7. Oner des Jahres 22 nach Hilgorad
Meine geliebte Frau,
Zum ersten mal empfinde ich die Zeit wie ein Herzschlag. Die Augenblicke pumpen in meiner Brust wie ein Zählwerk. Die geheimsten Gedanken, die früher fern und unwirklich erschienen, bedrohen jetzt die Klarheit der Gegenwart durch eine Wahrheit, deren Botschaft nicht mehr Schöpfung sondern Vergänglichkeit heißt. Ich empfinde die Bedeutung dieser Worte als ein Gewicht, das von mir genommen wurde, weil ich weiß, dass du sie lesen und mich verstehen wirst, sowie ich gelernt habe nur dir zu vertrauen. Es ist mir wichtig, dass du erfährst wie es in mir aussieht und daraus Erinnerungen und Erfahrungen für dich selbst gewinnst, die dir weiterhelfen. Was ich jetzt als Trost empfinde, da meine Kräfte nachlassen und sich die Aussichten auf einer Fortsetzung des gemeinsamen Weges verdüstern, den wir gerade aufgenommen hatten... Misstrauisch aber gestärkt durch unseren Überzeugungen. Ohne diese Überzeugungen wäre ich wahrscheinlich nie so stark gewesen, mich jetzt, wo ich denke, dass ich in den kommenden Zyklen jederzeit sterben könnte, in meiner ganzen Hilflosigkeit an dich zu wenden und zu hoffen, dass du mir verzeihen wirst, dass ich den Rest des Weges nicht gemeinsam mit dir gehen kann.
Während meines Dienstes habe ich gelernt, dass der Feind kommt ohne sich anzukündigen. Wie ein düsterer Fremdling, der sich einfach einnistet und seine neue Behausung gegen sich selbst wendet. Das ist das bösartige bei den Dienern des Einen, dass sie als Eindringlich anfangen, aber bald eins werden, mit dem in den sie eingedrungen sind. Sie zwingen einen sie zu zerstören, auch wenn der Preis dafür manchmal die Selbstzerstörung ist. Und falls die Dunkelheit mich schon verschlungen haben sollte, wenn du das liest, darfst du nie denken, dass die Möglichkeit zu irgendeiner geheimen Intervention bestanden hätte oder dass du sonst irgendetwas hätten tun könntest. Denn wenn der Charakter eines Mannes sein Schicksal ist, dann ist der Kampf keine Wahl sondern eine Berufung. Ich spüre langsam, wie der Feind in die zerbrechliche Festung meines Geistes eindringt. Und ich komme mir vor am Abgrund stehend allein gelassen zu sein.. und dass ich in das lachende Gesichts des Wahnsinns blicke. Doch obwohl wir gemeinsam in kurzer Zeit einen weiten Weg zurück gelegt haben, erfordert es diese letzte Ertappe dass ich dich allein zurück lege und mich dem Feind stelle.
Es fällt mir schwer, dir die Angst zu beschreiben, mich gegenüber einen Feind zu sehen, den ich weder alleine besiegen, noch ihm entkommen kann. Es nimmt mir ein großes Gewicht ab, dir über dies schreiben zu können, egal ob diese Worte dich irgendwann erreichen werden oder nicht. Doch ich weiß, dass deine Gedanken stets mit mir sind. Dafür bin ich dankbar, mehr als ich es je ausdrücken könnte.
Und ich hoffe, dass du wieder die Kraft haben wirst, vom Anfang zu beginnen.
In treuester Liebe,
William