...von "Falkenschwing's Falknerei und Tierhandel" klaffte schon eine ganze Weile offen. Von innen sah man das unregelmäßige Flackern eines Feuers. Ab und an hörte man, wie ein Glaskelch zerbrach. Nach einer ganzen Weile hörte man Hämmern, das Loch wurde von innen mit groben Holzlatten zugenagelt.
Drinnen saß Tizian. In seinem Sessel vor dem Kamin hing er halb in sich zusammengesunken in den schweren Kissen. Ein Stiefel stand neben dem dunklen Holzbein des thronähnlichen Sitzmöbels, der andere lag mit der Krempe gefährlich nahe an den Flammen und roch bedenklich angeschmort.
"Soll er doch brennen...", dachte er, "und ich am besten gleich mit." Tizian hätte lichterloh gebrannt - dafür sorgte der Schnaps, den er sich im Übermaße gegönnt hatte.
Er war am Abend in die "Rote Seeschlange" gewandert, um etwas zu trinken – der Bellum war ihm mit aller Kälte in die Glieder gefahren, während er in den Wäldern auf der Lauer gelegen und Ausschau nach neuen Zuchttieren gehalten hatte. Aber war die Aussicht auf ein Glas Alkohol wirklich das, wonach er sich sehnte? Als er die Schenke betrat, schlurfte er langsam zur Theke und ließ sich dort nieder und bestellte einen Wein. Bei Liliane…
„Liliane“, schoss es ihm durch den Kopf, „Lili…“ Seine Augen wurden feucht.
Sie hatte ihm den Wein gebracht, er trank ihn… und bestellte erneut. Sie hatten kleine Botschaften über sein Täfelchen ausgetauscht, auf dem er sonst seine Warenbestände notierte. Nach dem dritten Krug war er angetrunken, und als zudem Brand die Schenke betrat und eine Runde Bier spendierte, tat es sein übriges. Liliane hatte ihn nach Hause gebracht, ihn ausgezogen, ins Bett gelegt, ihn zum Abschied geküsst und war wieder gegangen.
Er schlief eine Weile und schreckte dann hoch. „Liliane“, dachte er wieder, „ich muss zu Liliane…“ Rasch zog er sich an und schwang sich auf sein Pferd. Die kühle Luft der Nacht und ein Schwall Wasser im Gesicht hatten ihm zumindest einen Großteil seiner Lebensgeister wiedergegeben; ein kurzer Trab brachte seinen Kopf zum Brummen, doch er versuchte es zu ignorieren. Schüchtern blickte er in den Schankraum. Er war leer, bis auf Liliane und ein paar weitere Gäste.
Er wollte gerade mit ihr sprechen, als die Nachricht eintraf, dass Dunkelzwerge vor den Toren stünden. So schnell wie möglich hatte er sich gegürtet, wenn auch unter ihrem Protest. Doch er wollte sie nicht einfach so zurücklassen. So küsste er sie und verabschiedete sich mit den Worten „Bis gleich.“ Liliane folgte ihm dennoch, sie wollte ihn nicht ziehen lassen. Er beschwor sie, sich in Sicherheit zu bringen, sollte die Situation zu heikel werden. Hastig, wie Tizian war, klapperte er in seiner Rüste vorwärts, nur fiel ihm nicht auf, dass Liliane unterwegs zurückblieb, um einer Verwundeten zu helfen.
Er kehrte bald wieder zurück, als sich die Situation gelegt hatte. Er hatte sich vor Ort gewundert, dass sie nicht mehr da war, aber die Eskalation mit den Dunkelzwergen forderte seine Aufmerksamkeit. Als er die Schenke betrat, redete Liliane mit Gästen. Sie beachtete ihn nicht. Erst nach mehrmaligem Zurufen blickte sie überhaupt zu ihm und fauchte ihm entgegen, dass sie ihm nichts mehr zu sagen habe.
Tizian stand da wie vom Donner gerührt. Nie hätte er sich ausgemalt, dass sie so etwas sagen könnte. Doch ihr kalter Blick sprach Bände. Seine Augen füllten sich langsam mit Tränen, gegen die er anzukämpfen versuchte. Er blickte auf das Täfelchen im Rucksack.
„Ich mag dich…“ stand dort geschrieben, daneben die flüchtige Zeichnung eines Herzens. Er hatte mit seiner etwas unsicheren Schrift „Ich dich auch…“ darunter geschrieben.
Er nahm seinen Griffel und schrieb eine neue Zeile voll: „…wirklich. Es tut mir Leid.“ Das Strichmännchen, welches er daneben zeichnete, konnte mit einem nach unten gebogenen Strich kaum das ausdrücken, was er in diesem Moment empfand. Er schob ihr das Täfelchen über den Tresen und verließ die Schenke.
Zuhause hatte er geweint. Nicht aus Trauer, mehr aus Wut über sich selbst. Wie hatte er sie einfach dastehen lassen können? Wieso hatte er sich so ereifert, sein Leben vielleicht bei einer Unternehmung für eine Stadt zu lassen, in der er erst seit wenigen Tagen wohnte?
Daria war vorbeigekommen, hatte seine roten Augen gesehen und ihn fast beiläufig gefragt, was er mit den Halblingsponys vor der Tür mache. Tizian hatte sie kurzangebunden über seine Zuchtpläne aufgeklärt und wollte sie gerade vor die Türe setzen, als es klopfte. Er öffnete missmutig… Da stand sie. Liliane. Mit demselben, kalten Blick wie in der Schenke. Sie blickte Daria an, dann ihn… und gab ihm wortlos die Tafel. Tizian flehte innerlich zu Vitama, zu den Vieren, zu allen guten Göttern und Wesenheiten, dass sie ihm verziehen habe… doch die Tafel enthielt keine neue Botschaft. Liliane drehte sich wortlos um und verschwand in der Nacht. „VERDAMMT!“ brüllte er, schlug die Tür zu und holte aus. Sein Stiefel bohrte sich krachend in das Holz der Türe, der Schmerz durchfuhr ihn zwar, jedoch registrierte er ihn kaum. Daria verstand und ging wortlos, jedoch nicht, ohne ihm nochmals auf die Schulter zu klopfen.
Getrunken hatte er wirklich genug. Der Schnaps versetzte ihn in einen Dämmerzustand, der schon weit hinter der Betrunkenheit lag. Bevor er vom Sessel rutschte, dachte er nicht mehr an seine Wut… er dachte an Liliane.
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