Siebenwindhomepage   Siebenwindforen  
Aktuelle Zeit: 8.07.25, 17:56

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]




Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 2 Beiträge ] 
Autor Nachricht
 Betreff des Beitrags: P.S.
BeitragVerfasst: 3.03.10, 12:14 
Einsiedler
Einsiedler

Registriert: 31.05.04, 16:19
Beiträge: 24
"Soll ich noch etwas dazu schreiben, Herr?".

Ohne den kahlen Kopf zu bewegen, sah der kleine Mann knapp über das hölzerne Podest hinweg. Sein Blick wandte sich wieder dem Alten zu, der einige Schritt entfernt hinter einem edlen, gut geordneten Schwarzholztisch saß. Nur mit einem knappen, eher unruhigen Schielen bewegten sich die tiefliegenden Augen über die Einrichtung in der kleinen, von Kerzenschein spärlich beleuchteten Kammer. Allein die Umrisse von bis an die Decke reichenden, mit Büchern, Pergamentrollen und Karten gefüllten Regalen ließen sich im Schatten erkennen, die ihm in dem kleinen Raum fast die Luft nahmen. Wieder richteten sich die Augen des kleinen Mannes nach vorn aus und ein unruhiges Zucken befiel seine trockenen Mundwinkel,

"Soll ich noch etwas dazu schreiben, Herr?".

Der alte Mann zog das Mundstück der länglichen Tabakpfeife langsam zwischen den Lippen hervor. Sein leicht verschwommener Blick klärte sich langsam, als er einen Schwall Rauch ausblies. "Hmmmm ...?". Ruhig sah er zu dem kleinen, unsicher lächelnden Mann hinüber, der immer noch dort stand und nun seit einer Weile eine Feder über das auf dem Podest ausgerollte Pergament hielt. "Hmmmm ...... was habe ich denn bisher diktiert, Schreiber?", recht ruhig und ohne jegliche Eile oder Unruhe in der Stimme nahm er die Pfeife wieder in den Mund und zog daran. "Nun ...", unruhig senkte der kleine Mann den Blick wieder auf das Pergament, "soll ich es noch einmal vorlesen, Herr, damit ... damit Euch der Worte wieder gewahr wird?". Erneut stieß der alte Mann hinter dem Tisch ein paar kleinere Dunstblasen aus und nur unmerklich spannte sich die Stirn unter dem langen, weit nach hinten gestrichenen, weissen Haar an, doch sprach er unverändert ruhig weiter. "Ich bin mir all der Worte gewahr, die sich hier im Raume in gesprochener und geschriebener Form befinden.", ein knappes, väterliches Lächeln überspannte daraufhin knapp die Mundwinkel im weissen Bart, als ob es keiner weiteren Worte bedurfte. Der kleine Mann nickte respektvoll und schob die schmale Kerze auf dem Podest nun etwas zurecht, bevor er gekonnt und mit solider Betonung vom Pergament las.

Zitat:
"Empfehlungsschreiben seiner Eminenz dem Obersten Bibliothekar von Draconis

Hiermit belegen wir dem Träger dieses Schreibens die ehrenvollen und tüchtigen Arbeiten im Dienste der königlichen Bibliothek der königlichen Haupstadt Draconis in würdevoller Art und Weise. Vom 1. Onar des Jahres 6 vor unserem ehrenwerten König Hilgorad an bis zum heutigen Tage hin verdingte sich selbiger unsere hohe Wertschätzung in der Pflege und Verwaltung eines wertvollen Teils der alchemistischen Schriftbestände der königlichen Bibliothek. Daher seie dem

Bürger ... ,
Gläubiger des Astrael, des Herrn des Wissens und der Magie,
welcher wohl geboren im Jahre ~512 v.~ Hilgorad,
Sohn des ... und der ...

hiermit unsere Empfehlung für jegliche ihm würdig erscheinende Bibliothek im Reiche unseres ehrenwerten Königs Hilgorad gegeben."

In Ruhe sah der Schreiber wieder vom Papier auf und nahm die feuchten Finger vom Podestrahmen, um sich eine über die Schläfe rollende Schweißperle mit einem Tüchlein dezent abzutupfen. Der Mann hinter dem Tresen lehnte sich mit einem knappen Nicken in den gepolsterten Sessel zurück und vollzog mit der freien Hand eine leicht winkende Bewegung.

"Kommt herüber und lasst es mich zeichnen und siegeln, Schreiber".

Ruhig wechselte er den Pfeifenkopf in die Linke und griff mit der rechten nach einer prunkvollen Feder auf seinem Tischchen, bevor er sie in ein goldenes Fässchen eintunkte. Schon schob der Schreiber vorsichtig das Pergament auf die Tischplatte, über die er einem Halbling gleich kaum hinausragte. Die verschwitzten Hände putzten durch das Tüchlein, während der alte Mann mit gekonnten Bewegungen die Lücken im Pergament einfüllte, einen Schriftzug unter das Pergament setzte, ein abgemessenes Stück Wachs in einem kleinen Tiegel über der Kerzenflamme auf dem Tisch erhitzte und abschliessend den Wachs dann mit ruhigen Kreisen neben den Schriftzug aufstrich. Mit aller Ruhe setzte er die Petschaft mit der Kante auf das warme Wachs.

"Wollt ihr das wirklich, Herr ...?"

Mit einer erstaunten Regung der Augenbrauen sah der alte Mann zu dem Schreiber hinab, der soeben gesprochen hatte, und sah ihn ausdruckslos an. Eine Weile herrschte Stille, während die Stempelfläche der Petschaft sich nicht regte, sondern über dem Wachs verharrte. "Verzeiht mir meinen Einwurf, Herr, ... aber Ihr wißt selbst, dass ... dass ..", er schluckte doch recht schwer, "nun ... dass er ...". Sachte, aber mit Bestimmung fiel ihm der alte Mann ins Wort. "Ich weiss, dass er seine Aufgaben vernachlässigt hat und sich statt der Erweiterung seines Wissens durch Studium ...", sachte fiel sein Blick wieder auf den Stempel in der Hand, "... stets fragwürdigen Experimenten zugewandt hat, die ihn wohl etwas ... sagen wir, überfordert haben. Doch hat Astrael sein Auge nicht vor ihm verschlossen, er wurde dem damaligen Obersten Bibliothekar vor 20 Astraelläufen von einem sehr angesehenen Bibliothekar des Hochelfenvolkes empfohlen. Laut seinen Aufzeichnungen hat er sich seit seiner Jugend und somit über 300 Astrael mit der Erweiterung seines Wissens über das Wesen der Alchemie befasst ... so steht es in seiner ...". Sein Blick wanderte vom Stempel etwas nach oben auf das gerade gefertigte Schreiben, während er fortfuhr "... mh, ja, Empfehlung von damals.". Ohne jegliche Regung sah er wieder zur Petschaft zurück

"Und wisst Ihr, Schreiber, die letzen zwanzig Astrael mögen zwar wenig für ihn gewesen sein, aber für uns und das Ansehen dieser Bibliothek ...".

Mit einem festen Druck presste er dann das Siegel knisternd hinab, zog noch einmal an der Pfeife und blies leicht über das antrocknende Wachs. Beide Hände griffen das Pergament und rollten es schwungvoll zusammen, um es dann mit einem Faden schnell und gekonnt einzubinden und von einem Seufzen begleitet nach vorn zu reichen.

"... für die reicht es nun. Gebt ihm dies und empfehlt ihm die Bibliotheken Siebenwinds; mag er dort sein Unwesen treiben ...".


Nach oben
 Profil  
 
 Betreff des Beitrags: Re: P.S.
BeitragVerfasst: 4.03.10, 11:06 
Einsiedler
Einsiedler

Registriert: 31.05.04, 16:19
Beiträge: 24
Über die besagte Person, von seinen Kollegen nur P.S. genannt - wohl als Anspielung darauf, dass man ihn nach Vergessen dann doch noch dazu setzen konnte, und P.S. selbst die Fähigkeit besass, viel zu vergessen - wurde in der Bibliothek bis auf knappe Aufzeichnungen nie etwas niedergeschrieben oder viel geredet; man mag meinen, weil man ihn - oder P.S. sie - vergass. Wenn allerdings doch jemand einmal ein Wort über ihn verlor, dann eher hinter vorgehaltener Hand.

Besagter arbeitete zu jener Zeit Tag ein Tag aus in der geschlossenen, also der Allgemeinheit nicht zugänglichen, alchemistischen Abteilung der königlichen Bibliothek. Man erzählte sich, dass er bereits seit seiner Jugend den Geheimnissen der Pflanzenwelt auf den Grund ging und sie eindringlich studierte. Jedoch ist weder die Herkunft seiner selbst noch die Wurzel seines Interesses an der Alchemie irgendjemandem bekannt. So sagt man sich, dass er die Bibliotheken Falandriens durchstöberte nach diesem Wissen, welches ihn in seiner reinen Form aber mit der Zeit immer weniger zu befriedigen schien. Ging man in den letzten Jahren seiner Anstellung erst spät nach Hause, spazierte im Stillen die Reihen der Bücherregale auf dem Weg zur Eingangshalle und sah dabei zufällig in eine der eher Leseecken der Abteilung "Magie und Tier", so mag man dort den doch von der Zeit allmählich gekennzeichneten Elfen über dem ein oder anderen Buch gebeugt gesehen haben. Die langen, weissen Haare aus dem Gesicht gestrichen und mit knisterndem Blick aus weit geöffneten Augen über die Schrift bewegend. Dies und die Anwendung seiner bescheidenen elfischen Magiebegabung auf einige seiner Mixturen mochten erst niemandem große Bedenken bereiten, bis die ersten flüchtigen Gerüchte aufkamen, P.S.

"kombiniere das Wissen über Kräuter, Mixturen und die Magie in seltsamer Weise, um es auf Lebewesen in der Bibliothek anzuwenden,"

oder

"seine vorherrschende hochelfische Gelassenheit und Höflichkeit werde überdeckt von einer Wissensgier, die der Gesundheit der verschiedenen Versuchstiere sowie seiner eigenen geistigen Klarheit immer weniger zu Gute käme."

oder ganz einfach

"ob sich die königliche Bibliothek solch einen Gesellen selbst in einer geschlossenen Anstalt leisten könne ..."

Kurz nachdem sich die Gerüchte von weisshaarigen Ratten mit Borstenschwänzen und Elfenohren sowie anderem Getier die Abteilungen der Bibliothek überströmte, ward P.S. nicht mehr gesehen. Der Munkelei, er wäre seinen eigenen obskuren Experimenten zum Opfer gefallen, und hätte sich selbst in eine dieser Ratten gewandelt, wurde weder vom Schreiber noch vom obersten Bibliothekar widersprochen. So begann auch die Erinnerung an P.S. - eben einem beiläufigen 'P.S.' eines Briefes ähnlich - zu schwinden, als kurze Zeit später ein neuer hochelfischer Bibliothekar zur Pflege der alchemistischen Schriften eingestellt wurde.


Nach oben
 Profil  
 
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:  Sortiere nach  
Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 2 Beiträge ] 

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 10 Gäste


Sie dürfen keine neuen Themen in diesem Forum erstellen.
Sie dürfen keine Antworten zu Themen in diesem Forum erstellen.
Sie dürfen Ihre Beiträge in diesem Forum nicht ändern.
Sie dürfen Ihre Beiträge in diesem Forum nicht löschen.

Suche nach:
Gehe zu:  

Powered by phpBB © 2000, 2002, 2005, 2007 phpBB Group
Deutsche Übersetzung durch phpBB.de