„Es war eine gute Nacht gewesen“, war die vorherrschende Stimmung wie sie so auf dem Rücken lag, die Augen halb geschlossen und den Regentropfen lauschte, die auf den Baum herunter prasselten und sich ehe sie sie erreichten, in den zu einer kleiner Höhle verwachsenen Geflecht aus Ästen verlor. Sie lauschte dem grollen des Donners und fand den Moment zu tiefst beruhigend. Feanthil murmelte leise etwas vor sich hin. Sie versuchte nicht zu ergründen was. Hatte dieser Abend sie doch nur gelehrt dass er irgendwann erzählen würde was wichtig war. Man musste ihm nur Zeit lassen.
Aber es tat gut dass er hier war, dass er sich entschlossen hatte sich zu öffnen und genug Vertrauen hatte alles zu erzählen. Er würde auch Stück für Stück bereit sein Nähe zuzulassen und seinem Herz ein wenig Frieden zu gönnen. Und diese brauchte er dringend.
Die Szene die sich ihren halb geschlossenen Augen darbot war unendlich friedlich, Friede wie ihn nur der Wald zu schenken vermag, wie er nur im Einklang mit dem Terthao möglich ist. Es war gut wie alles gekommen war. Sie hatte recht behalten dass ihre Wege verwoben waren. Und ihr war klar wieso er sie so berührte, wieso sie immer so voll Zärtlichkeit an ihn denken musste und sich unwillkürlich ein Lächeln auf ihre Lippen stahl wenn die Sprache auf ihn kam. Sie hatte von Anfang an gewusst dass mehr in ihm steckte.
Ein wenig glitten, bereits im Wegdämmern begriffen, ihre Gedanken zurück die letzten Stunden. Er hatte sie besucht und sie hatten sich ins Baumhaus zurückgezogen. Sie hatten geredet. Seine Frage hatte sie verdutzt. Nicht einmal so sehr weil er sie stellte, dafür waren ihre eigenen Fragen zu oft zu schwer für andre nachvollziehbar, sondern mehr die Tatsache dass sie keine wirkliche Antwort darauf hatte. „Wieso ich?“ „Wieso hast du mich ausgesucht. Es gibt sicher genug Hochelfen die nicht so kompliziert sind wie ich.“
Ja… wieso er? Was erwartete sie sich? Was war besonders an ihm? Sie versuchte zu erklären. Andre lehnten sie ab, oder sie hatte nicht das Gefühl mit ihnen auf einer Ebene zu sein.
Aber ihr war klar, dass das nicht die Gründe waren. Es gab keine die sie in Worte fassen konnte. Sie vertraute auf ein Gefühl. Es war keine Entscheidung die sie bewusst getroffen hatte. Es war einfach so. Es war das unbestimmte, aber sehr deutliche Gefühl dass es so sein musste. Dass es mehr gab und sie dazu bestimmt war es zu ergründen. Dass er etwas mit sich herumtrug, was er preisgeben musste und dass sie die Geschichte hören sollte.
Und als er sie fragte ob sie die Geschichten die sie begonnen hatten, weiter hören wollte, war dies nur mehr der Beweis. Dennoch tat sie was sie immer tat: Sie lies ihm die Wahl. Er sollte entscheiden ob er bereit war dazu. „Eine Geschichte ist wie ein ein umgestoßenes Gefäß. Einmal begonnen, läuft es aus. Man kann sich nun entscheiden - lässt man das alte Gefäß leerlaufen und fängt den Inhalt in einem neuen auf oder stellt man es wieder auf, mit der Hälfte des Inhalts...“ Dieser Blick den er in diesem Moment wo er dies sagte auf seinen Zügen trug, diese Verlorenheit, diese Verletzlichkeit, brach ihr fast das Herz. Sie ertrug es ohnehin schlecht wenn jemand litt, aber bei ihm war es noch viel schwerer zu ertragen. Dennoch.. es war ein Wendepunkt und dies war ihr bewusst. Sie durfte und wollte keinen Einfluss nehmen, ihn nicht drängen. Da musste er alleine durch.
Und er erzählte. Er berichtete vom Ende seiner Kindheit, berichtete von einer Ausbildung. Sie hörte einfach nur zu. Er berichtete von den Lehrstunden mit seinem Onkel. Dem 3. Sohn aus der Generation seines Vaters… und erst viel später wurde ihr die komplette Tragweite dieser Information bewusst… und wohl auch ihm in späteren Götterläufen. Sie sah den jungen Feanthil, noch immer mit dem Gedanken an seine Spiele, und wie er begierig war mehr zu lernen. Wie er sich einfügte in die Lehrstunden und im Grunde immer noch Spaß hatte daran, wie er langsam zwar mehr den Ernst des Themas begriff, aber im Grunde den Kampf immer noch als Übung sah.
Sie sah ihn mit seiner Mutter, wie sie ihn lehrte und er sich abmühte mit diesem Thema. Wie er sich für die Kräuter interessierte, aber keine rechte Meisterschaft darin erlangte. Sie sah das sanfte, ein wenig traurige Lächeln seiner Mutter, die so geduldig war mit ihrem Sohn. Die es schaffte auf dem schmalen Grad zu wandeln, ihren Sohn vorzubereiten, ohne dass er wirklich ahnte auf was, vielleicht nicht wirklich glücklich damit, aber sie hatte sich damit arrangiert. Sie hatte gewusst worauf sie sich einließ als sie ihr Leben mit dem seines Vaters verband. Noch einmal deutlich stieg sie in ihrer Hochachtung. Es war sicher nicht einfach, die Söhne in solch einer Gewissheit zu erziehen.
Sie sah ihn wie er mehr über die Geheimnisse seiner Familie erfuhr.
Und sie sah ihn wie er an der Seite seiner Lehrmeisterin lebte. Eine Schwester ihres eigenen Volkes- Leyalia. Nun rückblickend, dachte sie mehr darüber nach. Sie hatte sicher gewusst was die Geheimnisse waren die die Arinths mit sich trugen, und sicher auch was das Schicksal des dritten Sohns war. Wie hatte sie wohl dazu gestanden. Warum hatte sie sich entschieden die Ausbildung zu tragen. Warum? War es ihr gegangen wie ihr selbst? Sie hatte aus Freundschaft und Loyalität beschlossen ihn zu begleiten, oder stand sie hinter den Entscheidungen? Dies würde sie wohl nie erfahren.
Als er erzählte wie sehr er sich bemüht hatte sie zu beeindrucken, ihr zu gefallen, dass er sie wirklich geliebt hatte. Es war ein seltsames Gefühl. So lächelnd, so zärtlich, so amüsiert-erfreut, wie wenn man ein kleines Kind beim spielen betrachtet. So wie sie sich oft fühlte wenn sie ihm zuhörte. Aber ein wenig war es anders. Und erst später hatte sie begriffen, dass es Eifersucht war ein Stückchen. Aber auf was.. oder wen? Auf die Elfe die ihm damals sein Herz gestohlen hatte? Oder darauf dass er solche Erinnerungen hatte und sie nicht. Darauf dass es nie jemand gegeben hatte der ihr auch nur ein winziges bisschen so nahe stand. Darauf dass sie immer ein Einzelgänger gewesen war, mit einem großen Herz und unendlich viel Liebe für jeden, aber nie jemand speziell sie so viel mehr berührt hatte… Oder doch? War es nicht so dass er sie so viel mehr berührte? Dass seitdem sie sich um ihn kümmerte, sie es nicht mehr als Qual empfand sesshaft zu sein, verpflichtet zu sein… gebunden zu sein?
Kurz atmet sie durch, geniest die leisen Geräusche, der tapsenden und schnüffelnden Bären, den Ruf des Käuzchens. Das Leben, die Nacht, ist niemals still. Es riecht in diesem Wald den sie ihr Zuhause nennen darf, so viel mehr nach Leben als anderswo. Sie nimmt den leichten Geruch wahr, den er verströmt. Nein.. kein Fremdkörper in diesem Wald. Sogar sein Geruch, die leisen Geräusche seines Atems, seines Herzschlags, sie passen hierher. Es ist gut wie es ist. Und auch wenn er es nicht ahnt vielleicht, hat nicht nur sie ihm heute geholfen. War nicht nur sie ihm eine Stütze, ein Anker im tobenden Meer Tares, sondern auch er ihr so sehr. Hat sie es doch nur dadurch wirklich zulassen können, ihren Platz, ihre Aufgabe wirklich im Herzen anzunehmen.
Langsam schweifen die Gedanken zurück zu seiner Geschichte. Er meinte er fragte sich noch heute, was der Sinn der Lektion war, dass sie ihn einfach verlies. Ohne ein Wort, ohne eine Spur oder ein Zeichen. Nein Sie würde ihm nicht sagen was sie vermutete. Es gab nur einen Grund. Man hatte ihn lehren wollen, dass er im Leben nicht würde haben können was er sich wünscht. Dass er sich nur auf sich selbst verlassen konnte und in seinem Leben kein Platz für Andre würde sein können. Egal wie sehr er sich dies wünschte.
Aber genau dies sollte er nicht glauben. Es war eine Lüge. Er konnte dies ändern. Nur weil andren es nicht gelungen war, könnte es doch ihm gelingen. Er sollte kein Leben führen müssen ohne innere Ruhe, ohne Wärme, ohne Zärtlichkeit. Wenn er es wünschte auch nicht ohne Liebe. Auch wenn dieser Gedanke sie zugegebenermaßen auf seltsame Weise schmerzte. Denn würde ihre Bindung das bestehen? Denn das setzte voraus dass es jemand anders geben würde, dem er dasselbe Vertrauen entgegenbrachte das er ihr gegenüber nur mühsam an den Tag legte und jemand anders der ruhende Pol, sein Anker, sein Licht sein würde. Aber wenn es so sein sollte war auch dies gut so.
Er erzählte von seiner Festigung, von den ersten Kämpfen. Davon wie er den Ork hinterrücks erstach als dieser kurz unvorsichtig war. Sicher nicht ehrenhaft. Aber in der Natur galt das Recht des Stärkeren. Und vor allem war sie froh dass er überlebt hatte. „Ich hatte es nicht geplant, nicht dieses Mal. Es war einfach eine Gelegenheit, die ich ergriff als sie sich mir bot. Glück, wenn man so will. Und ich lernte etwas über den Tod. Ich glaube, jedes lebende Wesen fürchtet das Dunkel. Und das Mindeste was ich tun kann ist, Ihre Würde zu bewahren und sie nicht unnötig zu ängstigen... Wenn sie es nicht verdienen.“
In diesem Moment wurde ihr viele klar. Nein sie selbst fürchtete nicht das Dunkel, aber im übertragenden Sinn war es richtig wohl. Jeder fürchtet ein Dunkel, jeder auf seine Weise. Und bei ihm war es nicht das Dunkel der Nacht, das Dunkel des Todes, oder des Bösen… er fürchtete sein eigenes Dunkel. „.. nicht dieses Mal..“ Sein Weg war der Kampf, sein Weg war am Ende oft zu töten, und manches Mal ging er mit dem Vorsatz dies zu tun. Er hatte Angst vor sich selbst, davor ein Dunkel in seinem Herzen zu tragen, das ihn überwältigen würde. Als sie es aussprach wusste sie sie hatte recht gehabt. Er musste lernen mehr wie ein Jäger zu denken, als wie ein Krieger.
Der Rest der Geschichte, hatte trotz all der noch verbleibenden überraschenden Wendungen, im Grunde nichts Neues enthüllt. Nicht über sein innerstes. Nur über die Fakten… Dennoch, erst an seiner Reaktion auf seine Worte merkte sie dass er die ganze Zeit dies gefürchtet hatte, verschwendete sie keinen Gedanken daran ihn aufgrund dessen zu verstoßen, im Stich zu lassen oder sonstiges.
Nein sie hatte aufgehört zu urteilen. Sie musste nicht alles gutheißen, nicht alles mit tragen was andre taten, aber sie würde ihn deswegen niemals im Stich lassen.
Das feine Trommeln des Regens, das leise Heulen des Windes, wird im wegdämmern zu Worten.
„Vielleicht verstehst du nun, warum ich das Ende dieser Geschichte fürchtete.“ „Was genau fürchtest du?“ „Vor dem, was du gesagt hast. "Dieses Denken passt nicht in meine Welt“ „Aber Feanthil. ich sagte.. und das ist der feine Unterschied im ganzen dass dieses Denken nicht in meine Welt passt, nicht dass du nicht in meine Welt passt ich muss solche Entscheidungen nicht mit treffen und ich denke nicht dass du das von mir erwarten würdest“ „Mein... Dilemma ist noch ein anderes... Du hast richtig erkannt, dass ich vor meiner eigenen Finsternis Angst habe. Letzten Endes ist Gewalt ein Mittel der Unterdrückung. Unser Gewissen hindert uns, zu weit zu gehen, die feine Grenze zu überschreite
auf deren silberner Linie ich balanciere Aber, wie ich sagte: Ich fühle kein Bedauern, wegen dem was ich tat.“
… was er tat…. Nein glücklich war sie damit nicht. Niemand durfte solche Entscheidungen treffen. Aber die Dinge waren wie sie waren und vielleicht würde die Zeit auch manches ändern. Aber so oder so würde es nichts daran ändern was sie ihm auf seine Sorgen versprochen hatte. Sie würde sein Licht sein, das ihm den Weg zurück zeigte, zurück aus seinem eigenen Dunkel, sein Anker, der ihm Halt gab. Und dieses Versprechen würde sie halten.
Aber erst jetzt wurde ihr bewusst wie viel Angst er wirklich gehabt hatte davor sie könnte ihn verurteilen, sie könnte fortgehen und ihn allein lassen.
Die Frage, die nach all dem, im Moment des Einschlafens blieb war…
Warum?