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 Betreff des Beitrags: Gesichter des Todes
BeitragVerfasst: 17.06.10, 18:54 
Einsiedler
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Kaum hatte sie die Stufen, die zur Krypta hinab führten, hinter sich gebracht, gestattete sie sich, für die Dauer einiger Herzschläge innezuhalten. Das nun vorherrschende Zwielicht, das zarte Zusammenspiel von Finsternis und flackerndem Kerzenschein, war Wohltat für die Augen und Balsam für die Seele gleichermaßen. Ein Luftzug umschmeichelte die blanken Fersen nach dem ersten Schritt und durchdrang mühelos den Stoff der Ordensrobe. Das einzige Kleidungsstück, das sie nun am Leibe trug vermochte in seiner drückenden Düsternis Demut zu lehren. Am meisten der Trägerin selbst. Und anderen. Aber nicht allen. Deshalb war sie nun hier. Zu lernen. Und zu lehren.

Sie trat in den Seitengang und streifte die Kapuze über. Trat somit ein, in ihr Sanktum der Stille. Dann gestattete sie sich, den Moment zu genießen. Den sanften Schleier des Stoffes, der ihr Gesicht umgab und den Blick beschränkte auf wesentlichere Dinge als auf die vielfältigen Verlockungen einer bunten, lauten Welt. Als sich der Schatten der Kapuze schützend über die Augen legte schwanden gleichzeitig die anderen Schatten, die beständig an den Grenzen des Blickfeldes umher schlängelten. Nicht immer, doch oft in Momenten, die nach innerer Ruhe verlangten. Als wären sie Plage. Oder Fluch. Nicht ewig. Erst seit dem Tage ihres ersten Todes. Auch deshalb war sie nun hier.

Nur im Angesicht des Todes vermögen wir zum ersten Mal in unserem Dasein, wirklich frei zu atmen - Der alte Lehrsatz kam ihr in den Sinn, als die ersten Nischen mit den darin aufgebahrten Leichnamen passierte – und er erschien ihr passend. Sie tat einen tiefen Atemzug und füllte die Lungen mit angenehm kühler Luft. Ein willkommener Gegenpart zu dem Feuer, welches in ihren Adern brannte. Als sie den Eingang der Kammer passierte, begann die Sicht langsam zu schwinden, wurden die Bewegungen fahriger und die Schritte unsicherer. Der Blick glitt mehr tastend denn suchend umher, die Pupillen nur noch stecknadelgroß und die Augäpfel, infolge vielfach geplatzter Äderchen, tiefrot. Die blau angelaufenen Lippen formten ein zufriedenes Lächeln, noch ehe ein dünner Blutfaden aus dem Mundwinkel rann. Dann erreichte die Elfe die Bahre aus kaltem Marmor und erklomm sie, derweil der Leib unter der Einwirkung der eingenommenen Substanzen zu zittern und krampfen begann.

Das Lächeln auf den Lippen blieb bestehen, als sie sich niederlegte und die Augen schloss. Der Ruf, den sie nun aussandte, erklang allein in der Seele. Und nur diese vermochte zu wissen, wem das flehende Wort galt.


"Komm."

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 Betreff des Beitrags: Re: Gesichter des Todes
BeitragVerfasst: 5.07.10, 21:21 
Einsiedler
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Der Körper verharrte nun regungslos auf der Bahre aus schwarzem Marmor. Ein zufälliger Besucher, der nicht mehr als einen flüchtigen Blick übrig haben mochte, würde gar kaum einen Unterschied zwischen der noch lebenden Elfe und den sie umgebenen Toten zu machen wissen. Atmung und Herzschlag waren nicht mehr ersichtlich, sondern nur noch spürbar vorhanden. Da sich nun der Körper ganz der Ruhelosigkeit unterworfen hatte, begab sich der Geist auf seine Traumreise. Dem Feuer in den Adern folgte, kaum da der Traum des Bewusstseins Herr wurde, kühles Wasser, welches den Leib umspülte.

Versinken ohne zu ertrinken.
Ich erwache am Grunde eines Sees. Wasser ist überall um mich herum, umgibt und umhüllt mich vollends…fließt gar eisig durch meine Adern. Rings um mich ist Dunkelheit. So schützend, so tröstlich. Ich will verweilen in diesem Refugium und den letztgültigen Frieden finden. Doch ich weiß, die Reise nimmt hier erst ihren Anfang. Und dies ist nicht das Ende. Etwas lässt mich den Blick heben und ich erkenne ein schwaches Licht zart hinter dem Schleier der Wasseroberfläche. Ich glaube das Abbild des Lyrenn zu erkennen. Doch warum er? Etwas lockt mich mit stummem Ruf, der mein Herz zum Beben bringt. Also gleite ich langsam empor, bereit mich aus den Fluten zu erheben. Eine helle, zarte Hand streckt sich mir entgegen und ich willige in ihren Griff ein. Eine plötzliche, warme Flut umhüllt mich, noch während ich aus dem Wasser gleite...

…Ich spüre den kühlen Marmorboden unter meinen Füßen. Auf einem Teichrosenblatt schwimmt eine einzelne rote Kerze im Wasser der Wanne, der ich soeben entstiegen bin. Die plötzliche Gegenwart des Todes, den ich herbeigerufen habe, lässt mich frösteln. Als ich aber den Blick hebe und ihr Antlitz schaue, durchfließt mich neuerlich ein warmer Schauer. Ich schäme mich weder meiner Nacktheit, noch meiner Hilflosigkeit. Denn er kennt mich und ich bin sein Diener. So wie er selbst nur ein Diener desjenigen ist, dessen Gnade und Namen ich in diesem Moment preise.



Rasselnd entweicht der Atem und begleitet die Rückkehr des Bewusstseins. Die verkrampften Hände lösen sich ermattet und die Augen öffnen sich, um sich langsam an die Dunkelheit der Krypta zu gewöhnen. Das Lächeln schwindet aus dem Gesicht.

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 Betreff des Beitrags: Re: Gesichter des Todes
BeitragVerfasst: 5.07.10, 22:20 
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Sie fühlte sich auf eine merkwürdige Weise lebendig.
Denn sie fühlte sich selber. Sie nahm sich wahr. Sie spürte den zarten Wind, die warmen Strahlen auf den nackten Stellen ihres Leibes, die Luft schien sogar anders zu schmecken hier im Hoheitsgebiet der Waldelfen, die sie in Begleitung Adowens als Gast passieren ließen.
Es war die beste Entscheidung gewesen, mit dem Elfen die Mauern der drückenden Stadt zu verlassen, die Feierlichkeit hinter sich zu lassen, die in ihrem Herzen kaum Anklang fand.
Das Lichthoch fühlte sich für sie an wie ein jeder Tag, nur dass die dunklen Zyklen ausblieben.
Aber hier... hier lastete nicht der Druck auf ihr eineGötternähe beweisen zu müssen. Sie musste nichts erbringen sondern empfing etwas, von dem sie nicht glaubte, dass sie jemals wieder empfinden könnte.

Ruhe.

An der Hand führte Adowen sie weiter durch das Unterholz, über Wurzeln hinweg und unter tiefen Ästen entlang. Ihr war nicht nach Reden. Mit jedem Schritt viel ein Mauerstein der innerlichen Verwirrung, wurde ein Wort der Antwort auf ihre ewigen Fragen hinzugeführt.

Was wollte sie eigentlich?

Am südwestlichen Strand angelangt tauchten ihre Zehen erst in den warmen Sand, dann wurden die Fußknöchel von kaltem Salzwasser umspielt.

Was fehlte ihr so sehr?

Unter teilweise wachsamen Augen des wartenden Elfen stieg sie tiefer in das Meereswasser... zu den Knien... bis zur Hüfte... immer weiter auf die Felsen zu, welche die Wellen brachen, die friedlich geh Eiland strömten.

Was war geschehen?

Scharfkantig war das dunkle Gestein, leicht rutschig unter den Fußsohlen, als sich die schlanke Frau aus dem Wasser zieht, und über diese steinerne Grenze auf den offenen Horizont blickt. Die Welt dahinter... die Welt danach. Es wäre nur ein einfacher Sprung herab, dann hätte sie es überstanden. Diese Insel. Das Leben. Sich selber.

Warum hatte sie dies getan...?

Sie steigt wieder herab ins abgeflachte Wasser. Der Blick nach unten geht den Schritten voraus... die leichten Wellen glitzern im Scheine Felas... und unter jenem Glänzen des Lichtes sah sie das bleiche Gesicht... doch es machte ihr keine Angst, nicht einen Moment erschrak sie. Als wäre es nur beiläufig gleitet ihre Hand neben der Hüfte herab in das Salzwasser... vielleicht bildete sie es sich ein... das Gesicht nur eine Spieglung ihres eigenen und der schlagartige Wechsel von kalt zu warm an ihren Finger nur eine Bewegung des Wassers.
„Wir sind für ewig verbunden.“



Sie wollte in die Umarmung des schwarzen Flügelpaares zurück.


Aber vielleicht war es etwas ganz anderes... jemand... ganz anderes...


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 Betreff des Beitrags: Re: Gesichter des Todes
BeitragVerfasst: 15.07.10, 22:13 
Einsiedler
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Einatmen
Die Zeit verrinnt
Ausatmen
Die Zeit kriecht
Einatmen
Die Zeit steht still

Die Phasen der Meditation hatten das Augenmerk bereits zu genüge an das Zwielicht der Krypta gewöhnt und der Blick wanderte, etwas träge noch, am ausgewählten Orte umher. Hängen blieb er schließlich an der schlichten Holzschale auf dem blanken, kalten Steinboden. Folgte der gewundenen und geästelten Maserung und wagte sich schlussendlich über den Rand hinweg um des Inhaltes angesichtig zu werden. Die Schale war leer.
Die Dienerin bemerkte den Anflug eines versonnenen Lächelns erst, als es die blassen Züge fast schon zu zieren drohte. Noch nicht. Behutsam tastete die linke Hand, nunmehr nicht länger unter schützendem Stoff verborgen, nach dem Gesicht und ließ Zeige- und Mittelfinger die kalten Lippen entlang wandern.

Den Tod an einem Ort zu rufen, der ihm selbst geweiht ist, erscheint mir angemessen. Hier gemahnt nur noch wenig an den Fluss des Lebens, in seiner Vielfalt und Pracht, aber auch in seinem Schrecken und seiner Fährnis. Er aber muss versiegen. Denn ewig, ewig, ewig strömt allein der Tod. Heilig, heilig, heilig ist Sein Name.

Die bloßen Hände in einen Sack voll Asche getaucht, hielt sie inne um das kostbare Gut hauchfein durch die Finger rinnen zu lassen. Dann entnahm sie zwei Hände voll – Eine für Leben. Eine für Tod. – und streute sie über der hölzernen Schale aus. Schließlich fuhr sie sich durch das Gesicht, zeichnete graue Schlieren aus feinem Staub auf die zarten Züge und schloss für den Moment, fast schon genießerisch anmutend, die Augen.

Blind griff sie nach der kleinen Phiole, führte sie an die Lippen und küsste sie. Dann zog sie geräuschlos den Korken heraus und leerte den Inhalt – klares Quellwasser – über der Schale aus. Ich will lernen um zu lehren. Dies gelobe ich beim Wasser des Lebens.

Die Augen noch immer geschlossen halten, nahm sie die Sichel vom Boden auf und streckte die linke Hand über der Schale aus. Die Handfläche nach oben gerichtet, grub sich das Sichelblatt zart in das Fleisch und eröffnete die Quelle strömenden Blutes. Der Schmerz, obgleich der Schnitt wohl bemessen und nicht zu groß geraten war, fuhr als Schauer durch den ganzen Körper und gebot der Elfe, zunächst den Atem anzuhalten. Dann wandte sie die Handfläche der Öffnung der Schale zu und ließ das hervorströmende Blut in einem dünnen Rinnsaal in das Gemisch aus Asche und Wasser tropfen.Ich will lehren um zu lernen. Dies gelobe ich beim Wasser des Todes.

Bild


Sie wickelte sich einen dünnen Streifen Stoff um die noch blutende Wunde und achtete ihrer danach nicht länger. Mit beiden Händen nahm sie die hölzerne Schale vom Boden auf und hob sie hoch über den Kopf. Nun erst öffnete sie die Augen wieder…

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 Betreff des Beitrags: Re: Gesichter des Todes
BeitragVerfasst: 28.06.11, 10:57 
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Der Tropfen wird geboren an einer kühlen Stelle in der Decke, an der die Feuchtigkeit des Erdreichs langsam aber stetig ihren Weg durch das Mauerwerk sucht. Von Beginn bis zum Ende seines kurzen Daseins ist ihm etwas beschieden, woran es vielem anderen gebricht. Er ist durchscheinend, klar und rein. Der Tropfen wächst stetig und löst sich, als er groß und schwer genug geworden ist, von der Decke. Als er den Fall, der gleichsam sein Ende bedeutet, antritt, formt sich an der Stelle, die ihn geboren hat, schon sein Nachfolger. Während der Tropfen fällt, verändert und wandelt er seine ursprünglich tränengleiche Form. Er glänzt und glitzert, als sich das schwache Licht an seiner wandelbaren Oberfläche bricht. Als der Tropfen aufschlägt und zerfließt, gebiert er für einen Lidschlag ein Geräusch. Der Laut erstirbt, fast ungehört, doch der Tropfen lebt weiter. Er ist nun Teil seiner Geschwister, die vor ihm den Weg von der Decke auf den Boden angetreten haben und nun eine kleine Pfütze in der Ecke des Raumes bilden. Der schwarze Marmorboden verweigert ihnen die Aufnahme in das Erdreich. So verharren sie wie die Sünder in Morsans Hallen, ewiglich wartend, bis sie letztlich verdunsten müssen.

Dumpfes Pochen, wie ferner Hammerschlag veranlasst die Ohrmuschel kurzerhand zu einem einmaligen Zucken, noch bevor sich die Erkenntnis über den wahren Quell des Geräusches im Verstand Bahn bricht. Ein neuerliches Pochen gleicht dem plätschernden Geräusch, wenn Wasser auf Wasser trifft. Dann öffnen sich die Augen und der himmelblaue Blick zerteilt den Schleier des Zwielichts und wird des nächsten glitzernden Tropfens angesichtig, der sich zu seinen Geschwistern ergießt. Es vergehen noch einige Atemzüge, ehe darüber Klarheit herrscht, vom Klang des Wassers geweckt worden zu sein. Nicht wie gewünscht, von der ersehnten, vertrauten Stimme um die sie so lange schon gebeten hat. Wieder und wieder schien das Ansinnen abgewiesen; herrscht nur Schweigen.

Es ist mühsam, die bleiernen Gliedmaßen zum Gehorsam zu zwingen und den eigenen Leib von der Bahre zu heben, doch die Luft ist angenehm kühl und die Stille fast vollkommen. Ein neuerlicher Tropfen zerschellt. Sie folgt seinem Sterbenslaut blind, die Augen wieder geschlossen. Die Finger gleiten behutsam über den Boden und tasten nach dem kühlen Nass, benetzen die Lippen und dann das ganze Gesicht. Erst jetzt öffnet sie die Augen wieder und starrt auf die sich von der Berührung noch kräuselnde Wasseroberfläche und erwartet oder erhofft, den Tod zu erblicken.

Das dunkelbraune Haar fällt ihr in leichten Wellen, in den Spitzen zu Locken gedreht, locker über die Schultern. Ihre Gesichtszüge, die ins Schmale tendieren, sind eher gleichmäßig und proportional ausgewogen, die Linien sind klar und weich gezogen, aber sonst von keiner Auffälligkeit geprägt. Ihre Augen sind wie zwei Bernsteine und ihre Haut von einer edlen Helligkeit geprägt.

"Ich bin noch hier."

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