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 Betreff des Beitrags: Expedition ins Ungewisse
BeitragVerfasst: 10.06.05, 23:02 
Ehrenbürger
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Langsam öffnete er seine Augen. Vor ihm tat sich der nächtliche, sternenklare Himmel auf. Benedikt kam nur
schwer zu sich. Schlaftrunken richtete er sich auf und blickte sich um. Er war doch tatsächlich eingeschlafen,
direkt auf den Steinstufen hinter dem gigantischen Wall, welcher neben den verzierten Ornamenten des Lehens
und des Königreiches Galadon die letzte Trutzburg vor dem endlos wirkenden Ödland darzustellen schien. Er
rieb sich genervt den Rücken. Im Kettenhemd zu schlafen war wahrlich kein angenehmes Erlebnis. Die Ringe
hinterließen lustige rote Kringel in der Haut, die nicht minder juckten als das sie lustig anzuschauen waren.
Nachdem er sich des Kettenhemdes auf grobe Art entledigt hatte - er schleuderte es argwöhnisch an die Mauer -
erhob er sich und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Was hatte er hier überhaupt zu suchen?

Er erinnerte sich schlagartig. Viel war geschehen. Broyd, dieser seltsame Norländer, dem er am Vortag begegnet
war, hatte ihn hergeführt. Benedikt lehnte sich mit beiden Armen an das Mauerstück zu dessen Füßen sein
Kettenhemd lümmelte. Gestern erst war er auf Siebenwind angekommen. Der Nortrave begleitete ihn seit seiner
Ankunft auf dieser Insel, ungewöhnlich eigentlich. Ihm war es gleich, hatte er doch einen Begleiter gefunden
der ihm die Hafenstadt näherbringen konnte und ihn herumführte. Brandenstein war genau so wie er es sich
vorgestellt hatte. Hier schienen die Uhren anders zu laufen, eine gewisse Ruhe umgab die Stadt. Hier würde er
sicher sein. Nachdem Broyd ihn durch die Stadt geführt hatte und ihm alle Sehenswürdigkeiten offenbarte, machten
die beiden Rast in der lokalen Taverne. "Verdammt!" murmelte Benedikt leise in die Dunkelheit. "Das kann ich
vergessen." Er hatte vor dort als Aushilfe zu arbeiten. "Was musste ich auch so voreilig sein." Zu erschöpft
war er nach der langen Reise gewesen und an jener Treppe am Ostwall eingeschlafen. Zu spät um dem Angebot noch
nachzukommen. Bestimmt hatte bereits ein anderer die Stelle übernommen.

Durch seine Wut wieder ins hier und jetzt gerissen, drückte sich Benedikt von der Mauer los und schritt die
Treppen hinunter. "Wenigstens dem werde ich nachkommen." Er hatte vor, das Ödland näher in Augenschein zu nehmen.
Broyd brachte ihn her aufgrund seiner Bitte, sich die Auswirkungen des Krieges genauer anzusehen. Einge Schritte
machte er, ehe er zum stehen kam. "zu Dunkel." Er kehrte zurück und zog eine Laterne aus seiner Tasche, welche
er an einem der Glutständer, welche die Brücke zierten, entfachte. Er verschwand in Richtung Ödland, und
wenig später wurde der kleine Lichtschein am Horizont gänzlich von der Schwärze der Nacht verschluckt.


Das Licht der Laterne schien unaufhaltsam gegen die pechschwarze Nacht anzukämpfen. Benedikt schritt langsam
und bedächtig voran, immer von den knirschenden Geräuschen der Asche und verbrannter Äste unter seinem
Schuhwerk begleitet. Der schützende Wall war bereits aus dem Sichtfeld verschwunden, da hielt er plötzlich
abrupt inne. Vor ihm tat sich ein nicht unbedeutend großer Abhang auf. Er ging ein wenig in die Knie und
hielt die Laterne hinunter. "Wasser?" Im gleichen Atemzug vernahm er einen seltsam anmutenden Gestank, den er
nicht so recht zuordnen konnte. Er erhob sich wieder und begann damit, den Abhang abzugehen. Er schien einen
Kreis zu bilden, eine Art See. Als er etwa die hälfte des Weges abgegangen war, richtete sich sein Blick
gen Osten. Er staunte nicht schlecht, als er die abgebrannten Fassaden mehrerer prächtig anmutender Häuser sah.
"Eine Stadt?" sprach er leise, und beäugte die Ruinen eine Zeit lang. Doch als er sich in jene Richtung aufmachen
wollte, schien ihn etwas unvermittelt nach unten zu ziehen. Er ging beinahe zu Boden, schrie laut auf vor Schreck.
Ein lautes Knurren antwortete auf seinen Schrei, ein Grauwolf hatte sich im Schutz der Dunkelheit an ihn herangepirscht.
Benedikt ließ reflexartig die Laterne fallen, welche laut klirrend auf dem Boden zersprang. Er griff nach dem Schwert,
welches er an seinem Schwertgurt befestigt hatte und zog es surrend aus der Scheide. Er merkte jedoch, dass um ihn herum
nun nichts mehr war als Dunkelheit und er den Wolf nicht mehr genau erkennen konnte. Wild wuchtete er die Klinge herunter,
scheinbar mit Erfolg. Der Grauwolf heulte laut auf und das ziehen an seinem Bein verschwand. Stark keuchend verharrte er
stehend, ständig versuchend irgend etwas in der Schwärze auszumachen. Dann vernahm er das knurren mehrerer Wölfe, es schien
als hätte sich ein ganzes Rudel um ihn versammelt.

Er ergriff panikartig die Flucht, in jene Richtung in der er zuvor die Ruinen der Stadt erblickt hatte. Er spurtete wie
besessen, ohne erkennen zu können wohin ihn seine Beine trugen. Nach einer Weile jedoch kam er auf einen alten, verfallenen
Platz, der von einer Straßenlaterne erleuchtet wurden. Langsam kam er zum stehen und stellte sich direkt unter die Laterne in
den schützenden Lichtschein. Wie lange er gerannt war wusste er nicht. Die Wölfe jedoch schienen von ihm abgelassen zu haben.
Er legte den Kopf in den Nacken und blickte verdutzt den Laternenmast empor. "Wie kann das sein?
Mitten im Nichts hält jemand eine Laterne am brennen?" Sein Gedankengang wurde rasch unterbrochen. Laut grunzend preschte ein
Ork über den Platz direkt auf ihn zu. Benedikts Augen weiteten sich. Er hob die Klinge wieder an, welche jedoch im Vergleich
zu der mächtigen Keule des Orken wie ein Zahnstocher zu wirken schien.

Erster Treffer. Zweiter Treffer. Laut schreiend ging er in die Knie, das Schwert wild nach oben wirbelnd.
Eher durch Zufall hieb er dem Orken das rechte Ohr ab, welcher unter starken Schmerzen von ihm abließ und reflexartig mit seiner Pranke
den blutenden Stumpf betastete. Die Situation nutzend, schleppte sich der verletzte Benedikt quer über den Platz in die
Dunkelheit, die ihm jetzt wie ein erlösender Segen erschien. Das brüllen des Orken hallte noch lange durch die verlassenen
Straßen der Stadt, ehe es immer leiser wurde und letztendlich verstummte. Die schweren Schläge des Orken hatten Benedikt stark zu
schaffen gemacht. Er irrte orientierungslos durch die Weiten des Ödlands, verzweifelt versuchend wieder zum Wall zurück
zu kehren. Als er dann nach einer ihm endlos erscheienden Zeitspanne das Licht der Glutständer an der Brücke erspähte, atmete er tief auf
und schleppte sich die steineren Stufen hinauf. Nachdem er eine Zeit lang rastete, blickte er zurück auf das ewige Nichts, dass sich vor
ihm auftat. Er nahm das Kettenhemd, das unverändert an dem Mauerstück rastet zur Hand und begab sich auf den Weg zurück in die scheinbare
Sicherheit der Insel.

"Ich muss acht auf mich geben, sonst sterbe ich auf der falschen Seite dieses nie endenden Krieges." sprach er leise, als er den Feldweg
zurück ins Landesinnere betrat.


Zuletzt geändert von Spike: 11.06.12, 22:47, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 7.07.05, 21:38 
Ehrenbürger
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Spät war es, sehr spät. Der siebte Hellzyklus neigte sich langsam seinem Ende entgegen.
In Greifenklipp war bereits seit längerem eine unheimliche Stille eingekehrt. Das Dorf war
durch Felas strahlen hell erleuchtet, jedoch wie üblich zu dieser Zeit von keiner Seele
mehr belebt ausser denen der Schlafenden. Nun, von einer Vielleicht doch. Ein kleines Zimmer der
Dorftaverne, gelegen direkt zum Schankraum, verursachte gelegentlich ein leises, unmerkliches
Poltern.

1. Unzufriedenheit

Er saß mit beiden Armen hinter dem Kopf zusammengeschränkt auf dem Stuhl. Der kleine Raum schien
ihn sichtlich zu erdrücken. Nervös starrte er aus dem Fenster, das direkt über dem Tisch vor ihm
den Blick auf den See preisgab. Wenn man etwas näher an jenes Fenster heranschritt, konnte man bei
gutem Wetter etwas Nordöstlich gelegen die Silhouetten Brandensteins beäugen. Für diese hatte er
jedoch im Augenblick wenig üblich. Benedikt schlug sich mit allerlei wirren Gedanken herum. Es
war ein regelrechter Dämmerzustand, in dem er sich befand. Er rief die Vergangenen Tage in sein
Gedächtnis.

Rattenmenschen. Bei dem Gedanken musste er leicht spöttisch lächeln. Direkt in der Siedlung zu
Südfall hatten sie ihn überfallen. Zwei an der Zahl. Gekleidet in Fetzen und bewaffnet mit Klingen.
Niemand schenkte ihm glauben. Mittlerweile war es ihm egal geworden, der gebrochene Arm war in der
Zwischenzeit verheilt. Gebrochener Arm.. Das warf ein weiteres, unliebsames Ereignis hervor. Um
dem Spott seiner Mitbürger zu entgehen erfand er einen Orkenüberfall, der zu dem Bruch führte.
Schon damals war Benedikt von tiefster Unzufriedenheit getrieben worden. Er wusste das er Zeit verlor.
Seit seinem Besuch im Ödland hatte sich wenig verändert. Er verbrachte das Groß seiner Zeit damit,
abzuwarten bis sein Arm verheilt war und er endlich erneut aufbrechen konnte.

Es war soweit. Er drückte sich hastig aus dem Stuhl und packte willkürlich einige Dinge
in seine Tasche. Nahrung, Waffen. Wo war die Laterne? Er griff sie eilig und blickte sich noch einmal
suchend in dem kleinen Tavernenzimmer um. "Alles da? Gut. Schnellen Schritts verließ er die Stube
und ging zielstrebig durch den Schankraum hinaus ins freie. Er schien gut in der Zeit zu liegen, der
kommende Dunkelzyklus machte sich noch in keiner Weise bemerkbar.

2. Strafe

Er marschierte nun schon eine Weile in Richtung des Ostwalls, nach wie vor schossen seine Gedanken
wild durch seinen Kopf. Er konnte keinen so richtig fassen, bis er kurz nachdem er Falkensee in
östlicher Richtung verließ plötzlich und unvermittelt mit schmerzverzerrter Miene in die Knie ging,
sich den linken, ehemals gebrochenen Arm haltend. "Was ist das denn!?" knurrte er mürrisch auf. Der
Arm schien heftig zu pulsieren, ein seltsamer, innerer Schmerz stieg in ihm auf. Ihm wurde schwarz
vor Augen. Zusammengekauert lag er auf dem Boden und umschloss krampfhaft mit der rechten Hand den
schmerzenden Arm. Dann ein Filmriss. Plötzlich saß er wieder in der kleinen Kapelle in Seeberg.
Der Viergöttlichen Kapelle.

Seine Augen wanderten panikartig umher. Um ihn herum herrschte tiefste Dunkelheit. Direkt auf ihn
jedoch fiel ein kleiner, fahler Lichtschein. Stille. Beängstigende Stille. Er wusste wo er war.
Es war ein fehler hier herzukommen. Erneut begann sein Arm heftig zu schmerzen. Seine nun weit
aufgerissenen Augen fielen auf jenen. Seltsame Runen begannen ruckartig aufzuflackern und wieder
zu erlischen. Dann die Erkenntnis. "WARUM HIER!?" brüllte er laut schallend in die Dunkelheit.
Es war seine Dummheit gewesen. Er erinnerte sich. Benedikt hatte sich vom Lehrmeister der
Kriegerakademie ausgerechnet in der Kapelle behandeln lassen. Jener war ein alter Mann gewesen,
doch so alt er war, so mächtig war er. Er war es, der jene Runen auf den Arm zeichnete und dadurch
den Bruch heilte. Doch an diesem Ort, in dieser Konstellation der Ereignisse führten diese Runen
noch zu einem anderen Ergebniss, sie wurden zu einem Schandmal für sein Vergehen.

Leise, schleichend begannen die Stimmen zu sprechen. Tausende waren es, jede eindringlich hauchend,
klagend, mahnend. Die Tonhöhen unterschieden sich in jeder einzelen von ihnen, wie ein Chor des
Abscheus sangen sie in seine Ohren. Alle sangen das gleiche Lied. Er verstand es nicht, dennoch konnte
er erahnen was jene Stimmen ihm andeuteten. Du bist hier nicht willkommen. Das wusste er selbst. Es
war seine Eigene Schuld gewesen. Hilfe hatte er keine zu erwarten. Von beiden Seiten nicht. Selbst
sein eigener Herr, so schien es, betrachtete ihn als Wurm, spottend und verachtend über seine Tat
warf er seinen verderbten Blick auf ihn. Zu klein und unbedeutend war Benedikt jedoch, um ihn wirklich
für diesen Frevel zu ahnden. Der Grausame Chorus der Verachtung verstummte wieder. Erneut glühte sein
Arm von innen heraus, die Schmerzen wurden unerträglich. Gezeichnet. Dann verlor sich das Bild wieder
und brachte ihn zurück auf den Weg hinter Falkensee, gekrümmt am Boden liegend.

3. Entschlossenheit

Die Dämmerung brach bereits herein als er sich langsam, ruhig vom Boden aufrichtete. Das Haupt geneigt,
Angsterfüllt über das Geschehene, schritt er langsam weiter. Er war gebrochen. Er erreichte den Wall
nach einiger Zeit, und als er gerade an der Brücke angekommen war, fiel sein Blick ungläubig, verzweifelt
und traurig zugleich auf jene. Sie war teilweise zerstört. Einge Löcher taten sich auf, Steine waren zersplittert,
verrückt und lagen verstreut umher. Es schien als wollte ihn jemand an seinen Fehler erinnern, denn jener
traurige Anblick war genau der Zustand, in dem sich Benedikt gerade befand.

"Sag mir was ich tun soll." Er nahm an der letzten Stufe Platz, vor ihm öffnete sich erneut der Blick auf
das endlos erscheinende Ödland. Am Horizont kein Ende zu erkennen, wie weit der Weg wohl war? Zu weit?

"Du willst mir nicht antworten?" Er erhob sich von der Stufe und schritt zielstrebig nach vorne, Schritt
für Schritt schneller werdend. "Dann werde ich mir die Antwort selber holen."

Zu verlieren hatte er nicht mehr viel. Bei seinem Herren in Ungnade gefallen, blieb ihm nichts anderes
übrig als auf eigene Faust zu versuchen, seinen Pfad wieder aufzunehmen. Er würde etwas finden wodurch
er wieder in der Gunst stieg. Nur was? Er stapfte ziellos durch das karge Land, machte sich wenig
Gedanken um eventuelle Gefahren. Vielleicht nach Gleichgesinnten suchen? In diesen weiten Flächen würde
es eine halbe Ewigkeit dauern, auch nur irgendeinem anderen über den Weg zu laufen. Er wusch seine
Zweifel von sich. Es wird schon klappen. Er schritt langsam und bedächtig durch die Ruinen des ehemaligen
Rohehafen. Da es noch nicht vollends Dunkel war, nutzte er die Gelegenheit die Fassaden etwas genauer
zu betrachten. Ein größeres Bauwerk, eine Art Tempel vielleicht, erschien noch relativ gut gehalten, im
Vergleich zur restlichen Einöde und den verkohlten Häuserruinen. Er wanderte durch das Gebäude, warf
einige Interessierte Blicke umher. Seine Neugier wurde spontan unterbrochen, als er ein nur zu vertrautes
Heulen und Jaulen vernahm. Wölfe. Er sah sie bereits aus der Ferne heransprinten, die genaue Zahl konnte
er nicht ausmachen.

4. Antwort?

"Nicht schon wieder." bemerkte er knapp, als er sich bereits im Rennen befand. Der Wind peitschte ihm um die
Ohren, ein verklärtes Lächeln begleitete ihn auf der Flucht von den Wölfen. Diesmal rannte er nicht wieder
zurück zum Ostwall, seine Füße trugen ihn gen Osten, weiter und weiter in das endlose Nichts. Er würde
es finden, was auch immer es war das ihn hier her trieb. Sein Übermut wurde jäh beendet, als er über einen
größeren Felsen stolperte und unsanft zu Boden ging. Zu seiner Überraschung jedoch war der Aufprall nicht hart,
sondern Nass. Die Laterne versank mit einem sanften Platscher in dem Moor, das sich um ihn herum auftat.
Das Geheule der Wölfe war mittlerweile verschwunden, scheinbar hatten sie ihn als sprintstark in Erinnerung.

Er watete mühsam durch das sumpfige Grün, jetzt mehr wachsam als zuvor, er spürte das etwas nicht in Ordnung
war. Der modrige Geruch umschmeichelte seine Nase und ringte ihm mehr als einmal einen heftigen Würger ab.
Nach einer Weile stolperte er beinah wieder, diesmal jedoch über die Überreste eines in Kettenhemd gekleideten
Skeletts. "Na, mein Freund? Auch auf der Suche nach etwas?" spöttelte er, kniete sich hinab und begann damit
den Leichnam der Kettenrüste zu entledigen. "Die brauchst du bestimmt nicht mehr." Seine eigene hatte er in
der Hektik des Aufbruchs in Greifenklipp zurückgelassen.

Etwas besser gerüstet machte er sich also weiter daran, das Moor zu durchqueren. Es war nicht sonderlich groß,
also erreichte er bereits nach wenigen Minuten das andere Ende. Er fand sich an einer Küste wieder, welcher er
sich langsam, vorsichtig näherte. Das Mondlicht verwandelte das Wasser vor ihm in ein silbriges Schauspiel.
Da stand er nun, irgendwo im Ödland. Er musste leise lachen. Ein durchaus schönes Gemälde, doch war das
wirklich alles? Dann zuckte er zusammen. Der Arm bereitete ihm plötzlich schier endlose Qualen, riss herum
und griff den Wolf, welcher sich gerade durch ein Loch im angeschlagenen Kettenpanzer in Benedikts Bein
verbiss direkt an der Kehle und drückte jene mit leisem Knacken zusammen. "Natürlich. Verzeih meine Naivität."
Er grinste schelmisch, musterte den toten Wolf noch im Ansatz, dann sackte er bewusstlos zu Boden. Der späte
Dunkelzyklus hatte sich vollends entfaltet und umschloss ihn nun, an der Küste des silbrigen Flusses liegend.


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 Betreff des Beitrags: Antwort
BeitragVerfasst: 8.07.05, 06:16 
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Die Augen öffneten sich nach langer Bewusstlosigkeit erneut. Benedikt schreckte unvermittelt auf, blickte rastlos in die Umgebung. Was war geschehen? Natürlich.. Der Wolf. Der Arm. Die Plagen häuften sich. Nun hatte er eine klaffende Bisswunde am Bein zu beklagen. Nicht weiter schlimm. Vorankommen würde er so oder so. Dachte er.

Mittlerweile war es wieder hell geworden, welcher Zyklus genau wusste er nicht, es war ihm auch egal. Ihn interessierte nur eines, die Antwort nach der er suchte. Bald würde er sie finden, doch sie würde weitaus deutlicher ausfallen als ihm das Lieb war. Benedikt rappelte sich schwermütig vom Boden auf, hinkend setzte er seinen Weg fort. Jener führte ihn in südwestlicher Richtung weiter ins Ungewisse. Als er sich einige Zeit lang durch die karge Steppe kämpfte, bemerkte er etwas, noch in den entfernten Umrissen der Sumpfgewächse herumstreifen. Jenes etwas erstarrte Unvermittelt als sein Blick es aus der Ferne traf. "Ach, mein lieber Freund. Hast du dir extra die Mühe gemacht auf mich zu warten?" sprach er seufzend, jedoch mit einem verzerrten lächeln im Gesicht. Die Umrisse des Wesens ließen ihm keine Zweifel zu. Es war der Ork, welchem er bei seinem Ersten Ausflug in die Ödnis das Ohr abschlug. War er ihm gefolgt um seine Rache zu bekommen? Oder einfach nur um ihn seines Hab und Guts zu erleichtern? Was spielte das jetzt schon für eine Rolle. "Soll er kommen." murmelte Benedikt angestrengt. "Ich habe eine Aufgabe zu erfüllen."

So wanderte er weiter, stets die Blicke seines neuen Wegbegleiters im Nacken spürend. Mit dem verletzen Bein würde er ihm ohnehin nichts entgegenzusetzen haben ausser einem müden Lacher. Nur langsam kamer voran, das Bein hinderte ihn doch stärker als angenommen am Vorankommen, es schliff bei jedem Schritt über den Boden und schmerzte nicht minder als das es hinderlich war. Seine Augen wurden wieder schwer, das viele Rennen vor den Wölfen und das stetige Gefühl, gleich von einem marodierenden Orken seines Lebens erleichtert zu werden zerrten an seiner Moral. Bis er dann - wie aus dem nichts - die prächtige, von wilden Gräsern bewachsene Anhäufung von Gebäuden vor sich erblickte. Vollkommen erhalten, als wäre der Krieg nie an diesen Winkel der Insel getanzt, stand es wie künstlich am Leben erhalten in der kargen Landschaft. Eigentlich wäre er misstrauisch geworden, nicht aber unter den gegeben Umständen.

Wie eine Erlösung schien es, erschaffen um ihn von seiner Pein zu erlösen. War das die Antwort nach der er gesucht hatte? Einleuchten würde es ihm. Er hinkte zielstrebig auf die Grüne Oase im Nichts zu, der Ork, die Schmerzen waren vergessen. Nach einer ihm endlos erscheinenden Zeitspann dann stand er direkt vor dem eisernen Zaun, welcher das Grundstück von der Aussenwelt abschottete. Vor ihm das Tor, greifbar nahe. Einen erleichternden Seufzer ausstoßend griff er nach dem rechten Torflügen um jenen zu öffnen, doch so weit kam es nicht. Noch nicht.

Sein Orkischer Wegbegleiter stürmte nämlich just in diesem Moment laut grunzend von der Seite heran, scheinbar unbewaffnet, dennoch wild entschlossen die gegebene Gelegenheit für seinen Vorteil zu nutzen. Benedikt spürte nur noch, wie die blanke, harte Faust des Orken sich mit seinem Hinterkopf liebkoste, als er langsam am Tor hinunterglitt. Nichteinmal den müden Lacher hatte er ihm gegönnt. Die rechte Hand umschlang noch immer den Torgriff, und als er Benedikt herabsank drückte er jenen unabsichtlich hinunter und fiel vornüber durch die Öffnung.

Er erwartete diesmal wenigstens einen sanften Aufprall, nicht gänzlich umsonst hatte er sich in die grüne Oase geschleift. Seine Hoffnungen wurden jedoch durch das bekannte Gefühl "Harter-Boden-Auf-Nase" rasch zunichte gemacht. "ES REICHT!" brüllte er innerlich, seinem lange währenden Zorn endlich Luft machend. Er riss sich vom Boden hoch - mühelos wie ihm schien - und starrte vor lauter Entsetzen und Überraschung nur noch mit fassungslosem Blick in den sich vor ihm auftuenden Wahnsinn. Das ehemalige Bild einer Idyllischen, Friedvollen Zufluchtsstätte hatte sich in ein Meer aus Knochen, Blut und Feuer verwandelt. Der Zaun, welcher das Grundstück abtrennte, lag nun hinter einem Wall aus Mannshohen Flammen, keinen Weg zurück offenbarend. Er stand starr, wie angewurzelt auf dem Fleck und versuchte sich neu zu ordnen. Vor ihm tat sich der leibhaftige Schrecken auf. Berge von Leichen, Endlos tief wirkende Tümpel, genährt durch das brodelnden Blut der aufgetürmten, verstümmelten Körper zahlloser Kreaturen, aus dessen Mitte sich ein alter, vermoderten Baum emporschlung, an welchem dutzende fauliger Organe und Körperteile prangerten.

Langsam tat er einen Schritt nach vorne, sein Bein schmerzte nicht mehr. Der Hinterkopf ließ auch jedes Brummen aus. "Bin ich.. Bei ihm?" Benedikt sprach leise, unsicher. Einige wenige Augenblicke wurde er abrupt aus seinem Staunen gerisse, als sich eine Horde Skelette vor ihm aus dem Blutsee erhob. Wie viele es waren konnte er nicht mehr abschätzen. Mehr und mehr stiegen hoch, die Skeletthorden, vom roten Lebenssaft triefend stürmten sie auf ihn zu. Reflexartig griff er an seiner Seite herab, versuchend das Schwert zu packen. Nichts. Ein schneller Blick an sich hinunter offenbarte einen offensichtlich der Situation unangemessen Missstand - Er war gänzlich Nackt. Als er den verzweifelten Blick wieder nach oben wand war es bereits zu spät. Die Schwerter, Äxte und Streithämmer der Knochenarmee bohrten, schlitzten und schlugen sich unaufhaltsam in seinen Leib.

Laut schreiend, ächzend und jaulend sank er ob der grausamen Schmerzen auf die Knie. Das Blut rannte in Strömen seinen Körper hinab. Dann herrschte Stille. Die Zeit schien für einen Moment inne zu halten. Wieder war er allein. Die Dunkelheit umschloss ihn erneut. Nur der Schmerz begleitet ihn, bahnte sich seinen Weg durch jede Faser seiner selbst, verschlang unaufhaltsam alles Leben in ihm. In diesem Moment der völligen Aufgelöstheit vernahm er sie endlich, die Stimme, auf die er sein ganzes Leben gewartet hatte. Die Stimme, die ihm die Wahrheit verkünden würde und nichts als die Wahrheit.

"Grüß dich, Benedikt." Es war die Stimme eines kleinen Mädchens, fröhlich und unbeschwert sprach sie von überall und nirgendwo zugleich direkt zu seiner Seele. "Wie geht es dir?" Auf diese rhetorische Frage hatte er nicht mehr zu entgegnen als einen leisen, gequälten Aufschrei. "Tut mir Leid, das war eine dumme, dumme Frage." Wieder herrschte bedrückende Stille. "Ist es sehr schlimm?" Er schwieg, er hatte längst den Überblick über das Geschehen verloren und kämpfte nur noch gegen die unerträglichen Schmerzen an. Aussichtslos wie sich herausstellte. Er brach wieder in einen Schrei endloser Qual aus. "Ich habe mir einen kleinen Spaß mit dir erlaubt, großer Bruder." die Stimme des kleinen Mädchnes schlug nach den gesprochen Worten in ein neckisches Kichern um. "Ich wollte dir nur einen kleinen Vorgeschmack auf das Geben was dich erwartet, wenn du weiterhin so Arrogant und Kurzsichtig durch unser schönes Land irrst." Benedikt versuchte sich aufzurichten und zu antworten, doch jede innerliche Bemühung sich aufzubäumen scheiterte an der Ohnmacht durch die Schmerzen, welche ihn wie einen Stein auf dem Boden festnagelte.

Der darauffolgende Satz war es, der ihn endgültig erkennen lies. Die Stimme des kleinen Mädchnes schlug schlagartig um. Bösartig, von Hass zerfressen und schmerzhaft, beinahe wehleidig sprach sie langsam, endlos wirkend: "Du bist Naiv Benedikt. Selbst hast du es erkannt. Doch begriffen hast du es nicht. Wenn du jetzt weiter gehst, wirst du deine erbärmliche Existenz selbst zugrunde richten. Du bist noch lange nicht bereit. Kehre um solange du noch kannst. Im Tode wirst du deinem Herren nichts nützen." Dann, scheinbar wie durch eine Geste unglaublicher Gnade verschwanden die Schmerzen Augenblicklich und Benedikt vermochte es wieder klare Gedanken zu finden. Er spürte das er zurückkehrte, die Welten vermischten sich vor seinem geistigen Auge. "Hör auf mich, großer Bruder. Von jetzt an werde ich dich begleiten wo immer du auch hingehen magst. Wähle deine Schritte jedoch mit Bedacht." Die Stimme wirkte wieder fröhlich, unbescholten.

Das verschwommene Bild klärte langsam auf. Er stand aufrecht da, die nackten Füße gruben sich in den staubigen Boden unter ihm. Vor ihm stand die Armee der Toten, ruhig. Die tausenden schwarzen, leeren Augenhöhlen starrten ihn unablässig an. Nichts rührte sich. Wieder blickte er an sich herab. Hunderte - Tausende winzig kleiner Narben zierten seinen Körper. So winzig, dass man sie erst bei näherem betrachten erkennen konnte. Wieder meldete sich die Stimme des Mädchens von überall und nirgendwo. "Für jeden Schritt den du zu weit gegangen bist eine Narbe. Hör auf mich."

"Du lässt mich gehen?" Benedikts Gesicht erfüllte plötzlich ein Ausdruck, vor Freude und Glückseeligkeit kaum zu übertreffen. "Danke.. Danke." Dies war der Moment, in dem er sich zum Gebet niederkniete, vor ihm die tausend Stummen Zeugen des Geschehenen, hinter ihm die Grundfesten seines neu geschöpften Glaubens.

"Für deine Gnade danke ich dir, Herr. Ich bin zu weit gegangen in meiner Torheit. Wie soll ich dir dienen wenn ich mich ohne Voraussicht in meinen eigenen Untergang stürze? Ich habe mich selbst über dich gestellt. Wenn ich untergehe, dann nur wenn du es mir befielst. Vergib mir meine Sünde, und ich gelobe Besserung."

Just als er sich seiner Demütigen Stellung löste, kehrten die Armee der Toten ihm den Rücken zu und marschierte langsam, gleichmäßig wieder zurück in ihr tiefes, blutiges Grab aus dem sie emporstieg. Nun stand er allein da, um ihn herum das ewige Mahnmal der Verderbnis, in welche er beinahe gestürzt war.

--

Das laute Krähen eines Raben, welcher weit über ihm seine Runden zog brachte ihn wieder zu Bewusstsein. Er lag nackt auf der Wiese vor dem Tor. Ein kühler Windhauch zog durch das Gebiet und wirbelte etwas Staub von der nicht allzuweit entfernten, kargen Realität zu ihm hinüber.
Er richtete sich langsam auf und blickte sich zögernd um. Seine Kleidung lag verstreut über dem Boden. Von der geschundenen Kettenrüste aus dem Moor keine Spur. Er brach unweigerlich in Gelächter aus, als seine Hand die schmerzende Stelle an seinem Hinterkopf rieb. Sein Wegbegleiter war noch gnädig gewesen. Für die Kleidung hatte er offenbar nicht viel übrig gehabt. Er richtete sich auf, nur um in noch schallenders Gelächter ob des schmerzenden Beins auszubrechen. Dann verstummte das Lachen abrupt. Langsam, bedacht senkte er sein Haupt um sich zu betrachten. Die Narben zeichneten sich fein über den gesamten Körper. Ein leises, anerkennendes seufzen folgte. Er kleidete sich ein und hinkte zu einem nahegelegenen Baumstumpf am Ende des Zauns.

Dort setzte er sich und betrachtete eine Weile die trügerischen Fassaden der scheinbar sicheren Zuflucht.
"Ich habe mich gehen lassen. Ich wollte zurückkehren in die Welt der unbescholtenheit, in die Welt der Zufriedenheit und der Verleugnung. Ich habe diese Welt schon lange verlassen. Eigentlich. Ich hätte es besser wissen müssen. Es gibt kein zurück mehr."

Er würde Morgen wieder nach Greifenklipp zurückkehren. Den Dienst an der königlichen Kriegerakademie wieder aufnehmen. So lange, bis er bereit war den nächsten Schritt zu machen.

Dies war der Beginn des neuen Benedikt, und auch der Beginn seiner Krankheit.


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 Betreff des Beitrags: Re: Expedition ins Ungewisse
BeitragVerfasst: 12.02.11, 19:03 
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Beiträge: 773
[5+ Jahre alter Thread Ressurrection ftw!]

Fernab der sich für das hereinbrechende Dunkeltief rüstenden, an einem Ort an dem zuvor bereits unzählige Schlachten geschlagen waren, steht im Schein mehrerer Fackeln in einem Stall ein Mann, der mit - tief ins Gesicht gezogener Kapuze und mit einer Heugabel bewaffnet - dabei ist, diesen auszumisten. Die Kälte im Stall mag ihm zusetzen, immer wieder pustet er aus, um seinen Atemwolken nachzusehen, reibt sich die Handschuhe aneinander. Jedesmal hält er eine Weile inne, Gedankenverloren blickt er in Richtung des Hofes, welcher komplett von schwarzem Gestein eingeschlossen ist.

Jeden Moment, jeden Augenblick würde es soweit sein. Ungeduldig beharkte er das herumliegende Heu, jedem vereinzelt herumliegenden Strohhalm nahm er sich an. Nach einer Weile, als er den Stall bereits fast vollständig gesäubert hat, bemerkte er, wie sich die Kälte, die er zuvor noch als lästig und störend empfand, plötzlich stärker, unnachgiebiger in ihm ausbreit. Er stellt die Mistgabel ab, tritt hinaus in den sich zunehmenden verdunkelnden Hof und richtet seinen Blick empor, auf das immer düsterer werdende Firmament. Es war Zeit.

Er sinkt auf seine Knie herab, ein Akt, der ihm in der folgenden Zeit desöfteren Bevorstand, der ihm jedoch die notwendige Demut in Erinnerung rufen würde, so er sie wieder vergessen sollte. Starr richtet er seinen Blick nach oben, knieend faltet er seine Hände. Er wusste nichts, das war ihm durchaus bewusst - er war nur ein kleiner Wurm der sich anmaßte das Wort zu erheben wo es ihm nicht zustand - zurecht hatte er den Schmerz erlittern, zurecht wurde er gemäßigt, zum Aufwachen ermuntert. Dem Weltlichen kann man sich nicht entziehen, egal wie sehr man sich auch dem Glauben hingibt.

Er reisst sich los von seinen Gedanken, naht doch die Zeit des Herrn, die Zeit des Erlöser, des Erbauers, des Gottkönigs. Jetzt war er besonders nah, das konnte er fühlen, die zusehende Kälte durchströmte ihn, jede Faser seines Körpers.. geprüft, gebeutelt

Andächtig betrachtet er den Doyaron, den dunklen Mond. Der Herr ist nah, er wird mich leiten, ich bin nur ein Gefäß. sprach er leise.

"Ihr scheint selbst nicht zu wissen, wer ihr seid." Die Worte durchstechen seine Andacht, er schnauft tief durch. Nur ein Gefäß. "Mache ich es mir zu leicht, zu einfach?" "Kann ich mich aufgeben, lenken lassen, reicht das?"

Getroffene Hunde bellen.

Als die Dunkelheit ihn komplett verschlingt - das Dunkeltief war vollständig hereingebrochen - macht er sich wieder, rasch, auf in seinen Stall, wo er furios, getrieben, wieder seine Arbeit aufnimmt


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 Betreff des Beitrags: Re: Expedition ins Ungewisse
BeitragVerfasst: 12.02.11, 19:04 
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Beiträge: 773
"Wir alle sind Geschöpfe der Viere, darum tragen wir auch ihren Fluch in uns.
Auch wenn wir, die Diener Angamons, diesen Fluch zu überwinden vermögen, so besteht er doch in den unzähligen Ketzern und Leugnern fort.
Erst wenn die Götter selbst, samt ihrer Anhänger vernichtet sind, wird Friede herrschen.
Auch in uns wird dann die Schuld getilgt; als Erlöser Tares und Bringer des Rechts werden wir unter dem Gottkönig dienen, wenn seine Hand über die Geschichte waltet.
Sein Zorn ist gerecht, sein Hass die Kraft, gegen das bestehende Unrecht zu widerstreben."


Vor den Toren der heiligen Stadt saß er, direkt auf den Stufen zum Wassergraben. Sein Pferd trank gemächlich neben ihm. Viel war geschehen - Falkensee erobert, und was für ein glorreicher Sieg es war. Vänskap, der Wall, niemand vermochte es sich der geballten Streitmacht der Sammler, des Skelettfürsten und natürlich der heiligen Bruderschaft sowie den Exzellenzen der Linken zu widersetzen. Brandenstein ein Flammenmeer. Lediglich in Seeberg verschanzten sie sich, wie die Würmer stapelten sie sich aufeinander. Aber doch..

Vänskap ist gefallen.

Wieder haben sie sich zusammengerottet, wieder, trotz all des Zwists und der Korruption die ihre Seelen blendet, einigen sie sich. Einem Schlächter folgen sie. Wie passend. Nun zeigen sie ihr wahres Gesicht. Sehen sie nicht unseren Guten Willen? Bereit zu verhandeln sind sie nicht. Sie werden kommen. Werden wir widerstehen? Werden sie uns niedermetzeln? Werden sie unsere bohrenden Fragen weiter ignorieren?

"Die Frage nach dem Grund besteht fort. Sie stellt sich noch immer so vernichtend und verzehrend wie einst, als sie gestellt wurde. Wieso wurder er verstoßen? Sind die Götter nicht fähig, zu überwinden? Nicht fähig zu Gnaden? Sind die Götter tatsächlich so einfältig, uns diese Aufgabe aufzuzwingen? Sie selbst sind scheinbar nicht fähig dazu. Ist es ein Test, eine Prüfung unserer Würdigkeit im Lichte der Ewigkeit? Wenn es so ist, wie können wir ihn je bestehen? Auf immer verflucht, zu suchen, was selbst die Götter nicht finden können? Wenn sie nicht vermögen, die Grenzen unserer Seele zu überschreiten, wieso sollten wir es nicht selbst tun? Die Macht der Götter ist greifbar, solange sie fehlerhaft ist. Den Pfade Angamons zu beschreiten bedeutet, die Frage nach dem Grund immer wieder aufs neue den Vieren, und deren verblendetem Gefolge, zu stellen. Sie werden unseren Hass, unsere Verzweiflung und unsere Bitterkeit solange erfahren, bis sie ihm - und damit auch uns - die Antwort geben, nach der wir verlangen."


Er richtet sich auf, greift die Zügel des Pferdes, und blickt noch einmal an das Tor der Stadtmauer, so weit fort von Angamonis, so abgeschieden, einem Exil gleichkommend, und doch wunderschön.

"Sie werden kommen, um uns zum Schweigen zu bringen, doch selbst wenn nicht.."

"Angenommen, die Schande der Götter würde vergeben und verziehen, bleibt nicht trotzdem noch das Unrecht bestehen? Die Viergöttliche Kirche, derer Stellvertreter wohl vermögen, die Lügen und den Schein aufrecht zu erhalten, nur um ihre irdische Macht zu festigen; was geschieht mit ihnen? Ein Krieg scheint unvermeidlich, ist dies der Wille der Götter? Wenn die Antwort darauf ein ja ist, so werden wir kämpfen, vernichten, schreien, bis endlich Recht auf Tare herrscht. Vergehen wir im Kampfe, so bleibt uns zumindest das Reich des Herrn; wenigstens hier finden wir Anerkennung und Erlösung, wenn auch Tare nicht bereit für den ewigen Frieden sein will."


Sollen sie kommen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Expedition ins Ungewisse
BeitragVerfasst: 12.02.11, 19:11 
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"Schuld liegt auf allen, und darum werden auch alle gerichtet; je schuldiger die Welt, um so höher steht das Recht. Die größte Schuld des Menschen sind nicht
die Sünden, die er begeht - die Versuchung ist groß und seine Kraft ist klein. Die große Schuld des Menschen ist, dass er jederzeit umkehren kann, und es nicht
tut."


In längeren Abständen tropfte das Blut auf den hölzernen Tisch vor sich. Eine kleine Lache hatte sich dort schon gebildet. Er stützte sich mit
beiden Händen auf dem Tisch ab und sah zu Boden. Das stehen fiel ihm schwer - zittrig hielt er sich auf den Beinen. Ein Auge war beinahe komplett zugeschwollen,
und an der Stirn klaffte eine frische Platzwunde, aus der das Blut träufelte. Sein Blick zeugte von Verzweiflung, Verwirrung, beinahe panischer Angst. Wieso
jetzt? Wieso ausgerechnet jetzt? SIE war zurückgekehrt, nach all den Götterläufen hörte er zum ersten Mal wieder ihre verdammte, pervertierte Stimme in
seinem Schädel erklingen. Es war so gut gelaufen, fast perfekt. Die Ein oder Andere Unzulänglichkeit hier und dort, aber nichts großartiges. Ein paar
Stolperer ließen sich kaum vermeiden. Er fühlte sich bereit - er fühlte sich der Aufgabe gewachsen, die vor ihm lag. Nie war er seinem Ziel näher gewesen, und
nun warf ihn die Stimme eines kleinen Mädchens vollkommen aus der Bahn. Was war geschehen?

Tropf.


"Bring ihn um, Benedikt. Bring ihn um. Jetzt hast du die Gelegenheit. Bring. Ihn. Um."

ertönte es. Das Gesprochene zerriss seine Konzentration und noch bevor er überhaupt realisierte was vor sich gegangen war, spürte er einen harten, dumpfen
Schlag und seine Sicht wurde von einem schwarzen Schleier genommen, der sich langsam, flimmernd vor seinen Augen ausbreitete. Als er scheppernd zu Boden fiel
und ihm das Schwert aus der Hand glitt, konnte er gerade noch seinen Gegner zu Gesicht bekommen, welcher beinahe zeitgleich ebenso unsanft aufschlug wie er.

"Nein. Nein! NEIN!" dachte er sich, als er langsam wieder zU Bewusstsein kam und sich aufrappelte. Er sah, dass sein Übungspartner noch immer regungslos vor
ihm auf dem Boden lag. Wie konnte das passieren? Wie konnte SIE wieder die Kontrolle erlangen? Er hatte sie schon besiegt geglaubt. So lange war Stille, Ruhe
gewesen. Wie ein Berserker hatte er sich wild mit seinem Schild und erhobener Klinge nach vorne gerissen, und zugeschlagen. In einem Übungskampf, vor den
aufmerksamen Blicken seiner Betrachter hatte er versagt, und nicht nur vor diesen. Sein glasiger, fassungsloser Blick stierte unbestimmt nach vorne.

Tropf.

"VERSAGER! VERSAGER! Was ist los mit dir? Wofür bist du eigentlich zu gebrauchen? BRING ES ZUENDE!"

schrill bohrten sich die Worte des Mädchens in seinen Kopf.
Benedikt gab sich alle mühe die Fassung zu bewahren; wie viele Zeilen hatte er in seinem Buch niedergeschrieben? Wie oft hatte er darin gelesen, die innere
Ruhe gesucht, und gefunden? Wieso brachten ihm die Gedanken an die Zeit mit seinem früheren Meister, und mit den Menschen die er liebgewonnen hatte nicht mehr
die Ausgeglichenheit die er so schätzen gelernt hatte nach seinem Erlebnis in der Ödnis? Er war unvorsichtig geworden und hatte sich zu sehr ablenken lassen.
Der Löwenorden, die Legion, und nun die heilige Bruderschaft. Es war zuviel geworden. Zuviel um SIE noch länger zurückzuhalten. Oder war es die nähe zum
Herren? Er spürte sie immer deutlicher, je länger er in der heiligen Stadt verweilte. Sollte sie ihm nicht Frieden, Erfüllung bringen? Stattdessen wurde er
mit den Dämonen seiner Vergangenheit konfrontiert. War es eine Prüfung? Erbarmungslos riss ihre Stimme ihn aus seinen Gedanken.

Tropf.

"Brüderchen. Schau dir an wo ich dich hingebracht habe. Und jetzt enttäuscht du mich so schmerzlich? Willst du mir wirklich erzählen,
du wolltest Tare der Wahrheit näherbringen? Frieden schaffen, mithelfen, eine bessere Welt für alle zu errichten?"


Langsam regte sich das Leben im Leib des vor ihm Liegenden. Mit einem langgezogenen Stöhnen richtete sich dieser auf, sah sich benommen um. "Angamon sei
gepriesen! Er lebt!"

Tropf.

"Dankst du IHM etwa für DEINE Unfähigkeit? Wie erbärmlich du bist. Du musst sie alle vernichten. ALLE SIND GLEICH! Sie BRAUCHEN dich, und du brauchst MICH!"

"Ich brauche dich nicht."

"Der Glaube verbindet sich mit der Macht; es ist in seiner Tiefe etwas, das aller Macht wiederstrebt, und es in der Macht
ein Zwang, der keinen Glauben achtet, und doch vermag auf Tare keine der beiden Gewalten zu bestehen ohne die andere. Sie durchdringen einander und suchen
einander zu verschlingen; Priester werden zu Gewaltigen, Könige werden gewaltlos. Im geheimen sind die Mächtigen alle verwundet, und es bedarf nur der
Verfinsterung der Gestirne, des ersten Erklingens der Heilsbotschaft, damit die Wunde sich öffnet. Und auch unter den Priestern sind viele verwundet, von einer
geheimen, untilgbaren Schuld vielleicht, oder sie tragen an einem vielleicht unerklärlichen Letzten Schmerz. Schwert und Glaube haben nichts gemein, und doch
wird der Glaube oftmals zum Schwert, um sich dann, auf errungenem Grund, wieder in den Feind des Schwertes zu verwandeln. Der Glaube sinkt ohne die Macht, die
Macht ohne ihn. Zuletzt, jenseits der Welt, siegt der Glaube, wenn er die Welt ganz durchdrungen und überwunden hat, wenn er an ihr Ende und durch sie hindurch
ganz zu sich selbst gelangt ist."


"Du brauchst mich."

"Noch."

"Ich denke ich werde dich ersteinmal in Frieden lassen, nimm dir ruhig Zeit und denk nach, Brüderchen. Ich sehe du bist gerade beschäftigt."

Die Stimme in seinem Kopf verstummte. Nach einer Weile, nachdem die Wunden des Gefallenen versorgt waren und dieser wieder langsam zu Kräften kam, nahm man
sich nun dem Sünder an.

Er sah auf. Die Gestalt in Weiß hatte ihn am Kragen gepackt. Benedikt hatte keine Gelegenheit mehr sich zu erklären: Knackend bohrte sich die Faust des Mannes
vor ihm in sein Gesicht, er taumelte benommen zurück und schlug mit der Schulter gegen die steinerne Wand, sackte an dieser hinab; die Wirklichkeit holte ihn
wieder ein.

"Feradai, prügelt ihm ins Gedächtnis, damit er seine Tat nicht vergisst." Als die Gestalt in Weiß den Raum verließ, wollten die beiden noch verbliebenen
Anwesenden sich ebenso zurückziehen. Gnade walten lassen? Benedikt sah auf.

Tropf.

"Ihr habt den Khetai gehört." erklang es.


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 Betreff des Beitrags: Re: Expedition ins Ungewisse
BeitragVerfasst: 11.06.12, 23:38 
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Fernab der Dinge, mit denen sich der ein oder andere glückselige Bewohner der Insel Siebenwind plagen mag, tragen sich des Nachts an einem Ort fernab der Geschehnisse seltsame Dialoge zu.


Oh wie wir sie belügen, wir zwei. Wie die wilde Jugend die sich bittersüß ihren Platz erkämpft entgegen aller Wahrscheinlichkeit. Wie wir uns wehren, wenn sie uns unangenehme Fragen stellen. Ungestüm wie die Wellen die gegen Brandenstein schlagen, ihren Kampf über die Jahrtausende fortführen. Wir zwei. Als wir uns entschlossen haben zusammen zu kämpfen, war die Welt noch in Ordnung, war Tare noch nicht Schauplatz dieser lächerlichen Spielereien zwischen den Sterblichen und den Unvergänglichen. Du erkennst es, langsam, aber du erkennst es. Dieser Konflikt wird nicht enden. Dieser Krieg wird ewig wären. Wieder hast du Angst, weil du glaubst, eine Entscheidung herbeiführen zu müssen. Du willst es, du sehnst dich nach dem Ende; das ist es schließlich, was du bist. Was du schon immer warst. Aber du kannst nicht gewinnen, du wirst nicht gewinnen.

Du bist endlich, als Mensch, als Essenz dessen was einst göttlich war. Du bist so viel, und im selben Atemzug bist du nichts. Siehst du wie sie streben, sich dem wieder anzunähern, was sie einst waren? Wie sie von Perfektion und Erlösung, und vor alledem Erkenntnis sprechen? Die Tore sind verschlossen, mach dir dies bewusst, vor allem anderen. Es gibt keine Rückkehr zu dem, was einmal war. Ihre Probleme sind weltlich, ihr streben ist weltlich. Wie kannst du auch nur ansatzweise glauben, etwas anderes zu sein, als sie? Du willst sie alle retten. Und dann kommt ein Mädchen dahergelaufen, und vernichtet deine jämmerlichen Anschauungen mit ihrem endlichen Atem. Sie ist tot, sie ist tot, was nun, mein Liebster? Giebst du dich dem banalen hin? Wirst du einer von ihnen werden?

Sie wollen mich dir wegnehmen.

Sie fallen um dich herum wie die Fliegen, die sie sind. All die guten Leute. Alle, in denen du etwas gesehen hast. Wie sie dir davonrennen. Wie sie dir genommen werden. Ein großer Erlöser bist du in der Tat. Hast dir Angamon und deine Tardukai auf die Banner geschrieben, und nun siehst du sie fallen. Einer nach dem anderen. Es reicht nicht. Und weißt du auch warum? Weil du selbst auf immerdar ein Knecht deiner selbst bleiben wirst, so wie sie alle. Deine Wünsche, deine Ziele. Sie sind einen Scheißdreck wert. Tare, Angamon, der Viere Götter und deren treue Knechte. Da ist so viel mehr, als du jemals in deinen kleinen, unbedeutenden Schädel bekommen würdest, mein Liebster.


Du hast geglaubt, es ginge auch ohne mich. Ich habe dir Zeit gegeben. Einen lächerlichen Wimpernschlag meiner Zeit, und hat es gereicht? Sag mir hat es gereicht? Du bist ein nichts, ohne mich. Und das weißt du auch. Siehst du nicht die großen Krieger vor deinem Antliz, die wahrhaft für den Einen kämpfen, und für dessen auserwählten? Lass mich dich etwas fragen: Wer ist da noch? Wer war da noch, wer nicht so entschlossen und voll der Weisheit auf Tare sich in seinem Namen verdient gemacht hätte? Ohne mich hast du kein Anrecht, nicht das geringste, dich unter ihnen verdient zu machen.


...aber sie wollen mich dir wegnehmen.


...um zu sehen, wer du wirklich bist.


Hoffnung. Vertrauen. Glaube. Wann merkst du endlich, dass du ein Trottel bist, der sich von diesen Dingen gefangen nehmen lässt. Nur der, der diese schlichten Dinge überwindet, kann wahrhaft siegen. Du hast dich vorzubereiten. Und wenn ich nicht mehr da bin, musst du dich auf sie verlassen. Schaffst du das? Nein sagst du? Dann stirb doch endlich. Warum lebst du noch? Geh doch zu ihnen, deinen großen Freunden die dem Herrn nun als so unendlich billiges Heer dienen. Willst du wie sie alle, wie so viele vor dir, zu nichts mehr als einer Nummer in einem, zugegeben; gewaltigen Heer sein? Oder willst du mehr? Ich hatte viel Hoffnung in dich, Benedikt. Aber meine Geduld ist begrenzt. Ich brauche dich, und du brauchst mich. Wehe dir, wenn du zulässt, dass sie mir weh tun.

Ich will mein Buch wiederhaben.


Schweißgebadet windet sich der Körper des Mannes in der kargen Festung, zuviel war geschehen in zu kurzer Zeit. Zuviel offenbart was für alle Ewigkeit verborgen gehörte. Würden sie sie stellen, würde es eine Katastrophe geben. "Das Buch muss zurück. Das Buch muss zurück, zu mir, zu ihr."

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Die Zeit läuft.


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