Wind, Wetter und Umstände der letzten Monde hatten den marmornen Stufen
des Tempelgeländes arg zugesetzt und eine Patina aus Schmutz auf ihnen hinterlassen.
Beständig strichen die Reisigborsten des Besens über den hellen Stein, trieben Staub,
vertrockneten Matsch und Dreck auf der Stufe von links nach rechts, von rechts nach
links. Altes, faulig gewordenes Blattwerk sammelte sich in dem Häuflein aus Unrat;
Holzreste, ein paar Stofffäden...
Und seine Gedanken schweiften umher. Zu den
Menschen, Elfen und Zwergen, die er in diesem
einen Mondlauf, den er nun schon auf der Insel
zubrachte, kennen gelernt hatte.
...Glassplitter, zwei Vogelfedern...
"Menschen, die sich einen Namen gemacht hatten.
Bruder Malachai. Alchemist Panscher. Die Edeldame
und Kanzlerin Aldorn. So viele Charaktere, wie sie
unterschiedlicher kaum sein könnten."
...eine Glasperle, ein Hadernfetzen...
"Und alle können auf etwas zurückblicken. Auf Arbeit,
Leistung, Strebsamkeit.
Ordnung."
...ein alter Knochen, Katzendreck.
"Ob ich das auch einmal kann?
Auf ein Werk zurückblicken?"
Er betrachtete sein Werk und bemerkte die Unregelmäßigkeit. Hier noch etwas
Schmutz, dort noch einige Krümel - irgendwie halbherzig. Er fegte erneut; begann
oben, arbeitete sich über die erste Stufe vor und schubste den Kericht hinab zur
nächsten. Mit stoischer Gelassenheit trieb er das Häuflein in die andere Richtung,
bis er schließlich alle Stufen freigekehrt hatte.
"Geradlinigkeit - darauf kommt's an."
Nach einer Weile tauchte er erneut am oberen Ende der Treppe auf und stellte
den kleinen Wassereimer ab. Das weiße Tuch band er mit einer Kordel um die
Besenborsten und tränkte es ins kalte, klare Wasser. Er begann, den festsitzenden
Dreck vom Treppenabsatz zu schrubben.
"Manchmal braucht man viel Mühe, um Herrlichkeit zu sehen."
Er war bei der letzten Stufe angelangt, als ein Gläubiger die Stufen hinabstapfte
und mit seinen matschigen Stiefeln den beinahe spiegelnden Marmor beschmutzte.
Ein tiefes Durchatmen, als er den Putzlumpen erneut ins Wasser tauchte und die
Trittspuren entfernte.
"Ruhig muss man bleiben. Fehler verzeihen können."
Irgendwann war er unten angekommen und hatte die Treppenstufen zu neuem
Glanz gebracht. Stolz und bewundernd betrachtete er den fast weißen Stein mit
den schwarzen, feinen Äderchen darin. Und dann hörte er das Poltern, ehe er
bereits von einigen Gerüsteten in nachtblauen Uniformen angerempelt wurde.
Ein Trupp von fünf, sechs Mannen stapfte die Stufen hinauf und verunreinigte
den prachtvollen Anblick erneut. Abermals griff er mit leisem Seufzen zum Mopp.
"Ärger wegstecken. Das Ziel nicht aus den Augen verlieren."
Er brauchte einen knappen halben Zyklus, ehe er wieder zufrieden war mit dem,
was er geleistet hatte. Gerade schüttete er das mittlerweile dunkel verfärbte
Wasser in den Rinnstein, als er wieder das Gepolter hörte und die Gruppe aus
dunkel uniformierten Männern die Stufen hinabstampfte. Reflexartig griff er zum
Putzlumpen, mit dem er gerade die letzten Spuren aus Katzendreck aufgewischt
hatte und holte aus, um ihn mit aller Kraft dem Größten der Gruppe ins Genick
zu werfen, ehe er den Arm dann doch wieder sinken ließ.
"Selbst mit Arschlöchern umgehen können."
Er grinste in sich hinein und pfiff leise, als er fröhlich erneut die Treppe wischte.