Der Mann hatte ihr zunächst etwas Angst gemacht - wie sie es hier oft taten. Er war sehr groß, seine Schultern breit und kräftigt. Er war alt. Er war laut und er benahm sich benommen - vermutlich bereits betrunken, als er in den Seiltänzer kam und die beiden Frauen - jeweils von einer etwas schüchternen Natur - beinahe ungebührlich ins Auge nahm. Aber an seinem Blick erkannte die junge Endophali, dass es keine Unflätigkeit war, nur der Wunsch etwas zu sehen, was nicht so trist und trüb wie die Stadt im beginnenden, verregneten Vitama war. Es benötigte etwas Mut anstelle von Uvarya dem lauten Mann seinen Meisterbrand zu bringen. Aber er war freundlich, die Art wie er sprach. Seine Mundart machte es Bahiyah nur schwerer ihn richtig zu verstehen, aber nicht immer benötigt es viele Worte um auszudrücken, dass ihre Angst weniger wurde. Die junge Frau, fast noch ein Mädchen, blieb nun in seiner Nähe am Tresen um ihm zuzuhören, wagte es aber nicht den Blick zu ihm aufzuschlagen. Sie wusste, der Wirt wollte nicht, dass sie zu viel mit den Gästen sprach.
Deshalb verstand sie nicht, warum der alte, starke Mann wieder kam und ihr die Dinge auf den Tisch legte, die sie im Schein des Kaminfeuers golden anlächelten. Sie hatte noch nie solch edlen Schmuck so nah vor sich gesehen. Uvarya hatte Angst, er würde dafür etwas von Bahiyah verlangen, wenn er wiederkäme, Marik war amüsiert und Bastians Miene verdüsterte sich schlicht. Das goldene Armband trug eine Gravur von in der Stadt lebenden Personen. Es war mutmaßlich gestohlen - und ihr bald besorgt fortgenommen. Sie ärgerte sich nicht, dass man es ihr nahm - jugendlicher Kummer und Frust darob, dass man ihr nicht erlaubte es den Personen wiederzugeben, selber zu entscheiden, was sie mit den Dingen tat. Auch wenn man es nur gut meinte - sie verstand es, kuschte, gab gehorsam klein bei. Bastian war ihr Herr hier im Seiltänzer und verschwand mit weiterhin düsterer Miene aus der Taverne in späte Nacht hinaus.
Als er wiederkam, kam mit ihm ein neues Schmuckstück in den Seiltänzer, graviert mit zwei Initalien - die zweite gehörte seiner letzten Frau. Bahiyah fühlte sich schuldig, dass ihr Mienenspiel so interpretiert wurde und folgte ihrem Herrn hinauf zu seiner Wohnung - im Wunsch ihm das Schmuckstück wiederzugeben. Doch man sah sie mit verletzter Verachtung an, sagte ihr, sie solle es behalten, damit sie sich jeden Tag daran innere, welch schlechter Mensch sie sei - und den anderen Schmuck sollte sie auch weggeben. Und neben dieser Verachtung war auch brüderlicher Fürsorge zu hören. Ihr Flehen und ihre Versicherungen, dass sie nichts Böses tat, dass sie die galadonischen Männer nicht nach Geschenken fragte, sie ja meist nicht einmal ansah, dass sie das Gestohlene doch weggebracht hätte… alles wurde überhört und endete mit kummervollen Tränen, die aus der Angst und Scham heraus geboren wurden. Angst, dass der Wirt sie hinauswarf, Angst vor den Vorwürfen und Scham ob der vernommenen Worte.
Am nächsten Tag wagte sie nicht, irgendwelchen Schmuck zu tragen - bewegte sich nur sehr leise und zurückhaltend durch den Seiltänzer und schwieg sich aus. Sie musste achtsam sein, nicht wieder Missfallen zu erwecken, die Gäste nicht anzusehen oder anzusprechen, aus der Angst, jemand käme wieder zu freundlich auf sie zu. Nicht der Mann in der roten Uniform, dieser Freund von Bastian. Er nannte ihn Lucius. Dieser Mann hasste Bahiyah regelrecht. Er verachtete sie und vielleicht fürchtete er sie auch. Furcht trieb Männer zur Gewalt an, das hatte sie zu oft gespürt - und so horchte sie auf jedes Wort und eilte noch verstörter, als sie eh schon war davon, um seinen Wünschen zu entsprechen und Bastian aus seinem Schlafraum zu holen. Als Radus Dragol, der Schenker, wieder in die Taverne kam, war es der erste erleichterte Glücksmoment den sie an diesem Tage empfand. Er war ein gut zahlender Gast, Bastian würde darauf achten müssen, dass es ruhig in der Taverne blieb und der rote Soldat ihr nichts antat - und auch Radus würde es nicht zulassen.
Doch leider wurde genau er zum ausschlagendem Element dieses Abends, sah, dass Bahiyah den Schmuck nicht trug. Sie wusste selber nicht, ob sie ihm zunickte, ob sie den Kopf nur wegdrehte, weil sie sich nicht wagte in der launischen Anwesenheit ihres Herrn irgendetwas zu sagen - doch zu spät. Selbst ihr Zögern war genügend Antwort, dass der Abend noch zu eskalieren drohte - und sie wusste nicht, was sie dagegen tun sollte.
Bevor die Schläge auf den einen oder den anderen niedergehen konnten oder die Messer in Fleisch schnitten, damit das Wasser der Männer auf dem Steinboden vor dem Seiltänzer vergossen werden konnte, gab es ein langes Hin und Her. Männer im Zweikampf durfte man nicht abhalten, nur wenn es ausuferte. Sie hatte nicht den Stand, etwas zu sagen, würde die Ehre der Männer damit beschmutzen - was Leonar wohl nicht bedachte.
Es war der Mann in ihrem Rücken, der leise etwas von Halbblütern sprach… dass dies alles nur die Schuld dieser Endophalihure sei. Bahiyah verstand noch nicht viele Worte, aber das verstand sie durchaus, ergriff in diesem Moment ihre Gelegeheit. Mit der ehrlichsten Naivität, die die verängstigte Endophali in diesem Moment noch aufbringen konnte - fragte sie für alle anwesenden Männer hörbar: "Was i'st eine Endophalihure?", als wäre ihr der letzte Wortteil nicht gebräuchlich. Lucius antwortete ihr und schaffte es in just diesem Moment zum gemeinsamen Feind aller Anwesenden zu werden und die Schlägerei aufzulösen.
[ooc: Danke für dein stimmiges (Konflikt-)RP]
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