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 Betreff des Beitrags: Neugeburt
BeitragVerfasst: 4.04.11, 12:34 
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Kleidungsstück für Kleidungsstück fällt auf dem Weg zu Boden, den er zurücklegt. Das Gesicht des Mannes ist vollkommen entspannt, befreit. Die Last vieler Jahre ist endlich von ihm abgefallen. „Zu lange schon habe ich damit gewartet!“ ruft er voran, doch auf dem sich abwärts schlängelnden Bergpfad verklingt es ungehört. Es wäre ihm auch egal gewesen, ob es jemand hört. Diese Befreiung, diese Neugeburt, war allein die Seine.

Wie eklig klebrige, widerliche Lumpen pellt er sich (stets penibel sauber gehaltene) Schal, Weste und auch das Schnürhemd vom Leib. Schleudert sie von sich, ohne sie auch nur noch eines einzigen Blickes zu würdigen.

Seine Schritte gehen unbeirrt weiter bergab, sein Gang ist selbst dann noch sicher, als er sich auch der Hose (das letzte Erinnerungsstück an jene Frau, die ihn erst auf der Insel und dann an anderer Stelle willkommen hieß) und der Stiefel entledigte.

Nackt, wie er geboren ward, geht er vollkommen befreit weiter.

An seinem Gaul angelangt, öffnet er die Satteltaschen und zieht daraus die Rüstung und Kleidung heraus, die ihn als das ausmacht, was er ist: Schüler der heiligen Bruderschaft.

Wie war es dazu gekommen, daß er den Ballast endlich hinter sich lassen konnte? Daß er sich die widerliche Maske endlich vom Gesicht reißen konnte und seinem Leben unter den Götzendienern ein Ende setzte?

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Zuletzt geändert von Darandor: 4.04.11, 13:20, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Neugeburt
BeitragVerfasst: 4.04.11, 13:19 
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Sie hatten ihn gewarnt. Eine Warnung, die eigentlich unnötig war. Wusste er doch selbst, daß sie eine Gefahr war. Eine Gefahr für die Reinheit, die er unlängst erst erlangt hatte, für seine Pläne, die sie durch allzu große Nähe durchschauen könnte, für sein Leben, dem sie durch die richtigen Worte zu den falschen Personen ein Ende setzen könnte.

Aber etwas zog ihn dennoch zu ihr hin. Vielleicht war es ihr Anblick im Moment ihrer Verzweiflung. Jener hatte in ihm die Hoffnung geweckt, ihr den richtigen Weg zeigen zu können. Vielleicht war es auch ihre Intelligenz – ein seltenes Merkmal einer Frau, die den Einflüsterungen der Hurengötze folgte. Und.. ehrlicherweise betrachtet.. war es wohl auch seine eigene Schwäche. Sein eigener Trieb und sein Verlangen nach… Liebe?

Zu lange hatte er unter den Ungläubigen gelebt, ohne jede Führung, ohne Regeln, ohne die Worte des Herrn vor Augen geführt zu bekommen.

Mit jedem Wiedersehen kam sie ihm näher, ob er es wollte, oder nicht. Es war ihm zuwider und zugleich verlangte er danach. Sie geizte nicht mit ihren Reizen und brachte ihn mehr als einmal (man denke nur an das gemeinsame Bad im Burgkeller zur Zeit der Finsternis) nahe an die Grenzen seiner Zurückhaltung. Er kannte das Gebot, oh ja. Und schon als er es gesagt bekam, von jener Frau, die er zu diesem Zeitpunkt ebenso begehrte, war ihm bewusst gewesen, daß dieses Gebot für ihn das schwierigste werden würde.

In vielen Gesprächen versuchte er, in sie hinein zu horchen, zu prüfen, ob die Hurengötze wirklich so gefestigt in ihr war. Suchte nach Ansätzen, sie auf den richtigen Weg zu bringen, den Lügen derer, der sie noch folgte, zu entsagen. Und, ohne es zunächst zu merken, hatte auch er über das nachgedacht, was sie dazu beitrug. War tiefer und tiefer in ihre Fänge geraten. Hatte sich dabei ertappt, ihr in manchen Punkten Recht geben zu wollen. War dies nur ein böser Zauber der Hure? Oder wurde er geblendet durch jene Zuneigung, die er gegen seinen harten Willen dennoch für sie entwickelte?

Er spielte das Spiel mit. Wiegte sich mit ihr im Tanz. Einmal, zweimal. Erschrak von der Nähe, die dabei entstand, und genoss sie zugleich.

Dann das nächtliche Bad am Strand. Wieder eine Versuchung. Wieder hallten in seinem Kopf die Worte der Kherinai, während seine Augen und sein Trieb nach dieser Frau verlangten. War er zu weit gegangen? Ihre sanfte Berührung seiner Narben, ihre zweifelnde Frage dabei. Ahnte sie bereits, was er war? Wer er war? Und doch trieb es ihn fast in den Wahnsinn, dort von ihr so zärtlich berührt zu werden, wo die berechtigte Strafe des Ehrwürdigen ihm vor so kurzer Zeit erst gezeigt hatte, was es bedeutet, den Versuchungen der vier Götzen zu erliegen und vom Pfad abzukommen.

Zuletzt fand er ihren Brief in seinem Postkasten. Und damit Erkenntnis…

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 Betreff des Beitrags: Re: Neugeburt
BeitragVerfasst: 4.04.11, 15:33 
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Ein Gedicht war es, das sie ihm geschrieben hatte. Zeilen, in denen sie ihm ihre Lenden literarisch bereits an seinen Unterleib presste und um das bettelte, was dort darauf lauerte, entfesselt zu werden.

Widerlich.

Mehrmals las er es. Doch schon beim zweiten Mal sahen seine Augen nicht mehr die Worte, die dort zusammengefügt waren, sondern spulten vielmehr vor seinem inneren Auge einen Film ab. Einen Film seines bisherigen Lebens. Szenen der Begegnung mit „Mitmenschen“. Männer, Frauen, Kinder. Ihr lächerliches Gehabe. Wie sie blind den Einflüsterungen der Götzen folgten.

Immer wieder sah er sich selbst, wie im Spiegel der Vergangenheit. Wie er sich selbst einige ihrer Eigenschaften zu Eigen gemacht hatte, um nicht in die Fänge der Inquisition zu gelangen. Wie er ach so oft selbst den Versuchungen und Fesseln der Viere erlag, weil er das grausige Spiel mitspielte, das sie ihm vorgaukelten. Diese Maske… diese ekelhafte, widerwärtige Maske, zu der sein Gesicht wurde, sobald er nach den wenigen, unruhigen Stunden des Schlafes die Augen öffnete.

Ständig lebte er mit Halbwahrheiten, um sich nicht um Kopf und Kragen zu reden. Natürlich, er hielt sich an das Gebot. Aber es war dennoch so… anstrengend. Ermüdend. Es zehrte an seiner Kraft und an seinem Nervengerüst.

Damit würde nun Schluss sein.

Säuberlich, fast liebevoll, steckte er sich das Schreiben ein und begann mit den Vorbereitungen. Er hatte schon länger nicht mehr die Bank aufgesucht und war überrascht über die Menge an Münzen, die er im Fach fand. Unermüdlich schleppte er Beutel um Beutel zum Packpferd. Was er nicht brauchte, ließ er zurück. Besitz hatte ihn noch nie interessiert.

Als er dann das Schreiben zur Kündigung seiner zweiten Tätigkeit verfasst und mitsamt dem Schlüssel in den entsprechenden Postkasten geworfen hatte, fühlte er sich bereits freier. Er spürte im ganzen Körper, daß dies der richtige Weg war. Der einzig richtige Weg, den er schon lang hätte einschlagen sollen.

Sein Geld, seine Pferde und das wenige, was er sonst mitnahm, das alles brachte er zu dem Ort, der fortan seine Heimat sein würde. Wie wohl er sich dabei doch fühlte. Warum war er so lange blind gewesen?

Die Zeilen der Antwort, die er ihr hinterlassen hatte, würden das Finale schon bald einläuten.

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 Betreff des Beitrags: Re: Neugeburt
BeitragVerfasst: 4.04.11, 16:17 
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Sie wusste nicht was es war.. Doch schon seit geraumer Zeit war das Gefühl der Belanglosigkeit gewichen.
Sie wusste nicht wer er war.. Und bemerkte doch bei jeder Begegnung den dunklen Schatten den er mit sich zog.

War sie zu naiv? Blind? Oder wollte sie es einfach nicht sehen?
Doch was tat es zur Sache, was er war? Früher.. Ja, früher wäre sie höchstwahrscheinlich vor Angst in Ohnmacht gefallen oder am liebsten auf der Stelle gestorben. Doch heute war es anders. Die Zeit hatte zu viele Erlebnisse, zu viele Erkenntnisse mit sich gebracht, als dass sie noch etwas darauf gab, was jemand nach außen hin war.
Hinter jedem Ritter steckte ein verletzlicher Mann. Hinter jedem Soldaten jemand, der Schmerz empfand. Hinter jeder hohen Dame ein nicht gar so edles Wesen. Und auch hinter einem Schwarzmagier verbarg sich eine unsichere Seele.

Schweigsam sammelte sie mit ihren vor Kälte klammen Finger Stück um Stück aus dem Schnee in ihre Arme. Ihr war, als würde sie die einzelnen Teile des Menschen den sie wertschätzte vom Boden sammeln, nur um am Ende festzustellen, dass der Inhalt aus Stroh, diese Person nie existent war.

Hatte er die ganze Zeit nur mit ihr gespielt? War es von Anfang an sein Ziel, sie zu demütigen?

"Ich hasse es, wenn sich jemand von mir auf der Nase herumtanzen lässt."
"Dann hoffe ich, dass ich von euch nie in die Irre geführt werde.."

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Sólo que a veces no lo vemos.

Manchmal sehen wir es nur nicht.


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 Betreff des Beitrags: Re: Neugeburt
BeitragVerfasst: 4.04.11, 17:06 
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Die Stunden des Wartens an diesem kalten Ort hatte er kaum gespürt, so waren sie vorbeigezogen. Innere Gedanken beherrschten ihn. Ekel über das, was zurücklag. Hoffnung und Freude auf das, was vor ihm lag.

Tatsächlich, da kam sie.

Diesen Moment hatte er nicht geplant. Er wollte sich leiten lassen von dem, was geschah. Fest stand nur sein Entschluss, sich vor ihr zu offenbaren. Sie würde die erste, aber nicht die letzte sein, die es erfahren würde. Sollten sie ihn verfluchen, beschimpfen, jagen. Er wusste, daß sie dabei wieder einmal nur blind ihren vier Götzen folgen würden. Er brauchte sie nicht. Niemanden von ihnen.

Sie wechselten ein paar Worte. Ein Herantasten. War sie wirklich um dessentwillen gekommen, was sie geschrieben hatte? Jah. Aber nicht nur, das hörte er aus ihren Worten und spürte, daß es stimmte.

Das war es auch, was ihn aus der Bahn warf. Wie eine kleine Giftnadel, die an seinem Urteil nagte, das er sich gebildet hatte. Es riss ihn hinfort. Er wusste, daß dies ein Fehler war. Er wusste, daß er gegen das Gebot verstieß. Doch er wusste auch, daß dies der Schlusspunkt unter diesem Kapitel in seinem Leben sein würde. Der finale Akt.

[Spoiler entfernt]

Endlich lagen sie schwer atmend nebeneinander im aufgewühlten Schnee.

Er kam zur Besinnung.

Nicht vergessen hatte er, warum er hier war. Er fühlte sich frei von Schuld. Er hatte ein Gebot gebrochen. Das erste Mal. Doch zugleich das letzte Mal.

Sie nahm bereitwillig in sich auf, was er ihr dann zu sagen hatte, so wie sie in sich aufgenommen hatte, was er ihr zu geben hatte. Doch verstehen tat sie ihn nicht. Fühlte sich benutzt. Sei es drum. Ihre Hurengötze wird ihr schon wieder schöne Lieder singen, damit sie weitermachen kann.

„Achja – Wollust ist eine Sünde!“ Mit diesen Worten ging er von ihr, ohne sich ein weiteres Mal umzudrehen.

Dies war das Ende. Ein gutes Ende, das ein Neuanfang war.

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 Betreff des Beitrags: Re: Neugeburt
BeitragVerfasst: 4.04.11, 17:55 
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Wort um Wort drang sie weiter vor, schöpfte seine Gedanken in kleinen Eimern und nahm jene in sich auf. Doch sie wollte mehr wissen. Mehr erforschen. Mehr teil haben an dem, was er verbarg.
In seiner Nähe fühlte sie sich, als würde sie barfuß über Glas laufen. Gleichermaßen wie er immer weiter in sie hinein blickte, versuchte sie sich zu verschließen. Zu oft war ihr Inneres schon erschüttert worden. Aber es gelang ihr nicht gänzlich.
Unausgesprochene Vertrautheit..
Wollte sie jene aufgeben? - Nein.


"Was sind die Sterne? Was sind wir?"
"Was genau die Sterne in der Welt für eine Bedeutung haben weiß ich nicht.. Allerdings denke ich, wurden sie als eine Art Wegweiser für uns geschaffen. Immerhin orientieren sich doch viele von uns an ihnen, um ihren Weg zu finden. Vielleicht sind sie ja auch die Wegweiser für unsere Seelen."


Ihr Blick wandte sich nach oben zu dem Sternenbild das langsam aber sicher verblasste. Sie sehnte sich danach, ihren eigenen Pfad darin zu erkennen, überhaupt zu wissen wo es sie hinführte. So wie er..
Die kühle, eisige Luft zerrte an ihrer Kleidung und Haar, doch die Kälte drang nicht bis zu ihren Gedanken vor.
Immernoch widerhallten seine an sie zuvor gerichteten Worte, prügelten sich förmlich in ihr Wissen über ihn und überdeckten zunächst alles andere. Natürlich schmerzte es im ersten Moment und natürlich wusste sie nicht, was sie dazu sagen sollte. Sprachlosigkeit war etwas, dass sie abgrundtief hasste.

Sie konnte nicht nachvollziehen, weshalb er sein Dasein mit einemal offen darlegte. Weshalb gab er seine Kehle ohne größeres Zögern preis?
Doch weder war es in ihrem Sinne oder Bestreben, dieser Kehle habhaft zu werden, noch ihn für seine Sichtweise der Dinge zu verurteilen. Für die Meisten wäre sie wohl selbst eine Art Ketzerin, ihrer Meinung nach hatte sie jedoch nur die Scheuklappen abgelegt und ihr Bewusstsein für neues Wissen und Gewissen erweitert.

Augenscheinlich war es für sie auch an der Zeit, eine andere Richtung einzuschlagen.

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Sólo que a veces no lo vemos.

Manchmal sehen wir es nur nicht.


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