Siebenwindhomepage   Siebenwindforen  
Aktuelle Zeit: 20.06.25, 00:50

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]




Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 1 Beitrag ] 
Autor Nachricht
 Betreff des Beitrags: Von Rang und Stand
BeitragVerfasst: 15.05.10, 08:33 
Einsiedler
Einsiedler
Benutzeravatar

Registriert: 17.05.09, 14:24
Beiträge: 88
Es ward in den frühen Zyklen des 15. Trier, als sich in den Gewässern vor Brandenstein eine ranke Brigantine aus den Morgennebeln schälte. Feucht klebte die Morgenluft am Antlitz des noch jungen Tages, als das Schiff träge aus dem grauen Dunst glitt und ein gedämpfter Klang vom Fallen des Ankers kündete. Das Zwielicht verwusch die Farben zu eintönigem Grau. Nur ein strahlendes Gelb am Heck des Schiffes und auf dessen Grossmast vermochte sich wider die sterbende Nacht zu behaupten; das strahlende Gelb der Hoheitszeichen des Ersonter Bundes.

Die Szene schien in Regungslosigkeit zu erstarren, bis sich schliesslich die Umrisse eines geräumigen Tenders in den Vordergrund schoben. Sechs Gestalten, vielleicht sieben, waren auszumachen, als kräftige Züge an den Riemen den Tender gen Ufer drängten. Das Knarren der Riemen und das Schnaufen der Matrosen waren die einzigen Klänge, die die morgendliche Stille durchbrachen. Und wahrlich, die Matrosen schnauften ordentlich. Es konnte ihnen gar nicht schnell genug gehen, diesen affektierten Gecken loszuwerden, der ihnen die Siebentage der Überfahrt zur Hölle gemacht hatte. Das Subjekt ihres Missmuts stand derweil in arroganter Pose hoch aufgerichtet am Bug des geräumigen Tenders, während die Matrosen alle Mühe hatten, das Wanken auszugleichen, um den stehenden Gecken nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Was hätten sie nur dafür gegeben, diesen eitlen Pfau unter lautem Platschen ins Meer fallen zu sehen. Aber sie wussten nur zu gut, dass derlei Vergnüglichkeiten nur von traurig kurzer Dauer gewesen wären. Hinterher würde ihnen dieser aufgeplusterte Kerl ihr karges Leben erst recht zur Hölle machen. Nein, es war das weitaus geringere Übel, den Ärger über diesen Gecken hinunter zu schlucken und ihn so rasch als möglich an Land abzuliefern. Ihn und seine beiden Lakaien, die sich sichtlich mühten, dem eitlen Pfau in jedem noch so affektierten Gehabe nachzueifern.

*


Selten waren die Riemen des geräumigen Tenders derart strapaziert worden, wie auf dessen Rückweg zu der auf Reede liegenden Brigantine. Die Matrosen pullten als ob die Dämonen der Niederhöllen hinter ihnen her wären. Doch trotz der Anstrengung feixten sie erlöst in sich hinein, während hinter ihnen die tobende und schreiende Figur des Höflings und seiner beiden Lakaien kleiner wurde. Tobend und schreiend deshalb, weil ihm erst jetzt aufgegangen war, dass diese verlauste Brut ihn in Brandenstein abgesetzt hatte. Malthuster Grund!

*


Einige Zyklen später stand Fela hoch am Himmel und strahlte vergnügt hinab auf drei keuchende Gestalten, die sich auf die Nordtore Falkensees zubewegten. Eine voraus - trotz rotgeschwitztem Gesicht mühevoll auf eine würdevolle Erscheinung achtend - und zwei hinterher - schwer bepackt mit einer Seekiste und allerlei Taschen. Seit mehreren Tagen schon war das Wetter nicht mehr derart vergnügt und strahlend gewesen. Gerade so, als ob Fela selbst sich an dem Anblick des schwitzenden Gecken erfreuen würde, der es trotz lautem Schimpfen und Tadeln nicht geschafft hatte, dass ihm jemand in Brandenstein ein Pferd für den Ritt herüber nach Falkensee gegeben hätte.

*


Kaum einen Zyklus später waren der eitle Geck und seine beiden Lakaien am Ziel ihrer Reise angelangt. Höchst eilig hatten sie sich erfrischt, ihre Kleidung in Ordnung gebracht und zurück zu höfischer Unterwürfigkeit gefunden. Denn schliesslich wussten sie, was sich geziemte, wenn man vor eine Burggräfin geführt wurde.
Nur wenig später wurde eine der schweren, dunklen Türen des Schlosses lautlos geöffnet. Zugleich das Zeichen für die drei Neuankömmlinge, sich vor dem Eintreten der Burggräfin tief zu verneigen. Diese schritt in gebührender Würde vor die drei, liess sich in steifer, förmlicher Pose in einen gepolsterten Sessel nieder und hiess ihnen sich zu erheben.

*


Einige Zeit später schlossen sich die Portale wieder und die Burggräfin war alleine. Nun erst gestattete sich die ältere Dame einen seltenen, kostbaren Luxus: Die höfische Strenge fiel von ihr ab und sie starrte mit einem enervierten Kopfschütteln zur Tür, durch die der eitle Pfau und seine zwei Lakaien verschwunden waren. Leidend rieb sie sich die Nasenwurzel, bis ihr Blick auf die kostbare Schatulle fiel, die der Höfling und seine beiden Lakaien ihr wortreich und umständlich überreicht hatten. Eine prunkvoll gearbeitete Schatulle, die ein fein gearbeitetes Wappen zierte: Das Wappen des Grafen von Ersont. Und bei diesem Anblick gönnte sich die Burggräfin einen zweiten, seltenen Luxus. Sie lächelte.


Nach oben
 Profil E-Mail senden  
 
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:  Sortiere nach  
Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 1 Beitrag ] 

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 11 Gäste


Sie dürfen keine neuen Themen in diesem Forum erstellen.
Sie dürfen keine Antworten zu Themen in diesem Forum erstellen.
Sie dürfen Ihre Beiträge in diesem Forum nicht ändern.
Sie dürfen Ihre Beiträge in diesem Forum nicht löschen.

Suche nach:
Gehe zu:  
cron

Powered by phpBB © 2000, 2002, 2005, 2007 phpBB Group
Deutsche Übersetzung durch phpBB.de