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 Betreff des Beitrags: Im starken Schutz des Höchsten.
BeitragVerfasst: 23.06.16, 22:38 
Edelbürger
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Sanfte Finger gleiten über die Saiten aus Rosshaar und entlockten dem schlichten, viel genutzten Instrument eine wehmütige Melodie. Im Gesicht des Mannes, der die Laute im Schoß geborgen hält, spiegelt sich das flackernde, warme Licht einer nahen Kerze wider. Hier unter Deck, im Bauch des Schiffes, herrscht sonst kein Felaschein und auch sonst ist es ein befremdlicher Ort. Es riecht, nach abgestandenem Wasser aus der Bilge, nach Öl und Teer aus der nahen Werkstatt des Schiffes und nach Staub, denn dieser Tage hat es sonst niemanden hierher verschlagen. Rund um den stahlgekleideten, eichenhölzernen Wanst des Dreimasters spült Xan die leckenden Wellen des Hafenbeckens, die man hier drinnen noch hört. Ihr Schwappen und Schaukeln fügt sich ein in die Melodie, wie das wiederkehrende Motiv der fortlaufenden Sinneseindrücke. Spärlich nur ist der alte Seebär ausgeleuchtet: Das einzelne Flämmchen zeigt wenig mehr als einen ungepflegten Bart, das filzige Haar und dazwischen ein Meer aus tiefen, ernsten Sorgenfalten, wie es nur ein bewegtes Leben hinterlassen kann. Aus den eingesunkenen, geröteten Augen gilt dem Werk der eigenen Finger ein wässriger, kraftloser Blick.

Ein Beobachter könnte meinen, dass der einsame Mann gerädert und ausgezehrt wirkt, wie nach einer allzu langen Haft. Doch nicht die frische Freude neu gewonnener Freiheit sieht man ihm an, denn es scheint ihm eine Bürde auf den Schultern zu lasten, die sein schmales Kreuz beugt und seinen Blick nach unten gerichtet hält. Im nächsten Moment vergreift er sich an einer Saite, die Fingerkuppe rutscht ab und der erklingende Misston bringt die Melodie zu einem abrupten Halt. Keuchend atmet er durch und legt das Instrument beiseite. Die flache Hand liegt nun auf dem bloßen Holz der Planken unter seinen Füßen. Klamm ist es, bedeckt von grünlichen Algen, und dabei voller Charakter: Kein Stück gleicht dem anderen. Als würde er eine treue, liebgewonnene Begleiterin an der Wange liebkosen, so streicht er über das Holz unter sich und versieht es gar mit einem Kuss spitzer, spröder Lippen. Ihr neigt er sein Ohr, als würde er sich von diesem leblosen Werkstück doch nur wenige Worte schmerzlich vermisster Zuneigung erhoffen. Und so verbleibt der gebeugte, gebrochene Kapitän dort noch, bis die Kerze sich wachstriefend dem Boden zuneigt und schließlich vergeht. Durch den Schleier der Dunkelheit entzieht sich diese Szene der rührigen Zweisamkeit auch etwaigen, beobachtenden Blicken.

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"Nenne mir, Muse, den Mann, den Vielgewanderten..."
Ἄνδρα μοι ἔννεπε, Μοῦσα, πολύτροπον


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 Betreff des Beitrags: Re: Im starken Schutz des Höchsten.
BeitragVerfasst: 9.07.16, 18:06 
Edelbürger
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I must go down to the seas again, to the lonely sea and the sky,
And all I ask is a tall ship and a star to steer her by;
And the wheel’s kick and the wind’s song and the white sail’s shaking,
And a grey mist on the sea’s face, and a grey dawn breaking.

I must go down to the seas again, for the call of the running tide
Is a wild call and a clear call that may not be denied;
And all I ask is a windy day with the white clouds flying,
And the flung spray and the blown spume, and the sea-gulls crying.

I must go down to the seas again, to the vagrant gypsy life,
To the gull’s way and the whale’s way where the wind’s like a whetted knife;
And all I ask is a merry yarn from a laughing fellow-rover,
And quiet sleep and a sweet dream when the long trick’s over.


Der Anblick eines sternenreichen Himmels in klarer Nacht hat es an sich, in jedem Beobachter eine Ergriffenheit zu wecken. Nie greifbar, nie nahbar bleibt einem nur die Spekulation über ihren Ursprung, ihre Beschaffenheit und ihren Zweck. Ein Diener der Vitama mag meinen, die schillernden Juwelen und glitzernden Münzen im Hort des Diebes Rendar zu erblicken. Die Anhänger der großen Drachen würden von den irisierenden, allumfassenden Schwingen des Himmelsdrachen Rilamnor berichten. Ein nüchterner Magier könnte die Hypothese aufstellen, dass in so großer Ferne die sphärischen Grenzen hin zum göttlichen Licht verschwimmen. Letztlich kursieren solche Gedanken (und viele mehr) bereits seit den frühsten Tagen der jungen, sterblichen Völker. Der erste Mensch hatte nach seinem ersten Atemzug hinaufgeblickt und die selben Konstellationen am Firmament gesehen, die tausende Jahre später noch gleichermaßen die Herzen der Liebenden und die scharfen Geister der Gelehrten gleichermaßen im Bann halten sollten. Und in unveränderter Observanz waren die Sterne zugegen gewesen, als dieser erste Mensch von seinen Kindern zur Ruhe gebettet wurde - mit blassem Licht als Leichentuch.

Solche und ähnliche Gedanken gingen dem Einbeinigen durch den Kopf, als er in einem stillen Dunkelzyklus auf dem Deck des Schiffes lag und hinaufblickte. Es war ihm aus jungen Jahren eine Angewohnheit geblieben, in ungewissen Zeiten die Nähe zu den Gestirnen zu suchen. Bei allem, was verfallen und vergehen mochte, wirkten sie auf den einsamen Seebären wie stoische Wegbegleiter. Mit jedem Dunkelzyklus nahmen sie in Reih und Glied ihre Positionen ein, als stille Erinnerung an das implizite Versprechen der Schöpfung. Dieses war nämlich, dass das Werk der Elementarherren zwar, dem Lauf der Gezeiten gleich, wachsen und wieder vergehen mochte, und doch von einer versicherten Ewigkeit war. Mit jedem Zyklus erneuerten sie ihr Versprechen gegenüber den ewigen Drachen, der beseelten Schöpfung gewissenhaft einen nährenden Boden zu stellen. Und was für ein prächtiger Boden dies geworden war. Tare als unbekanntes, ungezähmtes Land weckte in jeder frommen, freien Seele eine rege Neugierde.

Die Sterne mochten ewig und perfekt sein, aber auf ihren Bewunderer traf dies längst nicht zu. Als er sich erheben wollte, hatte er mit seinem halben Bein erhebliche Mühe. Und als er schließlich stand, protestierten müde die steifen Gelenke. Er würde sich mit einer Decke in seinen Sessel setzen und einen Tee mit Schuss genießen, ehe er sich an diesem lauen Astraelsabend noch erkältete.

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