinn: Dass die Regeln eingehalten werden, dass das Schachbrett unbeschädigt bleibt und dass durch Regeln und Aufteilung des Schachbrettes ein Gleichgewicht, eine Chancengleichheit für beide Seiten stattfindet. Da aber Götter, beziehungsweise die Prinzipien, immer vollendet denken und setzen bleibt nur eine Möglichkeit des Gewinnens für eine Seite: Die Regeln zu brechen, was jene verhindern. So sind die En’Hor in Ewigkeit die Bewahrer des Friedens, des vollkommenen Gleichgewichts und behüten die Menschen vor dem Ende Tares – denn wenn das Spiel einst vorbei sein sollte, wird das Schachbrett zusammengefaltet und weggesteckt.
Bis es zu einem neuen Spiel hervorgeholt wird.


Er nickte einmal zufrieden und klappte das Buch wieder zusammen, nicht ohne dass eine heftige Seebrise schließlich doch noch an einer Ecke den letzten Faden durchriss der eine kleine Ecke samt Miniaturdiagramm zusammenhielt und jene fortriss.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 13.01.09, 19:35 
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Er streckte sich noch etwas weiter und nahm nun auch die verbliebene, linke Hand von der Reling, um mit jener seine Augen gegen Felas blendende Strahlen zu schützen. Mit der Rechten hielt er sich sein Fernrohr an das rechte Auge, das Linke zukneifend, und spähte auf die ebene Wasseroberfläche vor ihm hinaus.
Seine Stirn kräuselte sich und er lehnte sich noch ein Stück weiter vor, das warnende „Hoah, Achtung, Gnaden!“ eines Seemanns hinter ihm ignorierend.
Der Seewind spielte mit seinen Haaren und ließ sie ebenso wie den himmelsblauen Stoff seiner Robe umherflattern, als würde er ihn hinausziehen wollen auf die See. Seine Stirn kräuselte sich überrascht, die Brauen machten einen kleinen Satz nach oben als in das Sichtfeld des Fernrohrs ein kleiner Strich am Horizont rückte, nicht mehr als ein undeutlicher Schatten und verblaut und unscharf, soweit war er weg, aber doch recht einfach zu erkennen: Land.
Er stellte sich wieder gerade hin und klappte das Messingfernrohr mit einem flinken Schwenker zusammen, während er sich auch schon herumdrehte und schweigend zu seiner Kajüte huschte. Dort angekommen zog er hinter seinem Bett eine dicke Ledermappe hervor. Diese legte er auf das Bett und klappte sie auf, mehrere lose Pergamentblätter fielen ihm schon entgegen, jedes mit unterschiedlichsten Dingen beschrieben.
Nach einigen Minuten geschäftigen Kramens durch das raschelnde Pergamentgewirr zog er das hervor, was er gesucht hatte: Eine etwas unsauber gezeichnete Seekarte, die dennoch, wie er wusste, so ziemlich alle wesentlichen Einzelheiten des Weges von Siebenwind nach Venturia enthielt. Der Kapitän hatte sie ihm freundlicherweise ausgeliehen. Mit einem Griff in seiner Tasche zog er einen Greifzirkel hervor und setzt jenen auf die dünne Bleistiftlinie auf, die die momentane Schiffsposition darstellte und von der Bucht nach Falkensee schon ein gutes Stück über das Meer hinweg führte.
Wenige Minuten später sah er immer noch auf die Karte, mit dem Greifzirkel die eine oder andere Entfernung abmessend und vergleichend. Ab und an hörte man ihn leise nachdenklich brummen, dann packte er alles wieder zusammen und verstaute es ordentlich.
Nur eine kleine Vorinsel, nicht der Rede wert, aber ein sicheres Zeichen dafür, dass die Fahrt unerwartet schnell voranging und er und Noralis vielleicht schon bald die Akademie erreichen würden.
Mit einem Blick durch das Bullauge seiner kleinen Kajüte stellte er fest, dass es gerade anfing zu regnen und setzte sich auf den kleinen Hocker vor seinem Schreibtisch, wo ein schon angefangener Brief lag.
Er griff die Feder, tunkte sie in die Tinte ein und begann mit kratzender Feder über das etwas minderwertige Hadern zu schreiben.

An das Ordenshaus der Ecclesia Elementorum zu Falkensee zu Siebenwind, Anschrift F EE, abzugeben an den Novizen Isaar Fulcar oder Roku Beidron.

Den hochheiligen En’Hor zum Gruß Brüder und Schwestern,
Ich und Noralis erfreuen uns bester Gesundheit und die Fahrt geht erstaunlich schnell voran. Ich denke, dass wir schon bald ankommen werden um unsere Lehrtätigkeit an der Akademie aufzunehmen – aber davon soll nun nicht die Rede sein, denn es ist nur ein vorübergehender, nicht endgültiger Abschied von der Ecclesia Elementorum.
Ich würde gerne erfragen, wie die momentane Lage ist.
Wie geht es Aria und ihrem Kind? Gibt es neuen Zuwachs an Novizen und wie geht die Ausbildung von Isaar und Roku voran? Gibt es sonstige Ereignisse, von denen Ich oder Noralis wissen sollten?
Im Übrigen: Zu den Novizen. Anbei liegen einige Aufgaben für euch, ich erwarte baldiges Ausfüllen und dass ihr mir die ausgefüllten Blätter zurücksendet. Wie ihr das anstellt bleibt euch überlassen.
Wind und Wetter mögen mit Euch sein,
Brand Windfluesterer und Noralis Dur.


Mit einem zufriedenen Nicken setzte er den Schlusspunkt und griff neben sich um einige Zettel an den eigentlichen Brief anzuheften.

Für Isaar:
1.
a) Zähle die Kinder der Xan auf, detailliert vom Uralten bis zum Lebewesen.
b) Beschreibe die Aufgabe dieser Wesen.
2.
a) Stelle dar in welcher Reihenfolge die Schöpfung erfolgte.
b) Ordne chronologisch:
Entstehen der Enhor, Entstehen der Uralten und Alten, Entstehen der Sahor, Entstehen der Laf’ay und Horwah, Amulettkrieg und Das Erste Gebet.
3.
a) Erkläre, was ein Grabstein mit Xan zu tun hat.

Für Roku:
1.
a) Beschreibe die einzelnen Bestandteile deiner Klingenwaffe.
b) Beschreibe welche/r der Horen an der Schöpfung dieser Waffe wie beteiligt waren.
2.
a) Stelle Überlegungen über das Wesen von Mr’glur dem Ungesehenen an.
b) Beschreibe die Beziehung zwischen Makklakorda und den Titaneij des Ignis.
c) Erkläre den Begriff „Titaneij“.

Schließlich legte er den Stapel ordentlich zusammen und rollte ihn zu einer Rolle auf, die er mit zwei Garnschnüren an den Ende fest und sorgfältig zuband. Die Hadernrolle schließlich steckte er in eine dünne, ansonsten leere Glasflasche und steckte einen Korken auf die Öffnung jener.
Kurze Zeit später sieht man einen Albatros mit einer merkwürdigen Art von Beute in den Krallen im Tieflug über Xans Fluten gen Siebenwind fliegen: Einer Flaschenpost, die jener wohl aus vollem Flug vor der Eingangstür der Ecclesia Elementorum abwerfen wird.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 18.01.09, 16:10 
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Mit einer Hand hielt er seine Robe fest, mit der anderen klemmte er sich das handliche Bündel mit seinen Sachen unter den rechten Arm und machte schließlich einen kleinen Satz, der etwas unbeholfen aussah, vom Schiffsdeck herab auf die Planken des Hafens von Ventria.
Ein dichtes Schneetreiben, angepeitscht vom schneidenden, kalten Wind verhinderte Sicht auf das was weiter entfernt lag, einige Male drehte er sich orientierungslos auf der Stelle, wobei er abwechselnd wieder auf die See hinaussah, zum Schiff, das ihn hergebracht hatte und zum Kai, von dem man bereits nach drei Schritten durch das Wetter nichts mehr sehen konnte. Der Wind spielte mit seinen Haaren und der Schnee verfing sich in den Bahnen seiner Priesterrobe und brachte ihn zum Erschauern. Beinahe wäre er schreckhaft zusammengefahren als ihm jemand eine Hand auf die rechte Schulter legte. Er wirbelte herum und sah voran zu dem Kapitän, jenem wettergegerbtem Seemann von sehniger, hagerer Gestalt. Nach einigen Sekunden des Anstarrens schien er die stille Geste des Kapitäns zu begreifen und zog eine Dukate aus seiner Umhängetasche, eine Goldene mit dem Durchmesser von fast einer Fingerlänge, und drückte sie dem Kapitän in die Hand, mit einem freundlichen Lächeln. „Danke für die Überfahrt. Möge Ventus euch eine gute Rückfahrt bescheren.“ Die von Falten zerknitterten und wie eingerostet wirkenden Züge des Seemanns erhellten sich als er einmal kräftig nickte und mit einer Stimme wie ein Nebelhorn meinte: „Die Fahrt hierher schien ja wirklich unter Ventus’ Segen zu stehen, aye, da wird die Rückfahrt auch so.“ Mit diesen Worten drehte sich der alte Seebär um, beiläufig führte er die Münze zum Mund und biss prüfend darauf. Als die Münze der Probe standhielt schien er noch ein Stückchen zufriedener und stapfte ein Seemannslied pfeifend die knarzende Planke zu seinem Schiff herauf.
Brand stand noch eine Weile da und betrachtete wie das Schiff für die Abfahrt bereit gemacht wurde. Die Männer brüllten sich gegenseitig Befehle zu, Taue, die man am Kai befestigt hatte, wurden wieder eingeholt, Segel ausgerollt, die im schneedurchzogenen Wind sofort zu flattern und zu schlagen begannen und bald nahm das Schiff Fahrt auf und war im Schneesturm verschwunden. Schließlich wandte er sich herum, schüttelte sich kurz um sich von dem Schnee auf seiner Robe zu befreien, und sah voran, wo der Kai wohl weiter in den Hafen von Ventria hineinführte. Zumindest war er sich da recht sicher, als er einige Schritte voranmachte, mit einer Hand sein Gesicht gegen den Schnee schützend. Schon glitzerten durch den Schneesturm hindurch Fackeln, Essen, Laternen und erreichten ihn mit ihrem warmen Schein. Erleichtert ausseufzend beschleunigte er seine Schritte, auf das Leuchten zu und fand sich schließlich auf der Mitte des Marktplatzes, vor einer granitenen Statue des Hilgorad, wieder. Um ihn herum huschten zumeist recht verlumpte Gestalten geduckt durch den Schneesturm und bis auf das Glimmen der langsam erlöschenden Kohle in einer einsamen Esse an einem Stand der Schmiede waren dies auch die einzigen Zeichen von Leben. Da drang Gesang aus einer Taverne, die sich offenbar am Rand des Marktes befand, an sein Ohr, begleitet von dem appetitanregenden Duft von gewürztem Schweinebraten und heißem Rotwein. Er machte einige Schritte in diese Richtung und fand sich bald vor einem dreistöckigen Fachwerkhaus, mit rotem Lehm verputzt und sehr alt und windschief wirkend, wieder, als der Schleier des Schnees kurz aufriss. Entschlossen trat er auf die beiden Doppeltüren zu, die den Eingang darstellten, und zog sie schwungvoll auf. Warme Luft kam ihm einem Schwall gleich entgegen und raubte ihm kurzfristig den Atem, ehe er hastig eintrat und die Türen hinter sich schloss, um nicht zuviel kalten Wind hineinzulassen. In der Taverne selbst ging es eher beschaulich zu. Der Raum hatte in etwa rechteckige Ausmaßen, in einer Ecke führte eine Treppe wohl in höhere Etagen, während an der Raumseite ihm gegenüber der Wirt hinter seinem Thresen stand und ein Glas mit einem Lappen putzte, der schmutziger aussah als das Glas. Vier Tische waren im Raum verteilt, an den meisten saß unauffällig aussehendes Bauernvolk oder Handwerker und widmeten sich ganz ihrem heißen Getränk – oder wie ein etwas beleibterer Mann in eindeutig besser Kleidung etwas abseits ihrem Schweinebraten.
Mit einer Hand klopfte Brand sich den Schnee von der Robe ab, der sich bereits wie eine Kruste darauf gebildet hatte und nur widerwillig abging, ehe er mit einem freundlichen Lächeln in die Runde auf den Wirt zutrat. Jener sah nur kurz von seinem Glas auf und schnauzte nicht gerade freundlich „Was darf’s sein?“. Einige der Gäste sahen nun doch auf als der Wirt die vorher herrschende Stille des Schankraums durchbrochen hatte und betrachteten den Neuankömmling misstrauisch und prüfend. Jener, Brand, räusperte sich einmal leise, mit zwei flinken Seitenblicken nach links und rechts sah er kurz zu den Gästen hin, dann wieder voran. „Eh.. Ich müsste zur Akademie der Winde – Das sagt euch doch etwas, oder?“ „Aye, diese Spinner kommen hier immer mal wieder durch. Aber was willst du denn dort, Bursche?“ Als der Wirt diesen Satz ausgesprochen hatte sah er erneut von dem Glas das inzwischen den Anschein erweckte sauber zu sein und sah Brand erst ins Gesicht, mit mürrischem Gesichtsausdruck. Als der Blick jedoch über seine Robe streifte, machte er einen Satz zurück und berautete sich viermal. „Ich habe es nicht so gemeint! Wirklich nicht! Bitte, tue mir nichts!“ Die Schultern des Mannes bebten, die Worten kamen in einem Atemzug aus seinem Mund geschossen. „Ich habe Frau und Kinder, um die ich mich kümmern muss und wer ausser mir soll denn die Taverne hier führen und..“ Während der Wirt immer mehr in hastigen Hingemurmele, inzwischen war er wohl zu einem Gebet zu Vitama übergegangen, legte Brand den Kopf auf eine Seite, aus dem reinen Reflex der Verwunderung heraus, und betrachtete den Wirt merklich verwirrt. „Eh..“ Kam es reichlich verspätet über seine Lippen, ehe er den Mund wieder schloss und langgezogen ausseufzte. Der Wirt schien sich von nichts von seiner Panik ablenken lassen zu wollen, inzwischen drehte er einen kleinen Blumenkranz zwischen den Wurstfingern hin und her. Brand räusperte sich einmal Aufmerksamkeit heischend, als der gewünschte Effekt ausblieb räusperte er sich gleich noch einmal. Mit möglichst finsterem Gesichtsausdruck und tiefer Stimme meinte er: „Im Namen des Ventus, man weise mir den Weg zur Akademie meiner Brüder und Schwestern.“ Er fühlte sich irgendwie schlecht, die Angst des Mannes auszunutzen und eine leise Stimme, sein Gewissen, nagte an seiner Stimmung – aber immerhin schien es den gewünschten Effekt zu haben, der Wirt erwachte aus seiner Angststarre und sah zu einem Mann herüber, der in der Ecke auf einem Schemel vor einem schwach vor sich hinglühenden Kohlebecken saß und rief mit etwas piepsiger, schwankender Stimme. „He, Fritz, bring ihn hier – eh.. ich meine natürlich.. Den Ehrwürdigen Geweihten hier – zu Du-weißt-schon-wohin.“ Der Fritz genannte schnaubt einmal langgezogen und sah auf. Es handelte sich um einen Mann von etwa 40 Götterläufen, korpulent und gehüllt in praktische, fettige Lederkleidung. „Und.. Warum sollte ich das bitte machen?“ „Weil du bei mir in der Kreide stehst!“, zischte der Wirt ärgerlich hinüber und machte mit beiden Händen eine wegwischende Geste gen Tür hin. Fritz erhob sich langsam und schlurfte zur Tür hin, ohne einmal zu Brand hinzusehen. Jener reffte mit einer Hand seine Robe und folgte ihm einige Schritte, ehe er noch einmal zu dem Wirt hinsah und in seiner Tasche zu kramen begann. Nachdem er scheinbar fündig geworden war warf er dem Mann eine mit Bronzedraht umschnürte und mit Wachs versiegelte Pergamentrolle zu. „Wenn dieser Brief nicht Leonie Khetor, sie wird sich bei dem Relator befinden, erreicht, wird Ventus Zorn auf euch herabfahren.“, meinte er mit einem freundlich-schuldbewussten Lächeln auf den Lippen. Der Wirt fing die Rolle und sah sie nur kurz an, groß war auf die sichtbare Außenseite des Pergaments „An Leonie Khetor“ geschrieben. Er stockte kurz und meinte dann hastig: „Natürlich, Ich werde tun was ihr sagt, ehrwürdiger Geweihter.“
So wird die Pergamentrolle wohl wahrscheinlich ihr Ziel finden. So man den dünnen Bronzedraht entfernt und das Wachssiegel gebrochen hat steht dort in dünner und geschwungener, blauer Schrift geschrieben:

Wind und Wetter, Schwester Leonie.
Schon lange wollte ich mich schriftlich melden, doch nun befinde ich mich selbst für einige Zeit auf dem Festland und habe endlich die Möglichkeit, den Brief zu verschicken. Ich hoffe sehr, er erreicht euch. Man hat nichts mehr von euch gehört seit ihr damals abgereist seid um den Relator aufzusuchen – euer Abschiedsbrief liegt immer noch auf dem großen Tisch in der Ecclesia Elementorum. Ich hoffe von Herzen, dass es euch gut geht und ihr Erfolg hattet bei eurem Vorhaben. Ich selbst befinde mich momentan auf dem Weg zur Akademie der Winde zu Ventria um dort zu unterrichten. Einen Antwortbrief adressiert also bitte direkt an die Akademie. Ich bin durchaus aufgeregt, da ich wohl bald zum ersten Mal das Zentrum des Glaubens an Ventus erblicken werde.
Soweit ich weiß haben sich die Zustände auf der Insel, wegen denen ihr gegangen seid, nicht wirklich geändert. Die Ecclesia Elementorum ist inzwischen merklich ausgedünnt und überall greift Unglaube um sich. Erschwerend kommt hinzu, dass der Astraelsorden anscheinend Zulauf bekommen hat – Einen gepanzerten Krieger, der sein Gesicht stets hinter einer Maske versteckt. Siebenwind könnte wirklich so kluge und bedachte Geweihte wie ihr eine seid gebrauchen. Ich würde mich freuen, würdet ihr mich auf dem Laufenden halten.
Mögen die Winde euch allzeit behüten,
Priester des Ventus Brand Windfluesterer.

*darunter ist ein Siegel aus blauem Siegelwachs mit einem eingeprägten Adler, der sich bei genauerem Hinsehen als Seeadler herausstellt*

Brand nickte einmal zufrieden und eilte Fritz hinterher, der inzwischen hinter die Taverne geschlurft war und auf dem Führersitz eines Fuhrwerkes Platz genommen hatte. Mit einer Hand griff er an die Lehne des Sitzes neben ihm und schwang sich hinauf. Hinten auf der Ladefläche waren einige kümmerliche Reste von Stroh und Heu, vom Schnee durchnässt und zusammengefroren.

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BeitragVerfasst: 21.01.09, 15:45 
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Nachdenklich sah er voran, wo die Räder Spuren im Schnee hinterließen, die bald wieder vom Wind und dem noch fallenden Schnee zugeweht wurden. Jedes Mal wenn das Fuhrwerk in eines der zahlreichen Schlaglöcher fuhr knarzten die eisenbeschlagenen Holzräder bedrohlich und alles auf der Ladefläche machte einen kleinen Satz. Die kümmerlichen Reste des durchweichten Strohs und Heus, aber auch Brand, der im Schneidersitz am Rand saß und immer wieder zurückrutschen musste um nicht von der Ladefläche zu fallen durch ein plötzliches Schlagloch. Dumpf und beständig klapperten die Hufe der zwei massigen Pferde, zottige Kaltblüter mit braunem Fell und von eher dicklicher Statur. Er fühlte sich ein wenig schlecht, weil er die Furcht des Wirtes und des Bauern ausgenutzt hatte. Aber was hätte er auch sonst tun soll? Eine Hand fand ihren Weg in seine Umhangstasche und zog eine kleine Silberdukate hervor, die er hinter sich unter das Stroh schob. Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht, damit würde der Mann für eine Tage gut essen können. Aus den Augenwinkeln sah er den Mann an den Zügeln der Pferde rucken und laut "Hooo, Halt!" rufen, woraufhin die Pferde ihren Trott beendeten und nach einigen Schritten schließlich stehenblieben und schnauften, die Atemwolken vor ihren Nüstern wurden vom Wind verweht. Schließlich widmeten sie sich dem spärlichen, schneebedeckten Gras am Wegesrand. Fritz drehte sich auf seinem Holzsitz herum und sah aus seinen tiefliegenden Äugchen zu Brand hin, offensichtlich froh einige recht stabile Holzstücke zwischen sich und - ihm zu haben. "Wir sind da", meinte er etwas zittrig und nickte über seine rechte Schulter. Brand folgte mit seinem Blick dem Deut, er ging in eine Richtung wo ein kleines Brett über das zugefrorene Bett eines kleinen Bächleins führte. Über die darauf folgende Wiese konnte man schon nicht mehr bis zur Hälfte hinübersehen durch das Wetter. Wortlos griff er nach seinen Sachen und machte sich daran von der Ladefläche zu klettern und seine vom langen und unangenehmen Sitzen eingeschlafenen und schmerzenden Beine zu reiben. Er seufzte erleichtert auf, als das Blut wieder zurückfloß und die Beine leicht zu prickeln zu begann und er schließlich wieder seine Füße spürte. Bereit seinem Fahrer zu danken drehte er sich schwungvoll herum - und sah zu einem leeren Weg hin. Fuhrwerk samt Pferde und Fritz waren von ihm unbemerkt weggefahren - geflohen. Die Silberdukate hatte sich durch den Ruck des Anfahrens von der Ladefläche katapultiert und lag nun im Matsch am Wegesrand, einsam und unbeachtet.
Mit einem Satz war er über den Graben hinweg und stand nun auf der Wiese dahinter, Schnee, teils festgefroren an die blassgrünen Grashalme geklammert, teils frisch gefallen und die matten Strahlen Felas, der ab und an durch die Wolken hinabsah, beinahe unerträglich hell reflektierend. Die Atemzüge stachen vor Kälte, wenn man zu tief einatmete und der Wind wirbelte die Schneeflocken noch unter die dickste Kleidung. Nicht, dass Brand solche tragen würde. Viel mehr sah er schon merklich unterkühlt aus, wie er barfuß durch den Schnee ging, der Wind an seiner Robe ruckte und hindurchpfiff und Schneeflocken hinterließ, wo sie ihre unangenehme Kälte noch mehr entfalten können. Nach einer Weile ging er in einen flinken Lauf über, um durch die Bewegung mehr Wärme zu erzeugen und vor allem schneller an seinem Ziel anzukommen. Von diesem war noch nicht viel zu sehen, der Schneesturm ließ alles in der Entfernung wie im Nebel undeutlicher erscheinen und machte es unmöglich zu bestimmen, wohin man lief. Aber immerhin ging er in die richtige Richtung. Zumindest war er sich da ziemlich sicher. Bei dem Gedanken blieb er kurz stehen und drehte sich einmal um sich selbst, in jede Richtung spähend. Der Ausblick stellte sich als bedrückend monoton heraus: Im Norden Schnee, im Westen Schnee, im Osten Schnee, im Süden Schnee. Wenn er gewusst hätte, wo welche Himmelsrichtung ist, versteht sich. So blieb es bei Vor mir, Links, Rechts, Hinter mir. Langsam setzte er sich wieder in Bewegung, die Füße fühlten sich irgendwie pelzig und taub an und er hatte das unangenehme Gefühl, dass seine Nase samt Inhalt gleich abfrieren würde. Er beschleunigte seine Schritte etwas, einen Arm angewickelt vor sein Gesicht gehalten um sich gegen den schlimmsten Schnee abzuschirmen, ging in einen Lauf über und rannte bald - und prallte in vollem Lauf mit der Stirn gegen ein Steinportal. Bevor es schwarz um ihn herum wurde sah er noch, dass das Steinportal aus himmelblauem Stein war und sehr schöne Anklopfer aus Eisen in der Gestalt von Vögeln hatte. Beiläufig wurde ihm auch noch bewusst, dass er seit der Ankunft keinen blassen Schimmer mehr hatte wo sich eigentlich Noralis aufhielt.
Als er wieder zu sich kam erhob er sich ächzend und schnaufend wie ein alter Mann aus dem Schnee und lehnte sich auf seinen Stab in der rechten Hand auf. Genau in diesem Moment schwangen die Steinportale auf und eine Gestalt trat mit flinken, leichten Schritten auf ihn zu. In diesem Moment wurde er sich schlagartig einer Dinge bewusst: Der Zusammenstoß mit dem Steinportal hatte eine stattliche Beule auf seiner Stirn hinterlassen, sein Gewand war meersalzverkrustet und von Schlamm und Schnee bis zur Unkenntlichkeit der Stickereien bedeckt. Der Stab in seiner Hand war ebenso schmutzig, sodass man das helle Wurzelholz eher mit dunklem Eichenholz vergleichen würde. Einige Kratzer befanden sich in seinem Gesicht, ebenso vom Steinportal samt Anklopfern, und er hatte sich seit einer geschlagenen Woche nicht rasiert, das letzte Bad war schon recht lange her. Die Gestalt die nun langsamer wurde und auf ihn zutrat hingegen war eine hochgewachsene, schlanke Frau - einen guten Kopf größer als ihr - und hatte bemerkenswert blondes Haar, felagebräunte Haut und trug eine vom hochgeschlossenen Halskragen bis zum Boden herabwallende, elegante graue Robe. Sicher ein halbes Dutzend Armbänder hing an ihren Handgelenken, die meisten mit blauen Steinen, weißen Federn oder Perlen. Als der Wind ihr Haar zerteilte bemerkte er zusätzlich auch noch, dass es sich um eine Elfe handelte. Auf den stolzen Gesichtszügen, jugendlich wie als hätte sie kaum 20 Ventus gesehen - dabei könnte sie wahrscheinlich schon das zwanzigfache an Götterläufen erlebt haben, den Augen nach, überschlug er im Kopf - breitete sich ein nachsichtiges, freundliches Lächeln aus. Als sie an dem zottigen, nicht sehr gepflegt aussehenden Brand samt einer undefinierbaren, verlumpten Robe und einem nicht näher bestimmbaren Wanderstecken herabsah schüttelte sie den Kopf, Missbilligung erschien auf ihrer Mimik und ihre Augenbrauen verkeilten sich wie Gewitterwolken vor einem Sturm.
"Wie oft müssen wir es euch armseligen Menschen denn noch sagen - wir füttern euch nicht durch, Landstreicher.", meinte sie mit einer Stimme kalt und schneidend wie der Schnne. "Mbmpfl.", war Brands Antwort.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 23.01.09, 19:36 
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Eine kurze Erklärung später..
Merklich peinlich berührt sah Brand auf die Elfe herab, die vor ihm kniete, den Kopf gesenkt und immer nur murmelte "Bitte nicht, tut mir nichts!". Er räusperte sich einmal um sie vielleicht damit aus ihren Gedanken reißen zu können, seufzt dann langgezogen auf und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, das seit dem letzten Stutzen schon wieder merklich gewachsen war. Sein Blick wanderte an der Elfe vorbei zu drei Männern, die aus dem Nebel der auch im Innenhof zu herrschen schien hervorbrachen und auf ihn zueilten. Sie waren mittelgroß, hatten blonde Haare, blaue Augen und leicht gebräunte Haut und waren allgemein von der äußeren Gestalt her eher nichtssagend und höflich-zurückhaltend wie ein Wandschrank, der immer da ist wenn man nach ihm sieht den man aber sonst irgendwann nicht mehr wahrnimmt. Zwei von ihnen beugten sich zu der Elfe herab, griffen sie unsanft unter den Armen und zogen sie mit sich in den Nebel zurück. Noch einmal hörte man sie schluchzen, dann war sie auch schon aus der Sicht und aus dem Sinn. Brands Blick blieb an dem Mann vor ihm hängen, der sich tief verbeugte. Er kräuselte die Stirn und betrachtete den Mann etwas ungläubig. In der Ecclesia Elementorum hat man sich nur vor den Altaren so tief verbeugt. formulierte er in Gedanken aus, vielleicht als Vorbereitung für einen geistreichen Absatz im nächsten Buch. Der mentale Zettel wanderte in den Aktenschrank des Langzeitgedächtnisses, ehe er sich wieder aus seinen Gedanken zurückzog. Der Mann hatte wohl zu sprechen begonnen, er hörte ihm erst als er schon mitten im Satz war zu ".. und so ist es uns natürlich eine ganz besondere Ehre euch als..", er hörte wieder weg und richtete seinen Blick auf seine Fingernägel, die teilweise eingerissen waren und unter denen sich nicht unerheblich wenig Schmutz angesammelt hatte. Geschickt pulte er den Dreck unter dem Zeigefingernagel mit dem Fingernagel des Daumens hervor, dann umgekehrt. "Wenn ihr nun erlaubt werde ich euch ein wenig herumführen und euch dann euer Zimmer zeigen, so euch das genehm ist, Meister." Bei dem "Meister" steckte Brand die Hände wieder in die Taschen der Robe und warf ihm einen verwunderten Blick zu. Der junge Mann, mit kurzem, blonden Haar, blauen Augen, die so flach schienen wie Spiegel und wie der ganze Gesichtsausdruck so schnell ihren Ausdruck ändern und wohl auch vortäuschen konnten, das man denken könnte er wäre ein gelernter Schauspieler und der noch dazu ein gutes Stückchen älter schien als Brand, stotterte bei dem Blick etwas von "Ja? G-Gut? W-wenn ihr mir dann - mir folgen würdet und dann.." Seine Stimme wurde zu einem Hinmurmeln, das rasch abbrach als Brand gemächlich an ihm vorbeischlenderte und in den Innenhof hineinspähte. Der Nebel verzog sich von einer Windböe davongetrieben und gab den Blick frei.
Der Innenhof war erstaunlich groß. Von dem Torbogen in dem er stand sah er links von sich eine Reihe kleinerer Zelte, hinter denen wiederum die weiße Sandsteinmauer aufragte, die gut zwei Mannshöhen hoch war und einen großen Kreis bildete. Die Zelte schienen von unterschiedlichster Art. Da war ein leichtes Zelt aus braunem und orangem, aus sandfarbenen und sattem, rotem Stoff das endophalische Zeichen an seinen Saum gestickt hatte, direkt neben einer Jurte aus dünnem Leder von einem der nördlicher lebenden Galadonier und ein Etwas, das erst nach einem Haufen Felle unterschiedlichster Art aussah, aber bei genauerem Hinsehen Formen eines flachen Zeltes offenbarte, das einzig und allein darauf ausgelegt zu sein schien Wärme im Inneren zu halten. Zwischen zwei Fellen sah ein stark von Fela gebräuntes Gesicht eines massigen Nortraven hervor. Vor sich führte der Weg aus Sandsteinfliesen auf dem er stand geradeaus und zu einem Gebäude, das sich auch über die gesamte rechte Seite erstreckte. Das Fundament sah noch aus wie ein großer, zusammenhängender Komplex aus weißem Sandstein, aber daraus sproßen dutzende Türme hervor von unterschiedlichster Art und Höhe, manche untereinander verbunden durch schmale, gewölbte Steinbögen, manche hatten flache Spitzen die an Wachtürme erinnerten, ein oder zwei endeten einfach mittendrin, sodass man noch die Wendeltreppe in ihnen sehen konnte und sahen aus als würde noch an ihnen gebaut werden. Der höhste Turm von allen stand exakt in der Mitte und war so schmal und windschief, von dutzenden Stützen aus Stein und Holz abgestützt, dass man vom Ansehen Angst bekam, er könnte auf einen fallen. So hoch war er, dass es beinahe so aussah als würde er einfach mitten durch die Wolken hindurch und noch weiter hinauf ragen. "Ab und an fallen einige Ziegeln vom Dach oder der Putz blättert ab. Letztes Jahr ist auch das oberste Stockwerk abgebrochen." kommentierte sein namenloser Begleiter neben ihm nun etwas selbstsicherer und deutete auf den Eingang zu dem wirren Sandsteinkomplex, der soviele Details, verborgene Alkoven, Ballustraden, Balkons, Treppen, Leitern, Ecken und Kanten, Fenster von verschiendster Art und noch dazu allerlei Dekoration in Form von hellblauen Stoffbahnen hatte, dass man sich wohl noch Felaläufe daran sattsehen konnte. Eine besonders breite Treppe mit hohen Stufen, die einem abverlangten sich anzustrengen bis an das Portal heraufzukommen, führte hoch zu dem Einlass - einem prächtigen Portal aus massiven Bronzetüren die so hoch waren wie drei aufeinandergestellte Menschen und in die vielfältige
Verschönerungen und Details eingearbeitet waren - Sternbilder, Vögel oder einzelne Federn, Sturmwolken und Blitze, Harfen und Flöten, Lauten und Tamburine. "Das ist
die Akademie der Winde zu Ventria."
Brand nickte anerkennend und meinte dann so freundlich und beruhigend wie möglich zu dem nervös herumzappelnden Jüngling: „Ich hätte eine Nachricht zu verschicken. Wo finde ich denn einen Turm für die Vögel oder einen Botendienst oder ähnliches?“. Trotz des übertrieben sanften und verständnisvollen Tonfalls zuckte der Mann zusammen und sah sich hektisch um, vor sich hinstotternd etwas wie denn „W-Wo w-war denn noch glg-gleich?“ Brand räusperte sich höflich und reichte ihm eine zusammengerollte Pergamentrolle, um die ein blaues Band gewickelt war. „Wollt ihr nicht erst einmal die Nachricht haben, bevor ihr euch darum kümmert wie sie zu Pharalis Avistur auf Siebenwind kommt?“, schlug er lächelnd vor und steckte ihm die Pergamentrolle in die rechte Hand. „Und jetzt husch.“, meinte er dann doch etwas ungeduldig und klopfte ihm auf die rechte Schulter. „Ich komme hier schon zurecht.“
Langsam fiel die Dämmerung auf die Akademie der Winde zu Ventria als Brand die Tore aufzog und hineintrat.

Nach mehr oder weniger langer Zeit mag ein kleiner, etwas zerzauster Sperber über den Burghof von Burg Finianswacht fliegen und Pharalis Avistur die zerknitterte Rolle direkt vor die Füße werfen. In geschwungener, nach rechts kursiver Schrift steht dort geschrieben:

Wind und Wetter (und natürlich auch dem König zur Ehr’) Knappin Avistur,
Ich dachte mir, ich lasse euch eine Nachricht zukommen wenn ich die Akademie erreicht habe. Wenn dieser Brief euch erreicht werde ich mich wahrscheinlich schon recht gut eingelebt haben. Die Reise verlief mehr oder weniger problemlos, auch wenn sich mir immer mehr die Verschiedenheiten zwischen der Ecclesia Elementorum und dem Orden von Amnachos Federn, wie der Orden der Akademie heißt, aufdrängen. Erschreckenderweise scheinen die meisten der Bauern und einfachen Handwerkern der Umgebung verängstigt auf die Diener des Ventus zu reagieren und auch untereinander herrscht wesentlich mehr Kühle und Strenge als ich es gewohnt bin. Schließlich war die Ecclesia Elementorum mein erster Orden. Wie ergeht es euch? Ich hoffe selbstverständlich nur das Beste. Zwei Möglichkeiten habe ich erwägt: Entweder die Insel ist untergegangen oder ist im Inbegriff dies zu tun – was hoffentlich die einzige Erklärung ist warum Roku Beidron und Isaar Fulcar ihre Hausaufgaben noch nicht bearbeitet haben – oder es ist sehr still und ihr seid in meiner Abwesenheit schon alle faul und zufrieden geworden. Ihr könntet mir einen großen Gefallen tun wenn ihr Isaar, einen schwarzhaarigen Xannovizen, daran erinnert endlich seiner Verpflichtung nachzukommen. Aber geht bitte nicht zu grob mit ihm um – offen gesagt liegt mir schon einiges an ihm. Er ist der erste Novize den ich meinerseits schon sehr weit ausgebildet habe. Das Wetter hier ist gewöhnungsbedürftig. Dichter Nebel, der einen kaum drei Schritte weit sehen lässt und alles durchnässt, hat Ventria und die Akademie, die recht weit draußen liegt, ergriffen und lässt sie schon einige Tage nicht mehr los. Gibt es Neuigkeiten, die eure (und die der anderen) Visionen betreffen? Hat jemand den Trank nachgebraut? Ich hoffe ich bedränge euch mit diesen Fragen nicht, aber es interessiert mich – nicht zuletzt da im Keller der Ecclesia immer noch ein Stück Seelenkraut bereit läge. Isaar wird euch gewiss weiterhelfen, wenn ihr möchtet. Ich habe bei den Stadtwachen Ventrias schon nachgefragt, aber wenn es schon einen Namen für den Thronfolger (oder wonach auch immer ihr gefragt habt) gibt, dann ist er noch nicht bis hierher vorgedrungen. Das mag nicht weiter verwunderlich sein, scheint mir Ventria doch nicht wesentlich größer als Falkensee und damit im Vergleich zu Draconis etwa fast schon eine Kleinstadt. Auf eine Antwort würde ich mich wirklich freuen. Soweit ich das bis jetzt beurteilen kann, kann man mit niemandem hier anständig reden. Die Niedrigergestellten stottern unverständlich herum, von den Höhergestellten ist mir bis jetzt noch keiner begegnet.
Die Schönheit des Windes möge euch allzeit erfreuen und erfrischen,
Brand Windfluesterer.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 24.02.09, 00:21 
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Er lachte fröhlich auf und hielt die Waldschnepfe wieder ein Stück weit von sich. Der kleine Vogel, komisch aussehend mit seinem langen, dünnen Schnabel, hatte mit eben diesem einige Male in Brands Hals geknippst und dort rote "Kussflecken" hinterlassen, aus einem rann gar Blut. Dennoch lachte er fröhlich und streichelte dem frechen Vogel über das braun-weiß gesprenkelte Gefieder. "Nana, so such dir doch lieber einen deiner Artgenossen zum Spielen!" Mit diesen Worten hob er die Schnepfe mit beiden Händen etwas an und warf sie dann über die Brüstung des Turmes. Der Vogel flatterte hektisch mit den Flügeln, fing sich dann aber und drehte sich herum. Als wäre er verärgert über die Zurückweisung klapperte er kräftig mit dem Schnabel und ließ sich dann in einen trudelnden Sturzflug herab, gen Riens Leib der tief unten kaum noch zu sehen war. Bei jedem Schritt ächzte das wohl jahrhundertealte Gebälk des Falknereiturmes, Putz rieselte von der Decke - es mag auch getrockneter Vogelkot sein, der jeden Winkel, jede offene Fläche des holzausgekleideten Vogelschlages mit den dutzenden Öffnungen in alle Himmelsrichtungen bedeckt hatte. Viele der Stangen waren leer, dennoch war eine beeindruckende Anzahl unterschiedlichster Vogelarten anwesend und schnatterte, sang, krächzte und schrie lauthals durcheinander. Für Brand war es Musik in den Ohren, mit flinken Handgriffen macht er sich daran einige Pergamentblätter zusammenzurollen und mit Garnfäden zusammenzubinden. Auf seiner rechten Schulter, die Krallen in den einfachen, dunkelblauen Stoff der schmal geschnittenen und schmucklosen Dozentenrobe gekrallt, saß ein junger Seeadler. Er war noch von kleiner, unter seinesgleichen fast schon mickriger, Gestalt - selbstverständlich hätte ein ausgewachsener haliaeetus albicilla nicht auf der Schulter des hageren, körperlich schwächlichen Geweihten sitzen können. Die Proportionen des juvenilen Seeadlers waren noch unverhältnismässig, kaum schien er so majestätisch wie die meisten seiner Art - eher tollpatschig. Das bräunlich-schwarze Gefieder hatte sich noch nicht gelegt und war zerrupft. Seine Krallen waren noch nicht lang und scharf, sondern kurz und stummelig, abgenutzt durch Herumtollen wohl. Interessiert spähte der Adler zu dem was Brand dort machte, mit stechendem, durchaus intelligent wirkendem Blick. Um etwas bessere Sicht zu haben hüpfte er schließlich von der Schulter auf den Tisch und machte sich sogleich daran mit seinem Schnabel prüfend an den Pergamentrollen herumzuzupfen. Vergnügt auflächelnd machte Brand eine wegwischende Bewegung zu dem Seeadler hin und stieß zwei kurze, abgehackte Krächzlaute aus. Was der menschlichen Kehle entwich muss sich für den jungen Adler wie ein grauenhafter Dialekt angehört haben, verständnislos legte er den Kopf schief.. Bis er nach längerem Überlegen schließlich einmal ergeben aufschrie und sich mit flatternden Flügelschlägen in die Luft erhob und hinüber zu seiner Stange segelte, wo er sich daran machte die Deckfedern seines rechten Flügel zurechtzuschnäbeln.
Gedankenverloren fuhr sich Brand mit der rechten Hand über die rechte Halsseite und betrachtete den kleinen Haufen zusammengerollter Pergamentblätter vor ihm. Lange, schien es ihm, war er jetzt schon hier. Vieles war geschehen und kaum gab es Zeit um sich den angenehmen Dingen des Lebens zu widmen - Büchern, gutem Wein oder Tee und den Adlern der Vogelwarte. Stattdessen musste er sich mit seinen Novizen abrackern, ihnen Begriffe einpauken die er selbst noch erlernen musste.. Immerhin verstand er im Gegensatz zu den Lernenden die Gedankengänge die dahinter steckten. Ethische Normaldistribution, Zweifelsbinominale, Chiasmusethica.. Was für ein grauenhaft verstaubter, realitätsferner Schwachsinn. Verständnislos schüttelte er den Kopf und fuhr sich mit der Hand nun über den rechten Halsansatz, unter das Hemd etwas gen Nacken und Schulter hin.. Kam es ihm nur so vor oder konnte er spüren was sich dort befand? Etwas krümelte und war rau unter den forschenden, tastenden Fingerspitzen. Dort, am rechten Halsansatz befindet sich eine gut handflächengroße Tätowierung, offensichtlich neu und so gelegen dass sie sich kaum verbergen lässt. Das Motiv an sich ist eher schlicht, dafür aber von detaillierter Hand eines Künstler ausgeführt. Eine brennende Feder, wobei die Flammen selbst verschlungen und verworren waren wie Knoten. Wenigstens dafür hatte es sich gelohnt - Gleichgesinnte hatte er hier gefunden, Mitglieder eines kleinen, gerade neu gegründeten Ordens der verkörperte was in Brands Augen das Wichtigste war: Die lebenslange Bereitschaft zu lernen, die flammende Leidenschaft die die Forschung und die Neugier antreibt.
Er senkte die Hand wieder und pfiff zu einem Albatros hin. Der schwerfällige, dicke Vogel schwang sich sogleich von seiner Stange und hüpfte auf den Tisch wo er sich bereitwillig die Pergamentrollen an die massigen Ständer binden ließ. Nachdem alles sicher festgebunden war lehnte Brand sich vor und murmelte dem Albatros leise etwas in eine Ohrmuschel: "An Wim Derfflinger auf Siebenwind. Gute Reise, mein Freund." Wenn Vögel zu so etwas fähig wären - der Albatros hätte nun abfällig geschnaubt. Stattdessen blieb es bei einem unwilligen Krächzer und es dauerte noch einige Zeit bis sich der dicke Vogel aus einer der Öffnungen hinausfallen ließ und im Gleitflug sein Ziel ansteuerte.
Auf Siebenwind angekommen hält der Albatros sogleich auf die Vierekirche in Falkensee zu, wo er sich geduldig auf eine der Laternen setzt und eindöst. So Wim Derfflinger vorbeikommt wird sich der Albatros herabschwingen und direkt auf Kollisionskurs - aus Trägheit und Tollpatschigkeit wohl - gehen. Wenn man die Pergamentröllchen der Reihe nach öffnet und aneinanderfügt ergibt sich bald folgender Brief:

Ventus zur Ehr', Bruder Wim.
Anbei findet ihr eine Zusammenstellung aus theologischen Lehrwerken der Akademie an der ich mich gerade befinde. Ich bin sicher ihr werdet die Thesen sehr interessant finden und ich freue mich ausgesprochen darauf sie vielleicht einmal mit euch ordentlich ausdisputieren zu können.
Sicher sind diese Dokumente auch für Bruder Iycheas von Interesse.
- Brand Windfluesterer.

Anbei findet sich in allerlei Pergamentrollen folgendes:

Vernichtung und Schöpfung

Der Eine ist nicht schlecht. Er ist böse, zweifelsohne. Aber so wie manche Leute an das Gute im Menschen glauben – so kann man auch an das Gute im Einen glauben. Niemand tut grundlos Unrecht. Das gilt für Verbrecher, die ihre Taten als letzten Weg aus der Armut und einzige Möglichkeit sehen, einen grauenvollen Hungertot ihrerseits zu verhindern, ebenso wie für die Götter.
Wenn ein Vulkan ausbricht und am Fuße eben jenes bis dahin manchmal für Jahrhunderte schlafenden Berges ein Dorf steht – stand, dann ist aus der Sicht der dort lebenden – oder inzwischen toten – Menschen zweifellos ein Unrecht geschehen. Aber dieses „Unrecht“ hatte einen Grund: Die elementare Ausgleichsbewegung. Wenn sich Ignis Blut unter Riens Leib ansammelt, so muss es irgendwann ausbrechen, sonst würde schlimmer passieren.
Und so hat auch der Eine einen Grund für seine Taten. Einen so triftigen Grund, dass wenn er es nicht machen würde, Tare wie wir es kennen aufhören würde zu existieren und so es paradox klingen mag, noch viel mehr Lebewesen sterben würden.
Stellen wir uns einen Wald vor.
In diesem Wald wachsen Kiefern, deren Natur es ist schnell und hoch zu wachsen, Erdbeersträucher, die klein bleiben und den Grund bedecken, aber viel Licht brauchen um ihre köstlichen Früchte auszubilden, und Brennesseln, die schneller als Kiefer und Erdbeere, aber nicht so hoch wie die Kiefer wachsen.
Schon nach kurzer Zeit, wenn der Vitama und der Astrael ins Land gezogen sind würde man sehen: Die Erdbeeren werden sterben. Die Kiefern werden inzwischen hoch aufgeschossen sein, ihre Äste bilden ein dichtes Dach aus Nadelwerk hoch über den anderen Pflanzen, in ihrem ungehemmten Drang nach Felas Strahlen.
Die Brennesseln brauchen nicht allzu viel Licht und werden sich ebenfalls prächtig weiterentwickelt haben. Jede freie Stelle wird von ihnen hüfthoch bedeckt sein.
Nur die Erdbeeren: Sie werden das Nachsehen haben. Sie sind zu langsam gewachsen und nun kommt kein einziger von Felas Strahlen mehr zu ihren nach eben jenen dürstenden Blättern, da er von den Kiefernadeln und den Brennesseln abgefangen wird.
Stelle man sich dies nun als Vergleich zu den Göttern vor:
Die En’Hor sind der nährende Boden und zugleich das, woraus die Pflanzen entstehen und schließlich gemacht sind, und die Strahlen Felas und das lebensnotwendige Wasser Xans und Ventus Hauch.
Die Viere sind der Funke des Lebens, der die Brennessel dazu anregt ihre Pollen zu verteilen und wiederum andere Brennesseln, und alle Pflanzen allgemein dazu anregt zu gedeihen und sich zu vermehren.
Und die Holzfäller, die Förster, all jene die das Geflecht dieses Waldes regulieren sind der Eine.
Wichtig ist es sich klar zu werden über die Natur der Lebenserwartung.
Morsan tötet Lebewesen nicht. Ihre Lebenserwartung wird festgesetzt davon, mit wie viel Kraft und Lebensfunken Vitama und Rien den Körper des Betroffenen beschenken. Wie man aus den Sagen erfahren kann, so hat wohl einst ein Urvolk existiert, die Laryseij, die unsterblich waren. Die Elfen sind es vielleicht, die Dwarschim bereits äußerst langlebig. Es hängt damit zusammen, wie viel vom Einen das Volk in sich trägt. Der Eine stellt in diesem Fall den Störfaktor dar, der die Unsterblichkeit verhindert, indem er Verfall bringt.
Morsan bringt dann lediglich jene deren Hülle erschöpft und verbraucht, ist in seine Hallen. Es wäre eine merkwürdige Sache würden Menschen sterben ohne tot zu sein.
So reicht es nicht aus, das die Pflanzen des Waldes – um zum Vergleich zurückzukehren – von irgendwann selbst verrotten, sondern es muss ein regelnder Eingriff geschehen um zu ermöglichen, dass alle Pflanzen gleichermaßen, wie auch die Erdbeeren, gemeinsam leben können. Natürlich dürfen nicht zu viele Pflanzen entfernt werden, um nicht den kleinen und großen Tieren des Waldes die Nahrungsgrundlage zu entnehmen, aber sie werden nachwachsen, vom Lebensfunken der Viere angetrieben.
Die gefällten und ausgerupften Pflanzen werden wieder zu Humus. Und der Humus wird eine neue Generation Pflanzen schnell und hoch wachsen lassen. Umso mehr tot sind, desto mehr Humus ist im Waldboden und desto schneller und dichter wird die nächste Generation wachsen. Um auszugleichen.

Anhang:
Weitere Gleichnisse von den Göttern.

Das Gleichnis vom Schachspiel und den Göttern.

Man nehme ein Schachbrett. Vierundsechzig abwechselnde dunkel und hell gefärbte Felder aus Holz. Man nehme die dazugehörigen Figuren, für die weiße Seite wie auch die schwarze Seite jeweils acht Bauern, zwei Türme, zwei Springer, zwei Läufer, die Dame und der König. Auch die Figuren seien aus Holz.
Man stelle sich dieses Schachbrett in einem gemütlichen Kaminzimmer auf einem kleinen Tisch vor, an den zwei rot gepolsterte Sessel herangerückt worden sind, sodass sich die Spieler gegenüber sitzen.
Und man vergleiche das Schachbrett, seine Figuren und die zwei Spieler mit den Göttern.
Die Frage welche Farbe der Figuren welchem oder welchen Göttern er zuweisen würde würde jener gewiss schnell zu beantworten wissen: Weiß für die Viere, Schwarz für den Einen. Weiß ist die Farbe des Lichts, Schwarz die des Schattens und der Dunkelheit. Dinge, die uns im Licht begegnen sind uns angenehmer, denn wir können sehen, was uns gegenübersteht.
Wer sind die Spieler? Nun, auf diese Frage mag es unterschiedliche Antworten geben – manche würden gar abstreiten dass das Schachbrett ein passender Vergleich wäre, denn es mag widersinnig erscheinen, dass die Götter wie Schachfiguren gezogen werden könnte. Antworten auf diese Frage mögen sein: Galamnor, Go’Hor der Schöpfung, und Timanor, Go’Hor der Zeit. Man nehme einen Apfelbaum und pflücke einen der Samen von jenem. Man pflanze den Samen ein und siehe ihm zu wie die Zeit vergeht und er sich von Tag zu Tag prächtiger entwickelt. Man siehe aber auch zu, wie ein einmal gepflückter Apfel schnell vergeht, in kurzer Zeit und schließlich auch der Apfelbaum selbst vergeht, denn nichts ist ewig. So erscheint es logisch, dass die Schöpfung zwar Zeit braucht, denn ohne jene könnte logischerweise nichts geschehen, aber Zeit ihr auch zum Verhängnis wird. So kann man Zeit und Schöpfung als Gegenspieler betrachten.
Eine andere Möglichkeit wäre: Gut und Böse. Wie man den König nicht als Bezeichnung für „Weiß“ nehmen kann, so kann man auch nicht zwangsläufig die „Viere“ als Bezeichnung für „Gut“ nehmen. Sie sind es zweifellos, aber es sind nur Namen. Gutes kann auch geschehen durch Wesen oder Glauben an Wesen, die nicht zu den Vieren gehören. Ebenso handeln die Viere nach einem festgelegten Prinzip, werden, man könnte beinahe sagen, gesetzt: Nach dem Prinzip des optimalen Gut-Seins. Das Bestreben der Viere ist einzig und alleine Schöpfung weiterzuentwickeln und Leben zu bringen, ebenso wie das einzige Bestreben des Einen die Zerstörung und Vernichtung des Genannten ist, er handelt folglich nach dem Prinzip des optimalen Böse-Seins.
Nun hat man das Schachbrett bereits mit Sieben der Zwölf Horen verglichen.
Aber zu einem Schachspiel gehört ebenso das Brett an sich, die vierundsechzig hellen und dunklen Käste, die das Fundament des Spiels bilden, das Raster nachdem es abläuft.
Und dieses Raster, die Grundlage des gesamten Spiels und auch die vorher von den Spielern festgelegten Regeln sind Sie, die En’Hor.
Sie legen den beiden Seiten Regeln auf, wie sie ihre Figuren ziehen dürfen und wohin sie jene ziehen dürfen. Sie sind losgelöst vom eigentlichen Geschehen auf dem Schachbrett und stellen gleichzeitig das Feld da, auf dem der Kampf von Weiß gegen Schwarz ausgetragen wird. Sie existieren und ihre Existenz wurde von den meisten schon als selbstverständlich erkannt, aber kein Schachspiel kann stattfinden ohne Brett. Sie waren als Erste da, nach dem Willen der Spieler Schach spielen zu wollen, denn der Schreiner beginnt immer zuerst das Brett zu schreinern. Und so wie sie auch die Regeln sind kontrollieren und beschränken sie den Kampf auf ihrem Feld. Ein Springer darf nicht überall hinziehen, denn sonst wäre das Spiel viel zu schnell vorbei. Keine Figur darf dies. Und aus diesem Grund müssen die Gegenspieler nachdenken, sich Zeit lassen für ihre Züge, diese durchdenken und abwägen bevor sie ihre Figuren setzen, denn sie haben keine unbegrenzte Menge zur Verfügung. Und so einer der Spieler die Regeln verletzt muss der Zug zurückgenommen werden oder das Schachbrett wird schließlich geräumt. Und so sind die En’Hor die Letzte Instanz, über Gut und Böse, denn sie stehen über jenem Kampf, beschränken ihn und haben nur eines im Sinn: Dass die Regeln eingehalten werden, dass das Schachbrett unbeschädigt bleibt und dass durch Regeln und Aufteilung des Schachbrettes ein Gleichgewicht, eine Chancengleichheit für beide Seiten stattfindet. Da aber Götter, beziehungsweise die Prinzipien, immer vollendet denken und setzen bleibt nur eine Möglichkeit des Gewinnens für eine Seite: Die Regeln zu brechen, was jene verhindern. So sind die En’Hor in Ewigkeit die Bewahrer des Friedens, des vollkommenen Gleichgewichts und behüten die Menschen vor dem Ende Tares – denn wenn das Spiel einst vorbei sein sollte, wird das Schachbrett zusammengefaltet und weggesteckt.
Bis es zu einem neuen Spiel hervorgeholt wird.

Das Gleichnis vom Ton und den Töpfer

Man hat Ton. Es gibt einen Töpfer. Ohne den Töpfer wird der Ton niemals zu einer zierlichen, schönen Schale werden können, nie seine Bestimmung erreichen können. Dazu muss er geformt und gelenkt werden. Aber ebenso kann der Töpfer ohne Ton nicht schaffen, er kann seine Kunstfertigkeit nicht anwenden. Er ist gewissermaßen nicht existent, unbedeutend geworden mit der Tatsache, dass er nicht mehr schaffen kann.
Die Elemente sind der Ton, die Viere sind der Töpfer.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 25.02.09, 22:01 
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*ein Brief unter der Tür des Hauses der Ecclesia durchgeschoben*

Werter Herr Windflüsterer,

ich habe euer Schreiben erhalten und freue mich darüber, dass ihr an mich dachtet bei eurem Besuche dieser schönen Akademie. Mit euren Texten beschäftige ich mich derzeit. Ich freue mich euch bald in Falkensee zurückerwarten zu können und dann mit ihnen darob zu diskuterien.

Wim Derfflinger, ordo Astraeli

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Denken lernst du im Denken, das Wahre erkennst du am Wahren.
Liebe nur, wenn du schon liebst, nichts durch die bloße Kritik."
Ludwig Feuerbach


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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 3.05.09, 11:03 
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Gedanken.

Kalt war es hier oben, aber vielleicht würde die Kälte ihm helfen seinen Kopf wieder klarzubekommen. Der alte Schnee auf dem er saß knirschte dumpf als er sich etwas zurechtrückte und seine Beine in den Lotussitz hochzog. Ein leichter Schmerz durchfuhr die Unterschenkel, verklang aber schon kurz danach wieder. Die Haltung, die Füße auf den Oberschenkeln des jeweils anderen Beines, verlieh ihm etwas Halt. Fast schon eine Art Stütze.
In seinem Schoß lag ein Buch, dessen raue Pergamentseiten schon halb aus dem Einband gingen. Einfach war dem Buch anzusehen, dass jemand hier und dort versucht hatte viele dutzend Seiten mehr als der Einband halten wollte hineinzuquetschen und mit Leim festzuhalten. Auf dem Einband war mit krakeliger Hand geschrieben: Sic est. Das Buch, dachte er bei sich als er es in die Hände nahm und von allen Seiten betrachtete, gehörte in einen Keller eingeschlossen und vergessen. Vielleicht würde er es dereinst einmal wieder als Mahnung oder als Referenz zu Rate ziehen, aber, das wusste er, sollte er besser nicht. Seine längste am Stück formulierte Theorie, und doch von ihrem ganzen Wesen ein Monstrum, in den tintenschwarz auf das Pergament gebannten Buchstaben meinte er schon förmlich den Hass entgegenspringen zu sehen den er mit dem Schreiben dieses Buches wieder abgelegt hatte.
Hoch über seinem Kopf schrie eine Möwe. Der schmutzigweiße Vogel hatte den knallgelben Schnabel weit aufgerissen und stürzte schon gierig auf einen seiner Artgenossen zu, der einen kleinen Hering aus dem Wasser gefischt hatte und gerade für sich beanspruchte. Der Schrei des Vogels, dieses Geräusch, es klang wie Fingernägel auf einer Schiefertafel. Wie lange Fingernägel, wie die einer Frau. Sie hatte immer reine Fingernägel gehabt, und schöne Hände, weiche Haut. Der Gedanke allein drohte wieder die kleine Narbe in seinem Inneren aufzureißen, den Blick riß er von der Möwe los als er das Gefühl hatte sie würde ihn mit IHREN Augen ansehen.
Er fühlte eine tiefe, innere Erschöpfung. Früher, nein, vor wenigen Monden noch hatte er gedacht, dass so etwas nur alte Männer, schwache Greise, fühlen. Altersermüdung, ermüdet von einem langen, ereignisreichen Leben. Aber nun fühlte er sich auch so, auch wenn er doch erst vergleichsweise wenige Male die Bäume ihre Blätter hatte abwerfen sehen. Die Arme und Beine wollten ihrem Dienst nicht nachkommen und er hatte das Gefühl als würde eine dicke Watteschicht seinen Kopf einhüllen und alles um ihn herum dumpf, unwirklich scheinen lassen.
Es war eine geistige Erschöpfung, doch war es nicht so, dass er erschöpft war weil er angestrengt nachgedacht hatte. Nein, er musste sich davon abhalten allzu angestrengt nachzudenken. Mit der rechten Hand langte er wieder nach der braunglasigen Bauchflasche die neben ihm im Schnee lag. Einen Schluck später breitete sich eine angenehme Wärme und Wohligkeit, aber zugleich auch Reue und Schuldbewusstsein vom erwärmenden Magen in seinem Körper aus. Lange, lange hatte er keinen Alkohol mehr getrunken, weil er nicht die Kontrolle verlieren wollte über seinen Körper und seinen Geist. Jetzt aber war sein Geist der Feind, der Rebell, und er musste ihn betäuben und ablenken.
Wenn er die Augen schloß hörte er nichtsdestotrotz leise Vogelstimmen an sein Ohr dringen, die nicht aus dieser Sphäre stammten. Sie ruften ihn und ihre vielfältigen Schreie waren kaum zu verstehen, aber es klang einfach zu verlockend, ihnen zu folgen. Nachzugeben, sich mitreißen zu lassen wie es doch schon so viele seiner Art einfach gemacht hatten, ohne lange nachdenken zu müssen. Was hielt ihn denn noch so – erdgebunden? Käfer, nannten sie ihn. Erdgebundener Käfer, das schrien die Vogelstimmen. Und wie eine Glocke immer wieder regelmäßig nachhallte, so ließ auch ein anderer Stimmchor ihm keine Ruhe „Du bist erbärmlich.“, eine ruhige, aber vernichtend klingende Frauenstimme. Nithavela. „Du elender Verräter!“, nun eine brüllende Männerstimme, die ihm schon bekannter war als die seines eigenen, leiblichen Vaters. Meister Noralis. „Mögest du finden was du suchst“, hauchte ihm die Erinnerung einer leisen Stimme zu, als der Chor wieder etwas schwächer wurde. Die Stimme einer Elfin, Maelve.
Die übliche Ader an seiner Stirn pochte schmerzhaft als er die zugefallenen Augen aufriss und von Felas kräftigem Schein, reflektiert vom weißen Schnee, geblendet sogleich wieder schloss. Was suchte er denn? Was hielt ihn denn ab? Liebe – Es hatte grausam geendet und es würde nie wieder geschehen dürfen. Treue oder Pflichtbewusstsein – Zu wem? Gegenüber einem Novizen? Die kamen auch selbst zurecht. Wissen? Bücher.
Warum ging nur alles schief. Jetzt hatten sie auch noch Say gefangen genommen. Und er war zu schwach, sich zu erheben und wieder herabzusteigen von dem Berggipfel. Er wollte lieber noch etwas hier bleiben und lauschen, vielleicht sprach ja wieder ER zu ihm und alle Probleme würden sich in Wohlgefallen auflösen.. Lauschen..

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 14.08.09, 11:38 
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Der Brief hatte nun schon eine ganz schön lange Reise hinter sich. Geschrieben in einem schummrigen Keller, nur erleuchtet vom Schein einiger Kerzen, war er geschrieben worden. Bräunliche Eisengallustinte auf halbwegs gutem Pergament (an den Ecken hingen hier und dort noch ein paar kleine Fellbüschel vom "Vorbesitzer"), dazu recht viel Zeit und Geduld und eine sicher geführte Hand seitens Brand Windflüsterers und schon war der Brief geschrieben. Akkurat zusammengefaltet (die Falzen wurden noch einmal gründlich mit dem Daumennagel nachgezogen) und in einen wachsbeschichten Umschlag gesteckt und beschriftet war er nun auch fertig für seine große Reise.
Und mit dem nächsten Schiff, das Falkensee in Richtung Ventria verlässt, reiste auch der Brief mit (gegen ein nicht ganz geringes Entgeld für den Kapitän, natürlich). So dürfte der Umschlag in einigen Monden Ventria erreichen und seine Fahrt zu seinem Ziel, Draconis, mittels der Postkutsche fortsetzen.


An:
Lazalantin Georgssohn
Die Großreichsbibliothek
Königin-Brynn-Platz
Draconis
Herzogtum Bernstein
Von:
Brand Windfluesterer
Ecclesia Elementorum
Marktplatz
Falkensee
Lehen Ersont
Auf Siebenwind


Falkensee, Endtag, der 14. Querlar 20 n.H. / 5019 n.E.A.

Lieber Studienkollege,
Ich weiß, ich habe mich schon viel zu lange nicht mehr gemeldet.
Schließlich hat mich dann doch eine meiner Novizinnen daran erinnert, dass ich mehr Briefe schreiben sollte. Kontakt halten, Freundschaften pflegen und dergleichen. Außerdem, dachte ich mir, würdest du dich sicher über einige Neuigkeiten hier von der Insel hier freuen. In letzter Zeit nämlich ist recht viel vorgefallen.
Ich erinnere mich noch gerne an unsere gemeinsame Zeit an der Akademie der Winde in Ventria zurück. Was meinst du, ist aus den Novizen geworden, die wir gemeinsam unterrichtet haben? So wie ich die Novizen von heutzutage kenne, hocken sie immernoch in der Akademie. Die Meisten im Vorlesungsaal schienen ihren Kopf ja wirklich nur zum Tragen einer Kapuze gehabt zu haben. Aber gut, wir sind unseres Weges gegangen, nicht wahr? Ich war sehr freudig überrascht von deiner Anstellung in der Bibliothek von Draconis zu hören. Du weißt, wir teilen eine Leidenschaft für Bücher, um die uns wohl so mancher Geweihter des Astrael beneiden würde. Ich muss dich beizeiten unbedingt besuchen kommen und mir die vielgerühmte Bibliothek einmal aus der Nähe ansehen. Dann werde ich vielleicht auch ein paar meiner eigenen Werke mitbringen von denen ich dir ja schon erzählt habe.
Mir wird es ein wenig klamm ums Herz, wenn ich daran denke, wie die Situation in Draconis wohl gerade ist. Schließlich werden sich wohl gerade dort, sozusagen in unmittelbarer Nähe zu dir, die innerpolitischen Schwierigkeiten und natürlich die Grauen des Atmenden Todes bündeln. Bitte berichte mir sogleich, damit ich mir nicht unnötige Sorgen mache. Auch wäre ich daran interessiert zu erfahren wie die momentane Stimmungslage am Hofe ihrer Majestät dem König wohl denn so ist. Nicht wenig könnte in naher Zukunft davon für mich abhängen, aber dazu später.
Ich habe dir ja schon damals bei meinem Eintritt in den Akademieorden - dem Orden von Amnachos Feder - erzählt, dass ich auf Siebenwind bereits einem anderen Orden angehöre, der Ecclesia Elementorum. Meine Güte, ich kann mich noch sehr lebhaft an dein verwundertes Gesicht erinnern. Aber ja, Diener des Ignis und die der Xan vertragen sich, wenn sie nur ein gemeinsames Ziel und gelegentlich einen gemeinsamen Feind haben. Es funktioniert tatsächlich recht gut, der Zusammenhalt im Orden ist so stark wie schon lange nicht mehr und selbst die neusten Novizen scheinen nicht nur Stroh im Kopf zu haben.
In letzter Zeit haben sich recht viele neue Diener auf den Pfad des Ignis begeben. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Diener des Herren der Flammen (etcetera pp) von Konflikten angezogen werden wie die Motten vom Licht. Vielleicht ist es aber auch einfach nur bloßer Zufall und es hat nichts weiter mit den Schwierigkeiten zu tun, in denen sich die Ecclesia befindet.
Ach, ich weiß noch wie wir damals gemeinsam bei einem guten Apfelwein im Dozentenzimmer über die Vorurteile was das Verhalten der Vierediener betrifft gespaßt haben. Unbeschwerte Stunden waren das noch. Inzwischen aber haben sie mich fast schon knietief in den Sumpf der Politik hineingezogen.
Alles hat mit einem Maskierten angefangen, der irgendwann vor etwa einem Götterlauf auf der Insel auftauchte. Ich war damals schon Priester und dachte mir noch nicht viel beim Anblick dieses Mannes. Religiöse Überzeugungen können zu so manch scheinbar komischem aber durchaus sinnvollem Verhalten verleiten, wie wir beide wissen. Aber nein, seitdem unser geliebter König die Kronmark Siebenwind auflöste und Ersont und Malthust die Löwenanteile zugestand ist dieser maskierte Diener des Astrael, allzeit gerüstet als wollte er in den Krieg in Khalandra ziehen, beängstigend schnell in den Rängen der ersonter Führung aufgestiegen. Burgkaplan auf der Burg Finianswacht ist er inzwischen, und in seinem Wahn scheint sein erstes Ziel zu sein die Ecclesia Elementorum aus dem Weg zu bekommen, deren Pfadleiter der Winde ich ja bin. Und die Burggräfin sowie die Ratsherrin der Stadt Falkensee scheinen mir auch nicht so recht wohlgesonnen. Eine "Flamme Catares'" ist diese Rätin gar, und das Urteil darüber überlasse ich ganz dir.
Mir passt es ganz und gar nicht, dass ich schon in zwei Tagen vor dem ersonter'schen Rat erscheinen muss. Wenn du diesen Brief in den Händen hälst, ist das wahrscheinlich schon lange geschehen. Ich muss mich diverser Anschuldigungen erwehren, unter anderem Paktiererei mit den Dienern des Einen, Zusammenarbeit mit den Blutsäbel-Piraten, Häresie an der Grenze zur Ketzerei, sowie Gefährung der Gesundheit der Stadt.
Du siehst, es steht nicht gerade gut um mich. Aber ich bin zuversichtlich. Es wird schon alles gutgehen, wenn unser gemeinsamer Herr es nur so will. Und, ich schätze, ich war eigentlich immer ein recht guter Diener in seinem Namen, denkst du nicht auch?
Nichtsdestotrotz könnten wir etwas Hilfe hier auf der Insel gebrauchen, falls es wirklich zur Eskalation kommen sollte. Hast du noch Kontakt zu den örtlichen Orden der En'Hor? Du könntest beizeiten ja einmal dort vorsprechen und bitten, einige Novizen zu uns hier auf die Insel zu schicken. Ich schätze, es ist zumindest sehr lehrreich hier zu sein. Und in den letzten Götterläufen ist meineswissens auch kein Novize mehr gestorben. Den Horen sei Dank sind wir hier ja offiziell anerkannt von seiner Gnaden unserem König Hilgorad. Hoffen wir, dass es so bleibt.
Nun gehen mir die Ideen aus, was es noch mitzuteilen gäbe, und es ist doch noch so viel Platz auf dieser Pergamentbahn frei. Ich könnte mich jetzt in höflichem Nachfragen nach dem Wetter, den Frauen und der Qualität des örtlichen Weines ergehen. Aber stattdessen kannst du ja einfach deine Antwort im freien Platz unterbringen, damit ist uns Beiden sicherlich besser gedient. Pergament ist ja nun wirklich unverschämt teuer geworden, finde ich.
Ich erwarte deine Antwort sehnlichst und verbleibe in brüderlicher Hochachtung,
Brand Windfluesterer.
Pfadleiter der Winde & Priester des Ventus der Ecclesia Elementorum zu Siebenwind.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 20.11.09, 13:57 
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Eine kleine Kerze brannte in der Dunkelheit des feucht-stickigen Kellers und erhellte die unmittelbar nahen Gegenstände auf die dem unbeständigen, flackernden Licht eigene gruselige Art und Weise - die Kante des niedrigen Glastisches warf harte Kanten auf den Boden und kaleidoskopische Reflexionen an die niedrige Decke, die sich durchwölbte wie die Federn im Bett eines dickleibigen Mannes. Tulpenblüten, die aus der Öffnung einer anmutig geformten Vase ragten verformten sich, sodass ihre Schatten an der Wand schließlich eher dem tanzelnden Riegelreien und Polkawirbel dutzender kleiner Gestalten ähnelten. Eine beinahe brütende Stille lag auf dem Raum, einerseits ein Hinweis auf den draußen herrschenden Dunkelzyklus - so wie auch die Luft, die ihren ganz eigenen Geruch und Geschmack auf der Zunge in der Abwesenheit von Felas majestätischem Strahlenkranz erhielt -, sehr wohl aber auch ein Anzeichen dafür, dass hier jemand im Raum sehr, sehr angestrengt nachdachte.. Fast konnte man kleine mentale Zahnräder hinter der noch im Dunklen liegenden Stirn vor sich hinrattern hören.

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Im Dunkeln: Das Knistern alten Pergaments, der charakteristisch harmonische Vielklang als verstaubte, uralte, gegerbte Tierhäute beim Umblättern gebrochen werden - dann der dumpfe Knall zweier Seiten aufeinander, ein zweiter, hellerer Knall als jemand den Einband vorsichtig auf der Tischfläche ablegte. In der andächtigen Stille schien noch das allerkleinste Geräusch seine Chance zu sehen und sich auszubreiten, auf Kosten der Stille, und den ganzen Raum anzufüllen und selbst dann noch einige Sekunden als verschwindend schwaches Echo nachzuklingen. Die schützenden Metallkanten am Buchrücken, gerade noch im Radius des warmen Lichtes der Kerze inbegriffen, glitzerten und funkelten auf und warfen Lichterspiele auf ein konzentriert gefurchtes, und doch sehr junges, glattes Gesicht, das sich nun der Kerze näherte und die brüchigen Lippen spitzte.

Ein helles Aufgleißen der Kerze folgte dem sanften Lebenshauch, der nach einem Wimpernschlag des Luftholens und Zielens von zwischen dem gespitzten Lippenpaar hervorschoss. Das vorher ruhige, an der Grenze zum Verlöschen schwache Lichtlein nutzte die Gelegenheit und wurde zu einem hellen, aufgeregten, wenn auch immer noch vergleichsweise kleinem Fanal und streckte seine tastenden, erleuchtenden Finger über die nähere Umgebung aus. Nach und nach traten Bücherregale und zahllose Einbände, ein jeder von anderer Gestalt und Gestaltung, in Sicht. Einbände aus Hasenleder, Einbände aus verschiedenstem Hirschleder, dekoriert mit kleinen Schmuckperlen aus dem Horn eben jener, Einbände aus Bärenleder, die rau und ungepflegt wirkten und an denen hier und dort noch vereinzelte schwarze und braune Haarbüschel der struppigen und unbeugsamen Sorte hingen. Aber auch in einfaches, dickes Papier geschlagene Einbände auf denen Krapfen- und Marmeladenflecken hinterlassen worden wurden - auf einem der Einbände kündeten gekreuzte Kochlöffel vom Inhalt. Deckblätter kürzerer Schriften, teils an die Rückseite des Regals gekettet, verziert mit Knochensplittern unbestimmter Herkunft in delikaten und dem Auge Streiche spielenden Mustern. Dann: Buchrücken, dicht und dicht aneinander gedrängt in allen neun Farben der Horen: Scharlachrot, Glutrot, Eisblau, Pechschwarz, Himmelsblau, Azurblau, Blattgrün, Smaragdgrün und Malachitgrün. Lediglich von den himmelsblauen Büchern hatte jemand circa die Hälfte aus ihrem angestammten Platz auf den vom schweren Gewicht sich schon nachgebend durchbiegenden Regalbrettern entfernt. Eines fand sich direkt auf dem Boden, scheinbar war es heruntergefallen und lag nun offen, mit zwei Seiten verknickend eingeklemmt zwischen dem Gewicht der Übrigen und dem unnachgiebigen, kalten Fliesenboden. Der restliche Stapel, ein halbes Dutzend an der Zahl, war neben dem Tisch abgestellt worden und ganz oben auf dem Stapel lagen zweierlei Karten, zum einen eine detaillierte Sternenkarte in weiß auf schwarz, die mehrfach zusammengefaltet worden war um ihre beeindruckende Größe handhabbar zu machen, und darunter, verdeckt, eine Karte, deren Aufschrift verdeckt wurde.


Im Halbdunkel saß die Gestalt, den Sessel schräg zu der Kerze ausgerichtet, sodass der sanfte Schein gerade noch die in frischer, noch feuchter, Tintenbuchstaben auf den Seiten des Buches auf dem Schoß zum glänzen brachte. Nach und nach ermatteten die einzelnen Buchstaben, der Reihe nach und in chronologischer Ordnung, als sie von dem dürstenden, trockenen Pergament wie Wasser von einem Wüstenreisenden aufgesogen wurden. Der befeuchtete Federkiel verharrte gerade noch einen Fingerbreit über dem Pergament, dann wurde mit einer spontanen Handbewegung eben jener im Tintenfass in der Halterung der Lehne abgestellt. Die folgende Bewegung des schon so lange stillhaltenden Rückens löste ein schauriges Knacken der sichtlich von der Bewegung überraschten Gelenke aus, ein Schauer wanderte vom Nacken des Schreiberlings das Rückgrat herab und stellte auf dem Weg die Haare zur Gänsehaut auf. Die filigranen Pianistenfinger wurden ineinander gelenkt, verschränkt, immer abwechselnd einer der linken Hand und einer der rechten Hand und dann angespannt, die Hände gebogen um die strapazierten und verkrampften Muskeln wieder zu lösen und sie noch auf viele weitere Stunden hier in der Schreibstube vorzubereiten. Nach ausreichender Lockerung ließ er eine der Hände in die Tasche des weiten, um die Taille mit einem Strick festgebundenen Gewandes gleiten und streute großzügig Sand und Staub über das Geschriebene, um auch das letzte Bisschen und den kleinsten Rest Sand zu binden und zu trocknen.

So viel Wissen.. Am Rande des endgültigen Verständnisses hatte er sich gewähnt. Er hatte doch tatsächlich, wie närrisch!, angenommen, dass er mit seinen jungen Jahren schon mehr wüsste als die Meisten, wenn nicht gar Alle, anderen Theologen auf dieser Insel. Ventus' Nähe war ihm erst neu, dann schließlich vertraut und inzwischen schon gewohnt geworden.. Und dann kam der Alte - eine mentale Korrektur: Vater Vencurius, um Manieren und Anstand zu wahren - und warf alles über den Haufen und erzählte ihm von den Sternen, und von ungöttlichen Orten im Göttlichen Horandons und von Ebenen, dreien an der Zahl, und von der Stimme. Was hatte er damals gedacht: Dass es nicht viel war, nichts besonderes? Hatte er sich überhaupt an alle Einzelheiten erinnern können, nach all dem Eiswasser, das geflossen war? Hatte er auch das letzte dieser so unfassbar und unendlich kostbaren Details aus seinen trägen Hirnrindung quetschen und quälen können? Zu hoffen war es. Aber -

- sein Forschergeist war geweckt.


Mit einem leisen Rascheln fiel das Pergament zu Boden, als er sich rasch und unmittelbar erhob und wie von einer unsichtbaren Triebfeder angeschoben und getrieben nach zwei Schritten in einen lockeren, leichtfüßigen Lauf verfiel.

Ein halb beschriebenes Pergament hat geschrieben:
Epiphaneia

Des Ventus.


Orthros.
Es war Nichts.
Und aus dem Nichts waren die Go'Hor, die zwei Ewigdrachen, geboren. Und mit Timanors Ankunft und nach seinem Willen verging die erste Sekunde in der ersten Sphäre, die da ist Mandon und umfasst Tare und alles Stoffliche. Die beiden anderen Sphären, Horandon, Heimstatt der Götter, und Vidon, Reich der Seelen, aber blieben vom Zahn der Zeit unberührt.
Und so umfasst Mandon nicht nur Tare, sondern auch die Schwingen Rilamnors und alles, was zwischen dem Antlitz Tares und dem von Astreyon und Vitamalin sich erstrecken mag und erhellt ist vom Schein der zahllosen Sterne am Firmament.
Und mit dem Willen des Galamnor trat die Schöpfung in das Licht der Existenz und es entstiegen als Erstes die Fünf ihren Elementen. Sie waren eins mit ihrer Substanz, und sie taten sich als ihr Wille hervor und ihr Wille erstreckte sich über ganz Mandon und blieb zurück, kristallisiert und rein, als die stoffliche Existenz der Elemente. Die Erde, auf der wir wandeln, das Wasser, das wir trinken, das Feuer, das uns wärmt, und die Luft, die uns am Leben hält. Und so ist jedes Stück eines Elements auch zugleich ein Stück des zugehörigen Herren, sein Fleisch und das seiner Kinder zugleich.
Denn die Herren sahen, dass die Schöpfung nach dem Willen der Alten Drachen vielgestalt und schön sein sollte, und sie ließen weitere Wesenheiten den Elementen entsteigen, von der selben Substanz, aber als Verkörperungen anderer Aspekte und von geringerer Macht. So kamen die Uralten nach Tare, die Stellvertreter der Herren. Und sie vertreten ihre Herren bei Allem, was ihrer Heiligen Aufmerksamkeit nicht würdig ist, und sie halfen ihnen zu schaffen und zu wirken und taten sich hervor als ihre würdigen und wachsamen Wächter.
Und so gab Ventus, der von den Wolken' Schaumgeborene, den Vögeln einen göttlichen Auftrag, und als ihren Vertreter in seinen Hallen erwählte er sich Vuchalem, den Urvater aller Gefiederten, der von kolossalen Schwingen getragen hoch über Tares Antlitz fliegt und sich vom Atem des Ventus, des Ewigen, angetrieben an einer Freiheit erfreut, die den Gonai, den Sterblichen Völkern, niemals zueigen sein kann. Sein Federkleid ist wie das Federkleid aller seiner Kinder zugleich, und doch von strahlendem, blendendem Weiß. Auch erwählte der Freiste unter den Freien den Willen der Stürme, damit sie als seine Tochter den Wolken und den brausenden Böen ein gnadenvolles und gerechtes Gesicht verleihen möge. Und so ist das Heulen des Windes im Walde ihr harmonischer Minnesang an den Herren, und der Donnerschlag, der unvermeidlich auf ihren Zorn folgt, ihr Kriegsruf. Und ihr Antlitz gleicht dem des schnellsten Tieres auf dem Lande, umgeben von verdeckenden und umarmenden Wolkenschleiern wie ein König von seinem würdenschweren roten Amtsumhang.
Und diese beiden Geschwister, sind von gleicher Substanz und doch grundverschieden in ihrem Wesen. Denn Vuchalem ist ruhig, und seine gefiederten Schwingen gleichen jede ihm entgegenkommende Turbulenz mit Verständnis und Kunstfertigkeit aus, und er setzt seinen Flug unbeirrt, ungestört und unablenkbar fort. Doch seine Schwester, deren Name da lautet Litheth, das heißt, die Sturmgeborene, bricht in ihrem Eifer dem Herren zu gefallen selbst die majestätischsten Eichen wie Schilfrohre und Ried und wirft sie zu Boden wenn sie sich ihr widersetzen. Wer sich aber ihrer Herrlichkeit hingibt, der selbst wird wie ein Schilfrohr an der Küste, das sich biegt, aber letztenendes doch nachgibt und den Sturmeswind so überstehen wird. Wer aber weckt ihren Zorn, der wird erfahren, dass ihre Hand weit reicht und selbst den Stärksten mit Donnerhall und Lichtstrahl niederwirft und der Vergessenheit anheim fallen lässt.
Und Vuchalem wiederum nahm sich, als die Zeit gekommen war und seine Geschwister im Dienste der Anderen Herren dies ebenso taten, weitere Hilfe. Denn die Schöpfung war von großem Umfange und mannigfaltig, und sie sollte gut werden. So entstiegen seiner Substanz, der Domäne der Vögel, seine beiden Söhne. Diese sind Amnacho, Herr über die Vögel des Landes, und Zephrion, Herr über die Vögel, die ihr Heim wissen über Xans wogenden Wellen. Denn diese sind unterschiedlich, reißen die Landvögel doch zuliebst die kleinen Kreaturen, die am Boden haften und sich nicht in die Lüfte erheben können. Denn diese sind in ihren Augen unwürdig. Ihre Brüder aber, die Vögel der See, tauchen ein in wogende Gischt, durchbrechen Wellenkämme und werden kurz eins mit Xan, um die wohlschmeckenden Fische ihrem Reich zu entreißen und sich an diesen zu laben.
Mit der Hilfe der Uralten und ihrer Kinder, der Alten, ging die Schöpfung voran und gedieh. Und es wurden die Viere geschaffen, um dem Ton des Geschaffenen zu ermöglichen zu sprießen und sich zu vervielfachen, um ganz Tare mit der Gloria der Horen zu überziehen.
Am Liebsten unter diesen gleichen Vieren war Ventus der Einäugige, Astrael. Denn der Vielgewandte, der schon ganz Tare erblickt hatte als sie noch jung und unberührt war erfüllte dem Neugierigen nur zu gerne den Durst und den Drang nach Wissen und zeigte ihm die Wunder und Schönheit der verschiedenen Regionen Tares. Der Einäugige war voll Erstaunen und Verzücken und als er all dies Wissen in sich aufgenommen hatte nannte er sich fortan den Allwissenden und gab dies Wissen an seine Schöpfungen weiter und wies sie an, es recht und gerecht zu gebrauchen. Und noch oft sollten diese ungleichen Brüder einander helfen und beistehen.
Viel geschah. Die Urvölker, die Laryseij, Geisteswesen, die Gangreij, Fleischeswesen, und die Titaneij, die Riesen, wurden geschaffen und bevölkerten Tare. Und der Krieg der Urvölker brach aus, und bald fiel alles wieder in Vergessenheit und der Mantel des Schweigens breitet sich über das Folgende aus. Und auf die Urvölker folgten die Gonai, denn die Horen beschlossen, dass sie es ein weiteres Mal versuchen mochten, nach dem ersten Fehlschlag der so tragisch endete. Und so taten sie sich zusammen oder arbeiteten alleine und schufen die sterblichen Völker, wie wir sie heute kennen. Und Ventus gefiel das Werk seiner vier Geschwister, der Sa'Hor, am Liebsten. Und dieses Werk sind die Menschen. Sie sind seit jeher kurz an Lebensjahren, und doch so vielgewand und tatkräftig. Und so wisset, dass dem Ewig Wehenden dies gefiel, denn sie waren ganz nach ihm geraten, auch wenn sie nicht sein eigenes Werk waren. Sie waren unbeständig wie der Wind selbst. Manches Mal taten sie in einem Moment das eine und gleich darauf das andere, wechselten die Richtung, und waren dabei immer voll von einem horengesegneten Tatendrang und Wissensdurst. Und so offenbarte der Vielgewandte diesen sterblichen Wesen sein Wesen und bot ihnen an, dass die Richtigen unter ihren versuchen mögen, seinen verschlungenen Wegen zu folgen und eins mit ihm zu werden.

Logos.
Der Dienst an Ventus ist wie das Durchqueren einer langen Wüste. Die Beine werden nach den ersten Meilen schon schwer und man ist versucht umzukehren. Wer sich aber weiter und weiter schleppt, Schritt um Schritt, heiße Sandstürme wie Nadelstiche im Gesicht prickelnd ignorierend, nicht aufgibt sich selbst bis zur Grenze persönlicher Kraft und Leistung und noch einen Schritt weiterzutreiben, der wird an einer Oase ankommen und sich an frischem und reinem Wasser und schattenspendenden Palmen erfreuen können.
Der Dienst an einem der Horen ist immer die Suche nach Wahrheit und Verständnis für die Wege dieser Gottheit. Die absolute Wahrheit aber ist einzig und allein den Göttern selbst vorbehalten. Wir können uns ihr nur mühevoll annähern, Stück um Stück. Oft sind diese Wege verschlungen und verschwommen und ihr genauer Verlauf wird uns erst klar, wenn wir den Weg schon zur Hälfte gegangen sind. Manchmal an der Hand geführt von einem Lehrmeister, Teile der Strecke aber auch alleine, aus unseren falschen Entscheidungen schmerzhaft aber lehrreich lernend und Schlüsse ziehend. Wir betrachten Dinge, die uns vorher platt und eindeutig erschienen, in anderem Licht, nachdem wir den Pfad der Erkenntnis weit genug beschritten haben. Denn oft steckt hinter den Dingen mehr, als wir auf den ersten Blick zu vermuten wagen. So ist die Natur des göttlichen Willens. Und so schöpfen wir Schritt um Schritt, Erfolg um Erfolg und Fehlschlag um Fehlschag Verständnis. So wie auch die Horen erst scheitern mussten bevor die Schöpfung beim zweiten Versuch dauerhaft gelingen konnte.
Dieses Verständnis, das grobe und etwaige Wissen um die Wege der Götter, ist unsere größte Verantwortung und wir sind verpflichtet, es zum Wohl der Gläubigen einzusetzen. Ein Gläubiger schenkt einem Geweihten sein Gehör und bittet ihn um seinen Rat, wenn Sorgen ihn plagen oder er in Bedrängnis ist. Ein Gläubiger kann kaum wissen, was im Sinne der Gottheit, was angemessen und schicklich ist um in ihrem Sinne zu handeln und, ihrem Pfade folgend, zu Erkenntnis zu gelangen. Wir sind verpflichtet die Leute zu belehren, wenn sie irreführende Wege beschreiten, und sie zu unterstützen und zu loben, wenn ihr Handeln recht und gut ist.
So tut sich als erster und wichtigster Widersacher unserer Lehre der Irrlehrer hervor. Jene, die ihre absichtlich martialischen Ansichten unter das Volk bringen um die Macht eben jenes zu ihrem eigenen Vorteil auszunutzen und die mit jedem Atemzug zugleich aus lügnerische Worte sprechen, und so ein tiefgreifendes und gutes Verständnis in ihren Zuhörern verhindern.
Der zweite Bestandteil unserer Aufgabe benötigt ein tieferes Verständnis der Natur des Ventus. Denn so, wie in der Morgenröte Tares die Götter ihre Uralten und Alten einerseits, die Horwah und die Laf'ay andererseits auserwählten. So, wie die Titaneij sich bestimmten Göttern anschlossen um ihrer Aufgabe in ihrem Sinne nachzukommen. So ist es auch an uns sterblichen Dienern unseren Teil zu leisten.
Nehmet euch ein Beispiel an einer Uhr. Ein Meisterstück der feinen Schmiedekunst, auf den ersten Blick viel zu komplex um gänzlich verstehen zu können aus welchem Grund genau jetzt eigentlich hier sich ein Rädchen dreht und dort eine Feder schnappt. Hinter jeder Bewegung des Zeigers, der einem jeden Suchenden die rechte Zeit verkünden mag, versteckt sich ein ungesehener Vorgang von ungeheurer Raffinesse und Detailversessenheit, erdacht vom Geist des Feinwerkers. So sind die En'Hor das Pendel jener Uhr. Sie sind das Gegengewicht und der Seilzug, der das Werk am Laufen hält und die Geschwindigkeit reguliert und allzeit im rechten Maße hält. Ihre kleinen, delikaten Metallseile erstrecken sich durch den ganzen Mechanismus, geben hier Schwung, ziehen dort an einer Umlenkrolle oder einem kleinen Schalterchen. Das eigentliche Uhrwerk aber, die größten der Zahnräder, die Taktgeber und Zeiger, das sind ihre Höchsten Diener, die Uralten und die Alten. Sie tragen den Mechanismus, lenken die Kraft der Gewichte und den Schwung des Pendels um, um ihn dann zu nutzen und zu gebrauchen. Zwischen den größsten Zahnrädern gibt es noch eine Vielzahl kleinerer Zahnräder, die Titaneij und die Elementargeister, der substanzgewordene Wille der En'Hor, die in allem hausen das wir sehen. Wir sterblichen Diener aber, wir sind die Schmiere zwischen diesen Rädern. Wir sorgern dafür, dass ein einzelne kleine Zahnräder nicht von Sandkörner blockiert und angehalten werden und wir geben Acht, dass jene Dinge, die im Kleinen beginnen, nicht das ganze Uhrwerk in Gefahr bringen.
Diese generell formulierte Aufgabe umfasst also einerseits die Lehre - denn alleine sind wir schwach, wenn sich aber Viele der Konsequenzen ihres Tuns im Hinblick auf das Gleichgewicht im Klaren sind, dann verhindern wir so Desaster und Katastrophen. Sie umfasst aber auch die kleinen Taten, die vom Geweihten oder dem angehenden Novizen ausgehen: Die geringfügig größeren Zahnräder auf das Problem hinweisen. Vielleicht sogar, in gegebenem Umfang, sich selbst des Problems anzunehmen.

7 Arete.
Im Folgenden beschrieben sind die rechten Pfade des Ventus. Die Dinge, die der Stets Wandelbare in den ihm Folgenden am Meisten und am Höchsten schätzt.

Libertas - Die Freiheit.
Ein Gläubiger des Ventus und ein Diener im Besonderen soll niemals vergessen, dass der Herr, dem er folgt und nacheifert, sich niemals in einem steinernen Gebäude, einem einfachen Tempel, dauerhaft aufhalten wird. So ist die rechte Form der Verehrung die Wanderschaft, das unstete Umherziehen über Tares Antlitz. Das zwangsläufige Zurücklassen alles unnützen Besitzes auf diesen Reisen klärt den Verstand von allen Einflüssen und Verheißungen der klimpernden Dukaten und verleiht klare Sicht auf das Geschehen. Die Tugend der Freiheit schließt desweiteren ein, dass sich ein mit allem Herzen gläubiger Diener des Ventus sich nicht willentlich an eine andere Person binden wird, die nicht bedingungslos und frohen Mutes bereit ist mit ihm umherzuziehen und ihn nicht zurückhalten will. Auf der anderen Seite jedoch muss einem Bundesweib, beziehungsweihe Bundesmann, immer die Freiheit eingeräumt werden, die man für sich selbst beansprucht. Ansonsten sind zu Schmerz und Trauer führende Missverständnisse unvermeidlich.

Ars rhetorica - Die Eloquenz.
Wie bereits festgestellt wurde ist unsere oberste Pflicht unsere Mitmenschen, auch die Nichtgläubigen, die Lehre näherzubringen um einen friedvollen und richtigen Umgang mit den Gaben der Elemente sicherzustellen. Dazu ist es vonnöten, dass man sich des gesprochenen Wortes flüssig und fehlerfrei bedienen kann und es ist als höchste Errungenschaft anzusehen, wenn ein Diener des Ventus es in der Redekunst zur Meisterschaft bringt. Dies schließt ein, dass er nicht über den notwendigen Grundpegel von rhetorischem Euphemismus hinaus lügt, sondern seinem Gegenüber seine Meinung über das Geschehene klar und direkt darlegt und bei Bedarf erläutert.

Clementia - Sanftmut und Güte.
Es steht uns nicht zu, uns anderen Sterblichen aufzudrängen um auf Biegen und Brechen ihre Ansichten und Verhaltenweise nach unserem persönlichen Gutdünken zu ändern. So ist Nachsicht zu üben, wenn man einem solchen Menschen gegenübersteht, und es ist als verächtlich und schändlich anzusehen wenn man seine guten Manieren und die Erziehung vergisst und sich der jeden rationalen Gedanken fortwischenden Wut hingibt. Diese Tugend umschließt auch, dass wir in unseren eigenen Wegen niemals so fest und zementiert sein sollten, als dass wir Andere auf den ersten Blick sogleich, aus welchem Grund auch immer verdammen. Es ist besser, zu versuchen, sich in diese hineinzuversetzen und die Situation aus ihrem Standpunkt nachzuvollziehen zu versuchen. Ein Streit wird so wahrscheinlicher friedlich und einvernehmlich beigelegt. Und nicht zuletzt sollten selbst die Höchsten aus unseren Rängen sich niemals zu Schade sein, einem armen, stinkenden, dreckigen Bettler eine Almose zu geben.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 8.01.10, 16:11 
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Die Reisen des Windflüsterers.

„Dies’ hier.. Und dies, und jenes.“ murmelte er leise vor sich hin während er scheinbar wahllos Dinge aus dem Schrank am Ende seines Bettes griff und auf den Haufen in der Mitte des Raumes legte, beziehungsweise vielmehr warf. Die Novizen lagen schon längst nicht mehr faul in den Federn, das hatte er bereits eingefädelt. Holz würde gehackt werden für den Kamin, frisches Wasser für die Küche würde auch immer wieder benötigt – und die Bücher der bescheidenen Bibliothek nach Farbe zu sortieren war nun auch nicht zu viel verlangt. So hatte er seine Ruhe. Die angenehme Wärme im Inneren des Saals fühlte sich an wie zahllose Lagen warmer Wolldecken, und die übrige Erschöpfung von den vergangenen Tagen des Dunkeltiefes tat ihr Übriges und Bestes um das Gefühl der Schläfrigkeit noch zu verstärken. Aber – „Dafür ist jetzt keine Zeit“. Aus einem anderen Schrank wurde eine quadratische Stoffbahn hervorgezogen, ein Bettbezug, wenn er als Mann ein Auge für so etwas gehabt hätte, und auf dem Boden ausgebreitet. Bei all dem Rangieren und Umherwirbeln und –wuseln war schon so mancher Kollateralschaden angefallen, der sich in dutzenden kleiner Häufchen liegengebliebener Wäsche manifestierte die unter den Betten hervorlugten oder in der einzigen freien Raumecke ihr betrübliches Dasein fristeten. Der Haufen an Kleidern wurde auf die Bahn gelegt und durch Herumtrampeln und Drücken, begleitet von einem wiederholten Durchschnaufen und leisen Fluchen, in Form gedrückt bis er es zu einem Bündel zusammenschnüren konnte. Ein Hanfstrick war schnell zur Hand, solcherlei konnte man nie genug bei sich haben, um ein recht ansehnliches Wanderersbündel oben zuzuknoten. Der unter dem Bett liegende Priesterstab wurde dann noch hineingefädelt und das Gepäck war abmarschbereit. Nach getaner Arbeit ließ er keine Sekunde unnötig vergehen: Ein bereits vorbereitetes Blättchen Pergament wurde aus der treuen Umhängetasche an seiner Seite gezogen und fein säuberlich auf seinem üblichen Bett drapiert. Darauf stand in ungewohnt ordentlicher, schwungvoller Schrift geschrieben: „Bin auf Reisen.“
Den Stock schwang er sich über die Schulter, das ungewohnte Gewicht wurde noch etwas ausbalanciert bis er gut damit zurechtkam und sich wohl fühlte.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 15.01.10, 00:43 
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Der Traum von etwas Großem.

Er legte den schon sichtlich geschrumpften Beutel voll Gerümpel und Gepäck behutsam auf dem Boden ab - es galt, die wenigen zerbrechlichen Instrumente dort drinnen sorgsam zu behandeln, auch wenn sie sicher und geschützt in mehrere Lagen dicker Wollkleidung eingeschlagen worden waren. Nicht auszudenken wäre es, wenn sich eine Sprungfeder des Uhrwerks, ein filigranes Zeigerchen des Sextanten, ein Scharnier des Heliographen, verziehen und so unbrauchbar werden würde. Die Wanderung hatte schon Spuren hinterlassen: Die beim Aufbruch noch frischgewaschene Kleidung (Xannovizen waren tatsächlich für etwas gut) war inzwischen staubig-braun wie die schneematsch besudelte Straße, an deren Rand er es sich bequem gemacht hatte. Falten und Schlammflecken und der Mangel einer allmorgendlichen Rasur hatten ihr Übriges dazu getan, und so sah er wieder einmal hoffnungslos vernachlässigt und verdreckt aus - als ob man derlei nicht schon von ihm kannte. Aber: Er fühlte sich wohl. Mit einem müden Lächeln, voll Stolz auf die am heutigen Tage zurückgelegte Wegstrecke, ließ er sich zu Boden sinken um an den Wurzeln einer Kiefer Platz zu nehmen, Schutz suchend unter dem schweren, dichten Geäst des jungen und noch recht kleinen Baumes. Noch in diesem Moment wollte Xan an der kalten Jahreszeit festhalten, ließ vereinzelt, aber doch beständig Flocke um Flocke der weißen Pracht aus den schweren Wolken am Himmel rieseln. Für einen Moment würde er die Augen schließen, nur für einen Moment, um ein wenig Kraft zu sammeln. Denn eigentlich müsste er ja noch viel weiter, mindestens bis zum nächsten Dorf oder Gehöft bevor Fela zum Achten Mal an diesem Tage am Horizont verschwinden würde.
Und da war es auch schon geschehen. Gerade noch hatten sich die Lider herabgesenkt um die strahlende Helligkeit Felas auszusperren, da entspannte sich die aufrechte Haltung auch schon merklich und der Kopf samt des ungezähmten braunen Schopfes fiel beiseite - der Jüngling hatte sich prompt in das Reich der Träume aufgemacht.

Es war fast, als würde er sich selbst aus der dritten Perspektive sehen, von schräg oben herab durch das dichte Geflecht der immergrünen Kiefernnadeln hindurch. Doch alles hatte einen sanften Blaustich, kalte, ätherisch anmutende Farbtöne in einer unwirklichen Umgebung. Himmelsblaue Grashalme verschwommen mit dem meeresblauen Erdboden, der grüngelbe Baumstamm zerfaserte und zerfloss, um sich dann sogleich wieder als graublauer Stamm zusammenzusetzen, nur dieses Mal mit kählen Äste ohne die Nadeln, die von selbst durch die Luft schwebten. Sie zitterten wie Staub in der Luft hin und her, verschwammen ineinander ohne klare Grenzen wie dünner Bodennebel an einem Frühlingsmorgen. Das surreale Geschehen zog sich mit einem Mal ineinander, auf einen unbestimmten Punkt inmitten der erstaunlicherweise blaustichigen Luft. Schlieren und Funken, kaleidoskopartige Farbspiele und Strahlen wie von einem Prisma, dann war alles in diesem faustgroßen Loch verschwunden wie Wasser das in einen Ausguss fliesst. Weißes Nichts bleibt zurück, dann wird auch sein geistartiges Ich hineingezerrt.
Langsam zog es ihn voran. Selbst gehen, die zurückgelassenen materiellen Beine bedienen war gar nicht mehr nötig. Fast wäre er der Illusion erlegen, dass die nebelartige Wolke durch die er hindurchwanderte eigentlich nur in seine Richtung vorbeizog, er also stillstand, wäre da nicht der Windwiderstand rascher Bewegung gewesen, der ihm über das Gesicht schnitt, kalt wie Schnee und stechend wie ein Papierschnitt zwischen zwei Fingern.

Aus dem Nebel formten sich kleine Stränge heraus, ineinander verzwirbelt wie Mädchenzöpfe und mindestens genau so kunstvoll und sorgfältig in ihrer Erscheinung: Als hätte sich da jemand die Mühe gemacht, den Schwaden Form und Gestalt einzuhauchen und sie seiner Ordnung zu unterwerfen. Wie der Wind an seinen Ohren vorbeirauschte, wurde ihm langsam klar, dass er hier wieder die Stimme hörte. Vuchalems war es sicher nicht, dafür war der Chor vielstimmiger als jeder Vogel auf Tares Angesicht - auch wenn es wirklich verflixt schwer, einzelne Sprecher aus den Klängen herauszuhören. Litheth war schon näher dran, aber es fehlte der aggressive und machtgewohnte Unterton in den Sturmstimmen, dem Blitzgezischel. Wer hier sprach, der konnte sich eine innere Ruhe und Entspannung leisten, denn er war auf der Spitze der Hierarche angelangt und hatte nur noch Untergebene unter sich. Hatte nichts zu fürchten. Also war er wieder zum noch so neubekannten, ungewohnten Ort vorgedrungen - im Schlaf, ohne es absichtlich und willentlich zu wünschen.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Akademie der Winde zu Ventria - Eine Reisebeschreibung
BeitragVerfasst: 26.02.10, 11:59 
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Windflüsterers Reisen.

Tag 2 – Die Geige.

Am gestrigen Tag hatte ich kurzzeitig Probleme mit der Seekrankheit: Die „Ventusstolz“ prescht über das unruhige Meer das einem ganz anders werden kann. Wir profitieren, glücklicherweise, von ausgezeichneten Windverhältnissen die uns dem Ziel unerwartet schnell entgegentragen. Momentan veranschlagt der Kapitän fünfzehn Felaläufe bis wir im Hafen von Ventria einlaufen könnten – und auf sein Urteil halte ich viel; er war es ja auch schließlich, der mich das letzte Mal zur Akademie gebracht hat. Auf seine eigene Weise mit Xan verbunden, der Mann.
Wo ich mich langsam an das Tempo gewöhnt habe und mich nicht mehr meines Frühstücks frühzeitig entledigen muss kann ich mich nun endlich der Beschäftigung widmen, die ich mir für die lange Reise eigens angeschafft habe: Eine Geige. Ein schönes Instrument, und ich schulde es Gorn, der es mir geschenkt hat, mal zu sehen was sich damit anfangen lässt. Bisher fühlte ich mich eher zu den Zupfinstrumenten hingezogen, wie der Laute beispielsweise; die Geige, oder vornehm Violine genannt, spielt ja schließlich in einer ganz anderen Liga.
Sie ist von einer Länge, das ich sie ganz angenehm halten kann und ruht momentan in einem behelfsmäßigen Kasten, den ich mit ein wenig Wolle aus der Ladung des Schiffs ausgestopft und gepolstert habe. Ein hübscher Bogen, bespannt mit Rosshaar, ist auch dabei. Daran befindet sich noch ein kleines Plättchen aus Elfenbein, scheinbar, und noch viele andere Einzelheiten die wohl nur einem wahren Geigenbauer ein Begriff sind. Eines der Dinge sieht aus wie ein sitzender Frosch aus Metall – merkwürdig.

Ich orientiere mich an einem Lehrbuch, das ich in den Tiefen der Bibliothek der Ecclesia noch gefunden hatte. Anscheinend ist es zuerst von großer Wichtigkeit zu wissen, wie man den Bogen korrekt hält bevor man sich auch nur an die ersten Töne wagt. Mit dem rechten Daumen von innen gegen diesen „Frosch“ drücken, mit dem kleinen und dem Zeigefinger dabei den Bogen ausbalancieren; es klappt schon recht gut, auch wenn mir noch nicht allzu klar ist was ich mit dem Mittel- und dem Ringfinger tun soll.

Der Seegang wird wieder etwas schwerer. Der Kapitän sagt, wir müssen durch einen leichten Sturm hindurchsegeln um den Vorsprung nicht schon wieder zu verlieren. Ich werde die Geige also sicherheitshalber wieder verstauen müssen: Schade drum, ich hatte eigentlich noch gehofft dazu zu kommen dem Instrument die ersten Töne zu entlocken. Dieser Gouarouzh fertigt definitiv Qualitätsware an.

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