"Was sagst du? Nicht grad die Art von Nachricht, die ich bekommen möchte, aber vielleicht ja besser als nichts, aye?"
Manchmal hat er wirklich das Gefühl, sein Wolfsfreund würde jedes seiner Worte verstehen, denn dieser schenkt ihm gerade jene Art von Blick, wie sie ein guter Freud der Aussage "Willst du jetzt wirklich eine Antwort drauf?" voranstellen würde. Dieser halb mitleidige, halb tadelnde Blick, der keinen Zweifel daran läßt, daß man gerade Schwachsinn redet.
Seufzend sieht er also auf das Schreiben in seiner Hand hinab. Um ihn herum, im feuchten Gras verstreut und teilweise schon gänzlich durchnäßt, liegen die vorherigen Versionen des Briefes. Manche enthalten zu viele Informationen, manche wiederum gar auffällig wenige.
Manche lesen sich wie diese vitamagefälligen, recht dünn gehaltenen Erzählwerke, welche auf den ersten Seiten meist die Zeichnung einer überragend hübschen Frau präsentieren, die mit schmachtendem Blick in den unglaublich muskulösen Armen eines Mannes hängt, der sich aus irgend einem Grund wohl kein Hemd leisten kann.
Manche wiederum könnten direkt aus dem Aktenschrank eines überexakten Inquisitors stammen in ihrer überzogenen Korrektheit, der distanzierten Sprache und der so wundervoll nichtssagenden Worthülsen.
Die jetzige Fassung hingegen hat von alledem ein wenig, was sie zu der bisher schlechtesten macht. Aber auch zu jener, die er vermutlich versenden wird:
Zitat:
Der Herrin Freude mit dir, meine Liebste!
Ich hoffe wirklich, du liest diesen Brief, anstatt ihn ungesehen einfach in der Luft zu zerreißen. Sofern er dich überhaupt erreicht, sind vermutlich mittlerweile vier oder fünf Monde ins Land gezogen, seit ich dich so unrühmlich außer Gefecht gesetzt habe.
Sei nicht sauer, ja? Du weißt, daß ich dich nicht zurückgelassen hätte, wenn ich eine andere Lösung gesehen hätte. Aber der Dienst an der Mutter führt eben manchmal auf Pfade, die ich nur alleine betreten kann.
Nein, ich werde dir hier nicht vorlügen, ich wäre an einem sicheren Ort und jegliche Sorge unbegründet. Wir wissen ja beide nur zu gut, daß es einen solchen Ort derzeit auf ganz Falandrien nicht gibt.
Aber ich bin wie immer wohlbehütet umgeben von anderen Mitgliedern der Kirche, habe einen kuschlig warmen Schlafplatz und Aufgaben, die mich den ganzen Tag auf Trab halten. Alles was mir fehlt ist deine Nähe. Und ja, ich weiß, daß das schnulzig klingt.
Ich kann dir nicht sagen, wie lange ich wegbleiben werde. Mir bleibt wirklich nur dich zu bitten, Geduld mit mir zu haben. Mal wieder.
Bitte mach Mama Minaa nicht allzu viele Schwierigkeiten. Ich denke, ich muß dir nicht sagen, daß sie dir ohnehin nicht verraten wird, wo ich bin. Auch wenn du vermutlich schon mehrfach versucht hast, das aus ihr heraus zu kitzeln...
Ich schicke dir hundert Küßchen. Einen davon gib bitte an Ratte weiter, aber der Rest gehört ganz und gar dir!
In ergebenster Liebe,
Dein Ben