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 Betreff des Beitrags: Feuer und Asche - Eine Anatomie
BeitragVerfasst: 18.08.10, 21:56 
Einsiedler
Einsiedler

Registriert: 27.04.10, 20:32
Beiträge: 5
Bleierne Stille liegt schwer auf dem flackernden kleinem Licht einer einsamen Kerze. Die Totenstille der Ödnis, wo der Wind keine einziges Blatt findet, durch das er Rascheln kann und statt der warmen geborgenen Stille eines tiefen Waldes nurnoch die düstere geduldige Wacht von Asche und unfruchtbarer Erde verbleibt. Das totes Land, verbrannter Boden, geschundene Aschewüste ist ein geduldiger Beobachter, ein in tiefem Schlaf harrendes Monstrum, geboren und im gleichem Moment der Geburt gemordet unter Schwerterklirren und den Wirrungen eines Krieges, der stumm und ohne sinnstiftende Erklärung geführt wird, unverständlich für alle, die in ihm morden, bluten, streiten und fallen. Doch der einsamen Kerzenflamme leistet noch eine weitere Stille stumme Gesellschaft.

Eine dumpfe, hohle Stille nistet tief in dieser Totenruhe. Die Stille einer weiten Kaverne, tief geborgen in kaltem Stein, die Wände feucht, scheint der Hall vielfach verschluckt zu werden, hungrige kriechende Gestalten lauern in den Schatten und Ecken und reissen jeden Klang, jedes leise Flüstern, selbst den tonlosen Laut unausgesprochener gewichtiger Gedanken und spucken ihn ausgemergelt und verzerrt wieder aus. Doch der einsamen Kerzenflamme leitet noch eine weitere Stille stumme Gesellschaft, kaum auszumachen, kaum zu vernehmen, wie das leise Murmeln fallender Regentropfen ins tosende und tobende Sturmmeer.

Eine Totenstille, deren unsichtbarer düsterer Schatten die Kerzenflammer noch kärglicher, noch vergeblicher gegen die tiefe Dunkelheit der Höhle macht. Eine Totenstille, obwohl so leise und verborgen die Schatten zurückzucken lässt, die verblassten Erinnerungen vergangener Geister, die in der Höhle hausen erstarren lässt. Die Totenstille der Öde und die hohle Stille der Höhle verblasster Geister werden übermannt, von der leisen Stille des einzigen Mannes in der Höhle, dessen Hände die Kerze enzündet haben. Diese Stille gehört ihm allein, dringt aus jeder Pore seines in regloser Pose verharrenden Gestalt, geboren aus seinen Gedanken, seiner Totenwacht. Es ist die Stille eines Mannes, der auf seinen Tod harrt.

Einst brannte er, einst brannte sein Geist und sein Eifer. Zuerst gierte er nach Macht und Einfluss. Dannach gierte er nach Anerkennung und Stellung und verzehrte sich nach der Aufmerksamkeit einer Gottheit, die ewig stumm blieb, ewig entfernt, ewig gleichgültig. Schließlich gierte er nach Unsterblichkeit oder zumindest Macht, nicht über Andere, sondern über das eigene Schicksal, zuerst im Leben und dannach nurnoch im Tode. Wie soviele Andere seiner Art war brannte er, ein hungriger Eifer, der sich selbst verzehrte und dannach zehrte, andere zu verzehren und überzugreifen. Ein Feuer war er und Feuer waren die Anderen, die brannten und verbrannten und ewig nach Mehr hungerten. Doch wo im Geiste der Anderen das Feuer ewig hungrig lauerte, selbst wenn es jeden Funken verzehrt hatte, der nicht an den Hunger denken wollte, war er erloschen und das Feuer hatte nur tote Asche zurückgelassen, aus der sich nichts mehr erheben sollte, weder neues Leben, neues Denken noch neues Feuer. Er war tote Asche, gepresst und das erbärmliche Abbild eines Körpers und einer Seele. Tote Asche, die vortäuschte ein Geist zu sein, ein Mensch zu sein und doch nur leere Form war, zusammengehalten durch Sturrheit und Starrsinn.

Einst war er Feuer und stand an der Seite großer Magier, gleich welcher Gesinnung, gierig aus ihrem Schatten zu brechen und loderne und furchteinflößende und großartige Flamme zu sein. Einst war er Feuer und wollte die Welt brennen sehen, verbrennen in seinen Flammen und verschlungen in seinem Hunger. Einst war er Tarantel, einst war er eine giftige Natter, ein Vernichter und Verächter, doch nun war er eine Spinne gefangen im eigenen Netz, eine Schlange, die sich mit den eigenen Giftzähnen in den Schwanz beisst.

Nun war er Asche. Die Asche eines Toten, der weigerte, sich einzugestehen, dass er schon längst gestorben und verbrannt worden war. Asche, die nur noch Worte hervorbringen konnte, die nurnoch leer waren und Gedanken denken konnte, die verbrannt waren und Taten gebären konnte, die hohl und selbst Asche waren.


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 Betreff des Beitrags: Re: Feuer und Asche - Eine Anatomie
BeitragVerfasst: 20.08.10, 18:46 
Einsiedler
Einsiedler

Registriert: 27.04.10, 20:32
Beiträge: 5
Cinis. Asche, grau und vor Unzeiten erloschen, bar des letzten Glimmens. Nurnoch eine Erinnerung an Feuer, an Flammen, an Visionen und hungrigem Wollen. Cinis erinnerte sich an alte Gedanken, damals geboren um zu überzeugen, um im Streit der Inspirationen siegreich hervorzugehen, um Gefolgschaft und Gefähren um sich zu scharren. Gedanken, die nur noch an leere Höhlen und hohle Schatten gerichtet werden, die in ihm keinen Funken einer Inspiration erregen, denn alle Visionen sind längst verglüht, nun grau und still und tot.

"Es war einmal ein weiser Wanderer in einer Zeit, in der Demut das oberste Gebot war. Die Menschen senkten ihr Haupt vor ihren Götterabbildern, sie senkten das Haupt vor ihren Lehensherren und senkten den Blick vor ihren Sklavenhaltern. Demut und Folgsamkeit war ihnen oberstes Gebot und nicht zu sehen, was von Adel war oder von höherem Stande, durch Geburt oder zufällige Fügung, war ihnen oberstes Verbot. Die Menschen erkannten ihre Herren und Meister nicht, sahen sie nicht als Menschen vor sich stehen, sondern vernahmen nur ihre Stimme, die Befehle formte, Strafen und Lob verkündete. So wurden den Menschen ihre Fürsten und Herren zu Göttern, zu körperlosen Stimmen, die ihnen ihre Aufgaben in der Welt einflüsterten.

Die Menschen sahen nurnoch die nackte Erde, den Dreck unter ihren Füßen und alles Leben, das kriecht und sich im Staub windet, und eine Welt, die sich im niedersten Staub windet, war alles, was sie kannten. Sie wussten nichts vom Horizont, schon garnicht wussten sie vom Himmel. Doch ein Weiser hob seinen Blick, mitten auf der Reise durch eine tote Wüste von einer untergegangenen Stadt zu einer Anderen. Er hob den Blick und sah ein Gebirge in der Ferne, welches er erkannte und an dessen Hängen er geboren worden war. Doch es war eine gänzlich andere Projektion seiner Heimat, die seine Augen erblickten, ein ganz anderes Ding in der Ferne und doch erkannte er. Er erkannte Form und Gestalt hinter der Stofflichkeit und Materie des Gebirges. Er erkannte die Dualität von Körper und Geist, nicht nur in dem Innersten des Menschengeschlechts sondern sogar in unbelebten Dingen, die uns umgeben. Trotz ihrer mannigfaltigen Stofflichkeit erkennen wir ihre Form, ihre abstrakte Gestalt, die Idee ihres Seins. Wir erkennen die Dinge, wie sie sind und nicht nur, wie sie etwas sind.

Der Weise wusste, dass er den Berg umrunden könnte und seine Pässe durchwandern könnte, immer eine andere seiner Stofflichkeit erblickend, verschiedenste Projektionen der Form, doch würde er niemals zweifeln, dass dies seine Heimar wäre, denn er würde sie stets in ihrer Gestalt erkennen. Doch dann hob der Weise den Blick weiter in den Himmel und er erkannte, dass die blassen Schemen und Formen, die über die Erde krochen, nur die Schatten von Wolken waren, weit und fern im Himmel thronend. Die Schatten waren nur substanzlose Projektionen der unerreichbaren Wolken am Himmel und die Wolken waren selbst nur Schatten ihrer eigenen Idee, ihrer abstrakten Gestalt, die uns Wolken wiedererkennen lässt, gleich welche Form sie annehmen mögen. Und obwohl er niemals die diesseitige Stofflichkeit einer Wolke in ihrer Gänze erfahren und erkennen werden würde, war er doch nicht in der Lage, sich in die Lüfte zu erheben und in den Himmel aufzusteigen, so war es dem Weisen, wie auch dem Dümmsten aller Menschen, keine Schwierigkeit, die Wolken im Himmel auszumachen und sie Wolken zu nennen."

Ähnliche Geschichte, ähnliche Gleichnisse, stets mit der gleichen Erkenntnis, werden vielen fast vergessenen Philosophen zugeschrieben. Nur sicher ist, dass irgendwo vor vielen Jahrtausenden ein Denker die Dualität zwischen der Form und dem Körper erkannte, zwischen Idee und Stofflichkeit und eine neue Welt erschuf, die von substanzlosen erhabenen Ideen bewohnt wird, von abstrakten Gestalten, die für uns nur als Schatten und verzerrte Bilder zu erkennen sind.

Blutige Kriege, die heute nurnoch als Nebensätze in vergessenen Geschichtsbüchern verzeichnet sind, wurden ob dieser Philosophie geführt, zwischen ihren Abkömmlingen, die sie verfeinerten oder verunstalteten, sie benutzen, um ein Paradies höherer Gedanken zu erschaffen, oder jede Idee, jede abstrakte Gestalt und damit jeden Gedanken als reine Symbolik, die nur in der Dunkelheit hinter der Stirn eines Mannes existieren, zu brandmarken.

Cinis, der nurnoch Asche war, wusste es besser, als Symbolen und Gedanken nur diese ärmliche Existenz zuzuweisen. Er wusste um ihre Macht, um ihre Verlockung und die Gefahr, an der auch er sich verbrannt hatte, zu Grunde gegangen war. Doch das sind Gedanken der müden Gestalt in einer einsamen Höhle, in ihrer eigenen Totenwacht verharrend, die noch Cinis noch für sich behält, noch nicht den Schatten und Schemen, die seine leblosen Begleiter sind, anvertraut.


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 Betreff des Beitrags: Re: Feuer und Asche - Eine Anatomie
BeitragVerfasst: 21.08.10, 13:19 
Einsiedler
Einsiedler

Registriert: 27.04.10, 20:32
Beiträge: 5
Viele Gelehrte wähnten die Existenz einer unerreichbaren Sphäre, in denen jeder ihrer Gedanken schon in der kunstvollsten und reinsten Form seit Anbeginn der Zeit existierte. Mathematiker träumten heimlich und verstohlen von einer Sphäre bevölkert von Geometrien aus reinem Licht, an deren Horizont in feurigen riesigen Buchstaben ihre Beweise geschrieben waren, die sie hier auf Tare schattenhaft entdeckten. Künstler versuchten die Welt der Ideen und Gedanken, der Inspiration und der Muse, in Worten und Bildern zu beschreiben, in jämmerlichen Abbildungen ihrer unbeschreiblichen Reinheit und nur die größten und besten Künstler vermochten es, mit ihren Beschreibungen eine solche Sphäre nicht in den Dreck zu ziehen, diese Idee zu beschmutzen durch pathetische Vergleiche und lächerliche Metaphern. Priester sahen in dieser Sphäre die Göttlichkeit ihrer Götter wandern, das unveränderliche und ewige Haupt einer Gottheit, das nicht etwas ist, sondern schlicht nur ist, frei von jeder anderen Qualität, frei von Handlung und Tat, nur passiv und niemals aktiv.

Cinis wusste, dass es eine lächerliche Annahme war, dass es nur eine solcher Sphären geben konnte. Eine vollkommen unbegründete Annahme, geboren aus billigster Zahlenmystik. Genauso könnte man die Existenz von zwei dieser Ideenwelten postulieren, oder vielleicht von vieren, wie es die Priester gerne taten ohne weitere Begründung. Doch der Verstand und eines der einfachsten Prinzipien der Logik geboten es, dass der schlichtesten Erklärung der Vorrang gegeben wird.

Es sind unzählige Ideenwelten gleichzeitig, die in ständigem Wettstreit ihre Schatten nach Tare projezieren. Welten, die von Geistern, Dämonen, Göttern und Engel bewohnt werden und von Verkörperungen von Ideen, von Abstraktem, von Inspirationen und Visionen und allem Vorstellbaren. Im Herzen jeder dieser Welten harrt ein monströser Leviathan, ein Riesenhafter Körper einer einzigen Idee, der sich bis in den Himmel erhebt und an die Grenzen seiner Welt stößt. Ständig werfen alle diese Welten Projektionen und Schatten nach Tare, flüstern uns im Traume Visionen ein, schenken und Inspiration oder erregen furchtbare Gedanken. Jede Stofflichkeit und jedes Symbol, dessen Form wir in unserem Geist zu erkennen meinen, ist nur ein schemenhaftes Abbild einer Gestalt in einer der fernen Ideenwelten. Was auch immer diese Welten bevölkert, ob wir es nun Wesen oder Idee nennen wollen, ob nun Dämon oder Inspiration, ob nun Tugend oder Gottheit, ist unveränderlich, ist reines Sein ohne etwas zu sein, ist fern und vollkommen gleichgültig und harrend und nur die Schatten flirren in unserer Welt, verzerrt und in Bewegung gesetzt durch Winde, jede Handlung nur eine täuschende Illusion, die unsere Augen uns einbilden lassen.

Wir beten Schatten an und Abbilder an, während jenes Sein, welches diese Schatten wirft, vollkommen gleichgültig ist, in seinem reinen Sein unsere Existenz weder bemerkt und schon garnicht uns Aufmerksamkeit schenkt. Wir fürchten andere Schatten, die uns wie Dämonen scheinen und verfluchen ihre Gestalt, wo doch ihr furchtbares Tanzen nicht Teil ihres reinen Seins ist, sondern nur Bewegung, die unsere Sinne uns vortäuschen. Wir sind Sklaven von Inspirationen und Visionen, die aus anderen Sphären herüber schwappen und in unserem Geiste nisten, aber doch nur Abbilder wahrer Ideen sind, die nicht an uns interessiert sind, genauso wenig an der Umsetzung von Vision und Traum auf Tare. Eine Inspiration schert sich nicht darum, von einem Künstler auf Leinwand gebannt zu werden, denn sie ist ewiges Sein ohne etwas zu sein. Der Traum einer reichen Welt, einer besseren Welt, einer brennenden Welt, einer beherrschten Welt schert sich nicht um die Umsetzung, denn Tare ist ihm eine ferne kümmerliche Existenz, über der die Idee weit erhaben in der Ferne thront. Tugenden scheren sich nicht, ob wir nach ihnen leben. Der Ehre ist es gleich, ob wir ehrenhaft handeln, der Liebe gleich, ob wir liebevoll sind, der Demut und der Weisheit gleichwohl, denn Ideen und Tugenden sind auch ohne unser Tun ewig und unveränderlich immer. Sie sind reines Sein, ohne jedes Tun.


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