Edelbürger |
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Registriert: 12.06.02, 19:27 Beiträge: 2990
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In zeitlichem Abstand von mehreren Stunden finden drei Briefe ihren Weg zu Mitgliedern der Kirche. Ein Fischer hinterlässt in der Früh an der Kathedrale selbst bei den Wachen einen Brief an den Astraelorden. Ein Bub aus dem Hafenviertel gibt zu späterer Stund einen Brief für die Diener Bellums am Ordenhaus ab. Ein dritter Brief mit gleichem Wortlaut findet irgendwann im Laufe des Tages seinen Weg in den Vitamaschrein, eine Dirne wurde für diesen Dienst bezahlt. Jemand scheint sicher gehen zu wollen, dass die Botschaft nicht verschwindet. Den Göttern zur höchsten Ehre. Ich musste heute feststellen, dass weder die Magistra Lucy noch der Magister Borgiacremo von der Verbannung und Vertreibung des Paktdämonens zurückkehrten. Jenes Vorhaben hatte natürlich das Wohlwollen von ganz Finsterwangen und beide hatten Weisung, sich noch vor dem nächsten Tage in der Stadt vorzustellen und hoffentlich vom Erfolg der Rettung der Magistra zu berichten. Doch nun ist keiner von ihnen aufzufinden, ohne jede Botschaft und Erklärung werden sie vermisst, obwohl doch aus anderen Mündern es heißt, dass allem Anschein nach nur der Dämon ein Ende fand, ohne dass der Verlust der Magistra zu beklagen ist. Doch aus dem unzuverlässigen Hörensagen konnte ich nicht eindeutig erfahren, wo beide Mitglieder des Magistrats der Akademie von Finsterwangen nun verbleiben.
Solltet ihr zur Entscheidung gekommen sein, die Magistra Lucy nach der Vertreibung doch noch festzusetzen, denn anders kann die Abwesenheit aller Berichte und Botschaften nicht erklärt werden, so möchte ich einige Worte den Richtern und Anklägern auf den Weg geben: Bedenkt, dass wir alle ob eines höheren und größeren Zweckes Opfer einer Täuschung wurden. Die Götter, samt ihrem Letztgeborenen, schrieben ein Theaterstück, aber nicht zu ihrer Erheiterung, auch nicht zu unserer Erheiterung, denn das Publikum waren die Fürsten in Yerrodon. Wie auch wir gezwungen waren, dieses Theaterstück mitzuspielen, so hatten auch die Götter keine andere Wahl, als uns im Dunkeln zu halten, zu unvollkommen sind wir als Schauspieler. Wir zürnen den Göttern nicht für diese List, denn uns Sterbliche zu belügen war der einzige Weg uns zu überzeugenden Schaustellern zu machen. Und so waren wir mit unseren Opfern, unserem Blut, unseren Tränen und unserem Sterben auch nicht allein im Leid, den Schein zu wahren: Die Götter waren Urheber als auch Opfer dieser notwendigen List, gezwungen ihr Gefolge im Dunkeln zu lassen, ebenso gezwungen Schauspieler zu sein und sogar gezwungen, die höchste Frucht ihrer Schöpfung in die Wüste der Niederhöllen ziehen zu lassen und zum vermeintlichen Feinde zu ernennen.
Und gewiss war die Magistra Lucy eine sehr überzeugende Schaustellerin, bis der Vorhang fiel und wir schauen durften auf den wahren Plan der Götter für uns und unsere Seelen. Ihr mag man vorwerfen, dass sie im vergangenen Zeitalter sich vergriff an der scheinbaren Ordnung der Welt und rüttelte an den Säulen der Schöpfung - aber nur auf Geheis des Göttersohnes, als willige Dienerin und im ehrlichen Glauben an Angamon. Ich vermag anzumerken, dass sie sogleich abließ von ihrem Tun, als uns die Wahrheit über die Absichten Angamons offenbart wurde, als er seinen Segen entzog allen Pakten und er den Niederhöllen ein Feind wurde gemeinsam mit dem Rest der Schöpfung. Um den Pakt zu brechen, dazu ersuchte sie eure Hilfe und die Hilfe der Bruderschaft, das mag man ihr zur Gute halten und das ist das Offensichtliche. Doch weniger Offensichtlich ist, dass sie stets der Absicht und dem Plan der Götter folgte, selbst als sie ihren Pakt schloss und all die Dinge tat, die damals von uns gefordert wurden, um das Schauspiel aufrecht zu erhalten. Die Weisung Angamons war es an den Säulen dieser Sphäre zu rütteln, denn sie sollten uns als morsch und verdorben gelten. Die List konnte nur glaubwürdig sein, wenn einige im Licht wandelten und andere sich in der Finsternis verloren. Wenn wir tatsächlich glaubten, wir kämpften, bluteten und starben für die Sache unserer Herren. Die Rollen in diesem Theaterstück musste gefüllt werden und jeder höchste Triumph wie auch tiefste Fall geschah nach dem Willen aller Götter. Wo sie sich an der Ordnung der Welt versündigte, da tat sie es nur, weil auch eure Götter ihr die Rolle der Sünderin auf den Leib geschneidert hatten. Doch mit dem Anbruch des Zeitalters der Wahrheit wurde ihre Rolle unnötig und sie warf sie weit von sich - so fragt euch, wurde es nicht auch unnötig den Richter über all das zu mimen, was in Wahrheit vollkommen im Einklang mit dem Willen aller Götter getan wurde? Dem Worte nach mag sie schuldig sein vor dem Gesetz, doch gäbe es noch Rätsel und Mysterien, wenn dem Gott des Rechts der reine Klang der Worte heiliger wäre als ihr tieferer Sinn?
Viel schrieb ich nun über die Magistra Lucy, vielleicht zu viel von dem, was mir seit Wochen und Monaten durch die Gedanken schwirrt. Tut es ruhig ab als Geschwätz eines Bedeutungslosen, dann soll mir eben das Papier Publikum sein und nicht ihr, werter Adressat. Weit weniger Worte will ich über Jorge Borgiacremo verlieren, er hatte Anweisung die Vertreibung zu beobachten und alle Erkenntnise zu sichern darüber, wie der Dämon vernichtet werden konnte und wie ein Pakt gebrochen werden konnte. Denn versteht, wo die Studien über das Schließen von Pakten und die rechte Verhandlung in unseren Hallen viele Bücherregale füllen, so müssen wir diese Schriften nun fort werfen und ersetzten mit Studium und Erforschung darüber, wie Pakte zu brechen sind und ein Dämon sein endgültiges Ende erfahren kann, sodass er niemals wiederzukehren vermag. Sollte der Magister in die Vertreibung eingegriffen haben, um den Erfolg zu stören, so verdient er jede Strafe. Sollte er wie so oft vorlaut und beleidigend gewesen sein, so hat er sich einige Stockhiebe redlich verdient. Sollte er aber nur seiner Weisung nachgekommen sein, die Vertreibung gewissenhaft zu beobachten und Proben von allem zu sichern und zu sammeln, was unseren weiteren Forschungen wider die Bedrohung aus den Niederhollen nützlich ist, so vermag man ihm allein übermässigem Eifer vorzuwerfen. Ich erwählte den Magister für solcherlei Aufgaben, da er in der Vergangenheit nie große Ambitionen zeigte im Umgang mit dämonischen Wesenheiten und wenig Interesse an ihren Versprechungen, denn er zieht es vor Probleme ähnlich wie auch Toran Dur mit einem Flammenmeer zu lösen.
Mit diesen Ausführungen warte ich auf Auskunft über den Verbleib der beiden Magister, denn es liegt nahe, dass sie in eurem Gewahrsam sind.
Exzellenz Sullin
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