...und so neigte sich auch dieser Tag dem Ende. Intrigen wurden gesponnen, Kämpfe wurden ausgefochten, Zwiste verkompliziert, Wahrheiten verhüllt, Lügen genährt, Messer gewetzt. So viel geschah täglich hinter verschlossenen Türen, in kleinen Kellern, an finsteren Orten und so viel Unaussprechliches fand letztlich doch eine Zunge die es andeutete, ein Ohr das es aufnahm und einen Verstand der es komplettierte. Und dazwischen konnte stets so viel schiefgehen. Tare war schon ein finsterer Ort, der stets nur einen Steinwurf davon entfernt schien in Finsternis zu fallen. Ähnliches würde man wohl 4 von 5 Galadonier sagen hören wenn man sie nach Güte und Hoffnung fragte. Und 3 von 4 jenes einen von 5 sollte man diese Frage besser nicht an einem schlechten Tag stellen. 2 dieser 3 von 4 würden den Fehler nicht bemerken und der verbliebene würde sagen dass es normal sei, da es leicht sei an guten Tagen gut zu sein.
Würde man Lumina Siegel an einem jener Abende fragen würde sie wohl etwas sagen wie: Dinge wurden geschaffen. Kleine Dinge. Dinge deren Ausgang noch ungewiss ist. Und Ungewissheit kann Hoffnung sein, denn mit beständigem Wohlwollen "kann" immer noch alles gut werden. Kämpfe wurden ausgefochten, ja. Aber Kämpfe wurden auch verhindert. Sie würde sagen dass so viel Dunkelheit an den unterschiedlichsten Orten gesät wurde, aber nie keimte. Weil viele Leute, kleine Leute, einfache Leute mit beständiger Mühe und manche mit erschreckender Leichtigkeit einfach nicht bereit waren es zuzulassen. Oder nicht anders konnten. Männer - Frauen - Kinder. All jene Geliebte, die jemandem so teuer waren, dass sie sie von dem grausamstem was Tare zu bieten hätte, verschonen wollten. Jene die den Menschen die dort draußen ihr Herz verhärten lassen müssen, ein Heim bieten, zu dem sie zurückkehren und Wärme finden können. Jene die einem Fremden ohne einen Hintergedanken helfen. Jene die nie einem Kind weh tun könnten und jene die so viel erlitten haben, dass es einfach genug wäre zu sagen, dass sie es der Welt nun zurückzahlen würden - die die trotzdem, oder gerade deswegen sich dafür entschieden, es besser zu machen. Tare besser zu machen. Jene die im Stillen ihre Arbeit tun, ohne Dank oder Lohn zu verlangen. Jene die nicht viel brauchen, aber so viel ertragen können. Wo viele sagen würden, dass Tare gerade hinter verschlossenen Türen ein finsterer Ort ist, hätte Lumina ihnen widersprochen.
Das war was in ihrem Herzen stets erklang. Was an diesem Abend geschah war viel simpler: Der Abwasch war erledigt, die Akademie war vorzeigbar, und sie war ihren Pflichten als Weißmagierin nachgekommen. Sie war da wo sie gebraucht wurde - das war nicht immer der Ort an dem sie mit ganzem Herzen sein wollte, aber das Leben war eben kein Wunschbrunnen. Wäre es einer gewesen, hätte sie eine Dukate hineingeworfen. Für ihre Mutter. Nein - nicht um sie zurückzuholen. Um ihr zu sagen "diese ist für dich - du hast einen Wunsch frei". Aber wo waren wir stehen geblieben? Der Tag. Richtig. Essen wurde gekocht, und Menschen wurden erwartet die nicht kamen. Natürlich, "ihren Pflichten als Weißmagierin nachgekommen" könnte an dieser Stelle eine weitaus aufregendere Geschichte sein. Man würde nun fragen wen sie alles beriet, rettete und welche Implikationen das hatte. Man würde die Tragweite ermessen und den Atem anhalten im Angesicht der gravierenden Folgen die eine kleine, unbedachte Geste in allzu ferner Zukunft haben könnte. Und auch wenn sich all dies in ihrem Kopf abspielte, an Abenden wie diesem, so war es nur selten dazu bestimmt, ihr Gedanken von den kleinen Dingen abzulenken. Denn all diese "unbedeutenden Dinge" die keine "guten Geschichten" ergaben - sie hielten die Dinge am laufen. Sie hielten andere Geschichten am Leben, indem sie deren ungenannte Grundlagen unterfütterten. Dies zu erklären hätte Lumina zweifellos dazu gebracht ihre Mutter zu zitieren die ihr einmal gesagt hatte "Tare dreht sich nicht nur um deine eigene Geschichte". Von diesen Gedanken begleitet bereitete sie den einfachen Kohleintopf. Mit diesem Gedanken ordnete sie einige Bücher in der Bibliothek neu. Mit diesem Gedanken kehrte sie den Gemeinschaftsraum. Mit diesem Gedanken machte sie den Abwasch. Dieser Gedanke begleitete sie auch, wenn ihre zweiten und dritten Gedanken weiter schweiften und ihre eigenen menschlichen Probleme erwogen. Dinge waren nie einfach, besonders als Magier. Das Magiersein warf fragen auf, die man sich an solchen Abenden stellte wenn man allein war und alle Arbeiten getan waren. In den Momenten in denen sie die Sterne betrachtete. Nein, gewiss, Dinge waren auch an einfachen Tagen nicht einfach und Lumina war bewusst was 4 von 5 Menschen dachten, und dass sie Gründe dafür hatten. Ihr war bewusst was 3 von 4 dieser 4 von 5 nicht wussten, und ihr war auch vollkommen klar was einen Falken auf ihrer rechten Hand oder die Hauskatze ihres Nachbarn nicht kümmerte.
Aber dennoch... trotz all dem ließ sie nicht zu, dass dies Wissen ihre Entscheidungen beeinträchtigte. Zum Ausdruck gebracht an jedem dieser Tage, und bestärkt und neu beschlossen an jedem dieser Abende.
Und so war es Hoffnung...stets Hoffnung, die sie empfand, auch wenn sie, wohlwissentlich, kalten, gleichgültigen Sternen entgegenblickte.