Das Hämmern nahm irgendwann ab.
Gerade, als die Nachbarn unruhig wurden, weil das Klopfen in ihrer mittlerweile täglichen Hintergrundakustik in den Wohnungen fehlte, setzte das Scharren und Quietschen ein.
Tizian konnte sehen, wie sich ab und an ein neugieriger Blick ins Innere seiner Wohnung verirrte, im nächsten Moment aber schon wieder weiterhuschte.
„Schaut ihr nur,“ dachte er, „bald bin ich hier raus und habe eine größere, solidere Wohnung.“
Tizian musterte seine letzten Habseligkeiten aus seinen eisblauen Augen. Die Regale waren verladen, nebenbei auch die Teppiche, Stühle, Tische… und jetzt noch die Kleidertruhen und die Vorratskisten.
Mühsam schob er sie weiter in Richtung der Tür, über die Empore hin zur Treppe. Dort hatte er ein Lastenseil liegen, mit welchem er die schweren Behältnisse langsam und einigermaßen sicher die Treppe ablassen konnte.
Stück für Stück seines bisherigen Lebens verfrachtete er so nach Brandenstein – eine Stadt, in der er zuvor recht selten gewesen war.
Ursprünglich hatte es ihn nach Südfall gezogen, nicht zuletzt wegen der dichten Vegetation und der ungewöhnlich hohen Anzahl von Wildtieren. Und als er das L’ath Lien dort entdeckt hatte…
Er wischte den Gedanken fort und konzentrierte sich abermals auf das Ablassen der Kisten. Ein Fehler, und seine Kleider würden inmitten einer Menge zersplitterter Holzbohlen am Fuße der Treppe enden. Doch seine Gedanken schweiften immer wieder ab…
„Was war das vorgestern Abend nur, die beiden Damen…“ Er schüttelte sachte den Kopf.
Vor zwei Tagen saß er am Abend in der Brandensteiner Schenke und hatte einen Wein auf seine neu gemietete Wohnung trinken wollen, vorab hatte eine junge Dame – Liliane Rosenfels, so hieß sie – sich mit ihm quasi dort… verabredet? Ja, „verabredet“ erschien ihm als richtiges Wort. Sie arbeitete dort in der Schenke. Sie hatten sich unterhalten, und hier und da verschwand sie rasch hinter die Theke, um andere Gäste zu bewirten. Tizian fand es schön, er entspannte sich langsam bei seinem Wein. Und irgendwann kam Litizia dazu, Litizia Silberfeder. Auch mit ihr unterhielt er sich, als Liliane wieder einmal für kurze Zeit hinter die Theke verschwand. Doch was war das für ein Gefühl, das die beiden Frauen in ihm auslösten? Er kannte es nicht. Immer wieder hatten sie ihn gemustert, ihn von oben bis unten begutachtet… doch nie zur selben Zeit. Er verstand es nicht; dass man ihn so anschaute, war ihm bis jetzt fremd gewesen.
Zu späterer Stunde verabschiedete sich Litizia, auch er wollte gehen. Doch Liliane wollte noch eben mit zu ihm kommen, um seine neue Wohnung zu sehen. Er hatte ihr alles gezeigt und wollte sich gerade zur Ruhe begeben, als sie ihn überraschte und… auf die Wange küsste.Nie zuvor hatte ihn eine Frau geküsst, nicht einmal nur auf die Wange - seine Mutter zählte in diesem Fall nicht. Tizian wurde von einer Flut von Emotionen überwältigt, mit der er nicht umzugehen wusste.
Verwirrt und fahrig hielt er ihr beim Hinausgehen die Tür auf, nachdem er mehrere Schlüssel ausprobiert hatte, bis er endlich den richtigen zu seiner Haustür gefunden hatte. Liliane war gegangen, zurückgeblieben war Tizian, der sich selbst erst einmal ordnen musste. Und Litizia… hatte sie ihn nicht bei ihrem Gespräch am Schenkentisch auch irgendwie… bewundernd angeschaut? Oder mit welchem Ausdruck hätte man es beschreiben können? Er wusste es nicht. Er war froh, dass ihm gerade einmal sein eigener Name einfiel…
Schnaufend ließ er die Kiste die letzten drei Stufen hinuntergleiten, am oberen Ende bildete er das Gegengewicht und hielt das Seil fest. Bald würde er in Brandenstein leben… Falkensee Falkensee sein lassen.
Und im Prinzip zwei Frauen in der Nachbarschaft, die sich für ihn undeutbar benahmen, wenn er in der Nähe war.
„Das kann ja was werden…“
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