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 Betreff des Beitrags: Ein Tag im Leben eines Dieners
BeitragVerfasst: 18.01.10, 00:54 
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Felatag, der 17. Oner

Ein ganz und gar unspektakulärer Tag der da mit dem ersten Aufgang Felas begann - als würde der Hauptdarsteller, der Feuerdrache am Firmament, die Bühne des Lebens betreten und dem folgenden Possenspiel Atem und Leben einhauchen begann die Vielfalt des natürlichen Lebens im nahen Garten. Knospen der lichtliebenden Pflanzen entfalteten sich langsam und behutsam, folgten ihren stummen und gedankenlosen Instinkten um den hellen Schein vom ersten bis zum letzten Moment voll auskosten zu können. Die Konkurrenz nämlich, schläft nicht, und war in Form der beiden Bäume in der Nähe ganz besonders groß und furchteinflößend. Schnell hieß es zu wachsen, um dem Tod im Schatten, abgeschnitten von den lebensspendenden Felastrahlen, zu entgehen. Vermehren sollte man sich, mit Sporen und Saaten, aber die Zeit dafür war noch nicht gekommen. Noch war es zu kalt, der eiskalte Schnee Xans liess einem den Pflanzensaft wahrlich im Stiel stocken, so kalt war es. Den Vögeln im Geäst der Bäume ging es nicht anders, denn sie waren auf die Pflanzen angewiesen, auf die vielen verschiedenen Sorten an köstlichen Körnern und Saaten, die ihre potentielle Karriere als zukünftiges Pflänzchen im Vogelmagen schließlich zugrunde gehen sehen sollten. Aber: Was für eine freudige Überraschung! Da hatte doch tatsächlich ein aufmerksamer, vogelfreundlicher Jemand ein kleines Körbchen voller Sonnenblumenkörner auf das Fensterbrett der Fassade der Priorei gestellt. Ein wacher Blick umher, dann flatterte das erste, schnellste Rotkehlchen hinüber um sich unter freudigem Tschilpen die Körner einzuverleiben, bevor die unliebsamen Mitvögel noch aufmerksam wurden. Doch war es nicht möglich, diese um ihr Mahl zu betrügen. So sammelte sich bald eine kunterbunte Schar unterschiedlichster Vogelarten um das Körbchen und alle rempelten und hackten und schimpften erbost, was das Zeug hielt. Das Flügelgeflatter und Geschnatter machte einen Heidenlärm zu einem so frühen Zyklus, wo jeder rechtschaffene noch in den warmen Daunen des Bettes liegen sollte.

"Rechtschaffen" ist so eine Definition. Eine Auslegungssache, sozusagen, ein Ding das dem Winkel, dem Standpunkt, des Betrachters sehr stark unterliegt und variieren kann. Also war da tatsächlich noch jemand wach, hellwach genaugenommen, wenn auch vor den Blicken der Vögel verborgen im weitläufigen Keller unter der Priorei. Dunkel war es hier unten, und stickig, muffig. Ersteres mag wohl daran gelegen haben, dass die einzigen Lichtquellen zwei weißlich-grelle Brennerflammen waren, auf komplizierte Weise mit Luft angereichert an die Grenzen ihres heißen Potenzials getrieben. Ihr stetes, statisches Licht warf hartkantige Schatten auf die umliegenden Wände und verlieh Dingen ein absurdes, abstraktes Aussehen, die schon bei Tageslicht merkwürdig genug aussehen. Kunstvoll gedrehte Glasflaschen voller trüber Substanzen in verschiedenen Varianten der vielfältigen Farbe "Schlammbraun" reihten sich auf einem niedrigen Regalbrett, das in das Fachwerk der Wand eingelassen war, aneinander. Eine birnenförmige Flasche aus Steingut wurde von einer verdrehten Metallstütze samt verstellbarer Klammer über einer Flamme gehalten. Ihre Öffnung war verstopft mit einem Korken, aus dem sich ein neugieriges Röhrchen hervorschlängelte und in eine herabsteigende Spirale überging, in der transparente Tröpfchen einer obskuren Substanz kondensierten. Desto näher man dem Labor kam, desto beeindruckender wurde der Geruch nach allerlei Chemicalia und Alchemica - Substanzen mit Gerüchen wie aus dem Lehrbuch, von fauligen Eiern über Bittermandel bis Leichenodor. Inmitten dieser wohlgeordneten Ansammlung stand ein Jüngling, tief über den Tisch vor sich gebeugt und beide Hände in einem sorgfältig aufgebrochenen und ausgeweideten Uhrwerk versenkt. Das Ticken und Drehen der Räder war längt erstorben, denn das schwunggebende Pendel lag "seziert" daneben, Schicht für Schicht abgetragen bis auf den blanken Kern aus Roheisen. Zwischen dem Wust aus Schriften und zu Papier gebrachten Theoremen verborgen sich hier und dort Zahnrädchen. Vereinzelt konnte man auch diverse messingfarbene Sprungfedern hervorgucken sehen.

Ein halb leergegessener Teller mit einem Häufchen von Saaten, den selben, die sich gerade die Vögel oben an der frischen Morsansluft zu Gemüte führten, war der einzige Hinweis darauf, dass der Bewohner dieses vorbildlichen Laboratoriums auch menschlichen Bedürfnissen nachging. In einer fast andächtigen Stille stand er lange Zeit dort an der Werkbank, beschäftigt mit dem Kleinod feinwerkerlicher Hochkunst. Dann aber zog er die schmierölbesudelten Finger wieder aus dem bronzenen "Leichnam" hervor und griff nach einem Wischlappen um sie oberflächlich zu reinigen. Die monoton rauschenden Flammen der beiden Brenner wurden mit kurzen Griffen zu den Luftschlitzen erstickt. Aus dem Haufen zog er ein längliches Blatt, beschmiert mit einer entfernt nach Käfermatsch aussehenden Substanz, hervor und kratzte ein paar die darauf befindliche Schrift wirklich allzusehr verdeckende Flecken ab. Mit flinken Schritten eilte er die Treppe hinauf und zog sich noch im Gehen die mit Brandlöchern übersäte Arbeitsschürze vom Körper. Das Blatt wurde auf den großen Gemeinschaftstisch gelegt und am Rand mit einer Notiz versehen: "Für die Novizen. Prompt erledigen." Bei einem Blick auf die List finden sich darauf eher mundan anmutende Arbeiten wie beispielsweise: "Neues Feuerholz für den Kamin im Schlafsaal heranschaffen. Geschirr von gestern Abend abwischen und mir neue Mahlzeit hinstellen. Vögel füttern und Trinkschale nachfüllen." Nur ein paar Schritte mehr trugen ihn schon hinüber zum Schlafsaal, wo er sich prompt in das Bett fallen liess. Nach einer durchgearbeiteten Nacht in den Tiefen seiner Forscherstube forderte dieser schwache, menschliche Körper seinen Tribut, sein Anrecht auf wenigstens zwei Stunden Nickerchen bevor er sich wieder auf die beschwerliche Reise zum Bergschrein aufmachen würde..
Alles in allem ein durchschnittlicher Tag.

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 Betreff des Beitrags: Re: Ein Tag im Leben eines Dieners
BeitragVerfasst: 19.01.10, 15:02 
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Die letzte Helligkeit des zweiten Zyklus war gerade dabei sich in stumpfes Grau zu hüllen und ermattend den Platz für die aufstrebende Dunkelheit zu hüllen, als Ada aus dem Schlaf fuhr und von kaltem Schrecken erfüllt die Bettdecke umklammerte.
Seit mehr als drei Monden waren die Alpträume von nachtblauer Tiefe und würgendem Nass ungebetene Gäste jedes Schlafes und auch wenn sie gelernt hatte lautlos aufzuschrecken und das lähmende Entsetzen weder durch Schreie noch Wimmern zu verraten, klopfte das Herz doch ein jedes Mal bis zum Hals.

Still war es zu dieser Stunde im Haus der Ecclesia Elementorum, allein der Wind strich um die Ecken und rüttelte an den Dachziegeln, um sich dann andernorts eine geringere Herausforderung zu suchen. Und doch war an Schlaf nicht mehr zu denken.

Die klamme Kühle floh nur widerwillig aus dem Gemeinschaftssaal, wich der Gewalt der im Herd wieder angefachten und mit einigen Scheiten genährten Glut. Während die Dunkelheit vor den Fenstern die letzte Erinnerung an das Licht vertrieb, knisterten die Flammen hier drinnen heller, versprachen eben genug Schein, um die auf dem Tisch liegende Notiz lesbar zu machen.

Feuerholz besorgen.
Geschirr abwaschen.
Einen Sack Krähenfedern heranschaffen.
Essen machen.

'Fast wie daheim. Bis auf das mit den Krähenfedern. Wer hat das geschrieben?'

Das Schriftbild unterschied sich von den anderen Anweisungen, aber das konnte auch dem Diktat flüchtiger Hast geschuldet sein und war nicht mehr als ein Indiz, das mit einem Kopfschütteln zugeordnet wurde und damit die verblassende Erinnerung an die quälenden Träume verdrängte.

'Sicherlich Brand. Will er sich ein Kostüm machen für den Maskenball?'

Die Vorstellung entfachte das erste Lächeln des angebrochenen Tages, blieb der Stimmung auch erhalten, als sie eingedenk der frühen Stunde darauf verzichtete mit Geschirr zu rumoren und sich stattdessen dem Bücherschrank zuwendete. Obenauf lag die bereits am gestrigen Abend geprüfte Mappe in der sich allerlei Kartenwerk fand.
Schon der Einband ließ ein bewegtes Schicksal erahnen: Salzwasser hatte verschiedene Flecken hinterlassen, die selbst an die Form geheimnisvoller Inseln gemahnten, Schmauchspuren am unteren Rand liefen in mehreren dünnen Bahnen aus und verrieten, das zumindest einmal willkürlich Hand an die Sammlung gelegt worden war. Das zähe Leder hatte dem Feuer jedoch widerstanden und trug die Narben nun wie ein altgedienter Veteran.

Die von ihm behüteten Karten zeigten sich als nicht weniger vielseitig: Manche Exemplare waren ganz offensichtlich neu, auf Papier geschrieben, das weder vergilbt noch zerknittert war mit präzisen Linien und sorgfältigen Schraffierungen. Andere hatten bereits eine lange Reise zurückgelegt, Risse und Flecken kündeten von einem Leben, das zumeist auf dem Festland begonnen hatte, um sich dann hier auszuruhen.
Dazwischen fand sich eine von Kinderhand gezeichnete Karte Siebenwinds, versehen mit kaum mehr als drei Symbolen und zugehörigen Kommentaren.
"Orks hier!" wurde da beispielsweise gewarnt, auch wenn die stirnrunzelnde Erinnerung Adas den angezeichneten Ort eher mit Falkensee in Verbindung brachte.

'Wo kommt das bloß her?'

Der Verwunderung zum Trotz wurde auch dieses abgerissene Stück Papier sorgsam wieder eingelegt, bevor die Finger die vom letzten Abend bereits vertraute Karte vorsichtig betasteten. Die Zeichnung in der unteren linken Ecke datierte dieses Stück auf das Jahr 12 nach Hilgorad, die verschnörkelten Initialen "G. A." ließen dagegen eine Menge Raum für Spekulationen - genau wie die äußerst großzügige Zahl von Ungeheuern aller Art, die der Zeichner offenbar willkürlich auf seinem Werk verteilt hatte.

Tatsächlich zeigte der größte Teil der Karte nur Wasser: Siebenwind war klein zu erkennen, auf der anderen Seite zeigte sich der Randstreifen des Festlandes und dazwischen lag jede Menge Leere, die von großzähnigen Walen, dreischwänzigen Rattenfischen, glubschäugigen Kraken und monströs geschuppten Seedämonen bevölkert war. Ging es nach dem Zeichner, dann war das Meer ein Ort grausamer Schrecken und böswilliger Tode - Ada hätte ihm darin nicht widersprochen.

Unter anderen Umständen wären all diese bunten Kreaturen gewiss ein Teil der allnächtlichen Alpträume geworden, aber diesmal erwies sich die leichte Ablenkbarbarkeit Adas als Vorteil: Neben den Geschöpfen und dem Meer gab es noch gestrichelte Linien, die wohl gebräuchliche Schifffahrtsstrecken darstellen sollten und diesen galt ihre ganze Aufmerksamkeit.

Irgendwo, knapp eine Tagesreise von Siebenwind entfernt, mußte die "Stolz von Kalamudus" liegen.

Ein Irgendwo, das sich über eine Fläche von mehr als vierhundert Rechtmeilen streckte, wenn man den Sturm bedachte, der dem Schiff so übel mitgespielt hatte, bevor die brausenden Wasser es schließlich verschlangen.

'Das ist völlig sinnlos. Unmöglich.'

Die Resignation schmeckte bitter, machte die Kehle würgend end, bis die gleichmäßigen Atemzüge zu einem unregelmäßigen Japsen wurden, gerade an der Grenze zum Schluchzen hin - ohne diese zu überschreiten. Nahezu ein Viertel des Dunkelzyklus verstrich während die Blonde herabstarrte ohne etwas zu sehen, gestört allein vom Knistern der Flammen im offenen Ofen.

Dann kristallisierte sich eine beinahe störrische Idee hinter der Stirn, wischte alle Bitterkeit davon und wandelte sie in eifrige Entschlossenheit, die gleich darauf die Schritte in Richtung des Schlafraumes lenkte. Kobaltblaue Augen suchten nach einer ganz bestimmten Gestalt und rüttelten dann an der Schulter den Schlummernden.

"Meister Brand? Seid ihr wach? Meister Brand?"


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein Tag im Leben eines Dieners
BeitragVerfasst: 26.01.10, 16:24 
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Zwischenmenschliche Sorgen.


Er kaute auf der Spitze des Federkiels herum. Eine Angewohnheit, die man bei ihm zuvor noch nicht betrachten konnte - Und sie verriet auf eindrückliche Weise die nervöse Nachdenklichkeit die hinter der jungen, glatten Stirn des Schreiberlings wie ein Sturm hin und her tobte, die rationalen Gedanken beiseite fegte um einer klammen Leere voll Angst und Unsicherheit Platz zu machen. Nicht, dass er sich das, geschweige denn einem Anderen, jemals eingestanden hätte. Die Spitze des Kiels tunkte er zum dritten Mal in Folge in das kleine Fässchen und zog wieder eine lange Linie über eine eselsohrige Ecke des Pergamentblattes, um so vielleicht die nötige Inspiration zu finden um wirkliche Worte zu Papier zu bringen.
Lange Zeit später findet sich ein Brief im Novizenschlafsaal wieder, oben auf der Kommode liegend und adressiert an eine "Ancabeth Mertenstein".
Zitat:
Liebe Ancabeth,

Mein alter Studienfreund von der Akademie in Ventrias hat es einmal sehr passend ausgedrückt: "Brand, du bist ein wandelhafter Bastard." In seiner deftigen Ausdrucksweise klangen viele Sachen einfach und platt, aber dieser eine Satz hat eine gewisse Tiefe, die mich noch lange Zeit danach, bis jetzt, begleitet hat und über mir hing wie ein Flachtezschwert. Ich weiß kaum, warum ich diesen Brief schreibe, und noch weniger weiß ich welche Worte ich zu Papier bringen sollte um das zu vermitteln, das mir auf dem Herzen liegt und auf dem langen Weg vom Kopf in die den Kiel führende Hand verloren geht: Wie Wasser aus einem schlecht geböttcherten Fass rinnt und im Boden versickert, für den Durstenden verloren. Ich habe mich nach gesellschaftlicher Definition wohl sehr unpassend verhalten und das war nicht das erste Mal, dass es geschah. Die Ecclesia Elementorum musste meiner Uneinsichtigkeit wegen Falkensee verlassen, denn ich konnte nicht vor Maske und Marilus einknicken und Lippenbekenntnisse von mir geben; ich hatte schon immer eine maßlose und lockere Zunge, sprach was gesagt werden musste direkt heraus ohne den Umweg zu gehen, es durch die Blume, höflich und formell, zu sagen. Ich habe dadurch nicht nur eine Hand voll Novizen aus der Ecclesia vertrieben, mit meiner unausstehlichen auf meine Mitmenschen wirkende Art, sondern endete teilweise im Kerker und erlitt andere Unbill. Wurde von Orken eingesperrt, vom Wall herabgeworfen, vom höchsten Turm der Burg Finianswacht ebenso - Dies soll kein Appell an dein Mitleid sein. Viel mehr versuche ich dir zu vermitteln, dass ich um die Folgen meiner Worte weiß.
Es ist eine bedrückende Feststellung, die ich schon vor einer Weile zog und die in ihrer Logik von einer bestechenden Kühle und Klarheit ist: Menschen sind in ihrer ganzen Art abscheulich und abstoßend. Lügnerisch, unzuverlässig, unberechenbar und vor Allem massiv auf das Eine fokussiert, dem sie in ihrem Leben den meisten Platz, die höchste Priorität, zuweisen: "Sozialer Kontakt", ein Euphemismus für sinnentleertes Geschwätz um einander zu symbolisieren, dass man den Anderen schätze. Auch wenn man lügt - deswegen der Konjunktiv im letzten Satz. Anscheinend habe ich diese Meinung mit Körpersprache und direkt Gesagtem schon längst jedem mitgeteilt, der mich auch nur auf fünf Schritt hat vorbeigehen sehen: Dass sie mich nicht interessieren. Ich werde nicht um Hilfe gefragt, ich frage nicht um Hilfe und so habe ich meine Ruhe und kann mich ganz der Forschung in meinem Laboratorium widmen. Der Mensch an sich ist von Natur aus und von Geburt an durch und durch böse und durchtrieben, niederträchtig und sinnt nach dem eigenen Wohl mehr als nach allem Anderen. Nur durch unseren Geist, der uns von den niederen Tieren unterscheidet, können wir uns dazu durchringen ab und an eine nicht ganz abgrundtief bösartige Tat zu begehen.
Ich bin jung an Jahren, und doch stand ich mehrere dutzende Male schon kurz davor mir auf unterschiedlichste, selbstverständlich wohl durchdachte, Weise das Leben zu nehmen um endlich eins werden zu können mit Ventus und mit den Größten und Altehrwürdigsten seiner Diener, die inzwischen alle verstorben sind, Futter für die Maden in der ersten Sphäre, strahlende Schemen die uns den Weg leuchten in der Zweiten, und von den Bürden des Körpers losgelöste Geister in der Dritten. Zwei Dinge halten mich immer wieder davon ab: Nämlich, dass ich mich tatsächlich um meine Novizen und die Gläubigen sorge.
Ventus weiß, dass es nicht immer den Anschein haben mag. Ihr mögt nicht den Sinn sehen hinter all dem Holzhacken und Wasserschleppen, hinter dem Tanzen im Schnee und dem Siedenden Wasser, dass ich dir entgegenschüttete. Aber: Es geschieht nur zu eurem Besten, denn ich möchte euch nicht in die Welt hinausgehen lassen ohne jedes Bisschen an Vorbereitung, das ich euch zukommen lassen kann. Denn es ist verdammt rau und gefährlich dort draußen, und es ist allzu einfach sein Leben zu verlieren bevor man den En'Hor angemessen dienen und danken konnte.
Ich hoffe dies erläuterte dir mein Motiv hinter manchen meiner Taten ein wenig. Ich weiß auch, dass du nicht einfach so nachgeben und einlenken wirst - du bist eine Frau, per Definition seid ihr sturköpfig und leicht eingeschnappt. Aber ich möchte nicht meine vielversprechendste Schülerin seit langer, langer Zeit aufgrund eines nichtigen, kleinen Zwists verlieren müssen.

Es tut mir leid. Ich bin ein verdammter Vollidiot.
- Brand.

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 Betreff des Beitrags: Re: Ein Tag im Leben eines Dieners
BeitragVerfasst: 26.01.10, 19:31 
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Dem üblichen Brief an die Tante auf dem Festland liegt dieses Mal ein Blatt folgenden Inhalts bei:

Du hast mich ja des Öfteren gefragt, was ich hier den lieben langen Tag tue, Tantchen. So lege ich dem jetzigen Brief eine solche Beschreibung bei - die Geschehnisse des gestrigen Tages eignen sich schließlich kaum als Beispiel für die Routine. Ich schreibe also von heute.

Der Tag begann, wie stets, mit einem Gebet an der Feuerschale des Herrn. Einige bevorzugen ja, vorher die Morgentoilette zu erledigen, aber das mache ich ungern - wenn ich mich erst mit mir selbst beschäftige, wacht mein Kopf in der Zeit auf und ist so voll von Gedanken, Sorgen und Plänen, dass die Konzentration auf den Herrn etwas schwer fällt. So torkele ich meistens, die Robe übergestreift, noch schlaftrunken herunter.
Nunja, heute torkelte ich so durch die Stadt - ich schlafe zur Zeit in einem Zimmer in der Seeschlange. Im Schlafraum der Ecclesia ist mir in diesen Tagen die Luft etwas eng. Doch zurück zum Thema.

Nach dem Morgengebet kam also die Morgentoilette - für solche Belange haben wir einen großen Waschraum unten im Keller der Priorei. Zu den frühen Morgenstunden ist dort glücklicherweise selten jemand anzutreffen, so dass ich meist nicht warten muss und nach Herzenslust in heißem Wasser planschen kann. Wir haben auch demletzt so eine lecker duftende Honigseife eingekauft, die da nun liegt...die mag ich besonders gern.

Als das jedenfalls erledigt war, habe ich nach Aufgaben im Haus gesehen. Oben im Schlafraum war wieder einmal kaum noch Holz, so habe ich welches geholt, wenngleich es mit nur einem Arm wirklich nicht sehr gut ging. Aber hinterher zetert ja wieder jemand, wenn es nicht gemacht ist. Den Abwasch habe ich dafür für Ada stehen gelassen, die kann das besser. Und die Wäsche auch. Und auch das Bodenkehren....Den Arbeitsraum habe ich aber dafür aufgeräumt! Also den Tisch. Da lag Müll. Ein bisschen.

Hernach habe ich mich meinen Aufgaben als Dienerin des Herrn gewidmet. Ich muss alsbald eine Esse des Schmiedes gegenüber weihen, also habe ein wenig in unseren Büchern geblättert, um mir Inspiration zu holen. Da stand aber nichts Passendes drin, ich werde mich also irgendwie anders inspirieren müssen.

Mein weiterer Weg führte mich in die Bibliothek, die ist glücklicherweise nahe unseres Hauses. Dort habe ich mich ganz anderen Werken gewidmet. Ich wurde nämlich gebeten, Theorieunterricht in Taktik an der Kriegerakademie zu geben - das ist schließlich etwas, was von jeher das Metier von uns Dienern des Herrn Ignis ist. Es ist nur doch etwas her, dass ich mich mit diesem Thema beschäftigte, noch auf dem Festland war es, wie Du dich vielleicht erinnerst.... Wie geht es dem guten alten Vingorius denn eigentlich? Du hast länger nichts mehr von ihm erzählt.
Jedenfalls - ich habe mein Wissen etwas aufgefrischt, und danach einen groben Themenplan entworfen.

Dann habe ich mich daran erinnert, dass ich heute noch nichts gegessen hatte. Der Behebung dieses Zustandes widmete ich sodann einige Zeit, du weißt, ich kann nicht in Eile essen, da verschlucke ich mich ständig.

Nun habe ich schließlich vor, noch ein wenig an meiner Ausarbeitung für Meister Lodhrell zu arbeiten, und dann zum Lavasee zu reiten, um dort nach dem Rechten zu sehen. Auf dem Weg da hin mache ich einen kleinen Umweg und gebe direkt diesen Brief für Dich am Hafen ab.
Da fällt mir ein, ich habe immer noch nicht das Briefchen gelesen, das heute für mich im Schlafraum lag. Bestimmt von Brand. Bestimmt wieder irgendwelche Frechheiten. Ich drücke mich noch davor, es zu lesen.

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Die Idee der "freien Entfaltung der Persönlichkeit" scheint ausgezeichnet, solange man nicht auf Individuen stößt, deren Persönlichkeit sich frei entfaltet hat.


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