Der Schrein war still, als er ihn mit bloßen Füßen und in ein einfaches, bequemes Gewand gehüllt, betrat. Das Wasser, mit dem er sich die Hände geradezu zwanghaft gründlich gereinigt hatte, tupfte dunkle Löcher in den Boden, während es hinab fiel, hinterließ noch eine leichte, feuchte Spur auf einem der Kissen, dass er sich griff. Er kniete sich zu dem Leichnam, den er um ihn halbwegs diskret durch Brandenstein tragen zu können in einen Teppich geschlagen hatte, löste diesen und warf ihn achtlos beiseite, stellte dann seine Tasche griffbereit ab. Achtsam hob er das Haupt der Toten an, ohne ihr im Besonderen Beachtung zu schenken, bettete es auf dem Kissen und begann damit, den Leib ordentlich hin zu legen: die Beine zusammen, die Hände, noch nicht völlig in Morsanstarre verkrampft, vorsichtig über dem Bauch gefaltet, die Arme an den Leib gedrückt. Auch die Gewänder ordnete er mit seiner üblichen, peniblen Genauigkeit. Schließlich zog er eine Bürste aus seiner Tasche, um ihr Haar sorgfältig zu kämmen; dabei hielt er routinemässig mit kritischem Blick Ausschau nach möglichen Auffälligkeiten. Vielleicht, da waren er und Janus sich eilig, war es gar kein Selbstmord gewesen, vielleicht ein Mordanschlag der Akademie zur Linken, um die Kirche zu diskreditieren, wer weiß? Alles musste in Betracht gezogen werden. Kaum war das Haar präsentabel angeordnet, zog er eine Bandage heraus und fixierte mit dieser den Kiefer am Haupt, als wäre die Tote eine Patientin mit einem Zahnleiden; er wusste mittlerweile nur zu gut, dass sich im Laufe der Zeit während die Morsanstarre den Leichnam durchzog, der Kiefer sich so manches Mal weit öffnete - ein für mögliche Betrachter verstörender Anblick, der sich nur so verhindert werden konnte. Leider half auch das Schleifchen, mit dem er die Arbeit abschloss, nicht wirklich, das iritierende Bild zu verschönern. Er hoffte innig, dass er Collnaid lange genug von der Leiche würde fern halten können, dass ihm dieser widersinnige Anblick erspart bliebe. Nicht, dass es seinem Freund all zu viel nutzte: die Mutter seines ungeborenen Kindes war tot, hatte ihm mit brachialer Grausamkeit das Kind genommen, dessen Vater er werden sollte. Wie grausam das war, konnte der Fey nur bedingt nach empfinden, quälte ihn doch vor allem der Gedanke, dasss irgendwer befähigt war, eine werdende Mutter zu töten, ob Entleibung aus eigener Hand oder Mord war dabei recht gleich. Für Fey war das werdende Leben das größte Geschenk, eine schwangere Frau etwas, dass selbst der friedfertigste Fey mit Waffengewalt und seinem eigenen Blut verteidigen würde, müsste er. Ohne zu zögern. Maichellis beendete die Arbeiten an der Toten, rollte den Teppich zusammen und warf ihn nach draussen, zur Seite weg; er würde ihn später entsorgen. Ganz sicher war er sich ob dessen, was heute Nacht und am nächsten Tag womöglich geschehen würde, doch wenn wirklich jener Segen existierte, von dem Janus gesprochen hatte, dann.. dann gab es die Spur einer Hoffnung. Natürlich hätte er versuchen können, das Lied des Lebens zu finden, andererseits war es nicht an ihm, dort Hoffnung zu schenken oder zu nehmen: dies war Sache der Geweihten. Der Fey kniete sich in der Bellum gefälligen HImmelsrichtung nieder, ein Knie aufrecht stehend, eines am Boden, der Fuß aufgestellt, den Rücken beließ er gerade, ergriff die Kette, die Rodrik ihm dereinst geschenkt hatte und die er seither stets bei sich trug, mit beiden Händen. Viel mehr als seine Gebete würde er nicht beisteuern können, doch auch nicht weniger: er würde seinen menschlichen Gefährten beistehen, hoffend. Wie schön wäre es, Collnaid dabei zu sehen, wie er sein schreiendes, miefendes Kind auf den Armen trüge, wie Tendarion, wenn er zurück kehrte, nicht zerbrechen würde an Grausamkeit eines solch sinnlosen Schicksals! Aber, noch viel wichtiger als das Glück seiner Freunde war ganz schlicht jenes ungeborene Leben im Schoß der gebrochenen Närrin: es hatte nichts getan, diesen Alptraum zu verdienen, es war unschuldig, und darum musste er ihm hier und jetzt Schild sein. Und so betete er, leise, ohne auf das Tun der anderen Bittsteller zu achten, in leisem, rituellem Gesang seiner Muttersprache, inbrünstig und ergeben. Meine Kraft sei die seine, Herzschlag im Einklang, geteilter Odem, will ich geben mein Blut, meinen Willen!
_________________ Inaktiv.
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