Der Tag wollte scheinbar nicht vorbeigehen...zusehr ähnelte er dem Vortage. Erst in der Falkenpfütze nach den Hexern suchen...und wieder vergeblich...und schliesslich zum Wall, darauf achten das die Löwen ihn nicht schon wieder verlieren. Diese Hexer versprachen eine seit langem mal wieder willkommene Abwechslung zu sein. Das ständige Ringen gegen Oger oder Trolle war doch nur mehr eine Übung für ihn um nicht einzurosten. Wieviele hatte er über die Jahre schon erschlagen? Hunderte? Tausende? Er zählte schon gar nicht mehr. Als Dwarschim hatte er seinen Soll erfüllt, bald würde eine Statue im Tal von ihm errichtet werden und eine Inschrift von seinen Taten berichten. Er hatte sein Volk gerettet, die Insel, den König...und nun blieb nichts als Leere. War er etwa arrogant geworden über die Jahre? Seine Siege schmeckten hohl, der Rausch des Kampfes, die geschärften Sinne, das Brennen in den Muskeln wenn man die Axt durch zähes Fleisch und Knochen schmettert...es verging, kaum das er es geniessen konnte. Hexer...waren da mal eine willkommene Abwechslung. Sicher, seine Brüder machten sich alle große Sorgen ihretwegen. Zu große. Hexer oder nicht...sie sind doch nur aus Fleisch und Blut, und sie werden wie alles aus Fleisch und Blut vor ihm Fallen, wenn er seine Axt in ihren Leib versenkt. Aber der Weg dahin...es schien ihn Reizvoll! Kluge, aufmerksame Gegner die nur schwer berechenbar waren...er fühlte etwas wie eine Herausforderung in ihm aufkeimen! Aber nun stand er am Wall...und wiedermal war es ruhig. Die Kreaturen der Ödnis hatten sich weit in das dunkle Land zurückgezogen, wagten es wohl nicht zum gut bemannten Wall hinüber. So scherzte er mit Lothar über den Ödlandhirsch, oder über die Wölfe die im Graben um den Wall am ersaufen waren. Viel mehr war nicht zu tun. Natürlich war da noch diese komische Heilerin vorhin, die sich später als eine der Hexen entpuppte...eine seltsam hässliche Frau mit noch hässlicheren Kleidern. Wer hätte geahnt, das sie nicht nur an harmloser Anatomie interessiert war, sondern den armen Lothar ein Bein oder einen Arm hatte absägen wollen? Leider war sie geflohen...also brachte auch das nicht mehr wirklich Abwechslung in den Tag. Der Sieg über William Serav im Übungskampf war reine Pflicht für ihn. Er hatte nicht einen der furchtbaren Tardukai in der letzten Woche niedergeschlagen, um nun von einem Leiter einer Khaelschule bezwungen zu werden. Es war ein guter Kampf, ja, aber wie jeder Kampf und jeder Sieg in letzter Zeit war die Freude darüber bereits vergangen, als der Gegner vor ihm im Sand aufschlug.
Bragthor und dieser Lalazintin, oder wie dieser Khael auch immer heissen mag, waren unten bei der Gefangenen. Komischer Khael...hat den Namen eines Gragosch, sieht aus wie grad den Kinderschuhen entwachsen, und will der armen Frau da unten die Seele behandeln. Er schüttelte den Kopf. Das war nun wirklich keine Aufgabe für einen Halbwüchsigen. Das war eine Sache für einen richtigen Geweihten! Und die Gefangene selbst...eine seltsame Frau. Bragthor hatte ihm berichtet was mit ihr geschehen war. Beim Versuch einen Dämon zu vertreiben war sie dieser Sphäre entrissen worden...und in den Höllenfeuern Mandors wurden ihr Geist und ihr Körper gematert. Ihm schauderte bei dem Gedanken daran. Der Verstand eines Dwarschim war nicht dafür gemacht sich derlei Qualen vorzustellen. Er konnte sich vorstellen, dass sie ob dieser Erfahrung gefährlich war. Er hatte es oft gesehen, dass jene, die große Qualen erlitten hatten, nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden konnten und in einem Rausch wild um sich schlugen. Wer weiß, was eine Hexe ihres Formates zu tun im Stande war? Und doch hatte er Mitleid mit ihr. Und das beruhigte ihn. Mitleid hatte er schon lange nicht mehr gefühlt. Es war wie ein kleiner Nadelstich in seinem Bauch, gefolgt von einem Grummeln, und dann wieder der Stich...immer im Wechsel. Es muss Jahre her sein, dass er zuletzt so gefühlt hatte. Und es war beruhigend noch so zu fühlen. Es war ein Zeichen dafür, dass er noch nicht verroht war, trotz allem was er gesehen und getan hatte. Die Schlachten, das Töten, die gefallenen Freunde - zerrissene und entstellte Leiber auf einem vom Blut getränktem Boden, groteske Kreaturen deren fauliges Fleisch brockenweise aus ihnen herausgeschlagen werden musste - Bilder, die ihn mitlerweile unberührt liessen. Er hatte es zu oft gesehen. Er hatte zu oft selbst den Boden mit Blut getränkt, seine Gegner in Stücke geschlagen. Aber diese Frau erweckte sein Mitleid. Und das war gut! Die Dämonenbrache, die sich grade jetzt vor seinen Augen erstreckte, hatte noch nicht über ihn gewonnen. Seine Seele war noch rein, sein Weg noch der Richtige. Er war noch immer Traim Eisenblut, der Schlächter, und sein Werk noch immer das der Götter! Und dieses Mitleid, ausgerechnet für eine Hexe, eine vogelfrei gesprochene Verbrecherin, war der Beweis dafür.
Sie waren schon recht lange da unten, ehe die Magier eintrafen. Es war erfreulich mal wieder den alten Tiberias zu sehen. Ein seltsamer Kauz zwar, doch auch ein treuer und aufrichtiger Freund. Einer der wenigen Hexer, mit denen Traim gern in Gesellschaft war. Es war sicher besser die Gefangene an der Magierakademie zu verwahren, statt in dem stickigen Kerker des Walls, wo es nichtmal ein Fenster gab. Vielleicht würden die Hexer ihr sogar ein wenig helfen können, immerhin verstanden sie sich auf den ganzen Dämonenkram. Er selbst verstand sich nur soweit darauf, wie er musste. Also wo die Axt hin muss um einen Dämon wieder loszuwerden, mehr brauchte er auch nicht darüber zu wissen. Aber Tiberias war klug, vielleicht einer der klügsten Männer der Insel. Er würde sicher wissen, was mit ihr zu tun ist.
Als sich die Tür endlich öffnete, war er nur zu bereit seine Hilfe für den Transport der Gefangenen anzubieten. Vielleicht würde er ihren Zustand nochmal genauer beobachten können, oder ihr ein paar beruhigende Worte mit auf dem Weg geben können. Und es wäre natürlich ein gutes Gefühl zu wissen, dass sie tatsächlich sicher in der Magierakademie ankommt. Doch auf seine Frage wurde ihm nur geantwortet, dass es höchstens einen Leichentransport geben würde. Er blickte verwirrt umher, instinktiv zählte er jene, die durch die Tür getreten waren, sie waren vollzählig, jeder der reinging kam auch wieder raus...wer war gestorben? Und dann erblickte er den Blutfleck...halbverdeckt, denn der Jüngling Lazalantin stützte sich schwer auf einen der Löwen. Helles blut, in einem saftigen Rot...er wollte ihre Seele heilen...alle die reingingen, kamen auch wieder raus...und da dämmerte es ihm. Die Gefangene war tot. Ermordet. Und wieder keimte ihretwegen ein Gefühl in ihm, das er lange nicht mehr gespürt hatte. Zorn. Nicht die heisse Wut, die ihm im Kampfe übermannte, sondern kalter, berechnender Zorn, eine Flamme aus purem Eis. Er forderte sofort eine Erklärung, und Bragthor begann zu berichten. Doch jedes Wort liess seinen Zorn nur größer werden, stärker auflodern, er spürte ein Zittern durch seinen Körper jagen und eisige Finger über seinen Verstand streichen. Die Gefangene wurde ermordet. Um ihre Seele zu erlösen. Eine wehrlose, schwache Hexerin in Eisenkragen. Und alle haben sie nur zugesehen. "Diese Entscheidung obliegt nicht Dir, sondern den Göttern allein!" hörte er sich selbst sagen, wie aus weiter Ferne. Man wollte sie vor den Qualen und Foltern der Magierakademie bewahren...ihre Seele ist erlöst...diese Worte hallten dumpf durch seinen Verstand. Doch wer war dieser Lazalantin zu entscheiden, wann eine Seele zu erlösen ist? Und wer ist er zu entscheiden, dass nichts sonst versucht werden muss? War nicht sogar Vater Benion, der Erzpriester Vitamas über die Gefangene informiert worden? War es nicht in seiner Macht eine Seele von Qualen zu erlösen, ohne Mord, ohne das Blut einer wehrlosen Frau? - Es müssen 6, oder 7 Personen in dem kleinen, engen, dunklen Raum um die Gefangene auf ihrer Strohmatte stehen. Der Zwerg ist mit der Waffe in der Hand bereit dem Ventuspriester den Rücken freizuhalten, baut sich breit auf. Die Gefangene ist geschwächt, immer wieder schweift ihr Geist ab, verliert sich aus der Situation, Verwirrung spiegelt sich in ihren Augen wider, so viele Menschen, so viele Geräusche, so viel Fremdes, das spärliche Licht schmerzt in den Augen, die Stimmen sind so laut, zuviel auf einmal... Ein Schatten legt sich über ihr Gesicht als sich der Jüngling herabbeugt, den Dolch eng am Körper haltend, ausserhalb ihres Blickfeldes. Er wollte ihr helfen, er sprach mit ihr, beruhigte sie, fragte sie zu ihrem Schmerz. Ein Stechen in der Brust, für einen Moment ist der Körper wie von einem Blitz getroffen, bäumt sich auf, ein letztes Mal Schmerz, dann unendliche Leere in ihren Augen...das Blut quillt aus der Wunde wie Wasser aus einer Quelle, in wenigen Augenblicken wird der Quell versiegen, wenn sich mehrere Liter des roten Lebenssaftes auf den Boden der stickigen, kleinen Zelle ergossen haben, in der dicht gedrängt düstere Gestalten auf die Leiche herabblicken... - Wie nur soll das Grauen Mandors größer sein, als jenes in dieser Szene?
Die Gefangene war tot. Und so auch es ein großes Unrecht war sie zu töten...sie SO zu töten, würde es ungesühnt bleiben. Als Vogelfreie durfte man ihr antun, was immer man wollte. Aber er würde dies nicht hinnehmen. Es war nicht an diesem Jüngling über ihre Seele zu entscheiden. Es war Mord. Grausamer Mord. Und seine Seele soll nun büßen dafür, soll die Qualen erleiden, die er meinte nehmen zu dürfen. Es passiert nicht oft, dass Traim sich entschied eine andere Waffe als seine Axt zu wählen. Doch wie er dem Schamanen Xanthar auf seine Frage sagte: Die Axt ist eine zu milde Strafe für dieses Vergehen. Er würde Schmerzen bereiten müssen, die tiefer als Fleisch gehen.
Er folgte dem Jüngling, als dieser vom Wall weg wankte. Sein Schritt war völlig ruhig, er sah selten so klar wie jetzt, jede Bewegung im Gras, das Rauschen des Windes... Er blieb stehen, als der Jüngling sich auf den Brunnen stützte und auf das Wasser blickte. Er musste nicht denken, die Worte kamen von selbst aus seinem Mund, der kalte Zorn der sich seines Geistes bemächtigt hatte flüsterte ihm zu, was er zu sagen hatte...Worte schärfer als jede Klinge. "Har...schaut ruhig genau hin. Man sieht nicht oft das Gesicht eines Mörders, har. Nur werdet ihr von nun an natürlich täglich ein solches sehen." Tiefer schneiden! Tiefer schneiden! "Na, wie fühlt es sich an, die Entscheidung eines Gottes zu fällen? War es ein erhabenes Gefühl eine wehrlose Frau zu töten?" Noch nicht tief genug... "Wenn ihr so weiter macht, wird man euch bald den Schlächter nennen, har. Mein Bart wird sich wohl Sorgen machen müssen um seinen Namen." Jetzt nicht nachlassen! Erst wenn der Feind liegt! "Aber mein Bart wollte euch vor allem Beglückwünschen. Ihr seid nun ein Held dieser Insel. Ihr habt eine wehrlose Frau ermordet und alle werden es euch danken." Seine Seele soll bluten! "Es tut mir leid. So leid" "Sagt das euren Göttern. Sie werden euch verzeihen müssen. Mein Bart wird dies nämlich niemals tun!" "...so leid" "Nun denn, Kreh... Schlächter. Mein Bart hat genug für Heute von Frauenmördern..." Er wird Leiden! Seine Seele wird bluten! Er wollte ihre Qualen nehmen...dann soll er sie haben!
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