Tempel in Falkensee - 3. Sekar 26 n. H.
Elgbert Drom nahm einen Keks von einem der Teller und zischte, als das heiße Gebäck seine Unterlippe verbrühte, nachdem er allzu gierig hineinbeißen wollte.
"Verdammt, warum sagst du mir nicht, dass sie noch heiß sind?", brummt er und bemaß den Elfen mit einem vorwurfsvollen Blick. Ein leises Lachen folgte von seinem elfischen Freund. Es war schon seltsam, dass er gerade mit einem Diener der Mutter so ein enges Verhältnis in den letzten Monden aufbauen konnte. Doch die Zeit, als er am Hospital Wache halten sollte, war der Grundstein für diese Verbundenheit. Jeden Tag war Tendarion dort um nach den verletzten Cortanern zu sehen, die dort mehrere Wochenläufe lagen. Und keinen einzigen Tag hatte Elgbert das Gefühl "nur" eine Türwache zu sein, sondern tatsächlich ein wichtiger Aspekt im Aufrechterhaltung der Ordnung im Hospital zu sein.
Elgbert mochte seinen Dienst über alle Maße. Auch wenn er nicht in der Lage war mit Ruhm zu glänzen, da er nicht an der Front zu finden war, fühlte er sich den Göttern nahe, wenn er den Geweihten in der Ausübung ihres Dienstes helfen konnte. Und wenn es nur war um zu gewährleisten, dass sie sicher von einem Ort zum anderen kamen.
"Du hast heute nicht vor, im Süden irgendwelche Hetzschriften gegen die Diener des Ungenannten aufzuhängen und brauchst mein Geleit, hm?", brummt er wieder in seiner tiefen Stimme, als er den Elfen mit einem amüsierten und doch abwartenden Blick bemaß. "Nein, nimm ruhig deinen Dienst auf. Ich habe später nur einen Tardukai zu Tee und Gebäck eingeladen. Kein Grund noch zusätzlich einen Brief ihnen zukommen zu lassen.", entgegnete der Elf leichthin, während er von seinem Tee trank und Elgbert mit einem verschmitzten Blick bemaß.
Elgberts Augen fielen ihm fast aus den Kopf und er sah ein wenig alarmiert zur Türe, in der Hoffnung, dass nicht sogleich der Calator oder Hochwürden Altor in die Küche traten. Manchesmal war es ihm ein Rätsel wie der Elf in vertrauter Umgebung solcherlei einfach von sich geben konnte ohne Angst davor zu haben dafür gerügt zu werden. Elgbert würde es nicht einmal wagen so einen Scherz zu denken, geschweige denn auf geweihtem Boden auszusprechen.
"Du bist unmöglich, mein Freund.", kopfschüttelnd sprach er die Worte und setzte sein Barett auf, ehe er sich mit einem unwilligen Schmunzeln aufmachte und noch einen Keks nahm und wieder fluchte, dass er viel zu heiß wäre. Gerade öffnete Elgbert die Türe als ihm 8 riesengroße Augen entgegenstarrten und den Keks, den er halb zum Mund geführt hatte, mit einem Glitzern in den Augen betrachteten.
"Hallo! Wir wollen zu Tendarion unseren Pakt einlösen!", sprach dann das kleinste der Mädchen und drückten sich an dem perplexen Templer vorbei, der gar nicht mehr wusste, wie ihm geschah. "Tendarion..?", entfuhr es ihm noch, doch als er dann schon die freudige Begrüßung des Elfen hörte, als die Kinder in die Küche stürmten, gab sich Elgbert geschlagen und begab sich wieder an seinen Posten vor dem Astraelschrein.
Er hoffte, dass der Calator ihm nicht wieder zuviel Aufmerksamkeit schenkte, oder dass wieder ein Schwarzmagier in den Schrein gebracht wurde. Er wusste immer nicht, wie er sich in diesen Momenten verhalten sollte, die hohen Persönlichkeiten waren nicht sein Metier und Schwarzmagier schon gar nicht. Aber er würde einfach die steife und wenig gesprächige Wache mimen. Es war schon ein wenig unheimlich, wenn der Calator stundenlang vor dem Buch stand und sich nicht regte. Wie gerne würde er am Vitamaschrein Wache halten. Dort hörte man immer Musik und Gelächter. Aber dann müsste er auch gleichsam immer in den Morsanschrein starren. Da war ihm die Aussicht auf den Schrein des Herrn Bellums doch ein wenig lieber.
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Tim Schwertstreich mochte Tendarion wirklich. Meistens sind die Erwachsenen ja doch sehr zurückhaltend, wenn er und seine Geschwister in Falkensee ihr Unwesen treiben, doch Tendarion hat nicht einmal geschimpft, als sie die Steine in den Ofen des Hospitals geworfen hatten. Im Gegenteil, er hat ihnen sogar noch Kekse und Bonbons angeboten. Und der Pakt den sie schlossen, der zwar irgendwie unlustig war, aber sich dennoch bezahlt gemacht hat bisher, war auch etwas, was andere Erwachsene nie gemacht haben. Meistens wurden sie weggescheucht und als Diebe bezeichnet, die nur von den Marktständen Naschwerk oder Spielzeug klauen wollten.
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Beim Stall östlich vom Marktplatz Falkensees - 3. Sekar 26 n. H.
Ständig musste ihr Vater,
Handis Schwertstreich, der einer der Wachmänner Falkensees war, hinter ihnen hinterhereilen, obwohl es ihm nicht erlaubt war seinen Posten zu verlassen. Seit seine Frau krank war, war es nicht einfach für ihn den Alltag und seine Arbeit zu meistern. Die Dukaten reichten nicht, die Kinder waren noch zu jung zum arbeiten und der Husten seiner Frau schien immer schlimmer zu werden. Doch die Familie konnte sich einfach keinen Heiler oder Medizin leisten. Mit schwerem Herzen ging Handis jeden Tag auf seine Arbeit und war ein wenig peinlich berührt, als der Elf nun begann ihm Essen zu bringen. War es schon so weit in seinem Leben gekommen, dass er Almosen annehmen musste? Er fühlte sich hundeelend, dass er trotz der harten Arbeit, die er und seine Frau vollrichteten, auf die Spenden des Ordo Vitamaes angewiesen waren, obwohl es doch an ihnen war für den Orden zu spenden.
Doch hatte er Angst das Proviant des Dieners der Mutter nicht anzunehmen, auf dass das Ansehen seiner Familie in der Kirche nicht litt. Mit einem flauen Gefühl im Magen und einer nagenden Verzweiflung im Nacken, nahm er das Proviant an und war erleichtert, als der Elf sich auch schon schnell zurückzog. Woraufhin er sich noch schrecklicher fühlte, da er froh war, dass Tendarion endlich weg war.
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Die Wohnungsanlagen im westlichen Falkensee - 3. Sekar 26 n. H.
"Und, und dann hat der Drache..", "Es war kein Drache sondern ein Bask, Baskil, Baslik..eine Echse", "Basilisk heißt das, du Hohlnuss", "He! Hört auf zu streiten!"
Tim hielt Tendarions Hand die ganze Zeit über fest, als sie zu fünft in das Haus der Schwertstreichs gingen. Sie mussten einen Zeitpunkt wählen, an dem es unwahrscheinlich war, dass ihr Vater nach Hause zurückkehrte, da er wieder schimpfen würde, dass sie den Elfen mit nach Hause nahmen, damit er ihre Mutter untersuchen konnte. Angelangt an den Wohnungsanlagen, im Westen der Stadt, betraten sie die Wohnung, die für sechs Personen viel zu klein erschien, doch der Elf sah sich nicht einmal um, oder verzog seine Mimik, als er der Enge der Wohnung gewahr wurde. Lediglich drei Zimmer eine Wohnstube, die als Küche, Gemeinschaftsraum und Waschort zugleich genutzt wurde, sowie zwei weitere Zimmer, eines für die Kinder und das andere, für die Eltern. Man fühlte sich beengt und dennoch hatte die Wohnung etwas einladendes und wohnlich-belebtes zugleich. Es war ordentlich, sauber und die grobgeschnitzten Figürchen, die auf einem einfachen Regalbrett über dem Esstisch standen, zeugten davon, dass sie trotz ihrer Bescheidenheit, nie den Blick für den rechten Glauben verloren haben.
Das angestrengte, keuchende Husten aus dem Elternschlafzimmer ließ die Kinder in ihrem freudigen Geschnatter innehalten. Tim sah besorgt zu Tendarion, während das kleinste Mädchen von ihnen mit einem Mal zum Weinen begann. Sogleich wurde sie von ihrer älteren Schwester getröstet, als Tim zusammen mit dem Elfen in das Zimmer, in dem es nach Schweiß und Krankheit stank, ging. Glasige müde Augen sahen zu den beiden und wieder ereilte die Frau einen schweren Hustenanfall. Der Elf öffnete das Fenster und ließ frische, kalte Luft hereinströmen.
Unter Tränen begann sich die erschöpfte Frau zu entschuldigen, dass die Wohnung so klein war, dass es nicht angemessen war einen Kirchendiener hier zu wissen, dass sie nicht die Dukaten hatte um für die Arznei zu bezahlen. Der herannahende Morsan und der Krieg hat die Preise der Nahrung so sehr hochschnellen lassen, dass ihre Krankheit nun dafür sorgte, dass sie Handis' gesamte Dukaten für die Pacht einsetzen mussten und die letzten Ersparnisse für das Essen der Kinder aufbringen mussten. Schluchzend krächzte sie mit heiserer Stimme, wie sie den Schmuck ihrer Großmutter zuletzt verkaufen musste, damit sie wenigstens für einen Wochenlauf zu Essen hatten. Tim hatte mittlerweile Tränen in den Augen, da er seine Mutter noch nie so zu Gesicht bekam. So schwach, so leidend und dass es so schlecht um sie stand, war ihm erst recht nicht bewusst.
Der Elf untersuchte die Frau, während er mit geduldiger und aufrichtig mitfühlender Miene ihren Ausführungen lauschte und in beruhigender Manier, mit sanften Worten, versuchte ihre Sorge zu nehmen. Tim wurde aufgetragen Wasser heiß zu machen und Tendarion erklärte ihm wie er den Feuerkieseltee zukünftig für seine Mutter zubereiten musste und wie er kalte Wickel um ihre Beine legen musste, auf dass das Fieber so schnell wie möglich sinken würde. Keinen Zweifel hatte er daran, dass Tendarion ehrlich war und seine Mutter wieder vollständig gesund wird. Denn alles was der Elf bisher versprochen hatte, hat er auch gehalten!
Als ihre Mutter, nachdem sie mit dem Aussprechen all ihrer Sorgen, endgültig der Erschöpfung Anheim fiel und einschlief, wandte sich Tendarion an die vier Kinder und erklärte ihnen, dass sie ab sofort jeden Tag zum Essen in das Ordenshaus kommen sollten. Dort bekommen sie dann auch noch was nach Hause, damit ihre Mutter und ihr Vater auch etwas essen konnten. Und wenn es an Kleidung oder Arznei fehlte, so sollten sie unabhängig davon jederzeit zu Tendarion kommen. Alle vier nickten, weit weniger von Scham und Zurückerhaltung betroffen, wie es bei ihren Eltern der Fall war.
So erklärte sich Tim zum Anführer, wieder einmal, und bestimmte, wer von den vier Kindern was zu tun hat, damit ihre Mutter wieder schnell gesund und munter würde und wieder arbeiten konnte. Tim verabschiedete sich artig von dem Elfen und schon machten sich die Kinder, wenn auch ein wenig unbedarft und ungeschickt, daran den Haushalt zu machen und sich um ihre Mutter zu kümmern.
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Beim Stall östlich vom Marktplatz Falkensees - 3. Sekar 26 n. H.
Währenddessen kaute Handis mit einem unwilligen zufriedenem Blick an dem mit Käse belegten Brot nach Art der Elfen herum, während er sich das Treiben auf dem Marktplatz ansah.